Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, July 02, 1914, Image 3

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    WstTirfje Cmoüd Trllume Tunnfrllffsi, brn 2'. Juli 101 T-
.AJaw
AZiv zuliebe.
Slomon von
4
a"y,-iff'
7,,U,MI Mi,K,,.,
(12. ftortfehima.
Auch Westendors ging. fahl, mit
inem verbissenen Ausdruck in den
Zügen und finsterem Blick. Und
auch er vergab über dem. roa feine
attitt, statt e mit milder Hand ,u
ftTn, Hutij anjrftat hatte, fein
Kind.
Q,o blieb Senta allein in dem kiel
xien Gemach, da nur durch die tlel
irisch beleuchteten Augen eine jungen
HezleinS. da, auf einem Besenstiel
reitend, von der Ticke herabhing,
watt erhellt wurde.
Zunächst war nicht in ihr all
dumpfe Staunen. Waren da ihre
SÜern gewesen, wirklich ihre fönst
fiel heiteren, vornehmen, anscheinend
in glücklichster Ehe lebenden Eltern?
Ihre Mutter, die ftolz von den
Leistungen des geliebten, bewunderten
Gatten sprach, von den Pflichten der
Frau, die be Manne Sorgenbrecher
ja fein habe, feine treue Gefährtin,
seine selbstlose Genossin
Erst gestern Dritte st zu einer Be
kannten mit reizendem Lächeln ge.
fogt: .Ach. wir! Wir Frauen sind
.doch so gern und selbstverständlich
Nebensache, wenn wir nur unsere
Männer glücklich sehen, nicht wahr?"
Und der Bater? Wie oft hatte er
im Brustton der Ueberzeugung wie
eine Offenbarung vor andern der
kündet: .Ersolg. IKichm bah. meine
Herrschasten, dafür geb ich nicht
einen roten Heller! Aber Familien
glück, da ist es. worauf ich ftolz
bin! Und daß ich die fo voll, so
rein gefunden ;wbe, das bildet irrn
nen Reichtum
Man war immer sehr gerührt.
Kenn er so sprach. Senta war in
solchen Momenten unsäglich stolz auf
ihre Eltern. Gerade daraus erwuchs
ihr blinder Glaube an deren Unfehl
barkeit in bezug auf LebenZanfehau
vn gen.
Und jetzt?
Da Staunen wandelte sich in Be
klommenheit. Sie begriff nicht ganz,
wa eigentlich geschehen war. Nur
daß irgendwie Papaö Bedeutung in
den Augen der Welt erschüttert schien,
und daß davor alleS andere in
Wanken geriet, wie ein hohle, tö
nerne Gebäude auf schwankem
Grund.
Wie durch einen Windhauch hin
weggeweht schien olleZ. was gleich
einem blühenden Gehege sich bisher
trügerisch um sie ausgebreitet: gegen
feitigeS Verständnis. Anteilnahme,
selbst die äußere Gemeinschaft, selbst
die Liebe zu dem einzigen Jlinde.
Die Mutter ging, kalt, fordernd,
vorwurfsvoll.
Der Vater blieb, knirschend vor
Zorn, gedemütigt, feindselig.
Und beide vergaßen die Rücksicht
auf Senta angesichts der läppischen
Gefahr, daß Westendorss Name in
der Oeffentlichkeit etwas von feinem
Strahlenglanz verlieren könnte.
Stand denn darauf ihr Glück?
Moß darauf?
Fröstelnd schlich Senta endlich über
den Korridor hinüber in ikr Wäd
chenzimmer. Aber daS mollige, hell
blau und weib tapezierte Nestchen,
um daS sie alle Freundinnen benei
beten, und auf da? sie selbst so stolz
war, erschien ihr heute unsäglich kalt
und einsam.
Sie kleidete sich mechanisch auS,
kroch ins Bett und zog die warme
Daunendecke bis ans Kinn. Aber
die Kälte wollte nicht weichen und
der Schlaf nicht kommen.
Sie fühlte sich grenzenlos verlas
sen. Wie in einer Wüste fühlte sie
sich. fern. ach. so fern von allem,
was ihr Leben 'bisher Ich gemacht.
Ihr war, als dürste sie. Nicht
nach Waffcr. Nach etwas anderem
Wärme, Sonne, nach Liebe.
Und plötzlich kam es ihr vor. als
strahlten mitten aus der Finsternis
ringsum zwei dunkle Stern mit
warmem Licht auf sie nieder.
So traurig, fo fragend, so vor
wurssvoll.
.Warum hast du mich von dir ge
stoßen?"
Warum ja. warum? Sie be
griff es selbst nicht in dieser Stunde.
Waren sie denn nicht besser gewesen,
als alles, was sie sonst befaß oder je
besitzen konnte?
Da weinte sie dann. Heiß und
leidenschaftlich, wie so oft in stillen
Nächten dieser letzten Monate.
