Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, March 20, 1914, Image 3

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Don August Spanttth.
Zuntcs Allerlei aus der Rarnevalszeit. Die farbigen pc
rücken in der 2veichsl?allptstadt. Line undenlsche arttracht.
Berlin. 2. März 1914.
Ich kann mir ja anmuthigerrn Stoff
fit meine Plauderei denken, der ich
möchte nicht den Verdacht auf mir sitzen
lassen, dir Berliner ungerecht beurtheilt zu
haben, und deshalb muh ich hier noch ein
mal auf den großen Prozentsatz unehe
licher Geburten in Berlin zurückkommen.
Aus Jacksondille im schönen Florida
schreibt mir nämlich ein Leser Ihre lat.
h!5, daß er sich iiber jene Aeußerung ge
wundert habe, mit der ich in meinem
Brief Über die Prolest.Peisammlung der
amerikanischen Kolonie in Berlin vrr
diese Erscheinung gesprochen habe. Er
sagt: .Die Thatsacke nämlich dafz
keine amerikanische Großstadt auch nur
annähernd so viele unctieltchc Mvuricn
auszuweisen hat wie Berlin bcstrcite
ich nicht, wohl aber den darau! gezogenen
Schluß. In Deutschland werden eben die
Gesetze durck)geführt und die Ucbcrtretung
lnämlick) die gewaltsame Verhinderung der
veburten) wird bestrast, hier aber nicht."
, Daraus ersehe ich zunächst wieder ein
mal, daß man selbst von dem wohlwollend
sten Lcscr mißverstanden werden kann;
und wenn der mir nur dem Namen nach
bekannte Herr aus Jacksonville mich miß
verstanden hat während er im Ucbrigcn
sein Wohlgefallen an meinen Norrcspon,
denzen zu erkennen giebt. mögen mich
noch so viel andere ebenfalls mißverstan
den haben. Aber sie alle solltcn noch ein
mal die paar Cähe durchlescn, die ich
jener Behauptung vorangcschickt habe, wo
ich von der moralischen Elastizität der
Amerikaner spreche. Ausdrücklich habe ich
ja betont, daß mehr Entgleisungen in Ber
lin vorkommen, weil den Leuten hier noch
jene bequeme Elastizität der Moralbegrisfe
fremd sei. Vorsichtiger kann man sich doch
deö Urtheils, der Parteinahme kaum ent'
Kalten:' in dieser einfachen ttcniidcr
ftellung aber jene größere Elastizität als
daS kleinere von zwei moralischen Uebeln
hingestellt zu haben, wird man mir doch
nicht ernstlich vorwerfen wollen. Und gc
rade weil ich eine eingehende Tistussion
der Frage im Nahmen einer Plauderei"
nicht für angebracht hielt, hütete ich rnfch
auch zu bekennen, wie ich mich persönlich
dazu stelle, ob ich mich durch die Vcrhü
tung der Geburt oder durch die uneheliche
1 Geburt mehr moralisch belastet sühlcn
würde. '
Mas nun ab:r daS Thatsächliche be
trifft, so wird mein Zloricspondent in
Jacksonville gewiß sehr überrascht sein, zu
erfahren, daß sich gerade jetzt der deutsch:
Reichstag mit einem Gesetzvorschlag be
schäftigt. der bie immer mehr Ueberhand
nehmende Geburtsverhütung im Deutsch
Reiche , durch schwere Strafen eindäm
oder womöglich gänzlich verhindert. 2
beweist zum mindesten, daß jene an, ''i ,
amerikanlsa,e ispeziaiitar yier reinesweZ
unbekannt' ist. ja. daß sie eine geringe -fährlicht
Ausdehnung angenommen hat.
Spallenlange Erörterungen darüber kann
man jetzt in den hiesigen Tagesblättern
lesen, und besonders die ärztlichen Auto
ritäten sind fast einstimmig in der Ver
urtheilung einer radikalen gesetzlichen
Maßregel.
Und damit werde ich mich nun wohl
von dem Verdacht gereinigt haben, daß ich
den Berlinern eins auswischen wollte.
Dah der Verdacht Überhaupt bei jemandem
aufsteigen konnte, bleibt mir um so un
begreiflicher, als ich doch in demselben
Brief gefragt hatte, ob es denn im zwan
zigsten Jahrhundert wirklich noch Vernunft
tige Menschen geben könne, die an einen
tiefgehenden Moralunterschied in den
Weltstädten der verschiedenen Nationen
glauben. Nur das Eine ist unbestreitbar,
daß man überall, in Amerika wie in
Deutschland, einen moralischen Defekt viel
eher verzeiht, wenn er nicht in Verbindung
mit finanzieller Äilscre ausixt. Wer vas
Unglück hat. arm zu sein, sollte sich schon
uS rein ästhetischen Gründen befleißigen,
tugendhaft zu bleiben.'
Diese letztere Bemerkung ist nicht ein
mal ironisch gemeint. Die gegenwärtige
moralische Entrüstung in Deutschland
über den Frevel der- Gcburtsverhütung,
die bekanntlich von konservativer Seite ge
schürt wird, ist keineswegs aus morali
schcn, oder auch nur aus ästhetischen Er
wägurigen entstanden, sondern anS rein
praktischen Rücksichten: das Gespenst der
Entvölkerung Tentschlaiids, das konservo.
tive Schwarzseher hinter der Statistik
über de Geburtenrückqangzu erspähen
glaubten, ist Schuld daran. Die Moral?
