Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, August 01, 1914, Image 2

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    Die Kaiser-Pacht ..Loyenjosskrn" im Kaiser NikyekmKanar.
f r
k iel ist Großstadt geworden. Hub
wenigstens eine jßjtt im sichre
C ist st ist Weltstadt während
der flickt tCJoche, dik alljährlich
dm Höhepunkt dcs deutschen Segelsports
bildet; die großen Festlichkeiten in ben
Nlubräumen ha Kaiserlichen Jachtklubs,
an Bord der Kriegsschiffe, sowie die Gar
tensefte im Tii'ieriibroot sind Gutpunkte
hü gksellschafilichen VerkiHrS. Und ab'
gesehen von Sport und Vcrgnügcn gicbt
die Kieler Woche" die beste Gelegenheit,
Deutschlands ttrösze zur See kennen zu
kernen. Tr größte Theil der Höchste
flotte liegt dann im Kieler Hafen vor
Anker; die Kaiseryacht .Hohenzollern",
die, Torpedoflolülle und allerlei andere
Schiffe der Kriegsflotte sind dort vereint.
Neben den stolzen Trägern der deutschen
fflagge sieht man die Kriegsschiffe anderer
Nationen als Gäste; neben den massigen
MeereZriesen schaukeln sich die Lust und
Sportfahrzeuge auf den Wassern des Herr
lichtn Hafens. Besonders grohartig wird
diel Bild, wenn der Kaiser mit der Ho
benzollern" von den Elbregaiien durch den
Kaiser Wilhelm Kanal zur Kieler Woche
ZieArlennadel.
Novelletts von tjatts L o r n o w.
Welch ein verdrießliches Wetter! Unauf
hörlich schlugen die Tropfen gegen die
Fenster des Strandhotelö, und wer sich
inS Freie gewagt hatte, der brachte mit
seiner klatschnassen Kleidung eine Dunst
wölke von Unbehagen ins Haus zurück.
Das hielt nun schon feit dret Tagen an.
Diese leise eintönige melancholische Musik
oes wegen. 2)t meii,ien oer oyneyin ipar
liche Gäste, die in dem kleinen Ostseebade
dik Freuden der Nachsaison genießen woll
hatten bereits die Flucht ergriffen;
und nur eine ganz kleine Schaar von
Optimisten harrte noch muthig aus, ge
siutzt auf dcn Erfahrungsfatz, daß auch
i Hartnäckigsie Landregen einmal ein
Ende nimmt. Vielleicht wirkte aber noch
i anderer Umstand auf ihre Standhaft
tigkeit bestimmend. Vom Zufall zusgm
mengeführt, hatte man sich nämlich
ein älteres Ehepaar mit ihrer jugendlichen
Nichte, ein in den sogenannten besten
Jahren befindlicher Junggeselle und noch
ein anderer, wirklich junger Junggeselle
im Laufe der letzten Woche zu einer
jenex zwangslosen Saisonkameradschaften
gefügt, die oft dcn angenehmsten Theil des
Badelebens ausmachen. Diese fünf Perso
nen fanden sich auch heute, wie jedn Tag,
in einer gemüthlichen Ecke dcs Gesell
schasssaaleL zusammen, um den Nach
rrittagskassee einzunehmen, und ihn unter
den pbmaliendeu Umständen bis zum
Lbendeffen auszudehnen.
Es gab heute ein Ereignis, ja eine
förmlich Sensation. Tie Sache war sol
Sende: Ein reicher russischer Badegast
alle in den letzten Tagen kurz vor feiner
Abreise eine Brieftasche mit ein paar
Taufend Mark in deutschen und russischen
Banknoten verloren. Ohne die geringste
Aufregung hatte er den Verlust angezeigt
ud war dann mit der ganzen Noncha
sc:nce, die den Bojaren ziert, in seine Hei-
' i",: -".rtareiir$ Ärnf ?Krüfi aTiöT fctH trt
. jMonn die Brieftasche im Gebüsch des
Strandwäldchens gefunden und sie mit
vollem Inhalt an den Ortsvorsteher ab
geliefert. Der Finder, war ein blutarmer
polnischer Erdarbeiter. Während der Pro
fessor gar nichts Auffälliges daran fand,
daß sich das Moralische doch immer von
selbst verstände, schienen die beiden ande
ren, von der modernen Skepsis bedenklich
angegriffenen Herren geneigt, die That
del Erdarbeiters nicht lediglich dem Konto
,ines selbstlosen Idealismus zuzuschreiben.