Punkt sieben Uhr, wie gewöhnlich,
kam daS Stubenmädchen und zog die
NouleauS auf. Sie brachte auch gleich
den Tee mit, denn die Frau Hofrä
tin habe Migräne und bleibe zu Bett,
während der Herr Heirat bereit ge
frühstückt und da Hau verlassen
habe.
Senta kleidete sich an. trank, wäh
rend da Stubenmädchen sie frisierte,
etwa! Tee und ah in paar Bissen.
Dann wollte sie sehen, wie e
Mama ginge. Aber die Hofrätin
winkte ihr schon von weitem ab.
Nur nicht reden heute, nicht stören,
sie brauche absolute Nuhe.
ES war acht Uhr vorüber. Senta,
die nicht wußte, was sie beginnen
sollte, um da trostlost Gefühl völli
H
Erich Ebenste!.
tBgw"üW'
ger Verlassenheit, da sie immer
schmerzhafter umfing, zu .betäuben,
beschloß, zugehen.
Eine Ahnung von Frühling lag
In der Lust. Häuser. Dächer. Scharn
steine, olle sah so blank au in der
klaren, sonnendurchleuchikten Luft,
unter einem Himmel, der sich blau,
wolkenlo und wie gekehrt über der
Stadt wölbte.
Im Stadipark wurden Nasenziegel
nen gelegt, auf der Ringstraße, frische
Erde um die Bäum gegeben, und am
Nnschmarkt standen ganze Ladungen
blühender Schneeglöckchen, Veilchen,
Narzissen und Palmkätzchen zum Ler
kauf.
Ein Duft von all dem zog würzig
durch die Straßen.
Senta wanderte planlo weiter,
sah alle und sah doch nichts, denn
auf ihrer Seele lag ein dumpfer
Druck, der nicht weichen wollte.
Plötzlich blieb sie mitten am Geh
sieig wie angewurzelt stehen. Rechts
von ihr ragte die goldene Blätter
kuppel des SezessionsgebäudcS auf,
links breiteten sich die buntgefüllten
Verkaufsstände deS NaschmarkteS
au. ES wimmelte ringsum von
Menschen und Fuhrwerken, zwischen
denen mit schrillem Geklingel rote
Straßenbahnwagen einander kreuz
ten.
Und dort an der Haltestelle,
hart vor der breiten, weißen Mar
mortreppe der Sezession, stand einer.
Senta sah nur seinen Rücken, aber
sie hätte ihn ja unter Tausenden auf
den ersten Blick erkannt, auch wenn
neben ihm nicht die alte Frau gestan
den bätte mit den weißer Scheiteln
und der gefüllten Markttasche am
Arm.
Sie sprachen eifria. die beiden, bis
ein Straßenbahnwagen kam, und er
oer anen tfniu turjorglich hineinhalf.
Er selbst blieb bann noch stehen und
nickte der kortfabrenden tackelnd
nach.
Senta konnte nun sein Profil
sehen. Sie erschrak. Wie mager er
ar.ssah! Und wie Kart seine 3äae
plötzlich wurden, als mit dem um die
Ecke biegenden Wagen auch seine
Mutter entschwand!
Jetzt wandte er sich um. Senta
stand immer noch regungslos mitten
am Weg, wenige Schritte von ihm
entfernt, die Augen völlig selbstvcr
genen aus um geyestet.
So erblickte er sie. und ei ana
durch seine hohe, schlanke r'-talt wie
ein Ruck. r
Auch er blieb sieben, ratlos,
schreckt, glücklich und fassungslos zu
gleich.
Da kam sie auf ihn zu, unwioer
siehlich von einer Macht getrieben, die
stärker war als alles andere. Ihre
ände streckten sicb ibm zitternd eni
gegen, und ihre Lippen murmelten
bebend: .Vergib. Ernst, vergib
vergib mir. "
Sie wußte nichts anderes zu sagen.
Aber sie war ihm nie zuvor so lieb
lick erscbienen. so unbescbreiblick sckon
und sük. 3 tiefer Rübruna aoa er
ihre Hände an die Lippen und küßte
e, unveiummerk um die Zlloruver
gehenden, die lächelnd und neugierig
auf die beiden blickten.
Tiann zog er lhren Arm in den
seinen und scbritt langsam mit ibr
den Getreidemarkt hinauf.
Senta liefe alles aescbeben und
folgte wie im Traum. Beiden war
L . ?i r v r cm , .
oas herz jg oou, ag ne uine orie
fanden. Beide fühlten nur daS eine:
Nun find wir wieder beisammen.
endlich endlich!
Erst in den Anlagen um daS An
zengruber Dermal kamen sie wie
der zu sich. ES war um diese
Stunde b:e fast ganz menschenleer,
und iixi hatte wohl instinktiv ihre
Schritte hergelenkt.
Sie setzten sich auf eine der Bänke,
die das Denkmal im Halbkreis um
standen, und SentaS ustes Wort
war wieder: .Vergib!"
Er streichelte zärtlich ihre Hand.
.Ich habe dir nichts zu vergeben,
Senta. 'Was uns trennte, war ja
keine Schuld, sondern nur die Un
Möglichkeit, zwei völlig verschiedene
LebenSanschauungen zu vereinen. Du
hast mir eine Alternative
iellt.'
