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About Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926 | View Entire Issue (April 9, 1914)
4' Ciifio XliCiuf tomsuMflst, br 9. April VMl. ' J l V t V v . - Ochlid, iilciil Laiid. .Äomon von w fjvgifiJtMfl : J ß. Fortsetzung.) Gif schwieg lange und nachdeuk sich; sie vergab ganz, ihrem Prinz! pal. wie sie den Konsul jetzt eben in , lüchklndee Ironie bei sich genannt, zu ÜNIWINlkN. Schließlich sah sie auf und zu ihm bin und fand seine Augen aus sich Michiet. Sie glaubte Ungeduld, mißmutige Unruhe in ihnen zu spüren, dielleicht Aergcr iiber ihr langes Zögern vnd wußte nicht, wie falsch sie loi. Ahnte nicht, dak er freilief) jedel Wort Almuts gehört, und daß ihm die ogfgereqicn Neben seines indes nur eine Bestätigung feiner igenen Beobachtung gewesen. Daß er hier wie verlassen gesessen, in die Glut gestarrt und sich gefragt hatte, ob denn die derlockend Möglichkeit, die ihm nach einem harten, arbeit! und en!sagungireichen Dasein ausgedäm mert war, wirklich nur erschien, um fljrn zu zeigen, was das Leben ihm schuldig geblieben, dann lächelnd und gütig, einen anderen beglückend, ihn Hein und tausendmal ärmer als zu tot zu lassen. j (Sigrid sagte sich, das er sie ja 'wahrhaftig nicht zu fragen Krauche, daß , dieses Ansichteinholen eine Freundlichkeit und ein Aertrauenöbe weis sei. und zwang sich nun zu einer unparteiischen Antwort: .Von diesem flüchtigen Begegnen offen gesagt, ich habe ihn kaum beobachtet kann ich wirklich keine Meinung über den Doktor haben. Herr Thordikken! Ist Ihnen der junge .'Ulan empfohlen, so rate ich zu einem Versuch. Es kommt ja al IeS darauf an, wie er sich zu der sen siblen Natur ttarstenS stellt viel weniger auf höchste Kenntnisse und Lehrmethoden. Ich schlage vor, en gagieren Sie ihn auS diesem Grunde mit Vorbehalt, gewissermaßen auf Probe, wenn sich der Herr daraus einläßt. ES eilt Ihnen sehr mit Karsten? Sonst" Nicht so sehr", sagte er 'schnell und merkte nicht, daß er sie unter brach. Es schien, als sei er sroh. jetzt endlich auf die Hauptsache zu kom nun.- Wenigstens nicht. waS das regelmäßige Lernen betrifft !" fuhr er lebhafter fort. Ein anderes wün sche ich allerdings ihm möglichst bald zu verschaffen, und damit geht auch das Engagement eines Hauslehrers Hand in Hand das sind Spielge fährten. Lern und Altersgenossen." Sigrid nickte. .Das ist es. Das fehlt ihm.' .Ja!" bekräftigte Thordikken. Aber, , wie Sie vorhin von dem künftigen Lehrer sagten: Es kommt alles, darauf an. wie er sich zu der sensiblen Natur Karftens stellt, so ist die Wahl der Kameraden noch schwie riger Wer bürgt mir dafür, daß so ein' kräftig gesunder Junge dem armen Krüppel nicht unzähligem! bloß aus eigener Robustheit heraus sein Elend vor Augen stellt? Oder wiederum, er bedauert ihn gutherzig, aber um so peinigender? Wären die Bedenken nicht, so hätte ich längst dem armen Kind diese Freude und Zerstreuung verschafft." Er sprach traurig, ohne Vorwurf, wie jemand, der weiß, daß an feinem Leid nichts zu ändern ist. . .Früher habe ich wohl noch ge hofft,, er könne dennoch in gewissem rnne' mein Mitarbeiter, der Erbe meiner, Lebensarbeit werden ich Hab'S ausgegeben. Die Firma wird niemals .Thordikken und Söhn" zeichnen , Er strich sich seufzend über, die Stirn. Sigrid war seltsam ergriffen. Ge rade die Schlichtheit seiner Worte er schüttelte. - Mit leisem Wort .suchte sie zu trösten. Sie sind so rüstig. Herr Konsul! Noch viele Jahre werden sie Freude an Jhrkin Werk haben. Und spä ter Almut ist da." .