Sch wüßte nicht!
UebrigenZ. ist es nicht doch etwa! be
kramend, daß man über eine Sache, die
da5 ganze Volk erregt, weil sie unmittel
bar seine Existenz berührt, mit einer Vor
ficht reden muh, als wenn man einen Eier
tanz auszuführen hätte! Da Ding beim
rechten Namen zu nennen, verbietet die
Wohlanständigkeit. die Gesittung! Daß
wir allzumal Heuchler sind, steht fest, aber
Zollen wir's denn ewig bleiben? '
' . '
; Der Karneval ist dem Kalender gcniäd
vorüber, die Fastnachtskrapfcn, respektive
die Berliner Pfannkuchen, sind nach guter
alter Tradition in großen Mengen ver
speist worden, aber die Bälle dauern fort.
sc?,e und höre zwar nichts davon, noch
t17 weniger lst ich Besbreibungen solcher
cclustirung in den citungen nach,
aber trotzdem , weiß ich ganz genau, daß
immer nocr, zakzlrciche Maskenbälle statt
finden. !tssoherk Nun. tvcnn ich M
Abends aus dem Konzert odcr dem Thio
ter hei,gkk,e, (weinen mir stets ganzi
Schwärme halb oerlMiek weiblicher Ge
stalten, die ihre sticglitzhastc Buntheit eben
nicht völlig verbergen können. Vor allein
n den extkavagantcn Schuhen und
Strümpfen erkennt man sofort, welcher
Art daS Vergnügen ist. dem sie die Nacht
widmen wollen, und wenn die Hülle, was
oft vorkommt, nur reizt lose kmgelejit ist
damit sie nicht alle die Herrlichkeiten
zerdrücke lädt sie die männlichen Augen
geradezu zur Indiskretion ein dann er,
fährt man such, ob es sich um einen Bö.
ftn Buben-Ball", um einen Baby. Ball"
ober gar um eine farbige Perücken Rc
doutc hkindclt. . Merkwürdig, diese Bälle
kosten lich den ?hcilchirrinnr Geld,
ob die Kostüme nun geliehen oder beson
ders angesertigt werden, und dieses Geld
scheint den Schönen und weniger Schönen
niemals zu fehlen. Aber das Geld für
ein Auto oder eine Droschke wollen sie
nicht spendiern. Das scheint eine Bei;
liner Spezialität zu fr in. Ganz beträch!.
liche Ctrecken trippeln sie durch den Stra-1
veiilmmutz und ruiniren sich ihre zarten
Schuhgebildc. während sie für anderthalb
Mark heil und ganz und trocken die Stätte
des nächtlichen Jubels erreichen könnten.
Sie schcn, da ist wieder solch 'ein Ueber
blcibsel des altgewohnten Spießbürger
thums. das der slott fein wollende junge
Weltstädte! noch nicht los geworden ist.
Ich leugne nicht, daß manche von diesen
halbvermu'ninten Tänzerinnen appetitlich
genug aussehen, um den Wunsch in mir
aufstcig! zu lassen, mehr von ihnen, sie in
ihrer ganzen Tanzgloric zu schcn; aber
wo ich farbiste Perückm entdeckte, hat mich
allemal der Ekel gepackt. Außer einem be
sonders grellen Gelb ist mir eigentlich keine
karbc an sick, unsympathisch,' wo sie mir
.uch entgegentritt? aber wenii sich kräftige
Kunstsarben an die Stelle der so zahllos
verschiedenen natürlichen Haarfarben
drängen, dann packt mich eine Art Grauen
vor der Unnatur an. In einem Bowcrn-
Theater in New ')ork sah ich mal eine
tolle ,r,,che ixarce, und ich war gerade in
jener sorglosen Stimmung, wo man selbst
über die derbsten und dümmsten Späße
von Herzen lacht. Da trat plötzlich ein
uIch Policcman aus die Buhne, dem
man zur Erhöhung des komischen Effekts
eine grasgrüne Perücke auzgesedt hatte.
Wieherndes Geläckier begrüßte ihn; die
meisten im Publikum I,icl!en die grüne
Perücke offenbar für einen genialen ßtn
fall. Aber ich konnte mich nicht an diesen
Anblick gewöhnen und verließ das Theater
bald in einer Stimmung, als hätte ich
etwas gegessen, das meinem Magen wider
steh,.
'.Trohdem scheint die Farce der farbigen
Haare hier auch in den sogenannten besten
Kreisen Anklang zu finden, denn kürzlich
wurde mir eine Souper- und Ball-Einla-dung
aus feinem Hause gereicht, der man
den Wunsch angefügt halte, die Damen
möchten im Rolokokostüm und farbiger
Perücke crlcheincn.