Ihr brennender Blick
tete sich
beschwörend auf ihn. .Sprich nicht
davon, Ernst. Ich hatte . unrecht
Ich weiß nicht mehr, was ich wollte,
damals, was ich dachte.' Ich weiß
nur, daß ich dich liebe baß ich
dich liebe!"
Er war sehr bewegt. Aber er
hatte zu viel gelitten in diesen Mo
naten, zu viel gedacht, zu viel begrif
fen. um durch ihre Worte den Kopf
zu verlieren
.Liebe auein, Senta, ist zu wenig,
um darauf da Glück eine ganzen
Menschenlebens aufzubauen. Auch
ich liebe dich aber ich habe, nicht
mehr den Mut. Opser von dir zu
verlangen, die du deiner Veranlagung
nach nicht bringen kannst. Du kannst
den Weg in meine Welt so wenig
gehen wie ich den in die deine."
,O Ernst, sage das nicht! Sage
doch das nichts Wrnim denn? Liebe
ist nicht zu wenig Lilbe ist alle,
alle im Leben!"
.Wahre Liebe, sa! Aber nicht diese
Liebe, die ihre Flammen schüren muß
an Süßeren Dingen, um leuchtend zu
bleiben. Die Frucht wahrer Liebe
muß Glück sein. Und Glück, siehst
tu. da ist eine fchamhaft, Blume,
di. ganz still im verborgenen blüht
und sich nur an sich selber erfreut.
Tort, wo du lebst, gedeiht sie nicht."
Senta sah ihn strahlend an und
nickte.
.Ich weiß ei. Ernst. Frage mich
nicht, woher, aber glaube mir, ich
weiß e jetzt. Und ich will ja nicht
mehr, ol werden wie du, leben, wo
d- lebst. Glaube mir dock,"
Er muß an sich halten, um sie nicht
an sich zu reißen, und ihren süß.a
Mund, der so liebe Worte sprach und
so weich und gläubig zu ihm auf
lächelte, mit Küssen zu verschließen.
Aber er bezwäng sich.
Er begriff ja: in dieser Stunde
war sie zu jedem Opfer bereit. Ihr
Seele war reich, ihr Mut grenzenlos,
ihr Drang, ihn nicht mehr zu verlie
ren, machte sie kaub und blind für
alles andere.
Aber später würde dann nicht
die Reue kommen und mit ihr da
alte Spiel? Er wollte keine blinde
Unterwerfung Sie mußte ihn be
greifen. Nur wenn sie daö über
Haupt konnte, durfte er sie an sich fes
sein.
.Senta," sagte er plötzlick ent
schlössen, .ich möchte dir a so gern
glauben, aber man ander sich nicht
von gestern auf heute in seiner gan
zen Denkungsweise, auch wenn
v.an liebt, auch wenn man selbst da
von so felsenfest überzeugt ist wie du
jetzt. Du sagst, du möchtest leben,
wo ich lebe. Hast du auch darüber
nachgedacht, wag daS heißt?"
SentaS Augen füllen sich mit Trä
nen.
.Du glaubst mir nicht! O Ernst,
warum hast du denn gerade zu mir
kein Bertrauen? Weil ich dich da
malS vor die vumm Alternative
stellte und dann gehen ließ? Hab'
ich dich nicht seitdem in vielen schlaf
losen Nächten um Vergebung gebeten?
Auch heute? Muh lch dir wirklich
erst sagen, daß ich damals bloß sinn
loS vor Eifersucht war?"
Seine dunklen Augen versenkten sich
ernst und tief in die ihren.
.Hattest du denn dazu jemals
Grund? Und ist nicht Vertrauen die
allererste Grundlage jeder wirklichen
Liebe?"
Sie errötete und schlug den Blick
nieder.
.Vergib," murmelte sie abermals,
.vergib mir nur. Ich bin es ja
nicht mehr. Es war töricht."
Er fuhr fort: .Nun. siehst du,
mein Herz, wenn ich dich aber heutc
vor eine Alternative stellen muß und
wenn sie dir hart erscheint, wirst du
nicht abermals denMut verlieren und
dich von mir wenden?"
.Nie. Ernst! Niemals mehr! Ach.
d'. weißt ja nicht, was ich gelitten
habe!"
Er stand plötzlich auf und machte
ein paar Schritte hin und her. Dann
blieb er stehen und blickte erschüttert
aus sie nieder. Sein Atem ging
schwer, die ganze Fülle seiner Liebe
lag in dem Blick, mit dem er sie um
fing.
.Und ich? Glaubst du. ich hätte
nicht gelitten? So tief und furcht
bar, daß selbst die Liebe zu meinem
Beruf dabei verblaßte!" Er schüt
teile den Kopf und fuhr sich über die
Stirn. .Nein, Senta, ich glaube,
ich könnte es kein zweites Mal ertra
gen! Du sollteS dich eher dreimal
besinnen, ehe du mir noch einmal
Hoffnung machst."