Serücksichtigen Sie nur Her, Prafessor,
sagit der ältere von ihnen, ein Bankproku
rist, die besonderen Umstände. Tort der
(Reiche, der sorglos ein paar Tausender
in der Tasche trägt und kaum ernsthafte
Schritte zur Wiedererlangung des Ver
lsrenen thut; hier der arme Kerl, für den
der ftimd einen ungeahnten Schatz bedeu
tci. Wä es nicht, wenn auch nickt don
echiswegen, so doch menschlich entschuld
Ut - ja, ich glaube. Viele würden sagen,
ßanz rigtüllich, daß er. sich ein Cluck zu
,L .itlT, iVULtLL lu (UbLia ILUU Uk-L Vllt
von der Kanalmündung her in den Ha
fen einfährt, mitten durch die paradiren
den Kriegsschiffe hindurch, deren Be
satzungcn ihren hohen Kriegsherrn mit
dreifachem Hunahruf und !v!ütz?schmenken
begrüßen, nachdem der letzte Schuß des
KaisersalutZ (von jedem Schiff 33 Schuß)
verklungen ist.
Die .Kieler Woche' ist die größte
aller (-egelwcttfahit'Veranflaliungcn i
Teutschland und besteht schon seit mehr
als 25 Jahren. Aus kleinen unscheinba
rcn Ansangen hervorgegangen, hat sie sich
durch die unmittelbare Einwirkung Kaiser
Wilhelms zu einer der größten Einrich
tungen der Art auf der Welt herausge
macht. Fast alle deutschen SeglcrklubS
und Vereine sorvie die haupisäcblichsten
der nächsigclegenen Länder entsenden dazu
ihre Vertreter an Jachten und Milglie
dern. Ost, ja neuerdings fast immer, stet
len sich solche auch aus Amerika ein. las
Bild, das diese Cegelwcttfahrten gereich
rcn, ist ungemein großartig und bietet
dem Auge der Zuschauer mehr als irgend
ine andere europäische Regattawoche.
Auch sportlich stehen diese Wettfahrten
ganz auf der Höhe; der deutsche Segel
nutze macht? Ach, bloß nichts finden! rief
Fräulein Amalie aus. Ich entsinne mich,
daß ich einmal in einem Ctraßenwinkel
ein Portemonnaie liegen sah. Ich hob es
aus und suhlte, daß es ganz voll war
und da überlief es mich auf einmal, ich
weih nicht wie, und ich bekam einen
Schreck und warf das Portemonnaie wie
der hin und ging weiter, ohne mich um zu
sehen. Furchtbar dumm, nicht wahr? Der
Professor lächelte. Sehr angemessen war
dein Verhalten gerade nicht, aber doch in
Zeichen deiner Ehrlichkeit. Tu wolltest
instinktiv die Versuchung von dir fern
halten. Ter Prokurist verzog zweifelnd
da Gesicht: Na, ich weiß nicht, Herr Pro
fessor. Sollte da wirklich die Tugend der
Ehrlichkeit allein ausschlaggebend sein?
Sehen Sie, ungefähr ein ähnliches Emp
finden wie das, von dem Ihr Fräulein
Nichte erzählt, wird auch den Erdarbeiter
gepackt haben. Er gerieth in Bestürzung,
ein ganz natürlicher Borgang, und gleich
im ersten Gefühl dieser Verlegenheit von
dem Ueberraschenden lief er aufs Amt.
Vielleicht bereut er es jetzt. Hätte er nur
einige Minuten lang gezögert, sich an den
Anblick des Schatzes gewöhnt und die
Sache kühn überdacht, dann wäre er
wahrscheinlich nicht mehr auf das Amt
gelaufen. Der Professor schüttelte den
Kopf, schien aber nicht geneigt, sich in
spitzfindige Erörterungen einzulassen und
wandte sich dem jüngeren Herrn zu. Nun,
Herr Doktor, Sie sagen ja gar nichts?
