Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, April 03, 1914, Image 2

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    Tägliche Cmaa Tribüne
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von Attgttft
IUjj Reinhardt's 5hakesxcare.Csklus im Deutschen Theater,
was Ihr wellt". iru künstlerische Großthat.
Alt Nkuntcs Stück des Mar lJnfwrM"
si Chakespklltt ZisiluZ firni im Itfiii
fcftfti Theater Was ihr wollt" in Zrt,
tierig beklatscht von einem im höchst i
Grade Klüftigen Publikum. Tie fiunüv
hil auf der Bühne war so echt, daß f,e
sich gleich vom ersten Akte an dem über,
füllten Zllschauerraum mittheilte und bei
der überauj drollig gegebenen TwUsiene
zwischen Viola und dem .Juni BteictKn
wona," den Höhkpllütt erreichte. I haE
wacker mitgelacht und tapsn alle Beden
fen juriickgcDtängt, die ich doch über im
cd nat zu Possenhafte in der Tarstellunz
mpsand. Beim Verlassen des Theaters
machte ich zu einem Brannten eine Be
merkirng über diese allzu starke BuSgelaf
senheit der ganzen Darbietung, woraus
ich die Antwort erhielt: '.1t was wo!
len Sie denn, es ist doch ein Jaschirigs.
schwank:" r
.Seit wann denn?" fragte rch dnlBun
dert. worauf mir der Theaterzetiel vorge.
halten wurde, aus dem richtig ju UUn
stand: 23 i ihr wollt oder ast
acht". Das erklärte mir dann auch am
nächsten Morgen die Zeitungsbesxrechun
gen. die fast ausnahmslos aus .3 äst
nacht" Bezug nahmen und daraufhin tue
ungeheure burschikose Lustigkeit der Tar
stellung entschuldigten.
Also der Uelxrsetzer R, A. Echroder.
den Reinhardt dem alten Echlcml vorzu.
ziehen scheint, dem ich aber allerlei am
Znige zu flicken wüßte, hat Twclsth
Night' einfach mit Fastnacht übersetzt
und dann hat man das Gane als richti
gen Karnevalsulk über die Bühne gehetzt.
Ich gestehe nochmals, es war amüsant ge
nug, und ich bin der Letzte, der sich von
ausgelaffener Lustigkeit auf der Buhne
naserümpftnd abwendet. Als Reinhardt
damals Ter Widerspenstigen Zähmung"
in der tollsten Weise dem betrunkenen
Kesselschmied Vorspielen ließ, war's die
Berliner Kritik, die das unwürdig fand
und hestig tadelte, während ich meinte, so
und nicht anders müsse sich Shakespeare
selbst das Spiel gedacht haben, denn sonst
hätte er's doch nicht selbst vom Grafen
jenem betrunkenen Rüpel vormimen las'
fen; aber Was ihr wollt" scheint mir
denn doch ziemlich viel von dem roman
tischen Zauber einzubüßen, wenn's gar zu
sehr vergröbert wird.
Und daran ist nun gar der Uewsetzer
schuld! Aber wie konnte er sich eine der
- artige Willkür gestatten, während doch
Schlegel selbst vom Seiligen Drei-Ko-niqs-Äbend".
dem zwölften Tage nach
Weihnachten spricht. Tah man im mit,
telalierlichen England an diesem Epipha
nientage und Abend: allerlei Spiele und
Ausführungen pflegte, das hätte doch der
Uebersetzer ausfinden können und müssen.
Und daß diese Aufführungen zwar lustig,
ober kemeswegs auf Fasckingsulk ge
stimmt waren, hätte auch Herrn Rein
hardt ohne Hülfe des Uederftgers aus den
Figuren der Clivia, der Diola und vor
allem des schwärmerischen Herzogs her
vorgehen müssen. Gewiß wäre es thöricht,
in dieser leicht dahin tändelnden Komödie
irgend etwas Charakteristisches sür die
kirchliche Bedeutung des Epiphanientages
entdecken zu wollen, denn irgend ein Gott
erscheint in keinem der fünf Akte, und die
drei heiligen Könige glänzen ebenfalls
durch Abwesenheit: aber ein zarteres Ge
: bilde als ein Faschings-Kehraus ist der
Spatz von Twelfth Night" auf alle Fälle.
Lasse ich diese Einschränkung, dah
man' mit der Lllingwt doch ein wenig
zu toll gerrieben hat. da z. B. der Jun
ker Bleichenwang Waßmann) denn doch
garzu sehr in's niedrig Possenhafte hin
übergcspielt wurde, außer acht, dann kann
ich der Ausführung nur wärmstes Lob
zollen. Sogar die karnevalistische Zu
that, die manche hiesige Kritiker bemän
geln. daß sich nämlich die Drehbühne bei
aufgezogenem Vorhang dreht, und daß
dazu im Halbdunkel stets ein halbes Tu
tzend spukhafter Fackelträger rhythmisch
bin und her schreiten, als besorgten sie da
Drehen, nehme ich gern in den Kauf.
M';id dadurch doch gerade das Bewußt
sein gestärkt, daß wir es mit einem Spiel
zu thun haben, mit nichts als einem Spiel,
und nicht etwa mit einer giiszudenkendkn
Wirklichkeit. Freilich hat dies Verfahren
auch einen ganz kleinen Neklamedeigc
schinack. grade wie der Dirigent, der gerne
arcsze Symphonien ohne Noten dirigirt.
Reinhardt möchte sein Publikum eben auch
spüren lassen, daß er die Jnszenirungs-
Unl so wett georacyi cai, um ßciunicnnu
sim ohne Apparate zaubern zu können.
Wo wk Szenenwchsel häusig ist. bekam
man fast den Eindruck eines KarousselZ.
Schadet aber nichts, es paßt zu dem kecken
und luftigen Jntriguengewedk.