Äch! Sie meinen, einheiraten?" Ex schüttelte den Kopf. Das ist doch nicht der alte Stamm. Und ut weiß, wohin deren Wünsche ein mal gehen. Eine Kaufmannstochter ist sie nicht. DaS sehen wir beide doch alle Tage." .Wir beide!" Es war eiwaS im Ton, in der Selbstverständlichkeit die fts Kollektivs, das ihr Herz in seit samer Befangenheit stocken ließ. Etwas, das zum Träumen stimm te, zu der sonderbaren Erwartung: Was mag jetzt wohl kommen? Es muß doch waö kommen?" Sie erwiderte ihm nichts. Sie dachte an die Zeit ihrer Arbeit an AlmuiS junger, durch Führerlosigkeit wenig phanta-lifcher Seele, und welche liebliche Blüte sich unter fein fühkiger Obhut aus ihr entwickejfl lasst. Nein, zur Frau eines arbettsllber häuften Kaufherrn, eines Mannes, der seine ganze Kraft, einen klaren, ' nüchtern denkenden Kopf, kaltblütigste Besonnenheit für sein Geschäft braucht, zu einer solchen Frau pafzte Almut wohl nicht. Mnkwürdig! Woher hatten die I 2UST Erika Ritdbng ) Kinder einer oberflächlichen, rein ma terielleg Mutter, eine VaterS, dem harte Arbeit schwerlich jemals Zeit zum Traumen gelassen, die Tiesin nerliche, siist Exaltierte im Empsin den? Beide sich mit einer Schnfucht in? Leben, die unbewußt schon Ent sagung mitbrachte. Eine unbestimmte Furcht vor der Schwere und dem Schmerz des MenschendaseinS nahm ihnen die Fröhlichkeit der Jugend. Gewiß war Karsten ein hcldenhaf ter kleiner Dulder und Almut ein liebreizendes Geschöpf aber gesün der wäre mal eine jungenhafte Derb heit und Ungezogenheit, eine recht backfischliche kleine Albernheit gewe sen. Sigrid sann. Ihre Gedanken gin gen zu den eigenen fernen Kindern. Die lieben, armen, frischen Buben, die ihre Mutti so lieb hatten, so stürmisch zärtlich lieb hatten und nun so toeit, so lange hinaus ihr ge nommen waren. - Ihr traten Tränen in die Augen. In jähem Herzweh drückte sie die Hand auf die Brust. Thordilken hatte sie, von ihr un bemerkt, schon eine Weile beobachtet. Er sah das Wechselspiel von Licht und Schatten auf ihrem Gesicht. Und mit dem hellseherischen Feingefühl, das ihn dieser Frau gegenüber leitete, verstand er den Jdcengang, der von der Sorge für seine Kinder zu der ihren führen mußte. Egoistisch kam er sich vor, beinahe brutal. Warum hatte er hier auch halbe Stunden lang überlegt und Rat gehalten, er, dem eine kolossale Verantwortung tagaus, tagein auf den Schultern lag, der gewohnt war, stündlich in schweigender Besonnen heit weittragende Entschlüsse zu fas sen, ein Mann energischer Tat er machte sich jetzt innerlich und äußer lich abhängig von der Einsicht einer ihm noch vor Jahr und Tag fremden Frau wie sehr, das merkte er heute, wo olle fröhlich ausgeschickten, dem einen Ziel zustrebenden GedaN ken traurig und mutlos zu ihm zu rllckkamcn und sprachen: .Sieh, da ist noch ein anderer. Jüngerer. Le bensfroher, der so viel Besseres bietet. Reiß dich beizeiten zusammen! Schweig! Laß dir nichts merken, alter Graukops! Gönn' ihr das Glück!" Leicht gesagt! Edel gedacht! Aber wie, wenn er hier erst wieder allein saß mit den beiden so unendlich dei' Leitung bedürfenden Kindern, allein mit feinem Reichtum, der keinen rech ten Zweck mehr hatte, keine Freude mehr gewahrte, allein bis ans Ende, wie er am Anfang, wie er's Zeit fei nes Lebens gewesen? Er war eine Natur, der alles miß fiel, was nicht klar und kurz gedacht wurde, die das Gedachte aber scheu in sich verschloß, sofern es nicht in die Tat umgesetzt ward. Seit manchem Tag war er mit sich darüber im reinen, daß ihm sein Haus ohne Frau Sigrid unerträglich öde sein würde ob es noch andere, schönere Möglichleiten für' ihn gab, ob er nicht ein alter, müder Mann war, der feine Hand nicht mehr nach duftenden, blühenden, ach so holdselig blühenden Rosen ausstrecken durste das konnte nur Sigrid entscheiden. Und diese Entscheidung herbeizu führen getraute er sich nicht. Seine Bescheidenheit, die Angst: fällt ihre Antwort zu meinen Ungun sten aus, dann ist alles vorbei hielt ihn zurück und machte ihn un frei und unsicher. Nun kamen noch die Chancen, die sich der anmutigen Frau durch Dam ners zweifellos ernsthafte Auszeich