Ich mußt gerade an eine alte Anekdote
des älterm Dumas denken, erwiderte dc:
Angeredete. Der befand sich auch einmal
in einer Gesellschaft, die das Thema be
handelter WaS würden Sie thun, wenn
Sie eine Brieftasche mit 100 Francs
Inhalt fanden? Tie einen gaben diese, die
anderen jene Antwort. Als die Reihe cm
Dumas kam, sagte er: Ich würde dem
Verlierer 20 Francs Belohnung sende.
Alle lachten. Der Professor sagte: Das
ist doch nur ein geistreicher Scherz, wür
dig des berühmten WitztopfeS. Und wie
denken Sie persönlich darjiber, Herr Dok
tor? Der junge Rinerakoge zuckte die
Achseln und blies nachdenklich den Rauch
der Zigarre in die Luft. Anstatt meine
Meinung, über die ich mir wirklich nicht
reckt Klaren bin. in einen Satz zu
fassen, möchte ich den Herrschaften, wenn
es Ihnen recht ist,, eine kleine Geschichte
erzählen, ein eigenes Erlebnis. Den Herr
schaften war es recht, sie baten darum.'
Ter Doktor erzählte also: Es ist eine
Geschichte, ohne Eigentliche Pointe und
furchtbar einfach, wie die meisten Geschich.
ten, die den Vorzug der Wahrheit haben.
Aber urtheilen Sie selbst. Es war vor
zwei Jahren aus meiner Studienreise
durch die amerikanischen Minenbezirke.
von der ich Ihnen schon manches erzählt
habe. Ich befand mich in Südmerjto, in
Ozca, als ich plötzlich hcn AuZtrag
spart und mit iftrn in engster Verbindung
der deutsche Schiffbau in Lusifahrjeuaen
hat sich ganz außerordentlich entwickelt
und wird von keinem andern Lande über
troffen.
Tie gisammte Rcaattaflottille sammelt
sich im Lause deZ Mittwoch der ersten
Woche in Kiel an. Am selbigen Tage
trifft auch dir Kaiser dort ein. Hnupttage
sind der folgende Freitag und Sonntag,
an welchen die großen Secregatten außer;
halb des Kieler Hafens und von da in
See, weit voiz der Kieler Außensörde ent
fern!, stattfinden. In der Wockie finden
an andern Tagen und nebenher die Wett-,
fahrten der kleineren Fahrzeuge statt. Im
inneren Kieker Hafen segeln nur die
Krikgsschisfsboote an einzelnen Tagen
ihre Wettfahrten ab. Zwischen alle diese
verschiedenen Wettsegelfahrten sind die Re
gatten der sogenannten internationalen
Sonderklasse eingelegt. Zu dieser gehören
die kleinen scManlen Jachten mit je drei
Herren als Besatzung; diese Boote müssen
aus Material des betreffenden Landes ge
baut sein, entworfen von Schiffebauern
dieses Lande!, ausgeführt auf dessen
Wersten.
hielt, sofort nach San Francisco zu rei-
en und mich dort einer Minerologc'Ge
ellsckzaft anzuschließen, die eine wissen
chaftliche Erkursion nach den Sandwich-
inseln vorhatte. Da die Abfahrt des Tam
xfers scho in acht Tagen erfolgen sollte,
galt kein Zögern. Die Entfernung von
Ozac bis San Francisco beträgt etwa
5000 Kilometer, und ich legte diese
strecke in fast ununterbrochener Fahrt
in sechs Tagen zurück. Es gibt keine tröst
losere Eisendahnsahrt auf der Welt, als
die aus dem Innern Mezikos nach Cali
fornien. Die endlose Strecke führt bei
nahe durchgängig durch Wüsten und stei
nige Steppen. Nichts wie grellgelben
Sand, graue und roihe Felsengebirge,
ungeheure Etaubtromben sieht das Auge;
der Staub dringt trotz der doppelten und
dreifachen Fenstersicheruna ins Innere des
Wagens und überzieht Menschen, Polster
und Gegenstände mit einer feinen zarten
Schicht. Bon Früh bis zum Abend stand
die Sonne am Himmel und sandte, nie
mals durch eine Wolke gemildert, uner
trägliche Gluth herab. Da Kunsteis. das
man hier und dort aus den größeren Sta
tionen in die Trinkmassertanks warf,
schmolz im Handumdrehen. Die Nichte
brachten keinen Schlaf und keine Kühle.
