Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, April 22, 1914, Image 3

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    Tnalichk Cuiösiii Tkili'nik.
aiiil(io4 dk 22. '.'lxril 1011.
Orjilid, mein Land.
Aoman von
ÄS?
(20. Fortsetzung.) ' -
Die alle Frau von Locknid hatt
srlt Ten verseHich gegen eint über
große Mcliigfcil angekämpft.
Nun lag sie zu Bett, und der Haus
ernt sprach von absoluter Nuhe und
Pflege mit allerlei Stärkungsmitteln.
Mine kaufte eine Taube, kochte
Bouillon, schnitt laubblattdünne
Schinkenbröte und verlangte den
Wein vom Sohn ihrer Herrin:
.Wir. Herr Leutnant, haben schon
Icncie keinen mehr im Keller."
Dielher ließ einen Korb bester
Marken In3 Haul schicken und nahm
dazu den Kredit seiner Mutter in
Anspruch.
Mine murmelte zwar: Anschre!
den lassen konnten wir selbst' aber
sie war doch sroh, daß sie nun pfle
gen konnte.
Hant'ttebhard lief wie verloren
umher. Keiner hatte Zeit für ihn.
Wenn Mine ihn morgens in aller
Eile angezogen hatte, bekam er mei
stenk sein Frühstück in der Küche.
Und da blieb er dann und kroch, zwi
schen Mines Töpfen und feinen
Epielsachen umher.
Er ward mürrisch und eigensinnig,
sah unsauber aus und weinte viel.
Holte sein Bater ihn einmal zu sich
ins Zimmer, so verlang! er nach
Mine zurück und störte außerdem
durch sein Geschrei die kranke Frau.
Tiether sank mehr und mehr der
Mut. ' Ohne alle Hoffnung sah er in
die Zukunft.
Was gab es denn noch für ihn?
Talente, die ihn über den Alltag
heben könnten, besaß er nicht. Sein
Beruf war ihm lieb gewesen. Er hatte
deS Königs Rock mit Ehrfurcht getra
gen, auch wohl mit etwas Eitelleit.
Alles, was sein Herz an Leiden
schaft und Liebe nach der Tollheit
erster Leutnantsjahre kannte, gehörte
Adelheid Äeeken und dem konzentrier
ten unaufhörlichen Bestreben, sie als
seine Frau ihre Kunst vergessen zu
machen.
Matt und müde halle er sich um sie
gelämpft.' Und als er endlich glaubt,
ihre Seele gewonnen zu haben, da
schlägt das Schicksal üjm den Preis
aus ver Hand. Und als ein Bettler
muß er stehen und sehen, wie nun ihr
eigenes, ungeteiltes Selbst triumphie
rend das Hzupt erhebt und seinen
Siegeslauf beginnt beginnen muß.
Denn er hatte für Weib und Kind
kein dauerhaftes Leben bauen können.
Stunde um Stunde verbrachte
Diether im trostlosen Grübeln. Biö
ei dann wi: gejagt aufsprang und
nun anfing, den Nest von Nuhe und
Kraft in ausführbaren Plänen und
Bemühungen um irgendeine Anstel
lung, eine Beschäftigung zu erschöp
seit. ,
Und bei alledem empfand er mit
trostlosem Staunen seiner Frau Ab
Wesenheit als Erleichterung. So
weit waren sie also schon, die sich seit
ihrem Hochzeitstag nicht einen Tag
.getrennt. Sie atmeten auf, wenn
einer dem andern nicht inö Herz sah.
Hätte er Berlin den Nucken wenden
können! Aber er mußte Adelheids
wegen hier aushalten und weil er
samt dem Jungen wenigstens ein Un
terkommen bei seiner Mutter fand.
Von dem ganzen Schwärm der
Freunde und Bekannten auS den Ta
gen ihres Glanzes sah er niemand.
Nur eine Kaffechausbekanntschaft
war ihm treu geblieben ein gcist
voller, vornehmer Mann Kunst'
kritikcr und Bcrfasser zahlreicher
EssayS, wahrer Kabinettstücke an
Witz und Satire.
Er war es, der Diether auf den
Gedanken der Schriftstellerei brachte
und in jeder Weise seine Unterstüt
zung zusagte.
Aber Diether wehrte mit Hand
und Fuß ab.
.Nichts ist mir mein Leben lang
scheußlicher gewesen als die Schrei
berei. Dienstliche Berichte, ja, vor
Jahr, und Tag auch mal 'n LiebeZ
brief alles andere absolut auö
geschlossen, unbrauchbar."