nung boten; denn daß der Senator mcht wie ein junger Fant emen Flirt entrierte, war klar er wollte, wollte sie und er, er Narr, hatte lhm die Zeit , dazu gelassen. In diesem Zustand, zusammenge setzt aus Selbstmitleid obwohl er sich deshalb verachtete , schmerzli cher Befürchtung und Skrupeln dar über, daß seine Kinder alle Segnun gen der Erziehung durch diese seltene Frau genossen, während ihre eigenen Knaben der harten Disziplin einer Kadettenanstalt überliefert waren, in diesen ungewohnten und unertrag lichen Gesühlsverworrenheiten war ihm ein Plan entstanden der, wenn Sigrid darauf einging, ihm ihren Besitz noch sichern mußte, ohne daß er durch eine vielleicht voreilige Frage alles aufs Spiel setzte. Er hatte damit noch..warten wol len, , die heutige Unterredung sollte nur die Borbereitung fein, aber jetzt plötzlich begriff er. wie töricht fein Zaudern war. , E. r beugte sich naher zu ihr. Sie wandte ihm au3 tiefen Gedanken heraus ihr Antlitz zu. Es war von flackerndem Feuerschein seit sam überspielt. Wie strahlende Sa phire glänzten ihre Augen, im Flam menlicht. .Frau Holdersen ich weiß ein paar Kameraden für mein armeS Kind!" sprach Thordikken und wun derte sich, wie seine befehlZgewoynle Stimme so wunderlich gepreßt klang. Er holte lies Ak?m und fuhr fester, zuredend, fast beschwörend zuredend, fort; .Frau Sigrid rufen Sie Ihre Knaben au der Anstalt ,u rück! Lassen Sie sie mit Karste zusammen hier den einem Hauslehrer unterrichten, bis daö Gymnasium für sie notwendig wird. Holen Cik Ihr, Söhne. Frau Sigrid!" Sie saß wie ein Steinbild, in jähes, beinahe schmerzhasjeS Glück schluq in ihr Hei z. Ihre Knaben wiederhaben! Ihre lieben, lieben Jungen! Sie wieder Pflegen dürfen, ihre Armr um ihren Hals fühlen, ihre frischen Lippen plaudern hören, küssen können! Ein Traum war's, ein Wunder angesichts dieser unerbittlichen Trennung, die sie nach unzähligen durchweinten Nächten jetzt endlich glaubte ertragen zu tön ncn. Wie In einer Vision sah sie sich wieder an den Betten ihrer Lieblinge, sah die friedlich geschlossenen 'Augen, das blühende Rot ihrer runden, fe sten Wangen, hörte daS gesunde At wen. Und morgens, wenn sie froh lich zu ihr ins Zimmer sprangen, gab sie ihnen wieder Frühstück, und krustig bissen die weißen Zähne in das Brot, indes die hellen Augen schon nach mehr blinzelten. Ach, daS wiederhaben dürfen! . Heißes Schluchzen durchschüttelte sie. Fest preßte sie ihr Tuch an die Lippen, aber ein leiser, weinender Laut ward doch hörbar. Thordikken sprang auf. Ergriffen bis ins Herz. Er streckte die Hände nach ihr. er war im Begriff, sie wort los in seine Arme zu ziehen. . Aber da stand auch sie schon auf den Füßen. Ein paar Schritte von ihm entfernt blieb sie stehen und hat te bald ihre Selbstbeherrschung wie der. WaS Sie da sagen, Herr Konsul, kommt mir so überraschend. Es er öffnet nicht allein für mich, sondern auch für Ihr HauS so viel neue Per spettivcn gleich entscheiden kann ich mich da nicht. Ich muß mir in Ruhe die Sache durchdenten." Er atmete auf. Doch nicht gleich ein Nein! Ja, Frau Holdersen. da! tun Sie. Ueberdenken Sie alles!" sprach er eifrig. Und vergessen Sie nickt, daß Sie durch Ihre -Zusage nicht allein Karsten, sondern auch mich uns alle" setzte er schnell hinzu glücklich machen." (Fortsetzung folgt.) Gnkrl Ferdinand sellA. Ein? Chararlcrswdic bon Karl H?!kr. . Also eines Tages hieß' es, Onkel Ferdinand -fei tot. Die Tonte harte t geschrieben und ich hatte Pflicht schuldigst kondoliert. Aber tot ist ein Äl'ensch für uns doch erst, wenn er unö zu fehlen beginnt, und so habe ich rinen rechten Begriff davon, daß On kel Ferdinand tot ist, erst jetzt, wo ich Mich selbst Überzeugt habe, daß er nicht mehr da ist. Schon als ich auf dem Bahnhof in unserem kleinen Neste anlangte, werkte ich, daß etwas passiert