Dazu immer die Besorgnis des Verseh
lens der Anschlüsse, zu spät in San Iran
cisco einzutreffen! Sie können sich denken,
in welcher körperlichen und geistigen Ver
fassung ich mich am letzten Tage der Reis
befand, als der Zug die Mujawemüsie
glücklich hinter sich hatte und durch das
erquickende Grün der mittelcalifornischen
Farmen seinem Endziel entgegenbrauste.
Ich war windelweich und ganz apathisch,
denn ich litt nebenbei noch unter allerlei
Beschwerden, die ich dem mezikanischen
Klima verdankte. Unter anderen Umstän,
deiz hätte ich mich in diesem komfortablen
Zuge recht wohl gefühlt. Was mir am
besten daran'gcflel, war die Persönlichkeit
des Wagenkondukteurs, der auf manchen
amerikanischen Bahnen die Dullmanwa
gen begleitet und nicht bloß die Oberauf
sicht führt, sondern sich auch den Privat
interesien der Passagiere widmet. Er
macht aus schöne Punkte aufmerksam, tu
weist den Damen kleine Gefälligkeiten etc,
Unser Kondukteur war einer jener sym
pathischen Erscheinungen, wie man sie
drüben häufig antrifft; höflich und dienst
fertig, ohne im geringsten hogiestikenhast
zu sein, Sein Gesicht war ebenso zeitlos
wie bartlos, genau so gut das eines
Dreißigjährigen wie das eines 45jährigen
ManneS. Es war am Vormittag des
letzten Tages. Abends sollten wir in San
Francisco ankommen. AIs ich in dem nur
halbgefüllte Durchgangswagen theil
nghmslos auf meinem Polster saß, ohne
irgendwelches Interesse für die landschast
lichen Reize draußen, blieb Weiz Blick
plötzlich an einem glänzenden Dinge haf
ten, daß vor mir zwischen den Fäden des
Teppichs steckte. Es dauerte lange, bis ich
meine Faulheit überwand, und ei aushob;
in diesem Augenblick aber wich die
Apathie dem Gefühle größter Ueber
raschung. Ich hielt eine wundervolle Per
lennadel in der Hand, Dik Perle hatte die
Form eines regelmäßigen Q&ila, Unge
ogiryaus Ui Kaiserk. Vachtkkuöß.
Tie sämmtlichen Skgelveranstaltungen
nebst den zugehörigen Feiern wer
den gemeinsam vom Norddeutschen Re
gattaverein und dem Kaiserlichen Jacht
ilub veranstaltet. An der Spitze des letz
teren ficht als Kommodore der Kaiser,
Aizckommodort ist Prinz Heinrich von
Preußen.
Einige Zahlen mögen hier zur nähe
ren Erläuterung angebracht sein. 1013
betrug die Zahl der Mitglieder des Kai
serljchen Jachtklubs rund 3100, davon
über 200 kebenilibgli; an Segelyachten
aob es rund 220, davon 2" größere, sowie
U5 der Sonderklasse, an Tampjjachten 13,
an Motorjachten 75.
Abgehalten wurden in, Jahre INI: 41
Wettfahrten, darnntcr 11 internationale
und 18 sür Krieqs,bisfsboote. Im Ju
büäumsjahr 1912 hatten sich 128 Jachten
zu 148 Wettfahrten gemeldet, mit im
ganzen rund lQ'.O Einzelmeldungen. Ta
von wse etwa ein halbes Hundert Fahr
zeuge 11 fremden Nationen zugehörig, eine
noch nie erreichte Anzahl.
Bei olledem buchte man. daß alle Ge
irine nur tjchrtnpreise sind, daß eS keiner
fähr von der Länge eines Taumennngels
und war auf einer goldenen Nadel ä jonr
gefaßt. Also offenbar eine Kravatlcu
nadel, eines Nabobs würdig.
Mir gings wie ein Ruck durch die Glie
der, zwar warf ich die Perle nicht fort,
wie das gnädige Fräulein es mit dem
Portemonnaie gethan hat, aber es war
mir, als ob die Nadel in meiner Hand
brannte. Ich stand auf, um sie dem Kon
dukttur zu gcben. Der Kondukteur war
nicht da, er befand sich im Gepäckwagen,
Als er nach einer halben Stunde wieder
kam, stand ich nicht mehr auf. und ließ
von meinem Funde nichts verlauten. Ich
war nicht mehr gewillt, dem ersten Im
pulse ohne weiteres nachzugeben. Was ich
in dieser halben Stunde und in den spä
tcren Stunden innerlich durchmachte, das
vermag ich nicht lebhaft genug in Worte
zu fassen.