Ein Glück, daß man wenigstens dem
männlichen Geschlecht solche Zumuthungen
nicht zu stellen wagt. Dagegen hätte ich
nichts dagegen, wenn allzu kahle Schädel
sanft aber nachdrücklich aufgefordert wür-
den, entweder ein Kappchen oder ein Pe
rückten zu tragen. Ich kann ziemlich viel
NaäHeit vertragen, aber der allzu nackte
männliche Kopf kommt mir ostentativ UN'
anständig vor. In 'einer unserer vor
neh'mstin Konzcrt-Serien habe ich schon
seit Jahren das zweifelhafte Vergnügen,
einen solch' ausgesuchten nackten Schä
del, noch dazu mit allerlei merkwürdigen
Schwellungen und Hautnuancen ausgestat
tet, grade vor mir zu haben. Glauben
Sie mir, das wirkt nicht nur genußstörend,
das kann sogar ernstlich irritiren. Ich habe
die Konzertdirektion daher dringend er
sucht, mir für die nächste Saison andere
Sige anzuweisen.
. Im Allgemeinen bin ich aber für mög
lichste persönliche Unabhängigkeit auch in
Bezug auf Kleidung. Haar- und Bart'
tracht. Völlig unbegreiflich ist niir daher,
wie man einem freigeborenen Manne, der
nichts verbrochen hat oder zum wenigsten
nicht auögefiindcn wordm ist, vorschreiben
darf, er müsse Haare und Bart so und so
tragen. Giebt denn die militärische Uni
form dem Ebenbilde Gottes nicht schon
mehr als genügend Heerden -Charakter?
Nun soss es unseren Offizieren in Zukunft
allen Ernstes verboten sein, sich den
Schnurrbart nach englischer Manier"
kurz stutzen zu lassen. Ein Korpskomman
deur hat das für eine u n d e u t f ch e
Barttracht erklärt! Weshalb den un
deutsch? Genau die zahnbllrucnhafte
nach meinem Geschmack abscheuliche
Auszierung der Oberlippe haben doch im
vorigen Jahrhundert so viele alte Herren
getragen, die ganz gewiß gute Deutsche
waren und dabei niemals an England ge
dacht haben. Giebt es heim so etwas wie
eine bkstänviae nationale Barttracht? Die
ändert sich doch ivohl je nach den Zeit
läusten. Wie möchte denn nur die gegen
wältige eiitsch-nationale Barttracht aus
s'hen, wen die Obrigkeit das Recht der
Verfügung battc? Etwa so aufgebürstet,
wie der Kaiser friihrnn! Schnurrbart
vfy..Jv..,y.,
trug? Nun. er Hat ja diese, dir Natur
sicherlich nicht abgelauschte Eigenart st
teils srit Jahren stark gemildert. Oder ist
der Spitzd,,rt feine Bruder Heinrich,
nach dem sich bekanntlich die gesammte
Alarme zu richten hat. der glücklichste haa.
kiqe Ausdruck deutschen ?!ationaI!taISge
siibls k Ich möchte t'nmcnden. daß dieser
Cpitzdart eher au Spanien stammen
durste, und daß er im allgemeinen zu der
deulschen ksi.l.Iöbildung nicht gerade be.
sonders gut paßt.
Ich habe überhaupt den Eindruck, daß
n,a neuerdings unsere Offiziere ei bs
chcn zu sehr mit Vorschriften drangsalt.
Jetzt soll e Ihnen auch nicht mehr erlaubt
sein, ihre liebe ffrau, oder diejenige, die
gerade deren Stelle vertritt, auf derTtraße
unterzufassen. Welche Grausamkeit! Ich
meine ni,sit die Grausamkeit, die man
tmrlssXmrTn kann, daß dem Offizier selbst
dieser schüchterne, aber spontane Ausdruck
zarter ipimdnng von den Vorgesetzten
verboten wird, nein, ich finde eS viel grau
samer, daß man dem Offizier durchau
pie Gklegenheit nehmen will, sich auch
äußerlich als graziöser Gentleman zu zei
gen. AIS stereolnpirte Bild der orrekt.
heit ist ihm das ja doch nicht möglich, und
in? graziöse Offiziersverbeuaima würde
ptt GipfcT des Inkorrekten sein. Aber
diese zarte Andeutung, daß trotz der dro
henden Waffen und der einschüchternden
Korrektheit der Begrisf gentle" dem
Marssohne sofort zum Bcivußtseinkommt.
sobald an seiner Seite ein liebliche
Frauenbild dayinwandelt, sollte man ihm
doch wirklich gestatt'. Giebt es einen
schöneren, rührenderen Anblick alS diese
fromme Täuschung: der Mann von Blut
und Eisen überläßt. Indem er sich bei ihr
mollig einhängt, der zarten Gefährtin vor
aller Welt die Führerrolle. die er doch In
Wirklichkeit nie abtreten wird. Sollte e
aber gegcn alle Erwartung selbst Off!
zinsehen geben, wo die Frau wirklich die
Führung hat, dann fürchte ich, wird die
Borschrist, daß sie sich öffentlich bei ihm
einhängen miig, er aber nicht bei ihr. auch
nichts an solchem Ucbelstande ändern.
Nein, nein, es geht zu weit: Tango sollen
sie nicht tanzen, und nun dürfen sie sich
auch nicht einmal mehr einhängen! Wer
hätte da noch Lust. Leutnant zu werden?