war. Ontel Ferdinand war nicht da, nie mand erwartete mich. Sonst war nämlich der Onlel immer zur Stelle, er war allerdings auch immer da, wenn er niemanden zu erwarten hatte, denn das war so feine Ge wohnheit. Er nahm, wie er zu fa gen Pflegte, den Zug ab, etwa wie ein kommandierender General eine Truppenschau abhält. Sozusag-n freiwilliger Adjutant des Stations Vorstehers war er, der durch das Er scheinen meines Onkels mit größerer Pünktlichkeit an das bevorstehende Eintreffen des fälligen Zuges ertn nert wurde als durch das klägliche Wimmern der Signalglocke. Kam dann das Zllgele glücklich an und entließ es aus seinen kleinen Kerkern iit wenigen Menschei, die auf einer der benachbarten Stationen zugestie gen waren, dann gab der eine oo:r der andere dieser Zeugen auö einer fernen Welt den : beiden Männern willkommene Gelegenheit zu allerhand Betrachtungen über die Veränderlich ktit der Zeiten im allgemeinen und sber dies und jenes im besonderen. Und wenn gar einer von unS Jun gen in unsere Baterstadt Einkehr hielt, um von der Hetze deS Groß Ztadtlebens ein paar Stunden um hnmatlichen Herde zu rasten, dann mußte der biedere Stationsvorsteher vor Ankunft des Zuges aus dem Munde des Onkels eine besonders großartig" angelegte Schilderung t.t Großtaten des aus der Residenz er warteten Neffen über sich ergehen, las sm. Es ist wahr,' die Verehrung, die wir Onkel Ferdinand entgegenbrach ten, beruhte ganz auf Gegenseitigkett. Der Grund lag nahe. ES ist eine ulte Geschichte: der Prophet gilt nich'.s in feinem Vaterlande. Und so stich Onkel Ferdinand, wenn man von dem bereits rühmlichst erwähntm Stationsvorsteher absehen will, bei seinen Stadtgenossen vielfach auf ei nen häßlichen Widerstand, wenn er ihnen seine allerdings schon reichlich &ft und ausführlich vorgetragen Ideen und Theorien immer wieder von neuem . klar zu wachen unter nahm. In s einer kleine Stadt hat eben jedermann seine eigenen In teressen, und die Leute weigern sich schlichlich. ftn AngckMkjriten bei Nächste weh? AufmerZjanikeit zu zu wenden, als durch das übliche Maß 'einstadl'scher Neugioe geboten ec scheint. Onkel Ferdinand war in clgedessen in der Hauptsache auf 23? uch von außerhalb angewiesen. Er reute sich ehrlich avs jeden Ankömm- l'ng und vor allem auf den Besuch ron uns Jungen, die zu ihm doch in einer Art AutoritätSverhällniS ge standen und deshalb zu mehr gutem Willen verpflichtet waren als alle die cndern. Onkel Ferdinand hatte , eben d?.3 Bedürfnis, sich mal ordentlich zusprechen. Ja, das war da rich iige Wort. Auksprechen muß'e er sich, Onkel brannte förmlich darauf. Und deshalb war kZ auch, wenn er d:S Neffen schon von weitem im Coupl finster ansichtig wurde, das erste, duß er ihm mit seinem treuherzigen Gesicht rerheißungSooll entgegennickte, alS wenn er sagen wollte: Die höchste Zeit, daß Du kommst! Grzße Dine harren Deiner!" Nun. und dann ging'S los. Schon der Gang die Treppe hinunter zum wackligen Omnibus verlief nicht ohne Schwierigkeit. Immer wieder bliev ier Onkcl stehen, packte an jeder be sonders wirkungsvollen Stelle seiner Rede den geliebten Nessen am Arm, musste und pufste ihn und redet: mit solchem Eifer auf ihn ein, daß der Aermste gar nicht erst recht i'it Besinnung kommen konnte. Dabei blickte sich der Onkel beständig sch:u u. mißtrauisch um, alS ob ein Unberu fener eines seiner Geheimnisse, die er unter Beobachtung derselben Feie' lichkeit bereits Hinz und Kunz anver traut hatte, belauschen und ihn heim lückisch in seinen wohl bedachten In teressen schädigen könnte. Allerdings muß zugegeben werde, daß die Offenbarungen des Onkels sich wohl der Verschwiegenheit 'emp fahlen, denn wenn seine Pläne auch nur die geringste Aussicht auf Ber wirklichung hatten, fo hätte jedes un bedachte Wort unermeßlichen Schaden richten können. Von allen seinen