Zwei Stimmen stritten in meiner Brust
und eine suchte immer die andere zu über
schreien. Aber ich lieferte die Nadel nicht
ab. ich versteckte sie zwischen dcn Polstern
und dachte nach. Wem mochte die Nadel
wohl gehören? Einem armen Manne
sicherlich nickt. Sie war ein kleines Wer
mögen werth, wer sich solche Nadeln vor
stecken kann, der kann auch den Verlust
verschmerzen. Der Vorsehung gefällt es,
manchmal krasse Gegensätze auszugleichen,
sie läßt dcn Reichen etwas verlieren und
macht dem Aermeren damit eine große
Freude. Aber empfand ich denn Freude?
Nicht im Entferntesten. Eine fieberhafte
Unruhe erfüllte mich vielmehr; dunkle Ge
fühle, über die ich mir nicht Rechenschaft
geben konnte, rursachten mir Qualen.
Ich mußte immer an den unbekannten
Verlierer denken. Wer mochte es sein?
Schwerlich einer von den noch im Wagen
befindlichen Passagieren, die' ich einen nach
dem anderen verstohlen auf das sorgfal
tigfte musterten Höchstwahrscheinlich war
es das Oberhaupt jener unangenehmen
geräuschvollen Familie aus Los Angeles,
die Früh den Zug verlassen hatte. Petro
leumprotz hatte der Kondukteur gesagt.
War solchem Manne, der sein Riesenver
mögen zweifellos unlauteren Mitteln
verdankte, der Verlust nicht zu gönnen?
Wäre es nickt gerade Unsinn, ihm wieder
zu seinem Emporkömmlingsschmuck zu
verhelfen? Ich wagte kaum, die Nadel aus
ihrem Versteck zu holen. Schließlich that
ich es doch. Steckte sie in die Tasche und
ging in die leere Raucherabtheilung, dort
legte ich sie in einen Winkel des Fenster
bretteS und sah. wie die Sonne ihr Spiel
mit den zarten, opalisirenden Lichtern der
mattgrauen Perle trieb, und eine Fülle
lockender, gaukelnder Gebilde stieg por mir
aus ich konnte sie nicht, bannen. Die
beiden Stimmen in meiner Brust hatten
ihren Streit beendet. Ich ging in den all
gemeinen Raum zurück, steckte die Nadel
ins Polster und sah mit grenzenloser Un
ruhe dem Ziel entgegen. Passagiere pack
ten ihre Koffer. Die schwarzen Wärter
staubten ihre Kleider, ab. Auch ich legte
meine Sachen zurecht, aber ganz mecha-
nisch, denn ich muhte fortwährend an die
Perle denken. Auf einmal sehe m, wie
der sympathische Kondukteur im Wagen
hin nd her geht, bald unter dkn, bald!
06: Aksammlanflcht des Kriegsyafens. Während der UUx ?3tfJjc.
let Aeldpreif, giebt wie bei Wettrennen
am Lande. Hier spielt als nur die reine
Freude am Segelsport mit. Letzterer hat
vielerlei Günstige im Gefolge: er lenkt in
verschiedenen Richtungen die Blicke auf
dcil'Meer, nützt diesen technischen Berufen,
erzieht Seeleute, schafft, Gelegenheit zu
kühnen, erzieherischen Thaten und bringt
das Geld mannigsach in Bewegung.
Tie großen Segeljachten nehmen na
türlich das besondere Interesse in An
spruch. Ter .Meteor" des Kaiser ist
Zt. die größte deutsche Segeljacht. Sie ist
100708 nach Plänen des Konstrukteurs
War Certj Hamburg aus der Germania
werft in Kick erbaut worden. Tas ge
sammte Material für Außenhaut, Decks
und Jnncnverbände ist nur von deutschen
Werken geliefert worden. Als Besatzung
führt die Jacht deutsche Berussmatrosen
und einen deutschen Skipper. Die Segel
jat Jduna' befindet sich im Besitz der
Kaiserin; diese 1887 in Amerika erbaute
Jact't war eine der schönsten und seetüch
iiastkn der neuen Well, sie hat verschiedene
Male den Ozean durchquert und befindet
sich seit 1808 im Besitz der Kaiserin. Sie
nimmt noch hin und wieder an Regatten
unter jenen Sessel blickt. Kein Zweisel.