.Nicht eine Minute brauche ich
mich zu besinnen!"
' .Doch! Erst follst du wissen, wag
ich als Gewähr meines dauernden
Glückes für unumstößlich nötig halte.
Dann magst du dich prüfen und
entscheiden."
.Gut, du unverbesserlicher Zweif
ler! So stelle doch endlich deine
Alternative, damit du dich überzeugst,
daß ich nicht statt aller Antwort
davonlaufe, wie du damals!"
.Daö erste, was ich dir zu sagen
habe, ist: Ich habe mich um den
E osten eines GemeindearzteZ in St.
swald im Gebirge beworben, den
einst mein Vater bekleidete, und der
durch den Tod seines Nachfolgers
wieder frei wurde."
.Ich weiß es. Doktor Sandruch
teilte eö mir bereits mit."
.Weißt Du auch, daß St. Oswald
ein sehr bescheidener Marktslecken ist,
i.i schöner Gegend zwar, von Bergen
und Wäldern umgeben, ober eine
Stunde von der nächsten Bahnstation
entfernt?"
Nein; aber was tut das?" , n-
(Fortsetzung folgt.) 4
Von den Forstbeamten in den
westlichen Gebirgen werden im Verein
mit dem Wetterbureau Messungen
der Tiefe deS Schnees vorgenommen,
Da Holz des roten &jr
baums der pazifischen Küste $ beson
dcrs gut zur Herstellung von Zeug,
klammern geeignet und es wird da
her in nächster Zeit in Portland,
Oregon, eine solche Fabrik errichtet
werden.
Verheimlichung eines kör
perlichen Fehler gilt in China als
Schcidungsgrund. , '.-...
Paule.
CkiM n,'ch dem Lchen von A. Blvich
vvgcl.
Da schon wieder jene grellen
Tön, di so oft. so ungezählte Male
in die stillen Weihes! unden meiner
Arbeit gellten. . .
.Paul, lo!" tönt eine dünne,
ireischcnde Knabenstimme. Da ging
noch; daS war noch rträglich. Aber
nun: .Rrrrrrau vornan alle
Mann! Hurra! Hurra! Hurrak
. . . Da war .fein" Stimmenge
töse. . .
Sie spielen wieder auf dem Fahr
damm dicht vor meinen Fenstern,
eine ganze Horde von einem Dutzend
ehr mehr zehn bis zwölfjähriger,
echter Berliner Jungen. Ei war zu
schön gewesen daS Walter, einer
wunderbaren Ruhe während der
Nachmittagsschule. Di Straße am
Kirchplatz lag friedlich träumend un
term wehenden Regenschleier; selten
nur drang ein störendes, ablenkende
,Aeräufch herauf zu mir; ich hatte die
Balkontür weit geöffnet, um der er
quickenden Luft Einlaß zu geiväh
ren. Und ich hatte arbeiten können,
endlich ungestört durch den tägli
chen, marternden Lärm des Spiele
da unten arbeiten, nach Herzens
lufl. Die Gedanken sammelten sich
die Ideen wuchsen ein Reich
tum ohneichen zogen sie beglückend
ein in meine Seele. . . DaS war ja
ein Fest. . .
BiZ fünf klare, ernste Klänge sich
vom nahen Kirchturm herabschman
gen und hincinriesen in die Turnhalle
cer alten Gemeindeschule da drü
ben. Und nun ein ganzes, wüstes Kon
zeit froher Jungenstimmen da unten;
trabende, laufende, galoppierende
Schritte. Jungdeutschland wallte
heim au der Schule, um sich zu
neuen Angriffe auf meine Nerven,
ausgerechnet genau vor den Fenstern
meines Arbeitszimmers zu stärken.
Aufseufzend lehnte ich mich zurück in
meinen Stuhl; mein Blick glitt über
die Straße Ich fuhr empor, und.
näher zum Fenster tretend, erblickte
ich .ihn" richtig wieder, gleich einem
Anführer rebellischer Massen daher
sausend, zuweilen den Kopf rückwen
dend, kreischend daö Urbild eineZ
aufreizenden, gefährlichen Elements.
Mein Erzfeind, mein Quälgeist ist
dieser junge Mensch, der Extrakt ei
nes RowdyS, der Zermalmer meiner
besten Gedanken, der Zertrümmerer
eines Lebenswcrks mit einem
Wort: .Paule".