Ideen konnte das freilich nicht mit unbedingter Sicherheit behauptet wer den, so um nur ein Beispiel zu nennen von der Idee, alle Eisen bahnzüge mit Badewannen auszurü sten. Ich glaube, in diesem Punkte wird man mir nicht unrecht geben: was sollten Reisende mit Badewan nen, wo sie nach ihrer Ankunft im Hotel oder zu Hause die prächtigste Ladeeinrichtung vorfinden- und sich nach Herzenslust erfrischen können. Aber so leicht ließ sich Onkel Ferdi nand doch nicht überzeugen. .Sieh mal", sagte tt, .erstens verstehst Du das nicht, und zweitens, wenn io ein Reisender hundemüde zu Hause an tommt und froh ist, in sein Beki kriechen zu können, oder wenn er. . . und. . . oder . . und. . ." Waren es nicht Züge mit Bade wannen, so war es irgend etwas an deres, was der Onkel auf Lager latte. Niemals war er allein an der Bahn, immer hatte er eine gute Jd?e mitgebracht, die nicht minder ge" spannt den Fremden erwartete wie der gute Onkel selber. Bis man ndlich im Omnibus saß, der furchtbar klapperte, daß man fein eigenes Wrt nicht verstand und der Onkel gezwungen war, seine Ge' heimnisse mit einem Organ mitzu teilen, daß die anderen Fahrgäste un gewollt zu Spimien von Onkel Fcr dinands sorgsam behüteten Projekten wurden. Indessen die ganze Fülle der on? lichen Gedankenflut pflegte sich auf den Besucher meist erst am zweiten Tage niederzulassen. Die Sache ver lief dann so: Der Gast erwacht au-S tiefem Schlummer, in den ihn die un durchdringliche Stille, die nur die ltteinstadt kennt, und der unbefchreib .'Iche freundliche Duft heimatlichen Linnens gewiegt hat, durch ein ge mütliches Quietschen der Zimmertür. Erst glaubt er ein Gespenst vor sich zu sehen, aber wie fein Blick klarer wird, zeigt es sich, daß Onkel Fer dinand vor ihm steht. Sein Anzug ist nicht sehr salonfähig, denn Onkel steht in Unterhosen da, auf der Hemdbrust ein gelbes, öliges Papiee lätzchen, in der Linken einen Löffel m'.t rötlich brauner Flüssigkeit, in der Rechten eine gebräunte Zahnbürste. Auf dem Geficht gespannte Erwar tung, was denn dieser seltsame Auf zug auf den schlaftrunkenen Neffen für einen Eindruck machen werde. Endlich kommt die gewnschte Erklä rung: Onkel Ferdinand hat ein Haar färbemittel erfunden und an sich selbst ausprobiert. Onkel hat nämlich nahezu weißeS Haar, aber seine Sehnsucht war von je, das verbliche ne Rot von Bart und Haar wieder herzustellen. DaS war so eine kleine Schwäche von ihm, Oniel war immer Kavalier gewesen. Und nun war das Wunder gelungen. Der Bart würd: mit der Zahnbürste gefärbt, bis er endlich im herrlichsten Tizianrot er strahlte. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, daß das Haar jeden Morgen pon neuem gefärbt werden müßte, waS ja freilich nicht eben für die Dauerhaftigkeit des neuen Farbstof fes zu sprechen schien. Onkel aber war verjüngt nd nahm sichtlich ge schmeichelt den Ausdruck des Erstau nens und der Bewunderung des Nef ftn entgegen. Hier muß eingeschaltet werden, daß Onkel Ferdinand zu diesem gewig anerkennenswerten Resultat nicht rhne erhebliche Schwierigkeiten gelaniv war. Monatlang hatte er II dem .'leiert gearbeitet, bis er diese ganz difjGle Nuance .heraus" hat!. Usp ols der Wurf gelungen war, da tw ren die Schwierigkeiten keineswegs überwunden gewesen. Ziirmand wollie dem Onkel feinen Ruhm lassen , waö war aber Verdienst ohn Aner lennung? Besonder? die Tante hatte für die Erfindungen und Entdedun ben deS OnkelS weniq Verständnis, end um si. nicht za reizen, mußte u feinen Liebhabereien in aller Heim lichkeit nachgehn. War er dann en? '.ich so weit, mit der vollendeten Tutsache anszuwarten, dann ha!tt man anstatt der Bewunderung nur lliZorte deS Spottes für ihn, meinte, caß er dasselbe Resultate mit Blau bcersaft nicht minder gut hätte er ttichen können, wenn es ihn nicht eben störte, daß Blaubeerfaft