Doktor Hagen ließ nicht nach. Er
'gab ihm ein Thema, besprach S ein
gehend, mit ihm nach vielen Wer
suchen erwies sich DietherS eigenes
Urteil über sein Können als iatsäch
ljch zutreffend auch dieser Plan
mußte aufgegeben werden.
Er knüpfte Verhandlungen an mit
einem Kameraden seines verstorbenen
Baters, dem Oberiandstallmeister ei
ries süddeutschen Fürsten.
' Gab es eine Möglichkeit, ihn in
dessen Ressort unterzubringen? Oder
.in einem andern?
Wenn nicht bei ihm oder dem
Oberjägcrmcister,. vielleicht irgendwo
all besserer Kastellan, genannt
Schloßhauptmann?
Nu, erst mal ein selbstverdientes
Stück Brot , Mieder für Frau und
Kind haben.
Er betrieb diese Unterhandlungen
in aller Heimlichkeit. Denn waS
sollte, führten sie zu einem Abschluß.
auS Adelheids Berliner Verpslichtun
gen werden?
Gleichviel, mochten die Konsequen
gen sein, welche sie wollten erst
müßte er wieder zu Erwerb kommen.
:rst er. -: ' ,
Erika Nicdier.
IiLJEj.jMa'iM.aCIXia'13Bl
Doch die Nachrichten blieben au!
und inzwischen verlor er den Nest
seines MuteS und seiner Nuhe.
Die alle Frau schlief. Auch
HanS-Gebhard lag satt und zufrie
den in seinem Bett.
Mine fragte pflichtschuldig den
Herrn Leutnant, wai er zum Abend
brot wünsche, obwohl sie wußte, die
Antwort würde lauten: .Danke,
nichts l Ich gehe auS."
Jetzt saß er im CafS. Aß na
tütlich nicht, weil er längst verges
sen hatte, warum er hergekommen,
blätterte in Journalen und wünschte
nichts weiter, alö eS möchte erst zwölf
Uhr sein und er müde genug,, um
schlafen zu können.
In bitterer Schwermut saß er da
und sah die Menschen kommen und
gehen.
Wie interessiert hatte er noch vor
kurzem mit Adelheid dem bunten
Treiben zugeschaut!
Wie war eS nur möglich, daß so
viel Glück so schnell, so grausig
schnell versank!
Und für immer! Denn Dielher
glaubte an keine Wiederkehr der al
ten, seligen Zeit.
Er kannte sich und wußte, eS war
ihm eine Unmöglichkeit, sein Weid
auf der Bühne zu sehen.
Er wußte auch, ihre Seele entglitt
ihm, sobald die ewig ersehnte Kunst
kam und sie auf 'die leuchtenden
S.iiwingen nahm.
Es mochte sich schließlich alleö noch
über Erwarten günstig wieder fügen
das alte Glück war doch dahin.
Doktor Hagen trat eilig ein, bt
stellte und fetzte sich mit an DietherS
Tisch.
Famos, daß ich Sie treffe, Herr
von Locknijz! Täten Sie mir wohl
den Gefallen und gingen heute abend
es ist allerdings schon gleich sie
ben Uhr statt meiner in die Wal
küre"? Ich kann bei Gott nicht. Not
wendigste Verabredung. Ja, wol
lcn Sie?"
Er legte sein Billett auf die Mar
morplatte. Diether sah ihn miß
trauisch an.
.Soll ich etwa Bericht erstattend
S kennen doch meinen Stil."
Hagen lachte. .Ach was! Sie
brauchen mir bloß morgen beizeiten
zu sagen, was los war und so und
so. Tatsächlich, Sie verpflichten
mich. Also, ja? Na, schön!"
Er trank aus, zahlte und war
draußen.
Diether stand verdrießlich auf.' Er
wußte, Menginsky sang gerade
zur Beruhigung seiner Nerven würde
das nicht beitragen. Jedoch bewies
ich Hagen ihm so wirklich freund
chaftlich und schließlich gingen ein
?aar Stunden hin.
Er sprang auf eine Elektrische und
fuhr zum Operplah.
Das Haus war gestopft voll. Die
ther saß teilnahmslos auf seinem
Platz.
Der müde, unzufriedene Zua in
seinem Gesicht machte ihn um Jhre
alier. Nichts mehr von dem seun
gen. fröhlichen Diether war darin.
Das stürmische Borspiel paßte zu
seiner Stimmung. Es fegte befrei
end durch seinen Mißmut.