Die Szenerien selbst waren zwar durch
!r,q sehr geeignet, aber doch keineswegs
unübertrefflich; im Gegentheil, den Gar
ten. in dem sich die große Maldolio-Szene
ehielt, habe ich schon viel zweckentspre
chender gesehen, allerdings nicht auf ein
lurnllch stets befchrLnktm Drehbühne.
Bber del WeS verschlägt nichts, die
Hauptsache ist die Regie, die Ausarbeitung
Deka'Ä der , Darstellung. . Darm
ot:t f'-Avx MM eine Einhkik im Zusam
mensrbsitkik, ein ZielSewvb.'f Z wer'
'".'irdst i'.e InsiniriMg d?n .Äas
SpanntH.
ihr wollt" gesehen ha bei man sagt mir,
die sei in manch Beziehung schlimm ge
wcsen. hab ganze hinzugedichtete Szenen
enthalten und das Publikum habe sich von
ihr abgewandt. Bei dieser jüngsten Auf
sührung habe ich aber weiter ntckti Hin
zugedichtckcj bemerkt, als gewisse kleine
Nuancen, die nur ein paar Worte ersor
der,,. S- B. wenn der Gräsiu Olivia der
vermeintlich Page iBiola) gemeldet wird
kcn, daß man staunen muhte. Schade, daß
ich niAt schon vor sieben oder mehr Jahren
und Onkel Toby ihn als einen lächerlich
kleinen Ritter bezeichnet, dann deutet er
erst mit beiden Händen das minimale
2)!afj des lxrzoglichen Abgesandten an.
wiederholt dann mit den Worten .so klein'
dieselbe Geste ein paar Wale, jedesmal ein
kleineres Maß zeigend, bis er schließlich
beim richtigen Täumlingkmaiz angekoin,
men ist. Für nöthig kann man solche Zu
thaten zwar nicht erklären, aber sie scha
den euch nicht viel. Recht hübsch war die
Aenderung, die sich der Rarr in der letz
ten Strophe seines Cchlußliedes (Yot tho
rain it raineth every day) erlaubte.
Der Borhang setzt sich, wie es scheint vor
zeitig, in Bewegung, er schaut hinaus, sagt
unser Spiel ist aus" und sagt ian Stelle
von Shakespeare'S Umschreibung des Re
frains "we'U trive to pWse you every
day") wenn es euch gefallen, so habt ihr
was ihr wollt".'
Dieser Narr wurde, zur Ueberraschung
mancher seiner Berehrerinncn. von Moiss:,
dem höchst bezahlten Causpieler Teutsch
lands gegeben. CJawohl. Moiffi bezieht
von Reinhardt die feste Jahresgage von
hunderttausend ll?!ark. Dafür muß er
freilich auch gastiren gehen und vor Allem
Vortrage halten, die eine ungeheure An
ziehungskraft auf das Backfischthum ganz
Deutschlands ausüben.) Ich halte Moissi
gewitz sür vielseitig, ja für unübertrefflich
in gewissen Charakterrollen das hat er
in den Gespenstern", in dem Lebenden
Leichnam" und in mancher anderen Rolle
bewiesen aber seine Anhängerschaft
verlangt von ihm natürlich vor allen Din
gen schmachtende Liebhaber. Diese Rar
renrollc liegt ihm nicht ganz, und wäh
rend die Genossen, vor allem die Zechbrü
der. so laut wie möglich spielten, reduznte
Moissi die Trastik des NarrenthumZ und
spielte so zu sagen mezza yoce. Viel
leicht war ihm bewußt, dah am Dreitö
niastaae zwar auch Spaß und Scherz ge-
pflegt werden, aber nicht die Tollheit des
sterbenden Karneval herrschen darf.
Die einzige wirkliche Enttäuschung des
Abends bereitete aber Albert Bassermann,
der vielleicht mit Recht für den besten
Schauspieler Deutschlands gelten darf.
Reinhard hatte für den Herzog und feinen
Hof das spanische Kostüm angegeben, und
das mochte er nun wegen der gespreidten
Art wohl auch für besonders geeignet hal
ten, von dem eingebildeten Malvolio ge
tragen zu werden. DaS gab von vorn
herein dem genasführten Haushofmeister
eine Grandezza, die er nicht nothwendiger
Weise zu haben braucht. Was für Ko
stüme in Twelsth Night" getragen wer
den sollten, wird sich zwar nicht feststellen
lassen, ober die spanischen sind ein bis
chen weit hergeholt. Mir scheint es un
zweifelhaft, daß dieses spanische Kostüm
direkt und zwar ungünstig auf Basser
mann's Auffassung der Rolle eingewirkt
hat. Einem solch hochgewachsenen statt
kicken Spanin geziemt Gravität, und um
diese Gravität nun in's Komische zu
ziehen, bediente er sich einer übermäßigen
dicklichen Stimmung, behaftete sich mit
einer Neigung zum Stottern beim Lokal
U, und verlangsamte da Tempo derart,
daß er zum Beispiel beim Lksen des
niederträchtigen Briefes, den ihm der Ko
bold Maria hingelegt hatte, geradezu
langweilte. Auch mag Wohl daS Gefühl
der 'Verantwortlichkeit da er eben für
den bedeutendsten Schauspieler gilt da-
zu beigetragen haben, ihn zur Ausarbei
tung von endlosen Nuancen zu deranlas
sen. Und da nun vollends seine lange
Szene mit dem Narren (in der Dunkel-
heit) gestrichen war, brachte 'S zu keinem
irgendwie durchschlagenden Eindruck, trotz
dem jeder Besucher des T-iitschen Theaters
ein ehrlicher Bewunderer Bassermann's ist.'