in der Farbe bedeutend haltbarer fei, und waS so der hämischen Redensarten mehr waren. So hatte Onkel Ferdinand tbei auch seine Sorgen. Daran änderte auch nichts, daß jeder Ziveite Mensch, der meinem Onkel auf seinen tägii chen Spazicrgängen begegnete, ihm tai Leben mit den Worten zu verbil rern suchte: .Sie leben schön, , so möchte ich'ö auch haben! Alle Tage, spazieren gehen, nichts tun und an dere Leute von der Arbeit abhalten! So mochte ich's auch haben!" WaS wußten- diese Menschen von Onkel Ferdinands 'Sorgen! Gift -r etwü zum Vergnügen spazieren, wälzte rr nicht ununterbrochen Gedanken aus Gedanken durch sein Hirn, und war daS etwa keine Arbeit, alle diese Ideen und Pläne, die doch schließlich der Allgemeinheit zum Besten dienen sollten?!. . . UebrigenS darf man nicht glauben,' laß es nur etwa Destillate zur Fä: lung von Haaren oder zur Beruht' gung von Zahnschmerzen oder Hiih neraugcntinkturen oder dergleichen waren, mit denen sich Onkel Ferdi nand beschäftigte. Auch sozialpoliti sche Probleme beunruhigten ihn. Als ganz moderner Mensch war Onkel Ferdinand nicht zuletzt aufs eifrigste dir Lösung der gerade jetzt so aktuel !en Dienstbotenfrage hingegeben. Am ich unbescheiden, wenn ich gestehe, dust ich brufen war, in dieser Angelegen hiit eine gewisse, wenn auch vielleicht nicht gerade rühmliche Rolle zu fpie '.en?. . . . Eines Tages schickte mir nämlich Onkel Ferdinand ein umfangreiches, mit der Hand geschriebenes Expose In dem ihm eigeneil Stil führte er darin, aus, wie sehr die Hausfrauen ihre liebe Not mit der Beschaffung 5eeiiter Dienstmädchen und die Mädchen ihre liebe Not mit der Wahl iiner passenden Herrschaft hätten. Onkel Ferdinand schlug deshalb ein u effliches Auskunftsmittel vor: . eine sogenannte Dienstbotenzcntrale. Diese Dienstbotenzentrale sollte von allen Hausfraun des Deutschen Reiches uu ttrhalten werden, indem eine jede jährlich den Betrag von zehn Mark zusteuerte. In diesem Institut sollten solche Mädchen, die sich dem Haus stande widmen wollten, unentgeltlich ihre Ausbildung erhalten? andere: seits sollte die Dienstbotenzentrale gleichzeitig alö StellenvermittlungL zentrale dienen. Run, ich siehe diesen Dingen zu strn, um ein Urteil zu haben, ob m den Vorschlägen Onkel Ferdinands ein gesunder Kern enthalten war, aber der jährliche Beitrag von zehn Mark ließ mir einen Zweifel an der Durchführbarkeit der Idee doch ge rechtfertigt erscheinen. Wie dem auch sei, Onkel Ferdinand traute mir of fenbar auf diesem Gebiet eine be sondere Sachkenntnis zu, und er be ehrte mich deshalb nicht nur mit der freundlichen Prüfung seiner Borschlä ge, sondern auch mit dem Auftrag?, ,'die Sache im Reichstage zur Spra che bringen zu lassen und die Kreise der Frauenrechtlerinnen für die An gelegenheit zu interessieren". . . Durch mich im Reichstag! Nun, daö war leicht gesagt. Ich kenne nicht einmal den Portier des,hoh'.n Hauses, geschweige denn einen ein slußreichen Parlamentarier. Immer hin bin ich nicht so schnell in Verle genheit zu bringen. Ich sagte mir: Wenn man im Verdacht steht, mit ein flußreichen Parlamentariern befreun det zu sein, fo müssen es entschieden Nationalliberale fein. Ich weiß nicht warum, aber ich habe das so im Ge fühl. ES klingt so hübsch und ver pflichtet zu nichts. Ich schreibe also dcm Onkel, daß sich ne große An zahl nationalliberale, Herren ganz riefig für die Such, interessierten rnd ihr Lußerst sympathisch gegen überstünden. Indessen seien sie ein stimmig der Ansicht, daß die gegen loärtige Generation für derartige hochsoziale Pläne noch nicht reif sei. Wenn der Onkel jedoch in zehn Jah ren. ' ' : -' In zehn Jahren!. . .Armer Onkel! Ahnte ich, daß Du schon nach einem Jahre von deinen Plänen und Hoff nungen zu' ewigem Schlummer ruhen würdest! Mit dem Reichstag hatte es also, wie man sieht, keine besonderen Schwierigkeiten. Schlimmer war die Sache -mit den Frauenrechtlerinnen. Ich weiß nicht, aber seit öm Suf sragettenspektakel kranke ich an einem unüberwindlichen Mißtrauen gegen all, streitbaren Damen. Und nun s --. l " ti V c !) . s 't , , . . ' ) y"L . u X y . ? , j ' . ! , t k' V L t ,i , f , ., ,.. , ' l- y , l 1 .'