Aber dann kam Siegmund'Men
ginsky verwildert und verwundet
und sank trotz aller .Ermattung mit
einer Anmut ohnegleichen auf Hun
dingZ Lager.
Auf HundingL Lager!
Wie verrückt gingen Diether be
ständig die drei Worte durch den
Kopf.
Sieglinde, hinreißend in ihrer
scheuen Lieblichkeit, trat in das Ge
mcch.
DaS süß Geschwisterliebemotiv, in
den ersten Takten noch zagend, ta
stend, setzte ein um triumphierend
überzugehen in das wunderbare Lie
besmotiv.
Und dann stand Hunding in der
Tür seines Hauses!
Bon Orchester her weht Sturm,
klirrt Schwertklang. Erwachende,
wehe Liebe flüstert und klagt dazwi
schen Walhall verheißt Götter
freiheit der letzte glimmende Feu
erfunken läßt die Waffe im Eschen
stamm erglänzen. , -
Und dann Nacht.
Melodien von unsäglicher Schön
heit umhüllen das scligunselige
Paar.
Die Lenznacht webt ihren Zau
ber, unirdisch verklärt vom Mond
licht schaut einer deö andern Ant
litz.
Immer wund-erbarer, immer süßer
blühen dis Melodien, mit unbeschreib
lichcr Schönheit den Gipfel trunken
sten GlückeS gleichsam umrankend,
hinausgeleitcnd, bis, sie, in glühendem
Triumph, in höchster Wonne einher
stürmend. Waffengeklirr in Götter
lust mischen.
Menginskys Stimme war voll
Glanz, voll von bestrickendem Wohl
laut. , Jede Bewegung deS vol
lendet gebauten Körpers edel, eine zu
rückgehaltene Kraft verratend, die in
ihrer Anmut faszinierend wirkte. Er
wc.r ' die edelste Verkörperung der
Ixet' sch-schönen Siegmundgestalt.
5 'thcrZ Blut stürmte. Er wand
te kcia Au;;e von dein rgktifeuk
Bild dieser lern Tode geweiften
Giick!ichkn.
Leine Blicke brannten aus Men
ginZklzj schönem Gesicht.
Jeder Ton seiner Stimme war
Lttführunq. jede Bewegung, gemilcht
aus Leidenschaft und Zartheit, war
Acrsuchung. Wie er da sang und
klagte und warb und bezirang mit
Tönen. Gebärde und vollcndkter
Manncsschöliheit. mußte ihm jbeS
Mcib reUunjSIoä mit Leib und See
le verfallen.
Schauer überrieselten Diether. In
dkse Mannes Armen Adelheid! In
trunkener Leidenschaft, in wellverzes
sendem Llkbeirousch!
Spiel! Komödie! Zu Ende mit
eben der Komödie! Ab,: trotzdem un
erträglich. Unerträglich!
Diether wuht. es so genau wie
sein Leben: nie, niemals würde er
in beiden nur die Künstler sehen.
Vom ersten Male an, wo er Adel
heid so sah. würde sie ihm nicht
mehr sein, was sie gewesen, nicht
mehr die angebetete Frau, daß reine
Weib seines Herzen.
Verrückt! Kleinlich! Philisterhaft!
Natürlich! Natürlich! Manch einer
toex stolz auf die Künstlerschast sei
ner Frau. Hundert Männer sa
hen ohne eine Negung von Pein und
Eifersucht die Gattin auf der Büh
n Er aber konnte eS nicht.
Klar wie das Sonnenlicht ward'S
ihm in dieser Stunde: er konnte eS
nicht.
Lom Gelde seiner Frau leben?
Andere Ehemänner taten'S auch
und blieben Ehrenmänner.
Er aber würde vom Ertrag ihrer
Stimme, ja aber auch vom Ertrag
ihrer Schönheit leben.
Und jeder dumme Laffe konnte
kommen und für fein erlegtes Entree
beides kritisieren, an beiden sich er
götzen.
Und er, der wegen Schulden ver
abschiedete Leutnant, mußte stille hal
ten. immer hübsch stille halten.
Jawohl, stille halten; denn er hat
te ja nichts,' konnte ja nichts. Bon
heut auf morgen lernt sichs nicht.
Blot zu schaffen für Weib und Kind.
Da muß man noch dankbar sein,
wenn die, Frau schön ist und überdies
noch singen kann.
Er ballte die Faust, fest biß er die
Zähne zusammen.