Ein hagerer Elfjähriger mit star
rem Rothaar auf dem eigensinnig ge
formten Kopf, auS dessen altklugem,
blassem Aufrührergestcht zwei flam
mende, aufgeregte ' Augen groß und
dummschlau alles rings im Berei
che seines Blickes gleichsam beherrsch
ten. Ich haßte die ausgewachsene,
unbestimmt graue Jacke, auS deren
viel zu kurzen Aermeln .magere Hand
gelenke und unsaubere Hände lebhaft
hervorarbeitcten. Hosen trug der
Bengel, die entschieden nicht vom
Schicksal für seine hohen, dünnen
Beine bestimmt waren; sooft er auch
mit einer gewissen, indifferenten Ge
düld und Ausdauer an den reich ge
stopften Strumpfrändern zerrt, schau
ten doch zwei magere, braune Knie
neugierig wieder an daS Licht der
Welt. . . Das Unangenehmste an
dem Bengel war die Stimme; von
Natur kräftig krähend, war sie sich
nie recht einig, ob sie sich eben im
hohen Diskant oder in tremolieren
den, tiefen Tönen unbekannter Eigen
schaft hören lassen sollte; so wechsel
te sie beständig ihre Lage, was be
konders bei seinem höhnischen Ge
lächter, bei feinem Schreien, Kom
mandieren, Rufen ein ganz unbe
schreibliches Getöse verursachte. AlleS
in allem der unangenehmste, zuwi
derste Junge, der mir in meinem
Leben, der mir in meinem Berufe
als Lehrer vorgekommen ist, dieser
.Paule".
Ich traf ihn oft bis Morgens,
wenn ich zum Gymnasium ging und
er in seine Gemeindeschule schlurrte,
rannte, stolperte, raste, tanzte. Ein
mal hatte er ein kleines, unsauber ver
putztes Mädchen an der Hand, daS
aus zwei ebenso flackernden Blauau
gen wie er seelenvergnügt aus einem
ebenso blassen Gesicht unter dem glei
chen feurigen Haarschopf ebenso ver
ständnisinnig altklug in die früh
lingSgoldige Welt lachte.
Sein Fräulein Schwester eS
fang, fang mit derselben Stimme,
aber fehr energisch den höchsten So
pran behauptend, den eS je gegeben
hat. Ich hörte: Die Männa
find all Vabrächah!"
.Du sollt das Lied nicht sing'.
Trudchin, haste vastann?" unterbrach
der Herr Bruder, sie unsanft am
Arm reißend. Ich trat wohlwollend
näher. .Zerre doch die Kleine nicht
so rob am Arm, Knabe!, mahnte ich
väterlich, aber scharf. Der Bengel
riß den schmalen Mund von einem
einer abstehenden Ohren zum andern;
änderbar sah das aus; eine Schar
enkrechter. kleiner Fältchen schlug
rechts und links die dünne Gesichts
haut, zwei feste Zahnreihen blökten
mich beißlustig an.
Woll dof?" krähte die ithtmlt,
liebliche Stimme; und das Kind an
seiner Hand gipste- aus einem
seiner in Schlappantscln steckenden
Furchen; blitzschnell sichr ine lcirize.
schmale, rote unge auf mich los, und
ein kleiner Angesiuger tippt in mir
uuk.'annter Vewegung an die kleine
Schläfe.
Undank ist der Welt Löhn!
Sobald mir nun der Benge! legen.
pete, gritiste er mich verständnisinnig
an und zog die karricrte Sportmütze.
Diese Begegnungen machlm mich ner
vcä; ich begann sie förmlich zu siirch
ten und trat, wenn e anging, und
ein beliebiger Laden In erreichbarer
Nähe war, so lange an daS Schau
ftnsier, di mein Deiniger außer Ceh
loeite war. . . .
Heute ist eS aber da unten wirklich
fast unerträglich. Ich will doch lie
ber die Ba'.tontür schließen.
Ich komme nicht mehr dazu. Ein
Knall in Klirren ein sausen
der, grauer Gegenstand und auf
dem Boden de Balkon nieine in
Knospen stehend weiße Rose. . .las
hatte ja noch gefehlt; ich fühlte es,
kein anderer hatt, diesen Roheitsatt
ausgeführt. Ich stand ganz still und
blickte auf meinen Liebling. Im
Stamm gebrochen. Und r stand in
Knospen. . .
Ein Klingeln an der Entreetür.
Und gleich darauf Lina mit Paule!
.Visitenkarte".
Ein Junge, Herr Professor, ein
Rotkopf, er möchte seinen Ball wie
derhaben' der ist ihm auf den Ballon
geflogen
Ich wende mich longsam um. Ich
bin. glaubt ich, etivas blaß geworden;
der Verlust der Nose schmerzt mich;
ich bin ein einsamer Mann, mein
Her; hängt an meinen Blumen. Und
sie stand in Knospen. . .
Ich fühle einen (Ärimm gegen den
Täter, fast ine Art Haß.
.Nein er bekommt den Ball
nicht. Er soll sich scheren, oder er er
lebt etwas!"
Lina ab.
Ich hebe sorgsam meinen armen
Liebling auf; die Schar der halbge
schlossenen Knospen nickt an schwan
kem Stengel über meine Hände. Wie
eine liebe Tote bette ich meine gebro
chene Rose und decke über sie hin ein
weißes Tuch. Ist es doch auch eine
wunderbare, wahre Tatsache, daß
hier ein Leben, Wachsen. Streben
lernichtet ist. ist's auch nur ein Blu
inenleben, ein stilles Sonnenöasein
. . . niemand zu Leid!. . . Wer kann
das von seiner Persönlichkeit sa
gen?.