-'hl " . j. : . ' ' S 9 . 5 ; ,f .,. ' i . . - ,:l-t fl fr i . ' ' s ' " ; k 3 -A ' u. - . : : i r , ' '' 1 . K E- ' ' .'j " - -. ' .' i ' 1 . 5 , V W.',.. ' J j.-..... ! - f, i XX' i ; . '1 ' . . v VA . " - '" V f-.r f l' ; ;) ' t v;-1 &t-.,i Neue BrüsiinDrtMficiitMft; für kleine MSd?k. Wahrhaft erfrischend wie brr Anblick dieicS kküie,, vu'niUiitS in ihrem fiinfelrteiicn .vrhiijahrsbcmanö.T. Hont aus saniertem Mohmr ist mit iccijicm Tuchmisschlng und Hktlirnittcrtnör'tfi irisiert. Wcch tiiinipfc und schwarze Stiefel inkbcrbolcn die elegante fScticfi: den bei Mmm'ls. Cin nenschirm in rasa affdn harmoniert mit dem fciiti-stiM, bet auf kein schwarzen Emnlband dcZ aus wcipin A'iilanstrch gemacht trn Huies drapiert isi. sollte ich gar noch Krcise derFrau mrechtlcrinnen" für die Sache interes sieren. Einen Plural vom Pluril! Ich zitterte an allen Gliedern. Abci, auch hier fand sich ein Ausweg. Ich sagte mir wieder, daß eine erfundene Frauenrechtlerin sicherlich harmloser sei als zehn lebende, kompakte. Alle! weitere würde sich dann schon fin den. Ich benachrichtigte also Onkel Fer dinand, daß sich die bekannte Frau e?!rechterlin" Fräulein Adelheid Me thusius aus Hannover, die ihm r.icht unbekannt" sein dürste, mit o'ußerst anerkennenden Worten über Onkels großartige Pläne ausgespro chen hätte. Indessen sei sie der An scht, daß die heutige Zeit für derar tige hochsoziale Proiekte noch nicht rief sti. Wenn der Onkel dagegen in zeh.i Jahren. . ; O, ich Lügner. . . Onkels Antwort fiel über Erwar itn diplomatisch aus. Er dank'e inir sehr für mein liebenswürdiges Interesse, er sei vor allem über di ehrende Urteil vonFräulein Mcthustu aufrichtig erfreut. . . nur gäbe es Leute ich könnte mir ja denken, um wen es sich handelte das war ein Hieb auf meine Tante! die da meinten, eine Frauenrechtlerin r amens Methusilis gab? es nichts, und die ganze Geschichte sei nichts als ".ufgelegter Schwindel. Auch die Sache mit den nationalliberalen Ab geordneten . . und so weiter. Er selbst sei natürlich iveit entfernt, in die Echtheit ' meiner Angaben auch nur den geringsten Ziveifel zu fetzen, immerhin würde es ihm eine große Genugtuung sein, wenn er schwarz auf weiß von Fräulein Methusius' eigener Hand sich ihre anerkennenden Worte bestätigen lassen könnte!. , , Hm!. . . . Eins war mir sofort klar: ich mußte den Beleidigten spielen. Meine Antwort lautete: ich se: recht erstaunt und wüßte absolut nicht, womit ich mir das Mißtrauen des Onkels ver dient hatte. Selbstverständlich stünde ober nicht das geringste im Wege, wenn der Onkel sich direkt mit Fräu lein Methufius in Verbindung setzen wollte. Die Dame wohne: Hannover, Breite Straße 189. Wolle er , aber schreiben, dann möge er sich beeilen, da die Dame gerade im Begriffe steh?, eine Propagandareise zu unterneh men. Auch bäte ich ihn dringend. jde Wendung zu unterlassen, die aus ein Mißtrauen seinerseits gegen mich schließen lassen könnte. Das könnte doch einen zu peinlichen Eindruck ma chen. Der Erfolg war verblüffend. On kel Ferdinand schrieb einen geradezu zerknirschten Brief; er sei jetzt von der Echtheit meiner Mitteilungen überzeugt, aN die Dame selbst zu schreiben, erübrige sich; . Neider habe eben jeder; meinen Brief aber gäbe er nicht mehr aus den Händen, er könne ihn nicht genug lesen. ' In je dem Falle merke man. daß Fräulein Methusius von der Sache etwas ver stehe. Gegen Mißgunst und Neid iönne kein Mensch etwas, auch de: kkste und tüchtigste nicht, ankämp fen. Armer Onkel Ferdinand! Ließ sein Brief nicht erraten, was er um seiner eingebildeten Erfolge halber bei seiner Umgebung auszuhalten hi te! Man hatte ihn verulkt, ihm die Abgeordneten der nationalliberalm Partei nachgerechnet und Fräulein Methusius als ein Gespenst hing: stellt, das direkt aus dem Kasperle theater entlausen war.. Kurz, man riß ihmlück für Stück seiner Kränze aas den Händen, die ihm der schäm r ' . 