Pfui Teufel. waS für miserable
Gedanken! Und dabei diese wahnsin
nije Liebe zu ihr im Herzen, die in
Angst und Qual sich gegen den To
deestoß wehrte.
(Fortsetzung folgt.)
; Kein Gegner.
Erzählung von Alfred Mayer.CcThavdt.
Jetzt hatte er's erreicht! ' Jetzt
würde er ihn ausstechen können,
jetzt, wenn eS nicht längst
zu spät wäre!
Was lag ihm nun daran, daß die
alten Kameraden, daß ganz Samt
Malo ihn anstaunen würde; daß
er. der arme Jean Gucrdric, als Ka
pitän des .Finisterre" nach Hause
kam! Er, der arme Fischerssohn, der
es aus eigener Kraft so weit gebracht
hatte!
Gewiß, nun würden die hübschen
Mädel von Saint Malo schon nach
ihm Ausschau halten. . . Ein Kapi
tän der Transatiantique! Und wenn
er jetzt etwa noch einmal zu Pierre
Picot läme, vielleicht wegen der Luise
oder der Jeanette, jetzt würde der
reiche Protz ihn vermutlich nicht mehr
Hungerleider schimpfen und aus dem
Hause weisen.
Aber was lag noch daran! Die
Marie Ivonne war ja nicht mehr da!
War ja längst das Weib Claude
Marecs, den sie damals hatte nehmen
müssen. . .
Marie Avonne! Was sie wohl sa
gen würde, wenn sie ihn mit den Ka
pitänsstceifen sah!
Dummes Zeug! Nichts, gar nichts
würde sie sagen. Aus dem Wege ge
hen würde sie ihm. Marie Yvonne
war ein braves Weib und dem aufge
zwungenen Gatten treu! Aber freuen
würde sie sich. für ihn.
sie hatte ihn ja so lieb, ge
habt. '
Freilich, ob der alte Schmerz nicht
doch wieder lebendig werden würde
in ihr? Ob sie sich nicht am Ende
gar Verwürfe machen würde, nicht
tapferer gewesen zu sein? Dem Alten
nicht zäher Widerstand geleistet zu
haben ?
Unsinn! Hatt: denn jemand ahnen
können, wie es kam? Ja, wäre er
denn überhaupt geworden, was er
jetzt war, wenn er damals Marie
Ivonne bekommen hätte?
Schon in der Schule hatte Jean
Guerdric stets zurückstehen müssen ge
gen Claude Marec. Nicht etwa, daß
Claude gescheiter, oder tüchtiger.
oder, was in der Schule ja noch
häufiger den Ausschlag gibt, der
Stärkere geivesen wäre! Keineswegs,
in alledem gab keiner dem ande
ren vor noch nach; es war ein stetes
Ringen gewesen, zwischen den beiden
Knaben um die Führerschaft iiber
die Altersgenossen, bei dem die Sväjt
schale sich aber zugunsten Claudes
senkte, weil Claude der einzige Sohn
des reichen Sardinenfischer Phi
lippe Marec war. der jährlich fünf
eigene Boote auf den Fang schickte,
und Jean. . . j
Nun ja, Jean war zur Welt
gekommen, ehe die Eltern hatten hei ;
j taten können. Da mußte doch erst
" .! CMiH ,trti.f ittth !!( tlrthri
HHl uiih tyitttitt. unu vif, ii v . fc. u-
Hilft Eiimchtung deschcisst werden.
Dtlild hotte der Vater erst noch i
neu Jzlanosischzug mitmachen wol
Un, und im Herbst, wenn er heim
kehrte, sollt Hoch'eit sein. Alt aber
der Herbst kam. brachte er ten Vater
nicht zurück. Der war draußen geblie
Un im rilden Nodmeee. und mit
Ihm noch sechs andere brate Seeleute.
Da konnte sein Jean eben später nicht
so vi'l Auskh'n vkansprucbtn. wie an
b ff, di einen Peter hatten der fünf
Boote sahren ließ Üiichl mal,
wenn er ihn cd und zu im Fauste
kämpf unilriegte
Nach der Kommunion, alt kie die
Schule vekiicßen. hatten sie Frieden
geschlossen. Sie sollten ja nun .er
wachsen" sein. Auch waren sie nun
Kameraden geword'n; sie mußten bei
de schon alt Junzleute mit hinaus
cuf den Fang. Auf demselben Boot
einem von den fllnfen Philippe
V!c.recS, Und raufen mit drm Sohn
des Prinzipal! unmöglich! Und
nun begann Claude. Jean gegenüber
den Gönner zu spielen.