IlebrigrnS erzählte mir kürzlich ein
Oberleutnant, der wirklich vielerlei zu
wissen sckxint. aber ofsenbar AlleS wissen
'i j. i . C c. w . 'r r ? r. i ,
muair, vag oci aller leinen reuinanis
den Tango nur verboten habe, weil die
Tango Unterrichtsstunden mehr Geld
kosten, als sich ein Leutnant von seiner
Gage abhungern kann. Gute Tango
Lektionen, meinte die junge Uniform, koste
ten zwanzig Mark, und 'selbst wer schnell
begriffe und geborene Tanzbeine besitze,
müsse mindestens zehn Lektionen nehmen.
Das mache also den erheblichen Vermö
gknsbetrag von zweihundert Mark auS.
Diese Erklärung überraschte mich zu
nächst höchlichst, aber bei reiflichem Nach,
dknscn fand ich sie ganz plausibel. In
dcssen halte ich dafür, daß die Tango
Vcrbote kaum noch nöthig waren, denn
diese südamerikanische Jmportation geht
ja doch an sich selbst zu Grunde, und die
scr Auflösungsprozeß scheint bereits be
gönnen zu haben. Entweder ist der
Tango, wenn hochanständig", so lang
wcilia und ode. daß man beim Zuschauen
einschläft und beim Mittanzen sich bald
als überflüssig vorkommen muh; oder er
wird zu einer so komplizirten Artistik aus
gebildet, daß nur wenig übende und auf
einander drcssirte Kunsttänzer noch mit
kommen können; oder aber er wird der
artig obszön getanzt, dafz jeder halbwegs
ansländi? ?limili?n!ii?r Uinr fnibier i
schleunigst nach Hause bringen wird.' Der !
Tana ist nur in m-fimW ?kr,ss,n für
solche Leute, die in einem unwählerischcn ! ?"reau gebracht und dem Landesgerichte
Verlangen nach Lebensgenuß einen Zu,'!' Budapest eingeliefert worden.. In
stand geistiger Epilepsie erreicht haben: sie "ngeweihten Kreisen hat die Einlieferung
sind für die Zuckunaen, die sie ausführen, eineswegs ubenascht. Dr. Glauber be
nicht mehr verantwortlich. ! lQB vor Jahren eine glänzend gehende
August S v a n u t b. '
Die Zerstörung dcs Zinns. Die all
gemeine Annahme, daß Zinn nur durch
gewisse Säuren angegriffen werden könne,
ist ganz falsch. Fische, Spargel. Kürbisse
und Spinat enthalten keine Säure, und
doch greifen sie daS Zinn durch eine Art
Actzung deutlich an. Wahrscheinlich be-
t.il)t das aus gewissen mit dem Ammoniak
verwandten Stoffen. Konscrvirtc Gar
nclcn zerstören die zinnernen Büchsen
schon in verhältnismäßig kurzer Zeit. DaS
in den. Garnelen enthaltcne Methylamin
ist so stark alkalisch, daß die Arbeiter in
den betr. Fabriken häufig an einer Art
Abschälung der Haut der Hände leiden.
Man hat jedoch die Beobachtung gemacht,
daß Garnelen, die einen Tag vor der Ein
lequng in Büchsen stärkerem Frost ausae.
setzt waren, viel von der atzenden Wirkung
ihres Saftes verlieren. Dem tragt man
jetzt auch allgemein Rechnung. Daneben
werden die Gefäße meist mit Papier aus
giklcidet, um die Berührung der Garne
len mit dem Zinn zu verhüten.
Elektrisches Licht beim Fangen von
Mecreöthicren. Das; künstliches Licht
vcs Nachts diele Thiere ins Verderben
lockt, ist lange bekannt. Es lag daher
nahe, künstliche Lichtquellen in der Dun
kelheit zum Fange von Thieren zu der
wenden, und die Schmetterlings- und
Krcbsfänger haben auch den Brauch feit
Jahren geübt. Jetzt ist man, wie das
.Bull Inst. Ocöanogr. Monaco" berich
tet, dazu übergegangen, elektrische Lam
pen zum Anlocken von Tiefseethieren zu
konstruiren. Der Apparat besteht auö
einem gußeisernen, wasserdichten Lampen
gehäuft mit einem Behälter, der acht Ak
kumulatoren aufnehmen kann. Das Ge
häufe ist so stark gebaut, daß es, ohne
zerdrückt zu werden, bis in tausend Meter
Tiefe versenkt werden kann. Die bis jetzt
mit der Konstruktion erzielten Ergebnisse
sind, wie LllitgenS im Mikrokosmos"
mittheilt, sehr befriedigend und weitaus
reichhaltiger als gewöhnliche Fänge. Co
gar an der Lampe selbst, die außen stark
mit Oel eingericben wird, faßen nach dem
Fang, der mit Reusen oder Netzen, ge
schicht. dichtgedrängt die verschiedensten
Tiefseethiere.
Wohl dem, der noch in der Tiefe
seiner Seele den mächtigen Durst nach
'lieiicheit bcsiht; ihm wurde die Quelle in
dcr Wüste vereis ; ' (
-"4: ;: , .r' liiiidklliSl'ii ' ll '(
llkilmeiHD'Vgiirisch tacsiienöc.