Er sucht etwas. Wäre es möglich? Mir
stockt der Athem, aber das ist doch un
möglich! Wie kommt ein Kondukieur zu
einer solchen Perlennadel! Er sucht im
mer weiter und meine brennenden Augen
verfolgen jede seiner Bewegungen. Da
geht es mir wieder wie ein Ruck durch den
ganzen Körper. Mag es sich mit der Perle
verhalten wie es will wenn sie sein
Eigenlhum ist. dann soll er sie sofort ha
ben. Ich stecke die Nadel in die Tasche
Aus Fuitz's Hagebuch.
Skizze von Gretl Mischler.
7, tutmbct.
Heute bin ich neun Jahre geworden.
Papa meint, ich bin nun alt genug, um
d Tagebuch, das er und Mama für mich
begonnen haben, selbst fortzuführen. Es
ist aus rothem Leder, und aus dem ersten
Blatte steht: .Meristeine Im Leben un
serer Ruth." Und dann kommt eine
Menge von Milch, Seligkeit, Windeln,
Glück, lauter Sachen, die gar nicht zu
fammenpassen und die ich nicht verstehe.
Grimms Märchen les ich lieber. Auch von
Zähnen und Erdenwonne steht was drin.
Komisch! Ich fragte Mama gleich, was
ein Werkstein ist. Sie sagte, alles Wich
tige und Schöne im menschlichen Leben.
Zuerst konnte ich es wieder nicht verstehen.
Tann habe ich sehr lange nachgedacht und
bin daraufgekommen, daß es wohl für Je
den etwas anderes bedeutet. Für Papa
wahrscheinlich einen guten Tag im Ge
schüft. Da ist er immer sehr lustig und
schenkt mir was. Für ihn ist das wichtig
und für mich schön, also ein Mcrkstein.
Bei meiner großen Schwester Frida sieht
der Mcrkstein wieder anders aus. Bei
läufig so wie der neue Vikar, Wenn er
kommt, zieht sie immer die rothe Bluse
an und frisirt sich sehr lange. Oft wäscht
sie sich sogar dreimal die Hände. Ich bin
froh, wenn ich einmal damit zustande ge
kommen bin, und thue es am liebsten gar
nicht. Das Waschen ist also kein Merk
stein für mich. Eher die Geburtstagstorte.
Ich finde sie am wichtigsten und schönsten.
Ganz früh, ehe die anderen aufgestanden
sind, bin ich in das Speisezimmer geschli
chen und habe daran geleckt. So ein
Werkstein ist was sehr Feines. Hoffent
lich merken sie eS nicht. Wenn ja, so sage
ich, es war der Hund.
MUtag.
Sie haben es doch gemerkt. Und als ich
meinte. Fido ist wohl wieder auf den Tisch
gesprungen, machte Mama so ein ernstes
Gesicht und sagte mir eine ganze Menge.
Alles konnte ich nicht behalten, weil ich
versuchte, Fido heimlich zu kneifen. Zum
Schluß befahl sie mir, in mein Tagebuch
alle! einzuschreiben, was wir in der
Schule über die Lüge gelernt haben. Ge
nau weiß ich es ober nicht mehr und werde
Frida fragen.
10, Tezembn.
Die muß ei auch schon vergeben haben.!
theil und hat auch manchen schönen Erfolg
errungen, aber ihre Hauptbestimmung ist
doch, der Kaiserin und der kaiserlichen Ja
milie zu Kreuzfahrten und (frholungZrei
sen in den heimischen Gewässern zu die
nen. Tie Germania" des Herrn Krupp
v, Bohlen und Halbach ist die erste große
Segeljacht, die aus einer deutschen Werst
erbaut wurde, und zwar nach Datschen
Plänen aus der Germaniawerst, Tie
.Länge über alles' beträgt 47 Meter, der
größte Tiefgang 5,2 Mcter; die Segel
stäche ist 1327 am. groß. .Hamburg
II", ein 1010 in Amerika erbautes fahr
zeug, ist feit 1013 im Besitz des Vereins
Seefahrt in Hamburg. Tie neue Jacht
hat viele Erfolge auf deutschen und eng
lischen Regatten errungen, Tie frühere
Jacht des Kaiser! Wordreeft" (ursrriing
lich .Meteor"), ist 1002 in Amerika g?