Sie vertrugen sich iudtssen, bis die
Zeit kam, in der si anfingen, sich
nach den MädelS umzuseke. Die
Marie Vvonne, die älteste von Pierre
Pi:ot. der zivei Boot hiitie. stach bei
den in die Augen. AIS Marie ?)vonne
eines Tages sich mit der Mutter ab
mühte, das große Boot mit der Winde
aus den Strand zu ziehen, sprangen
sie beide dienstfertig hinzu. Marie
Avonne lachte beiden freundlich dan
kend zu, verwies Claude aber an
den andern Windenarm eben die
Mutter und ließ Jean neben sich mit
drehen. Von bim Tage on war eS
ausgemacht, daß Jean der Bevorzugte
war.
Marie Fvonn bekam heftige
Schelte von der Mutter wrg'n ihrer
Dummheit, und der alte Picot drohte
Lr mit dem Tauende, half aber
nichts. Der Trotzkopf hielt den Nacken
steif. Jean gefalle ihr nun einmal
besser.
Bald danach mußten Jean und
Claude zur Aushebung. Natürlich
kamen beide zur Marine, glücklicher
weise aber nicht auf dasselbe Schiff.
Nicht einmal in dieselbe Garnison.
Claude kam nach Brest und Jean
nach Toulon; und da beide bald auf
große Fahrt mußten, hörten sie
fast drei Jahre lang nichts voneinan
der.
Nur einmal hatten sie sich getrof
sen, gegen Ende des dritten Dienst
jahres. Draußen, in der Südsee. In
einer Hafenkneipe von Papeete. Der
Gambetta". auf dem Jean, nun schon
als Obermaat, fuhr, war zur Ablö
sung des Kreuzers .Röpublique" nach
Tahiti kommandiert worden. Wie
gern hätte Jean damals gegen seine
Tressenjacke die deS einfachen Matro
sen Claude Marec eingetauscht, hätte
er an dessen Stelle mit heimfahren
können! Daß sein Rivale nun in
ihm den Vorgesetzten respektieren
und vor ihm strammstehen mußte,
empfand er kaum noch als Genugtu
ung.
Aber was half's? Die Zeit mußte
ausgebalten werden. Zur Entlas
sung kam Claude ja auch noch nicht,
sondern hatte noch eben so lange zu
dienen wie er. Und überdies: Marie
Avonne war ja so treu! Kam nicht
jeden B!onat ein Brief von ihr, in
dem sie beteuerte, wie lieb sie ihn hät
te? Und lag nicht fast stets sogar ein
Fünf- oder gar Zehnfrankenschein
darin, den sie sich, Gott weiß wie, sür
ihn zusammensparte?
Sie hatten ihren Zukunftsplan zu
rechtgelegt. Er wollte nach seiner
Dienstzeit noch für einige Jahre ka
pitulieren und sein Steuermannsera
men machen. Dann konnte er in der
Handelsmarine Steuermann und, so
Gott wollte, sogar Schiffsführer wer
den und Marie Fvonne heimführen.
WaS schadete es, wenn sie noch zehn
Jahre warten müßten? Sie waren
ja jung!
Doch plötzlich kamen keine Briefe
mehr von Marie Vonne. Und als
fast zwer Jahr später der Boots
mann Jean Guerdric zum erstenmal
auf Urlaub nach Hause kam, hatte der
reiche Pierre Picot ihm spöttijch die
Tür gewiesen.
Das fehlte noch", hatte er ge
sagt, .daß Marie Avonne auf Dich
Hungerleider warten sollte! Daß
Du's nur weißt, nächste Woche heira
tet sie Claude Marec! Zur Unteroffi
ziersfrau ist Pierre PicotS Tochter zu
gut!"
Ingrimmig hatte er die Zähne auf
einandcrgebissen, war, ohne das Ende
des Urlaubs abzuwarten, sofort wie
der zur Garnison gefahren und hatte
sich an Bord zum Dienst zurückge
meldet. Von dem Augenblick an hatte
er überhaupt nur noch sür den Dienst
gelebt. Als seine Kapitulationszeit
abgelaufen war. halte er. die Prä
mie in der Tasche, die Steuermanns
schule besucht und nach sechs Mo
naten ein vorzügliches ; Examen ge
macht. Die Transatlantique hatte
ihn mit offenen Armen aufgenom
men. Die Heimat halte er nie wie
der betreten. . '
Nach drei' Jahren hatten sie ihm
das Anerbieten gemacht, ihn auf Ko-
sten der Gesellschaft zur Navigation!