Schritt nd 5larakt,k Lynchjustiz. BkruntrrunnB M Dr. Glaubn.,
furchtbare TragSdie. Irr brave Retter. Gras Miklczynöki sretgespr,.
chen. (sine Jagd uns Lebr unk leb. Kleine Chronik: Abspringe ,
fahrendem tf; Zlirst Prior Gras Harbegg: THomaS Kofchat? DodeSfölle:
Edkadkf? Humor.
Wien bat eine neue Liebhaberei:
llharakterlefen aus dem Schuhzeug!
Wie man bisher die Phrenologie und
Graphologie schälte, ft liM man jetzt die
Kunst, ans dem Vorige fineS Menschen
seinen Charakter und seine Veranlagun
gen zu deuten. Jeder menschliche Typul
hat feine bestimmte Gangart, und sind
diese Haupttypen bekannt, dann lassen sich
auch die Abarten und ihre Merkmale leicht
feststellen. Der leichtsinnige und ober
flächliche Mensch hat normalen Tritt, aber
seine Spannweite steht in keinem Verholt
ni zum Körperbau. Er ist viel weiter
ausgreifend und dennoch tänzelnd, im
Gegensatz zu dem kurzen Schritt bei Pe
danten. Kurzen Cchritt besitzt auch der
Unentschlossene, doch lehrt ein Betrachten
dn Art, wie die Absätze (Hacken) den
Boden berühren, worin der Wanke!
müthige sich von dem energischen Charak
ter unterscheidet. Denn auch die Energie
verräth sich in der Fußsohle. Der feste
Tritt Hot aber hier keine Abnützung de
Stiefelabsatzes zur ffolge, wnl em nor
maler Tritt dies verhindert. Dieser Tritt
ist dem Zielbewußten eigen. Der Eigen
sinnige verräth sich durch fein Auftreten
auf die äußerste mittlere Kante. Merk
male von Trotz und Unordentlichkeit sind
Abnutzung der außenlikgmden Rander
von Hacken oder Absätzen. Die Stiefel
fohle deS Wankclinülhigen weift ihre
dünnste Stelle an den beiden inneren
Rändern der Fläche auf. Mißmuth,
Lkraftlosigkeit zeigt eine starke unschöne
Abnützung der Cchuhspite. Auch der
Optimist fetzt feinen Fuß zuerst am Fuß
ballen auf. Ein lcichtwiegender Gang
bei symmetrisch und normaler Richtung
der Fußspitzen und leichter Neigung des
Kopfes nach seitlvärt ist stets Menschen
eigen, die, einsichtsvoll, tolerant, liebenS
Würdig und ehrlich sind.
0 "
Der 32jährige Bäckergehilfe Jos. Swo
boda überfiel in Großmeferitsch feine Ge
liebte Katharina Nevet mit einem Messer,
als sie eben von der Arbeit ging, und
führte einen Stich g?gen ihre Schläfe.
Die Nevet wollte das Verhältnis lösen,
da sie gehört hatte. Smoboda hätte mit
einem Mädchen vorher ein Liebesderhält
nis unterhalten; als es zum Bruch ge
kommen, habe er daS Mädchen mit feinem
Haß verfolgt und sie durch einen Messer
stich verletzt. Das Mädchen befürchtete
ein ähnliches Schicksal, und vermied' es,
dem Swoboda zu begegnen. Er lauerte
aber der Nevet auf und als sie an ihm
vorbeikam, sahen die Passanten, wie der
Bursche auf das Mädchen zutrat, einige
Worte mit ihm sprach und es scheinbar
umarmend küßte. Die Näherstehenden
aber erblickten in seiner Hand ein Messer '
und bemerkten, wie er es gegen
schrockene Mädchen zückte und gegen fei
nen Kopf ernen Ctich führte. Die Zeu
gen der Szene waren so erbittert, daß sie
ich aus ven Bur chen stürzten und Lynch
lustiz übten. Er erlitt zahlreiche schwere
erwunoungem
.
Dr. Robert Glaub ist. wegen Verun
"mi2,.mm ihm anvertrauten Klienten
"n Mündelgeldern aus das Sicherheits
nziei und zahlte große industrielle Un
j tcrnehmungen zu seiner Klientel, die ihm
! circa 100.00 Kr. mhrlich abwarf. Im
ayre V.MJb gründete er die Ungarische
Hcercslieferungsgcsellschaft, diese mußte
bald liquidiren, wobei Dr. Glauber den
größten Theil der Verpflichtungen über
nahm. Diese Verpflichtungen, fein luru
riösc Leben brachten ihn dazu, Beträge
und Depotgclder anzugreifen, bis die An
zeige erstattet wurde.
.
Eine beispiellose Tragödie hat sich in
Budapest abgespielt. Ein Offizier, hat
seinen eigenen Schwager wegen eines Fa
milienzwistes über Befehl des Platzkom
mandos zum Duell gesordcrt und trotzdem
der Geforderte Abbitte zu leisten bereit
war, haben die militärischen Sekundanten,
die vom Platzkommandanten dem Förde
rer zur Verfügung gcftellt wurden, sich
für die blutige Austragung der Affäre
entschieden.