Desto leichter wurde der Sieg den bei
den Trunkenbolden, dem mehr als unge
niert abstoßenden Ritter RülpS (Diese!
mann) und dem fast biS zum Erbrechen
! naturaliftisckxn Junker Bleichenwang
(Waßmann). Ich weiß nicht recht, wo
ran eS liegt: die Engländer und die Deut
sehen sind unleugbar Vettern, Haben sehr
diele Eigenschaften miteinander gemein,
ober ihre Trinkmanieren sind ganz außer
ordentlich verschiedene. Und dabei trin
len doch beide Nationen ss gern und so
reichlich! Nicht bloß in den Triniszenen
dieses Stückes, sondern auch in solchen
anderer Shakespearescher Tramen habe ich
bei deutschen Aufführungen allemal einen
Eindruck der Stilwidrigkeit halten. Hier
im Deutschen Theater waren beide Trin
ker so virtuos, wie man sich'S nur wün
sehen konnte, aber wenn ich an irgend
einen englischen Sir Tobt, dachte, der mir
in Amerika und England vsrgommen.
wollten mir Diegelmann und Waßmann
wie ein ganz seltsam sremdeS Elemut im
Bilde scheinen. Es muß wohl so sein,
daß jede Nation ihr, an, besonders :,
aeprsfllk tZistenthilmIickteit grade in der
Trinkkk Gemüthlichkeit hat. Waßmann
halte zirar die Lacher alle auf feiner
Seite, er war in seiner besonderen Art
unwiderstehlich, cter ich hörte eben im
merdar schon in'dem beständigen a
äh'äh den Berliner heraus.
Sehr nett, zugleich frisch und hintei
ckenv schwärmerisch, gab Johanna 2tX'
win die Biola. und der undankbaren Oli
via berlikh Elfe Helms persönlichen 3te!j;
einen starken Erfolg helle sich die dick
gewordene Lucie Höflich eil Nammersrau
Uaria. Eine Unbegreislichkeit in diesem
gradezu illustren Ensemble War die Be
fegung des Sebastian mit einem jungen
Mann, der mit der Zunge anstößt. Tlan
bette ihm die kleine Rolle wohl rnn'd,'
halb gegeben, weil er im Körpermaß ziem
lich genau seiner Sckweslck Biola glich
und ailch das Gesicht so geschickt zurecht
zu machen verstanden, daß man ihn wirk
Zich sür emcn Zwillingkdruder der Diola
halten konnte.
Aus dem Vorstehenden liifjt sich tnt
nehmen, daß ich ganz und garnicht bereit
bin, blindlings darauf lol zu lo!n. und
darum wird es noä mehr Gewicht haben,
wenn ich hier nachträglich erkläre, deß duft
Ausführung von .Was ihr woll!" al
Ganges betrachtet doch etwas gradezu
Mcisteiliclzks hatte, daß eß eine Aufsüh.
rung war, die man nickt wieder vergißt.
Man mag siii tbcorctisch daqezcn slern
men, daß Reinhardt die Shakespeare'schen
Tramen zu schr all Jnszenirungsprob
lerne aufsaßt, man mag einwenden, daß
eine einzige überragende darstellerisch
Kraft grade bei Shakespeare mächtiger
wirken ird, als alle JnszenirungMnste
der Welt: ich möckite doch den Mann erst
einmal kennen lernen, der sich dem über
wä'tigendtn Eindruck einer solch virtuosen
Jnszenirungskunst zu entziehen vermag.
Auch wenn man noch so schr Hieratisch"
veranlagt ist, dieser Greifbarkeit der Si
tuationen erliegt man doch. Unk nun
bedenke man, daß bis jetzt bereits elf
Shakespeare-Dramen in gleicher Meister
sckast, mit der gleichen Sorgfalt jeder
Einzelheit herausgebracht worden sind.
DaS muh man unbedingt als eine That
anerkennen, selbst wenn die schöne Ge
wißheit, bei Shakespeare keine Tantiemen
bezahlen zu brauchen, die stärkste Trieb
feder für Reinhardt gewesen sein mag.
diesen Cyklus in's Werk zu setzen. Nicht
bloß keine Tantiemen zu bezahlen, son
dern such der unerträglichen Jagd nach
neuen Scklagern überhoben zu sein, dai
muß eine Befriedigung gewähren, die or
beitöfreudig macht. Zudem: kann über
baupt ein Theatermann dem unsagbaren
Theaterreiz widerstehen, der au allen
Bühninwerken Shakespeare's strömt?
Man braucht sie blos einmal wieder zur
Hand zu nehmen, und der Wunsch wird
sich garnicht abweisen lassen, sie in mög
lichster Vollendung, mit den ganzen Hilfs
Mitteln des gegenwärtigen Theaters her,
auszubringen. Reinhardt verdient mit
Shakespeare einen riesigen Batzen Gcld
Abende, an denen das Deutsche Theater
nicht ausverkauft ist. scheinen in diesem
Winter kaum vorzukommen! , aber er
verdient auch die wärmste Anerkennung
für feinen Fleiß und seine Stilsicherheit.
Er mag sich vergreisen, mag vergröbern
wie er das in Was ihr wollt" un
zweifelhaft gethan hat , aber er bringt
uns dennoch unwiderstehlich in Kontakt
mit der unendlich weiten Shakespeareschen
Welt. Und wenn man durch Wedekind
schcn Morast gewatet ist. wenn man sich
in modernen Lustspielen und Farcen aus-
gegähnt hat, dann wirkt ein Lustspiel wie
Twelsth Night" ime e,n Trunk frischen
Qucllwassers. Etwas von jener gött-
liehen, beglückenden Heiterkeit zieht einem !
durch's Gemüth, wenn man so. viel Kunst-
verstand an eine solch sublime Sache vcr
wandt sieht. Es hätte noch seiner sein
können, gewiß, und grade mit den vor
bandenen reichen Kräften hätte die Auf
führung jenen Grad der Vollendung er
reichen können, den wir bei den meisten
Theatervorstellungen vermissen; aber wie
es war, war's ein Hochgenuß, den man
sich in wenigen Theatern diese! Planeten
verschaffen kann. Wäre ich zum Beispiel
einer von den New Forker Millionären,
die vor allem deshalb in Amerika leben,
damit ihre Millionen sich noch ständig
und rapide vermehren möchten, so würde
ich mich beeilen, noch vor der allgemeinen
Reisezeit, und vor allem vor dem Schluß
der Wintersaison nach Berlin zu sahren
und ein Abonnement für den Reinhardt
schen Shakespearezyklus abzusitzen. Die
Erinnerung allein würde eine glänzend
Verzinsung des Anlagekapitals darstellen.