schule zu schicken. Er erhielt die Be-,
rechtigung zur Großen Fahrt"; und
nun, gerade vor 14 Tagen, als er
als erster Offizier des .Brennus
vor New Kork lag. hatte er das'
Glück, daß dort der Kapitän des
.Finijterkk' plötzlich starb. Tele
graphisch wurde tt zum Kapitän er
nannt, die Erteilung deS Patentes
über davon abhängig gemacht, daß
r den Finisterre- in der Vorschrift'
mäßigen Fahrt wohlbehalten zum
Hkimatthafe Saint Malo
bringe.
Viel hing also für ihn ob von die
ser Reis seiner ersten alt Schiffs
führ. Alles war glatt gegangen,
bit sie di .Nadelu" passiert hatten.
V?n diesem Augenblick an hatten sie
ständig gegen Ncbel zu kämpfen ge
habt und zeitweilig jede Orientierung
verloren.
Mit halber Fahr! waren sie gelau
sen. Die letzten zwei Tage. Seit
4 Stunden war Kapitän Guerdric
nicht von der Kamniandobrück gewi
cken. Und nun mußten ih mauch noch
diese dummen Erinnerungcit kommen
und das halbvcrgessene Leid wachrüt
teln; ihm war. all ob die Schiffs
schraube mit jeder Umdrehung sein
Innerstes aufwühle: als ob die alte
Wunde immer heftiger und heftiger
brenne mit jeder Fadcnlänge. die er
der Heimat näher kam.
Kapitän, der Nebel wird noch
dichter; wir werden beidrehen müs
sen", sprach ein Stimme neben ihm.
Wenn ich Ihnen einen Rat geben
darf, lassen Sie beidrehen und ge
hen Sie für ein paar Stunden zur
Koje. Wer weiß, wie nah wir der
Küste sind. das Fahrwasser ist ge
fährlich hier."
Sie haben gut reden, Steuer
mann! Ich muß den .Finisterre"
rechtzeitig nach Saint Malo bringen;
muß! Sie wissen, waS für mich da
von abhängt. Wir haben schon zu
viel Zeit verloren!"
Wie Si wollen, Kapitän! Ich
möchte die Verantwortung nicht tra
gen! Mein Pflicht war es. Sie zu
warnen!"
.Meine Verantwortung überlassen
Sie mir, Steuermann. Meinet
halben will ich Sie Fahrt noch mehr
mäßigen, von Beidrehen aber kai,
keine Rede sein, wer weiß,
der Nebel knn noch tagelang dau
er. "
In diesem Augenblick ließ ein
Stoß daS ganze Schiff erbeben.
DaS Krachen zersplitternden Holzes,
ein Schrei aus drei, vier Kehlen
drang auS der nebligen Tiefe her-
.Wir haben ein Boot übersegelt,
Kapitän! Jedenfalls Fischer "
Schon hatte der elektrische Funke
den Befehl: Volle Kraft rückwärts!"
in den Maschinenraum getragen. Ein
leiseS Zittern durchlief den Koloß,
als die Schraube rückwärts zu arbei
ten begann,
.Alle Mann an Deck!" erscholl das
Kommando, während die Anker her
absausten. Teufel und Hagel, das hat uns
noch gerade gefehlt!" tobte Jean
Guerdric; .nehmen Sie die beiden
großen Boote, Steuermann, und su
ch.m Sie alles ab. : in längstens
einer Stunde sind Sie mir aber wie
der an Bord; und sorgen Sie nur,
daß Sie selbst uns nicht in dem Ne
bel verlieren!"
Still lag der Finisterre"; der gro
ße Scheinwerfer sandte seine Strah
len nach allen Richtungen durch den
Nebel. Guerdric hatte, da vorherhand
nicht zu tun war, die Wache dem
zweiten Offizier übertragen und sich
zur Koje begeben; wahrlich, er be
dürfte der Ruhe.
Lange ließ das Brüllen der Si
reuen ihn nicht einschlafen, trotz
der Uebermüdung. Und di Gedan
ien
Wenn r den Finisterre" nun nicht
spätestens am folgenden Mittag zum
Ha'en brachte, stand seine Ernennung
in Frage.
Gewiß, seine Schuld würde es
nicht sein. War'S nicht überhaupt
eine Tollkühnheit, bei diesem Nebel
weiterzufahren?