Der 26jährige Hagelversicherungsbeamte
Siegmund Babocsay hatte mit feiner
Frau, der Schwester des Oberleutnants
Haydu. einen Streit und hatt: eine Aeuße
rung über feine Frau gemacht, die dem
Oberleutnant Haidu, also seinem Schwa
ger,.zu Ohren kam. Haidu. der in Frisch
amend dem Infanterieregiment No. 12
zugetheilt war, forderte von dort aus sei
nen Schwager. Die ersten Sekundanten
waren Zivilisten, die die Angelegenheit
friedlich beilegen wollten. Doch dem
Oberleutnant Haidu wurde die Entschet
dung mit Waffen von seinem militärischen
Kommando befohlen. Die Vertreter des
Oberleutnants waren zwei Hauptleute, die
Babocfahs zwei seiner Berufskollegen.
Der erste Kligelwechsel verlief resultat
los. Beim zweiten Schuf; traf die Kugel
Babocsays seinen Schwager mitten 'ins
Herz. Der Oberleutnant war auf der
Stelle todt.
Durch den Vorfall ist Babocsay, der
auch psychisch leidet, von einer so schweren
Nervendepression befallen worden, daß er
in eine Nervenheilanstalt Überführt wer
den mußte. Seine Frau fiel, als sie die
Schreckenskunde erhielt, in eine tiefe Ohn
macht, aus der sie nach vieler Mühe vom
Arzte erweckt werden konnte; es zeigtet, sich
Symptome eines schweren Nervenfiebers.
.
Unterhalb der Sofienbrücke am linken
Ufer der Donau stürzte sich die ISjährige
Private Magda Schuh in selbftinorden
scher Absicht in die Fluthen. Wachmän
ner, die die That sahen, fuhren rasch in
RcttungSdooien nach, konnten .sie aber.njcht,
mehr erreichen. Noch einmal kam der
Körper der Selbstmörderin an die Obev
fläche. In den nächsten Minuten mußte die
starre ewmnnq den Koxper mitgenom
men haben. Da,' Im letzt'n Augenblicke
sprang der Ctrabenarbeiter Theodor Bin
der in den Strom. Er hatte aber seine
Kleider, nicht abwerfen können diese
un vte jchiveren Stiesel behinderten ,kn:
nach vieler Muhe gelang eS ihm. tauchend
va ViaiOjtn zu fasten und gegen daö
Lanv zu ziehen: da kam auch die
tungüzMe und barg den zu Tod erschöps
ten gtctter und die Selbstmörderin. Nach
langen Versuchen mit künstlicher Athmung
schlug endlich Magda Schuh die Augen
aus.
Wie ti gleich nach Beginn der BetveiZ
cnlsnuhme wahrscheinlich war, haben die
Geschworener, den Grasen MleKzynski deZ
TodtschlagS nicht schuldig befunden, und
dem Gerichtshofe ist nach diesem Wahr,
spruch nicht andere! übrig geblieben, als
den Freispruch deS Angeklagten zu ver
künden. Die Geschworenen sind offenbar
bei der Beurtheilung der Sachlage von der
Thatsache ausgegangen, daß Graf Miel
ezynski durch den jahrelangen Treubruch
seiner Gattin in seinen Rechten als Ehe
mann schwer gekränkt war, und sie fanden
eS offenbar menschlich natürlich, daß der
Graf In maßloser Erregung über daS
würdelose Benehmen seiner Frau auf der
Stelle Vergeltung übte. Der Probst, der
täglich im Schlosse ein und au ging,
wurde nach der Blutthat des Grafen auf
dcssen Veranlassung herbeigerufen. Er
traf den Grafen weinend im Schlafzlm,
mer der Gräfin bei den Leichen der Er
schossenen. Auf feine Frage, was geschehen
sei, sagte er: ich Habe Beide gctödtet ich
Habe meine Frau aus Handen getragen,
wenn nur der Mensch nicht gewesen wäre.
Der erschossene junge Graf Mianczynski
war ein leichtsinniger., oberflächlicher
Mann, der gerne auf Abenteuer ausging.
viaq ver iUerkundiaung deS Z?reispru
che versuchte Graf MicKzynski sich dan
kend zu verneigen, wankte aber dabei.
Sein Gesicht war fieberhaft geröthet, die
Haare feucht von Schweiß. Als der An
geklagte die Anklagebank verließ, rannte
er so heftig gegen den Thürpfosten, daß er
umfiel und von dem ihn begleitenden
Arzte aufgefangen werden mußte.
Der Obergespan bei KomitatZ BacS
Bodrog (Ungarn) Julius Szemzö. ei der
heiratheter Mann, hat Frau Alexander
Raysz, die Tochter des gewesenen Ober
gespanS von BacS-Bodrog. .entführt. DaS
Paar bestieg in Verbasz den Konstantino.
peler Schnellzug. Die Frau hinterließ für
'hren Ehemann einen Brief, in dem eS
!N das er,y"ßr: ÜZemia verfolgt mich seit dre,
Monaten mit seiner Liebe. .Ich, konnte
nicht widerstehen. Die Frau rechnete da
mit. daß ihr Gatte erst spät in der Nacht
yermkimme; durch ein leichtes Unwohlsein
gezwungen, kehrte der Gatte früher zurück,
fand den Brief und raste nach der Woh
nung des Szemjö. dort erfuhr er, er sei
nach Verbasz per Wagen und nun ent
stand ein Wettrennen auf Leben und Tod.