baut und von der Alice Noosevelt getauft
worden. .Orion" (früher Meteor II")
wurde 1$!. für den Kaiser in England
gebaut und der 1887 in England erbaute
.Komet" im Jahre lKil vom Kaiser er
worben. .Orion" und Komet" sind den
Sceosfizierrkorps in Kiel und Wilhelms
hauen zum Gebrauch überwiesen. Sie
und gehe auf ihn zu. Sie suchen etwa!?
In dcr That, sagte er, meine Kravatlen
nadel. Diese kostbare Perle ist Ihr
Eigenthum? Ich fr-ue mich, sie gefunden
zu haben. Und damit überreichte ich ihm
die Nadel. Und mir ist als ob mir ein
Mühlstein vom Herzen fällt. O. nicht
sehr kostbar, sagte er lächelnd. Vielen
Tank. Eine kleine Imitation. Aber ein
liebes Andenken.
Eine kleine Imitation! Und deswegen
einen ganzen Tag lang solche Oualen!
Tie ging heute aus, und als Mama wis
sen wollte, wohin, sagte sie: zu ihrer
Freundin. Durch die Gartenthür sah ich
sie fortgehen, und ein Leutnant war dabei.
Ich erzählte es Mama; Frida hat geweint
und mich zweimal geknufft.
13. ?anar,
Heule war ich mit Mama bei der Mo
distin. Sie hat sich einen wunderschönen
Hut gekaust mit langen Federn, und ich
sah. wie sie 0 Mari dafür bezahlte. Als
Papa zu Hause den Preis wissen wollte,
sagte sie: 35 Mark. Ob sie es vergessen
hat? Aber ich sage lieber nichts, sonst
wird sie vielleicht böse wie Frida.
21. Juimar,
Mama hat Besuch. Wahrscheinlich ist
es die dicke Exzellenz, denn Frida hat das
beste Tischtuch herausgethan. Einmal war
eine andere Dame hier, und ich fragte bei
Tisch, warum sie dsmal nicht die schöne
Decke hergegeben haben. D wurde Mama
sehr roth, und eS war gut, daß dcr Besuch
dabei war, sonst hätte sie mir gewiß eine
Ohrfeige gegeben. Gleich wird Frida mit
einer reinen Schürze für mich kommen,
und dann muß ich wieder in den Salon,
meinen Knicks machen. Ich thue eS sehr
ungern, denn die Erzellenz bewegt beim
Sprechen immer die Zähne, und ich kann
es nicht leiden, wenn sik mich küßt. Ich
werde aber sehr artig sein, denn ich
glaube, sie ist Mama's Merkstein.
S. Februar.
Die Köchin sagte mir einmal, wer lügt,
bekommt eine schwarze Nasenspitze, damit
alle anderen Menschen sehn können, wie
böse er ist. Gestern war der Vikar da,
und wir hatten Krapfen aus der Kondi
jorei. Als er fragte, wer die so schön ge
backen hat, antwortete Mama: die Frida.
Da sagte ich ihnen beiden, sie sollen nur
rasch ihre Nasen zuhalten, sonst merke
man ja gleich, daß sie gelogen haben. Ich
bekam sehr viel Schelte. Warum?
17. Februar.
Heute soll ich dem Herrn Katecheten
wiederholen, was er das letzte Wal über
die Lüge gesagt hat. Ich antwortete, die
Ist wohl nur für die Großen da., und wir
Kinder müssen immer die Wahrheit sagen,
auch wenn wir deshalb gescholten Werders.
Er machte ein komisches Aesicht, als ob
dienen auch zur Ausbildung deutscher
Jachtmatroscn.