Aber was fragten die Direktoren
der Transatlantique danach? Und
nun dieser verwünschte Aufenthalt!
Mußte daS vermaledeite Fischergcstn
del denn bei diesem Wetter überhaupt
hinaus
Ach ja. er kannte es ja, dies Fi
scherleben. Er. der arme Fischers
söhn! Die Not. der Hunger!
Was tat's schließlich, wenn den einen
oder andern daS gemeinsame Los al
ler. das jeden von ihnen doch traf,
ein paar Jahre früher ereilte! Die
hungrigen Mäuler daheim mußten
gestopft werden.
Saint Malo taucht vor ihm auf.
Der Klippenstrand; die Fischerbarken;
Marie Ivonne
Da stand si ja freudige-
rötet auf der Mole und winkte ihm
zu, als sein Schiff in den Hafen ein-
suhr Gleich würde si on Bord
sein, ihm in die Arme fliegen
Heute abend würden sie end-
lich wieder beisammen sein in dem
schmucken Häuschen mit den hellen
Fenstern und dem sauberen Vor
gärtchen wie klopfte ihm schon
daS Herz, als ob eö zerspringen
wollte
Kapitän! Kapitän der zweite
Offizier muß Sie sprechen!" Kapi
tän, um HimmelSwillcn, werden Sie
doch wach!"
Eine derbe Matrosenfaust schüttelt
ihn munter. I
.Entschuldigen der Herr Kapitän,
aber der zivile Offizier schickt
mich Der Nebel ist . jetzt
ganz dicht, man sieht nicht mehr die
Hand vor Augen, es ist schön ganz
, "
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Ein Nipischcs Tanzllrid sür ,'unge Mädchen, jtcin'c Nichnl!agZ-Vcn'mf!aI'
fittin ncht jcl't ohne Tanzen ab d Sas juiwe Mädchen muh daher eine Menge
lübiän'r .Ikidchc für Pcrarkiqe ivcckk haben, Taci hier abzebildek reifende
SWi'deU ist ein mpischeS Kleid für ei junge Mädchen. Es ist nuS mviclielroin
iil'iffon-Zafseta nnnichk. n.it twä Tuiiics, jede miite'sr 'rnbr ctt! nbitehcn
geniachr und jede mir meinen ü!l-P!aittö crsehc, Tie Taille hak wifze xul
,rasen mo eine Tchäre von Ncmier blauem Samt harmunierr ,, mu, einer
kvkckkeit Onpl'e au$ blauer Seide, Silliufrnlu'ii und Plz, '
finster, und die Boote sind noch nicht
zurück!"
Ist denn der Teufel vollends los
heute und schon sprang
er wieder hinauf, zur Kommando
brücke. Unablässig brüllte die Sirene die
ganze Nacht hinourch. n regelma
ßigen Zwischenpausen drang Antwort
von anderen Schissen, durch die tief,
schwarze Finsternis gedämpft, herü
ber. Woher? Aus welcher Richtung?
Niemand hätte es sagen können. Die
Scheinwerfer waren ohnmächtig ge
genüber der Pechwand, die sie rings
im Kreise umgab. .
Endlich, endlich, verriet die zuneh
wende Helligkeit, daß die Nacht zu
weichen begann. Auch schien der
Nebel ein wenig lichter zu werden,
wennaleick man nock immer keine
zehn Meter weit zu sehen vermoch
Ahoi! Ahoi der Finisterre!" :.v,
.Ahoi seid Jhr's?" ' ?
Jawohl! Alle beide!"
Endlich! Habt Ihr
Einen hatten wir bald aufgefischt
liegt noch ohnmächtig, wenn er
nicht tot ist. Sonst niemand gefun
den. Konnten uns nicht zurückfin
den "
Macht, daß Ihr an Bord kommt!
Hoffentlich klart's auf!"
Kapitän, wollen Sie sich nicht mal
nach dem armen Teufel umsehen?"
meldete der Schiffsarzt, .er macht'S
keine halbe Stunde mehr. AuS der
Ohnmacht ist er erwacht, aber die )n
neren Verletzungen sind zu große,
er möchte seinen letzten Willen vor
Zeugen "
Mißmutig wandte sich Jean Guer
dric, dem Arzt in den Lazarettraum
zu folgen. Nur ungern verließ er
seinen Posten. Jeden Augenblick
tonnte der Nebel weichen, und dann
galt es, mit Volldampf von der ver
lorenen Zeit zu retten, was zu ret
ten war. Die ' Zukunft stand auf
dem Spiele! Aber eS gehörte nun
einmal mit zu den Pflichten eines
Schiffsführers.