Szembö's Wagen hatte den Vorspruna. er
hieb auf die Pferde wie toll ein. , Endlich
waren sie am Stationsgebäude und liefen
aus den Perron, der Zug lies ein, sie
wähnten sich gerettet. Szembö riß die
yur eines Coupes aus und hob die Frau
hinein; der Zug setzte sich in Bewegung.
In diesem Moment erschien der Ehemann,
wiiv schrie er aus und versuchte vorzu
stürzen. Gleich darauf stürzte er todt
zusammen. . Ein Gchirnfchlag hatte den
armen Mann ereilt. ,
Kleine Chronik.
AIS Fürstgroßprior wurde Graf Har
degg an Stelle des verstorbenen Prinzen
Heinrich eingescht. Mit dieser Würde ist
der österreichische Fürstenrang und der
Titel .Durchlaucht" verbunden.
Im Befinden deS so beliebten und der
ehrten ThomaS Koschat, dem Schöpfer der
wunderbaren Atmer-Lreder, ist eine Bcr,
fchlimmerung eingetreten, so daß der Zu
stand deS Patienten ernste Besorgnis er
regt.
Der geschätzte Patentanwalt Ingenieur
George Hardy, Gesellschafter der Firma
Paget, Moeller und Hardy, ist im 63.
Lebensjahr nach langem schwerem Leiden
tn Wien gestorben.
In Gra, ist der F. M. L. Karl Suzne
die im 70. Lebensjahre gestorben.
Der dekannte Bortragslünstler HanS
Longo ist in seiner Wohnung in Prag ge
norden.
In Trust ist die I. u. k. Eskader. be
stehend aus den Schiachtschissen .Tegett
hoff" und Irin", Admiral Svaun.
sowie sechs .Hochseetorpedobooten, einge
laufen.
Humor.
In einem kleinen Dorfe sollte ei Kon
zert zu wohlthätigem Zweck abgehalten
werden. Der Berghosbauer, der als ein
zign Besitzer eines Klaviers weit berühmt
war, sollte dieses Instrument zu der Ver
anstaltung stellen. Der Dorfschulz begab
sich zum Hause des Berghofbauers, wo er
nur die Bäuerin vorfand. .Freilich, frei
lich.' sagte sie, .deS Klavier, dös könnt'S
kriegen. Bloß ob alle Noten noch drin
sind, dös was i nit. Mei Mann, jwrnt
der a bissl Draht braucht, da nimmt 'S
immer da heraus! .
'
; DaS Liebespaar faß im Dämmerlicht
auf der Bank. Er war Verkäufer im Ma
nufakturwaarengeschäft. Und .sie fragte
leise: Ob Deine Liebe zu mir auch echt
ist. Liebster?" .Echt?", sagte geistes
abwesend, aber bitte, garantirt lichtecht
und waschecht." , Dr. A. H. A.
Nur die großen Herzen fühlen daS
Mitleid, welches man dem Unglück ent
gegenbriuaen muß. sowie die Wonne und
den Ruhmder äüohltlpt. .' . . ...
Cvty-vyx,. ,U i , j,
Die Lautenj'pielerijl.
Skizze von !ttchard Slsner.
lTophrtg
Sie sak mir gegenüber keim Festessen
anläßlich der Jahresversammlung einer
iikerariiazen lelellschast. Sie halle eine
holze, sehr gerade aufsteigende Stirn, hin
ter deren Marmorglätt man weder böse
noch gute Gedanken vermuthen konnte.
Ihre Augen, die ein klein wenig matt
azuii, UiUciiku, schert genüiuit zu tea
den. Durch ihr stumpfet Haar. daS nach
dem Vorbild der ffcuerbachschcn Jphigcnie
iriiin war, zog sich eme Perlenschnur.
Ich muß ti gestehen: ich bin derhel
rathet. Ich machte auch kein Hehl daraus
und ließ meinen Trauring offen sehen.
Und doch: wenn sie sprach, wenn sie mit
dcr Hand graziös ijber die Haare fuhr,
immer ruhten ihre Augen auf mir. Man
braucht nicht eitel zu fein, aber schone Au
gen haben doch wohl die Kraft, eitel zu
machen.- Ja wahrhaftig, ich glaubte, daß
dtesea suchenden Augen etwas an mir ge
fiel. Niemand wird m übelnehmen,
daß ich mit dankbarer Zuneigung dafür
quiilirte.
Ein ganz klein wenig war ihr Gesicht
unregelmäßig; vielleicht hatte sie die Mut
ter als kleines Kind immer auf derselben
lchlakselte liegen lassen. Trotz aller Klar
heit des Gesichtes lag ein leiser Zug von
kalter Sinnlichkeit um Augen und Nase,
und dieser kaum merkliche Zug fesselte mich
leider vielleicht am meisten. Er
wies mir eine Spur in die Gefilde der
Psyche, die hinter der hohen Stirn ihr
verborgenes Spiel trieb. ES war nur
eine verschwommen angedeutete Spur, kein
gerader gebahnte Weg, der zu diesem
Mädchengeheimnis führt. Aber gerade
Wege reizen nicht. Ich wäre mit meinem
Gegenüber schneller fertig gewesen, wenn
nicht dieser verschwiegen plaudernde Zug
mich Immer wieder wie ein Irrlicht hier
hin und dorthin gelockt hätte.