Ich trete leise zurück. Drunten
ein Wutgeheul. Aber seltsamerweise
ohne die anführende Stimme. Noch
einmal gehe ich hinaus; ich blicke
hinunter. Paule ist nicht zu sehen.
Und doch! Dort rennt er ja wie be
sessen die Straße entlang. Er wird
den Vater holen: Paule in verbesser
ter, verstärkter Auflage. Ich atme
ruhig. Mag er kommen. Ich setze mich
an meinen Schreibtisch und stütze die
Stirn in die Hand. Und dann fliegt
die Feder.
Ich kann nicht angeben, b eS eine
halbe, oder eine Biertelstunde war,
die vergangen, als wieder ein Rei
ßen an der Entreeglocke mich in der
Arbeit störte. Oder nein eigen!
lich kein Reißen ein kleines Klin
ben, ein einzelner Ton. Dann
Linas bescheidenes Klopfen und ihr
blonder Wollenkopf in der Türöff
nung. Hai- Professor, ein Brief; der
Roitopf hat ihn gebracht. Daß er die
Rose zerbrochen hat, habe ich dem
Jungen gesagt, und da hat er gesagt,
er sagt, er hat". . . .
Schon gut, Lina." Ich winke mit
der Hand. Ihr Satzbau fällt mir
jedesmal peinlich auf die Nerven.
Was weiß so ein rundgebrannter
Kops vom Infinitiv?
Kopfschüttelnd betrachte ich da
Schreiben. Sicher der Herr Papa.
Wahrscheinlich ein Drohbrief. Viel
le'cht sehr grob. Laßt sehen.
Eine Rechenheftseite, sehr sauber
a.cknifft; eine Adresse, auffallend gut
geschrieben, eine Kinderhandfchrift
mit eigentümlich charakteristischem
Duktus. Ich öffne.
.Lieber Herr Professor!
Meinen Ball brauchen Sie mir
nicht wiedergeben, aber daß ich die
Rose zerbrochen hnbe, tut mir sehr
leid, bitte, lassen Sie mich doch mal
rein.
Der Knabe Paul Gräber."
Ich dreht daS eigenartige Schrei
den hin und her. Was wollte der
Lümmel noch von mir? Wollte allem
Anscheine nach .abbitten" und auf so
gerissene Weise außer seinem Ball
noch vielleicht einen Notgroschen er
prellen. Er sollte sich gehörig geirrt
haben.
Herr Professor, der Schlingel
steht noch draußen immer an der Tiir
und lauert!" erinnerte Lina sanft.
Werfen doch man Herr Professor
den Ball 'runter dem Jung'!"
Wegen dieses SatzungetümS mit
Lina zu streiten, wäre überaus tö
richt. Ich ging also darüber hinweg.
ES klang übrigens bittend. Daö
Schreiben flog in den Papierkorb.
Merkwürdig gut und richtig geschrie
ben.
Nein!" sagte ich sehr bestimmt.
.Er soll mich nicht weiter belast!
gen.". . . smmmm
Lina zögernd abermals ch. "'
Ich hatte gar nichts bemerkt oder
gehört - er mußte die Tür sehr be
hutsam geöffnet haben. Vielleicht war
ich auch sehr in die Mtl ctitun,
sehr bkschusligt. ten ahzmssenk!, Fa
den neu zu knpscn. Kurz ein
kleines Mscheln. in meiner Mh lies)
mich aushorchen, ausschauen. Der
Nezen hÄ!e langst seine stille Arbeit
vollendet! di Ädeiidsonnenftrahlen
fingen in dem seuerrolcn Cchopf. der
sich da draußen aus meinem Aalkon
Über den grunze st eichenen Gar ten tisch
beugte. Eine häßliche, graukarier!
Sportmütze, abgetragen und nah. lag
am Boden neben zwei In leudcn,
vertrageiikn Turnschuhen steckenden,
lkisr hin und wier schrciienden Fü
ßen. Eine h.iaere Juiistengestalt
stand wie hingezauoeet dort. . .
d!e wilden Weiiikiinken slalterten un
hörbar im fchirwchen Lchhauch; klei
ne, gefiederte Sänger Zwangen mit
zartem Abendlied dem Heiuiatneslc
zu. . .
Und der auflodernde Zern in mel
nem Herzen wich einem großen Stau
nen. inem neuen Erleniien dessen,
das unabhängig von allem rein ttör
pirlichen, von zedem Physischen Sein,
ganz allein und erhaben und wahr
haftig lebt und ist nicht als Ge
dankt, nicht als Funktion. Resultat
oder Formung eines gesunden, intel
tigenien vehirnö. sondern daS Ei
gentliche, daS Ich. das Ureigentliche.
die Seele. . . Ich sah den Jungen
jetzt zum ersten Male, wie man den
Menschen sehen sollte. Und ein wun
derlicheS Empfinden kam über wich;
daS Empfinden und Erleben einer
großen Seelen gemeinschast. Aber
nichts mehr davon, das Thema wäre
unerschöpslich.