An dcn Wettfahrten persönlich thcilzu,
nehmen, besonders auf dcn kleinen Jach
ten, ist durchaus nicht immer ein reinel
Vergnügn. Bci farsem Wind und ent
sprechendem Seegang sind die Besatzungen
öfter halb im Wasscr, dann ist das Scgcln
oft eine erstklassige Arbeitsleistung, an
strenge und aufreibend, abgesehen von
allerlei AusreguncikN nach verschiedenen
Nichlungen hin. Tas gleich gilt von den
Richtern. Ahn Stunden lang eine Rc
gatta beobachten, erfordert ein großes
Maß an Arbeitsleistung und ist aus die
Tauer durchaus nicht genußreich zu nen
nen. Aber stets unterzieht sich die deutsche
Seceloelt von neuem und voll Freuden
diesen Arbeiten mit ganzer Hingebung an
den schönen Segelsport.
Toh die Kieler Woche eine der schönsten
und großartigsten Segelwettsahrtoeranstal
jungen der ganien Welt geworden ist, vcr
dnntt man in allererster Linie dem Kaiser.
An einer solchen Woche thcilgenommen zu
haben, wiid Jedem eine unoergcßliche Ec
innerung blcidcn.
er lachen wollte, aber ich mußte doch eine
Siunde n,ichbleiben. Sonst war die Reli.
gionsstunde sehr schön, und wir lernten.
vom ynl'sien JolnneS, der nur zwei Hem,
dei? besehen hat und eines davon ver
schenkte. Ich habe zwölf, da kann ih noch
heiliger sei als er.
S2. örbruar.
Gestern läutet eine arme Frau mit zwei
kleinen Kindern und sagte, sie haben nichts
zu essen. Ich dachte gleich an den heili
gen Johannes und brachte ihr alle Hem
den. die ich sinden konnte. Auch die von
Papa. Wie Mama nach Hause kam und
eS merkte, tek.un ich Prügel. Um Ver
zcihung habe ich aber erst acdeten. als Ma
ma mir erklärte, man darf erst dann et
was verschenken, wenn es zerrissen ist, und '
überhaupt nur das. was man nicht mehr
brauchen kann. Aber der Heilige hatte sein
zweites Hemd doch sicher nöthig, kdcr war
es zerrissen?
it. mn.
Wir lernten in der Schule vom Phari,
saerthum. Ganz habe ich es nicht ver
standen, aber doch so viel, daß früher ein
mal Menschen waren, die das Gute nur
dann thaten, wenn es Jemand sehen
konnte. Die Rechte soll nicht wissen, was
die Linke thut," das aesällt mir sehr gut.
Denn wenn man mich lobt, schäm ich
mich immer. . j ..'
n. war, ;
Mama und Frida sind Protestantinnen
und haben mich heute in ihre Kirche mit,
genommen. Ich finde eS dort sehr hübsch.'
man kann auch besser beten als bei uns
weil nicht so viele Sachen und Bilder sind,,
die man immer anschsuen muß. Am,'
Schlüsse geht ein Mann herum mit trm.
Teller und einer mit einem Beutel, der
eine Glocke hat. Ich sah Mma und Frida
Geld in der Hand halten, und wollte eS
den beiden Männern geben. Da erklärte'
mir Mama, der Nickel gehört dem ersten
Absammler und die Pfennige dem 23'
telmann. Als ich wissen wollte, warum,
sagte sie. weil auf dem Teller jeder sehen
kann, wie viel man giebt, im Beutel der
nicht. Und alle anderen machten es ebenso.'
Wie gut. daß wir in der Kirche waren.,
wo doch nur brave Leute hingehen, sonst
hätte man sie am alle für Pharisäer
gehalten.
11 Mai. :
Vaoa und Nlnr.ia iii-ntmi mich t'm bäkkl .
Jlind und Frida bat seit acht Tagen eine
dick verweinte Nase. Und ich habe doch
nur die Wahrheit gesagt. Aber Niemand ,
hat mich darum gefragt, und dann müssen
rt: fi,.'v , i .v
iiiocr ,a,me,zen, ragen ne. uio Jnva :
un der Vikar waren so lange allein Im
Speisezimmer, .bis ich neugierig wurde
AIS ich hineinkam, küßten sie sich immer
fort, und er nannte sie seine Braut. Da '
fragte ich bloß, warum sie sich nicht schon .
damals mit dem Leutnant verlobt hat. s!
der sie küßte? Mama hat mir seit damals
noch nicht einen Nuß gegeben. Papa schaut'
immer sehr böse au, und Fria thut mir.' ,
schrecklich leid. Vielleicht darf man die
Wahrheit Nur sagen, wenn sie schön jst,"''
aber ist sie denn nicht immer schön '
V
1