Ich sprach eben von absitzen". Nicht
ohne Grund, denn in keinem mir bekann
ten Theater sitzt man schlechter, als im
Deutschen. Ich leide ftetg physische Pein,
wenn ich im Teutschen Theater im Parkett
sitze, so unglaublich eng sind die Sitze,
und so unmöglich ist es. seine Beine in
iner natürlichen Weise unterzubringen.
Aber ich werde trobdem noch einige
andere Shakespeare -Ausführungen besu
chen. August Spanuth.
Ter Lange da vorne".
Dem Reichskanzler v. Bethmann Holt
weg passirte dieser Tage ein niedliches
Geschichtchen. Er besuchte mit seiner
Gattin das neue Berliner Aguarium.
Zunächst besichtigte er die Salzwasser
fische und war an den Schöpfungen der
MeerKfauna so interessirt, daß er wohl
eine Viertelstunde vor dem Becken der
Muscheln und Taschenkrebse stehen blieb,
ohne, zu merken, daß' sich um ihn ein
großer Kreis von Besuchern versammelt
hatte, die vergeblich dem großen Herrn
über die Schulter zu spähen versuchten.
Schließlich wurde einem der Wartenden
die Sache langweilig; er drängte sich an
den Reichskanzler, den in dem Halbdäm
wer Niemand erkannt hatte, heran und
rief ihm in aller Liebenswürdigkeit zu:
.Sie Langer da vorne, Sie könn'n doch
über uns alle hinwegseh'n, sind Sie doch
ss jut und treten Se mal zurück, damit
andere Leut' oock) ihr Jelo absehen kön
nen!" Der Reichskanzler sah da! Vu
nLnftige des Vorschlags ein und trat
zurück, um auS der Entfernung übe? die
Köpfe der anderen yinwez das Trewen
der interessanten Thiere cvter zu veov
achten.
Oesterreich -Ungarische Korrespolldcnz.
(?in neuer Skandal der ean,dia Pacisik. Hartnöckigek Tklb?,mrd eines
?sldatrn. Wieder ein Bsindknattentat in Jinme. Übt Graf Hrgch
als laglöhnrr. Friedrich Freiherr v,n jinghosskr 'er Perschivendunas.
kuratel, gnkrt deS tk,'ikner Mittel schulvrchrftkrs. leine Cdrvnik: T.
dfallt! Brand einer Malzfabrik; Der Irucksehlcrleuset im Amtsblatt.
Die Eanadian Pacikic Gesellschaft
steint ein Füllhorn der Skandalaliairen
für die Tonau.Vionarchie zu si'in. Man
wird sich noch erinnern, welt Ausseden
die Angeleqenheit der Gesellschaft im Ck
ober dkiwracrufm ha!, und nun ist in
Kroatien wieder ein höchst mcrkwürviges
Geschäft der Sksellschast enlhülll Worden.
In der Sitzung bei kroatischen Landtages
beb der Abaeordnete Zaaorac gegen den
Ministcrialralh Frank, den Tirck:cr der
Abtheilung sür AuimanderusigLangelegeN'
dciten die Anklaae. daß er eine ständige ,
GeldunteislüSung und bklrächllicde Vrokl
sionen von der Gesellschaft erhielte.
'H.iamnt lwhrniBtet. MinisiermlratH
Frank hatte von der Eanadian Pacific für ;
jeden Auswanderer aus Kroatien 5 K. be
kommen. Er bezog eine monatliche unter,
ftützung von .'100 it. von der Gesellschaft,
und leistete der Gesellschaft wirksame Bei
Hilfe bci der Auiwanderung Wehrpflichti
ger. wofür er für jeden kroatischen Achr,
Pflichtigen, der durch die Eanadian Paci
fic das Land verließ, :V) K. Provision er.
hielt. Angesicht der Zhatfache. daß allein
im Jahre VM2 ZA Wehrpflichtige
Kroatien verließen, machte diese Provision
in diesem einzigen Jahre daS nette
Sümmchen von 70,000 K aus. Zogorac
behauptet ferner, die Gesellschaft hätte dem
Ministerialrath und seinem Bruder je
50.0UO K. versprochen, salls es ihnen ge.
linaen würde, eine ausschließliche Kon
zfsüon sür die Eanadun Pacific zu er
wirken. Das ist aber dem Ministerialrath nicht
gelungen, trotzdem er sich redlich Muhe
gab. die Konzession zu erwirken. In der
Skandalaffäre. die in Agram und Buda
pcst eine begreifliche Sensation erregt, ist
unter anderem auch der frühere BanuS
von Kroatien. Herr Tomasich. kompromit
tirt. Die Eanadion Pacific bot ihre
kroatische Genkialvkrlretung der kroati
schen Hypothekenbank an. dessen Direktor
Tomasich ist. aber nur unter der Bedin
gung, daß eine ausschließliche Konzession
erwirkt wird. Tomasich leitete auch die
diesbezüglichen Verhandlungen mit der
ungarischen Regierung ein. aber inzwischen
kam die Enthüllung des österreichischen
Eanadian-Skandals und damit war der
Weg für die Gesellschaft in Kroatien vor
läufig versperrt. Es wird ferner behaup
tet. daß in der Asfäre auch noch einige
ungarische Politiker kompromittirt sind.