Kaum hatte er ihn, der da bleich
und leblos in dem eisernen Feldbette
lag, erblickt, als ein Stöhnen sich sei
ner Brust entrang.
. Mußte die Hölle denn den da im
mer wieder seine Wege kreuzen lassen?
War es nicht genug, daß er ihm vor
Jahren das geliebte Weib geraubt hat
te? Mußte er ihm jetzt auch noch die
Kapitänsepauletten abreißen, im Tode
noch ?
Wäre der da mit seinem elenden
Fischkahn ihm nicht in die Quere ge
kommen, er, Guerdric, hätte die Fahrt
gewagt, trotz Nebel und Todesgefahr
und nun
Ingrimmigen Haß fühlt er heiß
in sich aufsteigen. Er" und immer
wieder Er"!
Auch in Claude Marecö schon halb
erloschenem Auge flackerte noch ein
mal ein Strahl des WledererkennenS
auf.
Jean Jean Guerdric! Das ist
Gottes Wille. Jean, vergib mir!"
.Jean, ich habe Dir Marie
Kvonn gestohlen! Sie wollte nicht
trotz der Alten! Da hab' ich
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durch einen Kameraden ihr von Pci
peete aus einen Brief schicken lassen,
mit Deiner Unterschrift. Du
gäbest sie auf r 8 führte
doch zu nich:s und Du
hättest ein drauneS Mädel dort ge
funden Jean, eS hat mir keinen
Segen gebracht. Gott hat uns keine
Kinder geschenkt. Und sie hat im
mer noch heimlich geweint um Dich.
Nimm'i alles zu Protokoll: , Jean,
in Gegenwart der Herre.l hier!
Alles, waS ich habe gehört ihr! Und
sie selbst, sie vermache ich Dir,
Jean! Sie soll mir verzeihen und
sür mich 'beten, Jean, und Du auch,
hörst Du ,.
Dann schloß r die Augen.
Die Fäuste gekrampft. starrte Jean
Guerdric seinem Feind ins tote Ant
litz.
Di Türe wurde aufgerissen.
Der Erste Steuermann stürzte her
ein. - :;
Um Gotteswillen. Kapitän, schnell
nach oben! Der Nebel ist
gewichen, die Sonne bricht durch!
Gott sei gepriesen, daß er ung den
da in den Weg führte. ohn
ihn wären wir alle längst dort un
ten
Bestürzt ilte Jean Guerdri? an
Deck.
Da gerade in der KurSrich
tung des .Finisterre", lag. kein 150
Meter entfernt, im hellen Sonnen
schein der Krisen von Saint
Malo. . ' h-c
llüht
Bon
Martba ßnmmilmiipt
vsqjoiiiin, ' " . ",.
Die hohen, eis'gen Firne grüßen n
Der AllNtdWnn, IeM nnlh'no hySW
EH auf die schneebedeckten Riesen '
Sio (7 i. .i.1 -L... . r. i i .
-lv " lug,cv grau? Mcyamn
. malen ' .
Und ticf erglühend, wie ln MosenfcirbD,
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vv"u muji ytu uaDaiergneaet
Steh n sie nun da. An yelsennarbe
Fließt sanfte Glut der Abendröte nie.
der. "
So find' ich. daß sie Seelen gleiche,
?n dnikn spät der Liebe Wonnen btüßen
Und da, eh' jäh die 5Zahre weichen"
In zartesten und reinste Farben glil,
.fii..-iw. . hen. inu"
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Letzthin gab die Postbe
hörde in Little Rock. Ark., bekannt,
daß sich in den drei Postsäckcn, welche
innerhalb drei Wochen von einem a.
wohnlichen 19jährigen farbigen
vanbitreichcr von Selma, Ala.. na
mens Childres. vom Rock Island De"
pot in Little Rock aeitoblen wurdki:.
iiber 15,000 Dollars wert ScheckS U
fanden. Scheck; im Werte von $2.
500 und über 2000 Brief wurde",
durch die Polizei wiedergefunder.'
während das übrige, wie der 'Neger
behauptet, zerrissen und verbrannt
wurde. . Ueber 2000 Brief konnten
laentisuiert und durch die Nottbe
hörde nach ihren Bestimmungsorten
besordert werden, mit der Bezeich'
nuna: .Nach der Beraubung der
Post wiedergefunden." Childres
wurde bei seinem vierten Raublxt.
such krWpt und verhaftet. w(
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