Dort stand der Junge. daS
schmal Gesicht ohne die Brille der
verdüsternden Antipathie sah icy nun,
wie hungrig er ausschaute hatte
nichts mehr von Hohn oder altkluger
Herrschsucht. ES schimmerte sonder
bar weiß; manchmal lief ein Zucken
darüber hin, wie von körperlichem
Schmerz, und die Hände, die mit
den starken, roten Knöcheln aus den
diel zu kurzen Aermeln kamen, wa
ren eifrig, ein wenig bebend beschLf.
tigt um meinen zerschmetterten Ro
senstamm. Die Wurzeln grub er
kunstgerecht in einen mit Erde gefüll
ten neuen Blumentopf; da gebro
chene Stämmchen stand nun aufrecht,
eingehüllt in einen weißen Ver
band, gleich einem verwundeten Wen
scben. . .
Was tust du hier?"
Meine Stimme klang freundlich,
ermutigend; Paule fuhr dennoch ein
klein wenig zusammen. Zwei gro
he, dunkelblau leuchtende Kinderau
gen voll glänzender Tränen, die still
eine nach der anderen auf seine Hände
niedertropften, klar und rein wie
Weihwasser, strahlten mich an.
BaumwachS!" kam es mit den be
kannten Wechsellauten etwas rauh
aus gepreßter Brust. .Ich habe Mut
ters Fuchsie auch so verbunden, nun
blüht sie über und über, lauter
Schneewittchen. Aber die hatte ich
mich, ich hab überhaupt noch nie eine
Blume zerbrochen, nie nein, das
den Lappen hat mir das Mädchen
geschenkt; der Topf is neu, von mein
Landpartiegeld, zu übermorgen, aber
ich mach' mir nichts aus der Par
tie, wahrhaftig nich." Er fchüttelie
den Kopf heftig und konnte doch
nicht hindern, daß er feuerrot wurde
bei seiner frommen Lüge. Und nun
kam ein weiches Kinderlachen über fein
Gesicht mit den nassen Augen. Nu
steht jr! Und nu sollen Sie sehen,
in eine vier Wochen is er heil, ja,
wirklich!"
Wie hungrig diese Augen blickten,
wie Augen, die oft zugeschaut, wenn
ander vollauf bekamen. Wie Hun
ger war es nach allem, was gut war,
Hunger nach Sattessen, Hunger nach
Liebe, Hunger nach der Sätti
gung eines reich veranlagten Geistes.
Doch dies, diese große Tragik seiner
Seele, erfuhr ich erst später - zu
spät. . .
Und nu" er schlüpfte an mir
vorüber und blieb an der Tür sie
hen, die Mütze in seinen erdigen
Händen flog in zauberhafterGeschwin
digkeit um ihre eigene Achse, und
die Stimme überschlug sich in in
dianischen Kehllauten vor Verlegen
heit und einem gewissen schämigen
Trotz nu sind Sie man nicht
mehr böse, es es tut mir leid."
. . . Er nickte und wandte sich zum
Gehen.
Paul!"
Abgewandt blieb er stehen, den
Kopf gesenkt, wie in mer Sün
der.
Paul nimm dir deinen Ball."
Ein heftiges, stummes Kopfschüt
teln.
Nimm ihn nur. Und wenn ich
sonst etwas für dich tun kann, so sag
es getrost, mein Junge."
Mein Gast drehte sich blitzge
schwind herum zu mir; über die ma
geren Backen flatterte ein lichtes No
senrot.
Sie sind sehr gut. So gut war
noch keiner zu mir. Aber ich
nein, ich kann s nicht sagen -eS
geht ja nicht - wir haben ja
kein Geld, und annehmen für um
sonst, das tue ich nicht. Ich lernen
möchte ich aber das ist ja alles so
. . . nein, lassen Sie man, mir kann
keinerhelfen."
Noch ehe ichTin Wort der Ermuti
gung sprechen, ihm irgendein Wort
des Trostes, einer Hoffnung mit auf
den Weg geben konnte, war er ohne
jeden Gruß oder eine Höflichkeitöbezei-
gunz mit aalüer eschwIk.lg?!Ü
vkkschüunden.
sinnend stend ich noch Um
selten Pkotz. all ncich wenig? Ce
künden sei Tlimmzete von dej
Straße her lauter und gellender denn
je heraufton!. Ich trat nus im Wal
en hinaul; sie spielten sichtt tvxtUt
Hecero oder sonst t:a desgleichen.