Auf Brione verübte ein Soldat in dra
matischer Weise Selbstmord. Ter, 32jät
rige Artillerist Andreas Bort au! Wien
von da 7. Kompagnie deS 4. Artillerie
regimentes versucht: sich am Lampennayel
inmitten des Kasernenzimmer aufzuhän
gen.' Ein Unteroffizier durchschnitt recht
zeitig den Strick mit dem Säbel. Wäh.
rend der Unteroffizier dann Wasser holte,
um den Artilleristen zu laben, durchschnitt
sich dieser mit dem Rastrmcster die Kehte
und war sofort todt.
m
In Fiume haben unbekannte Thäter
auf der Ostseite des Palais des Guber
niums eine Bombe geworfen, die unter
starker Detonation ezplodiite. Tas Per
sonal eilte sofort herbei und die bald er
schimene Grenzpolizei sowie die städ
tische Polizei stellten fest, daß die von
den Thätern geworsene Tynamitbomb in
einer Stahldose steckte, die eine ein Milli
meter starke Wand hatte. Da die
Bombe im Garten erplodirte, verursachte
sie keinen Schaden. Zwei verdächtige In.
dioiduen. die sich slüchten wollten, wurden
von der Polizei festgenommen. Der eine
soll angeblich aus Kopenhagen stammen.
Die Ursache des Attentats ist unbekannt.
Bekanntlich wurde im September vorigen
Jahres ebenfalls ein Bombenanschlag ge
gen daS Archiv des GubernialpalaiS der
übt. Als die Miskolcser Polizei dieser Tage
eine Ra?zia abhielt, stich sie in einer Vor.
stadtaasse auf einen zerlumpten uitann,
der lick weiaerie. sein Nationale abzuge-
ben. Erst nach längerem Zureden stellte j
er sich dem Polizeibeamten mit folgenden
Worten vor: Mein Name ist Graf Tibor
Forgach von GhhmeS und GacS.
habe bis vor kurzem in der Diosgyörer
Eisenfabrik gearbeitet. Jetzt bin ich ar
beitSlos." Der Polizeibeamte glaubte,
dah er es mit einem Geisteskranken oder
einem Svakmacher zu thun habe. Aber
ein Polizist bestätigte die Angaben des
Tagelöhner. Es Handen i,cn um oen
Sohn eines vor etwa zehn Jahren zu
gründe gegangenen Grafen Forgach. Er
arbeitete in Koronlha und in Ozd. Hier
verlor er seine Stelle, weil er seine Ar
beitsgenossen zum Streik verleitete. Dann
kam er nach Miskolcs. wo er in verschiede,
nen Fabriken arbeitete. Der Vater del
Grafen Tibor Forgach wohnt in Kassa in
dem PalaiS, welche! er seinerzeit mit der
Bedingung gekaust hat. daß ihm in dem.
selben 'bis nS Lebensende freie! Log:S ge
währt wird.
In der amtlichen .Wiener Zeitung"
wird die Verhangung der VcrschendungL'
kuratel über Friedrich Freik.rrn v. Ring
hoffer. Ingenieur in Prag. Verlautbart.
Baron Friedrich Ringhoffer ist der
dritte Sohn bei Großgrundbesitzers und
Großindustriellen HerrenhausmitgliedeS
Emanucl Ringhosftr und sieht im 3C. Le
bensjahre. Baron Ringhoffer lebte seit
mehreren Jahren auf ziemlich flottem
Fuße. Er sollte eine Stellung in einer
Augsburger Maschinenfabrik antreten, um
sich mit den Verhältnissen im Maschinen,
baufach vertraut zu inachen, da er an der
Ringhoffcrschen Waggonfabrik in Smi,
ckon, betbeiliat ist. Baron Ringhoffer
zoa S aber vor. in Wien und Karlsbad
t ' . -r..r. mu.HlUiH.iM mnt&tf-
1 einen Torqpitiißcn cigiiuHU"ni
aelien und fuhr nur ab und zu im Auto
mobil nach Augsburg, um vn dort ein
telephonilcheS Lebenszeichen zu geben und
seine Angehörigen über seinen Ausenthalt
in Augiburg zu beruhigen.
Seine Bttdindlikeiien nahinen derart
zu. daß seine zahlreichen im Umlauf be
fiiiciidn Wechsel mit f0 Prozent ange.
boten wurden. De Schulden des Barons
werden auf mindestens cif.f halbe Million
Kronen gesetzt. Obwohl sein Vater
bereits vor einem Jahre die damals von
seinem Sohne einaeftandcmn Schulden
bezahlt halte. Ali Kurator des Barons
wurde sein Vater bestellt. Baron Friedrich
Ringholser wird in Kurze nach Amerika
Übersiedeln.
.
?j war ein Konzert von eigenartigem
Reiz, da im Wiener Musikvereinbsaale ge
boten wurde. Ein Orchester, das in der
Mehrheit seiner Mitglieder auS Knaben
zusammengesetzt ist, die von den Schuf
ranken weg aufs Podium eilten, um unter
Leitung eines begaben und feinsinnigen
Tilettanten in jugendlicher Begeisterung
Werke von Beethoven. Mozart. Mendels
söhn und Grieg zu interpretiren. Ebenso
viil begeisterte Jugend im Saale und ne
den ihnen Mütter und Aäker, die mit Be
geiiterung den Produktionen lauschten. Die
Leistungen waren wahrhast uderraichende.
jn rp.aunen muRie ci ionruue und
Schönheit dieses KnabenorchesterS setzen,
die Präzision und der RdYthmuS dieses
Spiels, ja daß frühe Verständnis für den
Geist und EmpsindungSgehalt der borge
tragenkn Tondichtungen. TaS ist in er
MnsteriSseS Familiendrama. Unerbittliche Telogirvng und ihre blutige
Flöge. Dr. von Thaler überfahren. Ein interessanter Streit. Tie
schwarze Hand. Au Haß und Wuth. Paul Almcrda. Tollkühner
EinbruchLdikbstahl. Kleine Chronik: Ter berühmte Bildhauer Benk gestor
den; Todrefnllk! Verschobene Trauung; Neuer Dampfer Hnngaria"; We
dckind tschechisch; Nur die Worte; der Gewohnheitsmensch.