1 - .' " V- 7 X - . 1 i' t 1 t ' ' " ' t" , . . 1:' . lU i t Ml i .' & , z i'i - ' . s i . ,i I - ' ' ' L r ,,4' i I v . I .. 1 . ,', L,l ' : ' ' i ) ) - ' "(j lose Reffe in bester Absicht gewunden hatte. WaS hatte dieser Mann seiner trügerischen Ehren halber Im itn und erdulden müssen! Und d gab es Leute, die ihm sein behagli-, ä,es Leben neideten, die eS auch gern so gehabt hätten wie er, nichts tun und spazieren gehen den ganzen Tag, .ind die Züge abnehmen, und mit dem Stationsvorsteher über schoneZ idcr schlechtes Wetter sprechen ooer über dies und jenes. Nein, der un, glücklichste Mcnfch von der Welt war Onkel Ferdinand, einer, der sich für die gaiize Welt abarbeitete und ad quälte und bei seinen undankbaren Mitmenschen nichts sand als Unveri stand und Hohn. . . Und wo blieben dann erst die ma teriellen Sorgen! Gewiß, um daZ 'iebe Brot brauchte sich Onkel Fer dinand 'nicht zu bekümmerii, aber gab es denn sonst keine Dinge, die einem das bißchen Leben recht erschweren. So zum Beispiel die gottverdammiea Stiefel. Wer hatte diese niemals sitzenden, immer drückenden Dinger erfunden? Er, der Onkel, sicherlich .licht. Einer so unzulänglichen Er sindung würde er sich Zeit seines Lebens geschämt haben. . . Onkel Fer dinand befaß nicht weniger als zwei-i unddreißig Paar dieser Marterinstru iliente aber kein einziges paßte. We :igstens, wenn der Onkel nicht gera-, de durch irgend welche hochfliegende'r Ideen daran gehindert war, dem Druck auf seine Hühneraugen Beacht hing zu schenken. War aber sozufa, gen die Stiefelperiode über ihn ge lvmmen, nun, dann gab es in de?r ganzen Reste genau soviel Stiefel! sachverständige als es Einwohner gaö. Niemand im Orte war dem Onkel gkring genug, um nicht sein fachmäa nischcs Urteil über Stiefel im allge ineinen und über den wunderhübsche.!, Fuß des Onkels im besonderen ab-! Zugeben. Häufig sah man dann, wie er und irgendeiner seiner Stadtgenoi sen , tiefsinnig miteinander plauderten und den Blick nicht von Onkels Fuß bekleidung lassen wollten. Gesenktem Hauptes standen sie da, bis endlich Onkels Partner keinen Zweifel mehk daran hatte, daß es tinen hübsch ren, normaler gebauten Fuß in der ganzen Welt nicht gab, als den On kel Ferdinands. Dieser leidigen Schuhe wegen mußten nicht selten weite Reise unternommen werden, tie den Onkel zu den berühmtesten Schuhkünstlern Wiens und Karlsbaös führten, aber passende Stiesel hat der Onkel nicht gefunden. Die Schuster taugten eben alle nichts, anderwärts ebenso wenig wie zu Hause. , . - Und nun frage ich: gab es au der ganzen Welt noch einen Menschen, der sö viele Sorgen hatte wie Onkel Ferdinand? Nein, das gab es nickt. Und die Sorgen haben meinen Onkel ins Grab gebracht. . , ( Eines Tages war er toi ... Er hinterließ zweiunddreißig Paar zuin größten Teil ungebrauchter Stiesel, Hunderte von Fläschchen und Ampuli len mit geheimnisvollen Säften, Taui sende von Aufzeichnungen, Entwür stn, Modellen, und Handwerkszeug in Hülle und Fülle. . . Alles Zeu gen seiner Sorgen, Zeugen seiner Lei ren. . . Ich habe dieses eigenartige Museum besichtigt, und mir ist recht wch ums Herz geworden. Armer Onkel Fer dinand! Jetzt erst ist mir klar, dijj auch der Glücklichste von uns ohne sm rüttelt Maß von Sorgen und Kum, mer Nicht leben kann. . . Vielleicht tsi diese Lehre deines Lebens wcrtv?! ler als dein Magenbitter, dein ZU ziemtet und deine Hühneraugeniinl tut.- .' . . ,