1liif dem RoM'j ne yrellbunt, fct
dermiitze. eine Papi-efcharxe m der
selben Iarbensreudizkei! um die
msqeren , Hüsle. raste er den
schreirnd ihm Folgenden voraus, die
Dlechte schwang einen Holzdegen, die
ssüße in den zerschlissene Turnschu
hen sloien, st schienen di vrde kaum
in berühren. Und beim Anblick die
ser der sonnenbeschienen d.ihinskie
genden ölestall Folgenden fehlte ich.
begriff ich das hinreißende eines
Bollibegeisieml. viellkicht auch hie,
schon lebend in d, Knosp, noch
schlummernd, in einer haldeerloil
derten und doch in ihrer Ureigen
schaft so tiestn. zartem 5iderske
Am nächsten Abend wollte Ich khn
herausrufen. Er sollt sich ousfpr.
chen. Ich beabsichtig, ihn gründlich
jit prüfen no vielleicht seines Leben
Hunger zu stillen. Ifi sollte lernen
Kursen, an seinem Geiste schassen. (St
sollte vielleicht einmal studieren, i
sollte. . .
Aber wo blieb der Bengel?
Auf dem Echulwege. als ich nicht
mehr nervös,
ondtrn aufmerksam,
interessiert nach dem Jungen Ausschau
hielt, entdeckte ich ihn nicht. Nun.
Lina konnte ihren Schützling jc,
abend herausholen.
Sonderbar; nachmittags diß
Jungen hatten frei raste der fröh
liche Lärmschlvarm ohne Anführer an
meinen Ienliern vorüber. Ich tauchte
die sseder ein; nun ausnutzen di
herrliche Nuhe. Sie zogen nach dem
Exerzierplatz, wie e schien. Und ich
schrieb. Gegen '-ß Uhr kehrten sie
zurück. Sonderbar. Paule nicht un
ter ihnen. In (Äruppen standen sie.
und einige friedliche junge Bürger
peitschten pfeifend ihre Triesel. Ich
beugte mich über die Balkonbru
siung.
.Du da. mein Schn, wo ist der
Gräber?"
Der Junge ließ die Peitsche sinken
und sah dumm erstaunt herauf.
Dann tagte es bei ihm: .Paul?
Och. der is doch nachs Kranken
haus!" Pfeifend jagte er feinen Trie
sel weiter.
Krank? Der lebensprühende Jun
ge?
Ich nahm gegen 7 Uhr Hut und
Stock und ging hinunter. Sie stan
den wieder gelangweilt in Gruppen
herum. Sie hatten auch sonderbar be
troffene Gesichter.
.Ja. wer ist denn nu Anführer
tönte ein Stimm.
.Werkmeister!" Ein stämmiger rot
bäckiger Junge, dem man Mutters
gute Pflege aus zwanzig Schritt Ent
fernung ansah, lächelte selbstgefällig
und warf sich in die Brust,
.Also los. Aber Federmiitze und
Schärpe und Degen bringe ich erst
morgen mit."
Halt!" Sie standen alle beieinnn
der, und ich mitten unter ihnen. Wo
ist Paul Gräber? Ist er fehr krank ?"
Ich sah mich um; der Kreis schwieg.
Es war ein scheues Berstummen. Ich
schöpfte Verdacht. Oder habt ihr
euch entzweit, und er spielt nicht mehr,
mit?"
Da riß einer das Wort an sich.
Paule? Nein, Paule, der fpielt
nicht mehr mit", klang es, und dann
halblaut von mehreren: .Paule Gra
der ist tot."
Sie standen alle wie festgenagelt;
vom Spiel war plötzlich nicht mehr
die Rede. Werkmeister trat ungedul
big und dumm herrisch vor.
,LoS doch, kommt spielen!" kom
mandierte er barsch; die Jungen tra
ten von ihm zurück. Da kamen die
Abendsonnenstrahlen um die Kirche;
sie eilten den Weg zum Spielplatz
entlang, über die ganze Spielschar
glitten sie aufleuchtend und weiter
hinauf, immer weiter; und die ger
tenschlanke Jungengestalt mit dem
flammenden Haar, den feurigen Au
gen, in deren tiefem Blau noch di
Tränen um die gebrochene weiße Rose
funkelten sie flog den Weg. den
Kameraden voran, das Schwert in
der hochgeschwungenen Rechten.
.Nein". . . ging ein Flüstern, .nein
heute nicht!".
Und langsam verteilten sie sich.
Blinddarmentzündung war es ge.
wesen. Das junge Herz hatte nach ;
der Operation geschwiegen.
Und nun war es vorbei.
Ich ging zu ihm. Langgestreckt
ag er in den weißen Decken, grö
(X fchaute er aus, viel größer. Ich
irich die rote Welle auö der breite,
weißen, klugen Stirn, und ich mußte
an die gebrochene weiße Rose den
ken. ...
Warum sind wir so leicht geneigt,
die Menschen nach ihrem Außenle
ben zu beurteilen? Warum bleibt
uns ihre innere Schönheit, ihre Weis
heit, die tiefe, göttliche Giit und
Höhe ihrer Seele so oft ein ungelöstes
Mtsel?"
Ich kehrte heim. Der Abend war
da. Ein zarter Hauch flüsterte wie
der im wilden Weingerank auf dem
Balkon. Ich suhlte, wie die Spitze
meines Fußes etwas berührte. . . Ich
bückte mich, ich hob es auf. ,Es war '
ein kleiner, grauer Ball. , ''