Ein in seinen TetiilS noch nicht ausge
klärtks Familiendrama hat sich in den
Abendstunden im Prater, Hauptallce. ab
gcsviclt. Wenige Schritte vom Heustndl
wassn entfernt fanden Passanten gcgen 7
Uhr Abends eine gut gekleidete FrauenS
Person, die nur mehr schwach athmete,
auf. Neben der Frau lag ein etwa vier
jähriges Mädchen auf dem Boden. Da!
Kind war bereits todt. Tie Passanten
waren durch einen Schrei, den sie gehört
hatten. ,ur Stelle geeilt und hatten Frau
und Kind nebeneinander auf dem Boden
liegend gesunden. ; Aller Wahrscheinlich
keit nach liegt Mord und Selbstmord vor.
Die Frau, die vermuthlich die Mutter de!
Kindes ist. hat demselben Zyankali gege
ben nd hieraus selbst von diesem Gifte
genommen der Rest des Giftes wurde je
doch nicht an Ort und Stelle vorgefunden.
. .
Der Fabrikarbeiter Leopold Stiepa-
nowsky, der im sogenannten Marienbof in
Sollenau wohnt, sollte delogirt werden, da
er den Sns nicht bezahlen konnte. Seine
Frau lag jedoch an Lungentuberkulose
darnieder, so daß bie Delogirung vorerst
nicht durchgesührt werden konnte. Die
Hausbesitzerin lieh sich nun vom Ge
meindearzt ein Zeugnis ausstellen, daß
Frau Stiepanowsky transportfähig sei,
worauf sie beim Bezirksgerichte Wr. Neu
ftadt die Delogirung begehrte. . Die Frau
wurde ins Krankenhaus transportirt. Als
der Gerichtsdiener Anstalt tras, den Hau!
rath Stiewanowskys aus der Wohnung zu
schaffen, stieß sich der verzweifelte Mann
ein Messer in die Brust. Er sank so
fort todt zusammen.
Der Schriftsteller Dr. von Thaler
wurde von einem schweren Unfall betrof
fen. Dr. v. Thaler wollt an der Ecke
des Heumarkts die Fahrbahn überschreiten,
als r von einem Schwerfuhrwerk nieder,
gestoßen und überfahren wurde. Der her
beigerufene Arzt stellte bei dem Verun.
glückten einen Bruch des linken Unter
armes, eine schwere lange Rißwunde am
Schädel, eine Quetschung an der Stirn
und schwere Kontusionen am linken Ober
schenke! fest. . -
,
Ein interessanter Streitfall unter Ge-
lehrten besänftigt den Strafrichter deS
Grazer Bezirksgerichte! Dr. Benda. An
geklagt wegen Ehrenbeleidigung war der
bekannte Grazer Chemiker m. nuvois
Ditmar. Als Kläger traten die Mitglie
der einer Kommission der philosophischen
Fakultät der Universität in Graz auf, die
sich von dem Beschuldigten durch den In
halt eine! an das Unterrichtsministerium
gerichteten Rekurses beleidigt erachteten.
Dr. Ditmar hatte auf dem Gebiete der
Chemie viel wissenschaftliche Arbeiten ge
leistet und gilt besonders als Fachmann in
Zelluloid-Chemie. Nun hatte sich Dr.
Ditmar um die Zulassung alS Privat
dozent on der Grazer Universität bewor
im und erwartete die Entscheidung der
zur Prüfung dieser Arbeit eingesetzten
Kommission de! Professorenkollegiums.
Die Entscheidung ging dahin, da dte Ar
beit sachlich eine hervorragende Leistung
sei, daß ihr jedoch die wissenschaftliche
Originalität fehle, die TsrauSfetzung zur
Ertheilung der Bern legendi. Mit drestk
Abweisung gab sich Dr. Drlmar nicht zu
srieden. sondern ergriff den Rekurs. ,
In der Gemeinde Jako (Ungarn) steht
ein arokeS Scbloß. da! von dem Fabrikan
ten Nagy bewohnt wird. Dieser bekam in
Schreiben, welches die Unterschrift .Die
schwarze Hand' trug. Der Brief lautete
folgendermaßen in deutscher Uebersetzung:
Lieber Nagy! Du bist sehr reich, aber
ein neidiger Kerl, dem man einmal kräftig
zur Ader lassen muß. Wir Wollen el heut
mit einer Kleinigkeit versuchen. Du wirst
morgen an der auf beiliegender Skizze be
zeichneten Stelle 1000 Kronen hinterlegen.
Solltest Du aber die Polizei verstand!
genj dann nehmen wir statt der 1000 Zhro
nen Dein Leben." Herr Nagy lief sofort
st er Reihe das Verdienst des Orchesterlti,
terl Dr. Erst HauSner. der einen nickt
geringen Tat! und Feinheit der Auffas
sung bekundete. Ali erste Nummer deß
Programm! wurde Beethovens Eroica ge
boten, und hier waren et besonders da!
Scherzo, da! die anmulhigsic Wutftaabe
f:nd. In MendkliZfohn, Violinkonzert
siel der jugendliche Geiger durch feine
schöne Technik und die Wärme seines 2o
irel aus. Die stärkste Wirkung übte das
Mitlelschulorchesler durch die Wiedergabe
von Grieg! Sigurd Jorsalsarsuite" au,
und hier war e namentlich der Huldi
gungtinarsch. der mit schönstem Volltlang
und mit vielem Temperament gespielt
wurde, Im Flöten und Harsenkonzert
von Mozart fanden sich John Amans und
Fräulein Stesfi Goldner in virtuosem
und knipslndungsvollem Spiel zusammen
und ernteten stürmischen Beifall.
Kleine Ehronik.
Eine der größten österreichischen Malz,
ftbriken, die der Firma Gustav Haa! in
Troppau. wurde ein Raub der Flammen.
Das Feuer brach in den Tvrrräun aus
und griff so rasch um sich, dah nicht! ge,
rettet weiden konnte. Der Schaden be
tragt über 2 Millionen Kronen.
Im Amtsblatt der österreichischen Nord,
badndireltion wird un! der Ucberschrist
Dienstkscnthebungkn' eine Bcrsctzung in
den dauernden Ruhestand wie solgt mit
getheilt: .Makowsky. Anton. Staatsbahn
rath. Vorstand dc! Bureau, IX mit
1. März 1014 (Über iaeneS Ersuchen), bei
welchem Anlasse demselben seilen! del k.
k. Eisenbahnministeriuml in Anerkennung
seiner langjährigen u n e r s p r t e ß
lichen Dienstleistung der Titel eine!
OberstaatsbahnrathS verliehen wurde.'
zur Polizei, und In der folgenden Nacht
legten sich sämmtliche Polizisten und (ven
darmen auf die Lauer, auch der Guts,
besitz und seine Ticnerschaft war dabei.
Aber vergeblich harrten sie, es kam Nie
mand. Mißmuthig kehrte die Gesellschaft
heim, da erlebte sie eine unangenehme
Ueberraschung, Während das Aufgebot
die Erpresser erwartete, waren diese in das
vereinsamte Schloß eingedrungen, hatten
die Kasse erbrochen und 2C0 Kr. und das
ganze Silbergerathe mitgenommen. Aus
dem Tische lag ein Zettel, auf dem es hieß:
Sie sind doch so dumm, all wir ver
muthkten!
Kleine Chronik.
Dom Paul Almeida, der vom portu
giesischen Parlament nach anderthalbiähri
ger Gefangenschaft begnadigt wurde, ist in
Wien eingetroffen und rm PalaiS der
Erzherzog, Maria Theresia abgestiegen
Die Nachricht von der Freilassung Dom
Almeidas wurde in Wien, wo der portu
giesische Edelmann lange Zeit lebte und
die wärmsten Sympathien genoß, mit
größter Freude begrüßt.
Ein furchtbares und menschlich ergrei
fendes Lebensstück wurde in einem Pro
zcß offenbar, mit dem die Geschworenen
in Krem! sich zu befassen hatten. Ein
alter Armenhäusler, ein ortsbekannter
Trunkenbold, hatte seine Zimmergenossin.
ein altes keifendes Weib, mit der er
jahrelang in das Asyl zusammengepfercht
war. fchlietzlich aus Haß und Wuth er.
schlagen, erwürgt. Der Prozeßbericht liest
sich wie ein künstlerisch gestaltetes Roman
kapitel. Er selbst hält Abrechnung mit
seiner Mutter, der er in einem langen
Briefe aus der Untersuchungshaft die
ischuid an seinem verpfuschten Leben giebt.
Sie hat ihn als Kind betteln geschickt,
und er entwickelt eö in diesem Schreiben,
wie auö dem kleinen Bettler der ewige
Vagabund, der Trinker, der Armenhaus,
ler und schließlich der Mörder wurde.
Einen tollkühnen Einbruchsdersuch hat
der herrschaftliche Diener Blasius Tinar
in Szolnit verübt. Er drang Nochti in
die Wohnung des Gendarmeriewachtmei
siers Szabo ein, der auf daS Geräusch dem
Eindringling mit vorgehaltenem Gewehr
entgegentrat. Der Verbrecher ergiff in
der Finsternis die Waffe und entwand sie
ihm. Nun begann ein furchtbares Ringen
zwischen den beiden. Die Frau des Wacht
meister! wollte Licht anzünden, doch stürzte
der Verbrecher sich auf sie und schlug sie zu
Boden. Tonn warf er sich wieder auf
den Wachtmeister und bracht ihm zahlreiche
schwere Bißwunden bei. So biß er ihm
einen Finger der rechten Hand ab, biß ihm
ein Stück Fleisch auS dem Rücken und
verletzte ihn auch am Kopfe durch Bisse.
Schließlich gelang eö ihm zu entkommen,
da er aber auch schwere Verletzungen da
vongetragen hatte, stürzte er bald zusam.
men und tonnte verhaftet werden.
Dir Trauung deS bekannten ungari
schen Schauspielers Edward Ujharzi mit
Frau Marge Nowak, einer jungen Frau,
die Ujhazi für die Bühne ausgebildet hätte
und die sich aus Liede zu dem 73jährigen
Künstler von ihrem Manne hatte scheiden
lassen, sollte stattfinden. Da aber da!
Geburtszeugnik de! Bräutigam? nicht zur
Stelle war, mußte die Trauung verscho
ben werden, doch nur auf kurze Zeit, da
der Gesundheitszustand deS Künstler!, Ar.
terientxrkalkung, zu ernsten Besorgnissen
Anlaß giebt.
In Tnest wurde der neue Dampser
.Hungaria' deS Oesternichischen Lloyd
auf der Werft San Rocco glücklich vom
Stapel gelassen.
"In seinem mit erlesenem Geschmack
ausgestatteten Künstlnheim tn Hietzing ist
Professor Johanne! Benk, . der meitbe
rühmte Bildhauer, nach langem schweren
Leiden gestorben; kurz vor Vollendung
feine! 70. Geburtstages. Er war in
Wien geboren am Z7. März 1844 und
hat im Laufe seiner langen und ersolgrei
chen künstlerischen Bethätigung seine Va
terstadt mit einer großm Anzahl herrlicher,
vielbewunderier Kunstwerke geschmückt.
Professor Franz Sedald an der Uaall
realschule des ersten Bezirkt! starb nach
tukm Leiden im Alter von M Jahren.
Tonnt Fischer von der Prager Um
vcrsität und Direktor Zavrie haben Frank
Wedkkind's Erdgk.st" und D,e Büchse
der Pandora' mit Autorisation deS Dich-
ter! ins tschechische übersetzt. Die Urans
suhrung der beiden Stücke wird noch in
dieser Saison om Tschechischen National
theater in Prag stattfinden. ,
Humor.
Frau Gkhcimrath befehlen als eine
Stampiglie mit Smaroadgriff und all
Inschrift "
Nur die Worte: Nicht angenommen
und den Namen meine! Mannes. Wissen
-ie, man bekommt alle Tage ein Dutzend
Wvhlthütigkcitsloose.'
Del der Rckrutenausbildung wird die
Gencraldecharge" geübt, wobei einer de
Leute immer vorschreitkt. .Himmelherr
gott!" ruft der Leutnant Lamsturgh,
letzt wird mir l zu dumm, ttal sind Sie
denn in Pimlf
Votbeicr, Herr Leutnant." i
Dr. A. H. A.
- Ter Nachlaß der Elsa Turcsinhi.
In der Wohnung der unlängst tn Bu
dapest ermordeten Elsa Turcsänyl ist mit
der Jnventarisirung de! Nachlasse! degon
nen. E! mußte früher die Zustimmung
de! Untersuchungsrichters behusl Entfer
nung der an der Wohnung befindlichen
Gerichtssiegel eingeholt iverden. Bci der
Abschätzung de! Nachlasse! waren zugegen:
die Geschwister der Ermordeten ihre
Muter ist nach Lva zurückgereist fer
rier Mar Schmidt, der reiche Freund der
Ermordeten, mit feinem Rechtslonsulen
ten Dr. Ludwig Gleichmann, sowie die
Beamten der 2. Bezirksvorstehung Paul
Arany und Eugen Cselko, Polizeikonzi
pift Becker, sowie zahlreiche Detektiv!. Die
Kommission sand in auf 54,000 Kronen
lautendes Sparkassabuch und ine auf
24,000 Kronen lautende Versicherung!
Polize zu Gunsten der gesetzlichen Erben
der Turckänyi. Die in der Wohnung
vorgefundenen Juwelen wurden auf 60.
000 Kronen geschäht, außerdem sind bei
Gericht die geraubten Juwelen im Werthe
von 50.000 Kronen, deponirt, und bei
mehreren hiesigen Juweliersirmcn erliegen
außerdem Juwelen im Werthe von 40,
000 Kronen, welche von der Turcsänyi
zum Rkpariren übergeben worden waren.
Die Abschätzung der" Möbel und anderer
Einrichtungsgegenstände nahm mehrere
Tage in Anspruch. Anläßlich der Pour
parlerl, welche zwischen den Erben und
Dr. Gleichmann gepflogen wurden, wurde
zwar ein Ausgleich noch nicht getroffen,
ober oller Wahrscheinlichkeit nach dürste
nach beendeter Inventaraufnahme eine
Einigung erzielt werden. Den Erben
wurde zugesichert, daß ihnen ihre Erd ,
fchaft. inklusive der vorhandenen Spar
kassenbücher und eventuell noch dorfind
licher Spareinlagen und Baargeldbepände,
außerdem die Versicherungspolize auf
200,000 K. ergänzt werden solle. Meh
rere Advokaten, u. A. auch in bekannter
Reichstagsabgeordneter, machten zwar
Versuche, sich den Erben zu nähern und
diese zu persuadiren, möglichst hohe For
derungen zu stellen. Die Erben wollen
ober einstweilen von einem Prozeß nichts
wissen, mit der Motivirung. daß sie sich
letzt mit einer geringeren Summe begnu
gen und eventuell nicht Jahre lang war
ten wollen, bis die diesbezüglichen Pro
zesse erledigt sind. Einer der Erbe hat
sogar gegen einen Advokaten bei der Ad
vokatenkammer die Disziplinaranzeige er
stattet, daß dieser ihn um jeden Preis zur
Anstrengung eines Prozesses veranlassen
wollte. Die Wohnung der Turcsänyi
wird, mit Rücksicht auf den werthvollen
Inhalt, von der Polizei ständig bewacht.
Wieviele Luftschiffhallen gibt eS ltt
Deutschland?
Der aufmerksame Beobachter zählt IS.
Davon sind sieben Hallen für nur ein
Luftschiff, die übrigen neun sür zwei
Luftschisse eingerichtet, und zwar befin
den sich Doppelhallcn in Friedrichehafen
und Potsdam, wo sie dem Luftschiffbau
Zeppelin gehören, in Dresden als Eigen
tum der Stadtverwaltung, in Hamburg,
Leipzig und Johannistal als Eigentum
von Privatgesellschaften und in Metz,
Köln und Königsberg zu Militärzwecken.
Die Einzelhallen in Baden-Baden und
Frankfurt a. M. sind im Besitz der Delag.
die Düsseldorfer Einzelhalle gehört der
Stadtverwaltung, die Mannheimer der
Firma Schütte-Lanz. die othaer einer
Privatgesellschaft und die Posen und
Liegnitz dem Militär. Diese 16 ferti
ge Hallen reichen aber für den Luftver
kehr Deutschlands keineswegs ouk, und
weitere Bauten zur Bergung vo Zippe
lin-Luftschisfcn sind bereits in Angriff ge
nommen. . So befinden sich gegenwärtig in
Allenftein und Trier Einzclhallcn im Bau,
und neue Pläne schweben sür die Städte
Lahr i. B.. Braunschweig. Darmstadt
Düsseldorf und Friedrichshafen. Buch'
Emden. der ostfriesische SeehandelSplat
der jetzt in jeder Beziehung zu neuem Zu;
ben erwacht ist. trägt sich mit der Idee'
einer eigenen Lustschiffhalle, so daß. wen
olle diese Pläne zur Ausführung gelangen.
Deutschland daS Netz seine! regelmäßigen
Luftverkehr! in Zukunft viel weiter auS
spannen wird, als da! bei der heute noch
verhältnismäßig geringen Anzahl do.
LustschiMfen bisher der Fall sein konnte.
.p; ..I ' ,
r Zwiebeln nd Liebe.
.Du. Patricia, mein Bruder Willi be
hauptete, daß du gestern Abend Zwiebel
gegessen hättest er bemerkte S, all du
ihn küßtest.'
Priscilla. sage deinem Bruder Willie,
dah mir ein Mann, der derartiges be
merkt, wenn ihn ein Mädchen küßt, lr,
lich leid thut . .... dir wahre Liebe ist
daS nicht