Ihr Tischnachbar war ein bekannter
Kommerzienrath; Ich hatte die Tochter
eines LitcraturprofessorS als Tischdame,
erfuhr, daß die Dame gegenüber zur
Laute singen werde. Ich unterhielt mich
mit meiner Dame schr gut? dennoch na
rm meine Ohren immer nach drüben ge
richtet. Auch in ihrer reinen Stimme lag
ein Doppelksang: bald Naivität, bald ein
wenig Affektirtheit. Ich hatte nicht Ge
legenheit. mit ihr zu sprechen, denn der
Kommerzienrath nahm sich seiner jungen
Nachbarin mit Aufmerksamkeit an. Er
merkte wohl nicht, der Aermfte, daß nur
ihr Mund zu ihm sprach; ihre Augen und,
wie mir schien, ihre Gedanken wanderten
zu mir, stetig und forschend. ES würde
fade klingen, wollte ich sagen, daß ich sie
liebaewann. Sie wurde mir eine Welt.
die ich zu durchforschen hatte, ein philo
sophisches Problem, das ich zu lösen hatte.
tm:. - . m.c. . r ::..-.a
wie in einen ?icoci ucciiiu mein iui.b
Leben; wie verfehlt und nutzlos lag eZ
hinter mir. Hier zogen sich plötzlich ge
heimnisvolle Fäden; hier entwickelte sich
der Sinn deS LebenS überhaupt vor mir,
der darin besteht, daß sich liebende See
len mit der Gewalt ursprünglicher Na
turkräfte ineinanderwerfen. Ein Gefühl
deS Stolzes, ein Gefühl der Macht und
der Freiheit durchschauerte mich. Ich war
ein Wanderer, der w schonheitstrunkener
Kraft. Hand in Hand rnrt dem anderen
Wesen, einem leuchtenden Gipfel zuschritt.
Strahlende Helle war vor mir zmd nir
gends Schatten. Ich wußte nicht, waS ich
wollte; die Klarheit deS Besitzes löste mei,
nen Willen in eitel Genießen auf. Die
Lautenspielerin erhob sich. Meine Tisch
dame entschuldigte sich und stand ebenfalls
auf. Die beiden waren Freundinnen, sie
wollten die Laute von draußen holen.
Sie sang. Sie sagte vor jedem Lied
chen. daS ste mit kindlicher Anmuth vor
trug: Ich möchte Jhaen gern ein kleines
Licdel singen , und dann nannte
sie den Titel und gab einige Erlauterun
gen. Da? war alles sehr mit. Ihre
Stimme war von unsagbarer Reinheit,
unverfälscht und ungekünstelt. Nur
ich wußte nicht, woher eS kam: sie blieb
mir ein Räthsel, mit dem ich mich beschaf
tigen mußte. Tausendmal fragte ich mich:
Ist sie so, oder thut sie so? Ihre Stirn
und ihre Augen gaben keine Antwort, oder
nur eine flackernde Antwort, die' bald
dies, bald das bedeutete. Sie sang lustige
Liedchen, die sie mit allerliebsten Bewe
gungen begleitete. Sie sang von einer
Vogelhochzeit, so neckisch und unschulds
voll, daß meine Gedanken sich ihr voll
Leidenschaft näherten und sie doch nicht
berührten. Vielleicht ist auch die Bewun
derung einer Venuö von Milo au Sinn
lichkeit und schöuhtitLtrunkener Ehrnbie
tung gemischt vielleicht, sage ich,
denn ich will weder 5kunstricht noch Mo
ralisten auf mich Hetzen.
Reicher Beifall belohnte sie am Schluß.
Ich klatschte lebhaft und lange mit, und
zwar aus zwei Gründen: erstens, weil
ihre Freundin, meine Tischdame, neben
mir saß; zweitens, weil eS ihr selbst auf
fallen sollte, wenn sie aus ihren Platz zu
rückkehrte. WaS für Gründe ich für mein
junggesellenhafteS Verhallen hatte, wußte
ich wohl selbst nicht recht. Heute sind mir
jedenfalls keine mehr bekannt, nachdem der
Traum zu Ende ist.
Es wurde Hummer gereicht. -Sie nahm
zweimal. DaS verrieth einen feinen Gau
men. denn für den Hunger ist Hummer
kaum berechnet. Während ste sich mit stcht i
lichcm Verständnis und Behagen dem dcli
katen Krustenthier widmete, plauderte sie
mit ihrem Tifchnachbar. oder dielmehr,
sie gab dessen Huldigungen mit Neckereien
zurück. Und doch blieb der Kommerzien
rath ein Armer gegen mich. WaS war
dieses klanglose Worteplätschern gegen die
Stetigkeit ihrer Blicke? Ich hätte mei
nen Platz nicht mit dem scinigen vertäu
schen mögen; es ist reizvoller, mit schönen
Frauen Gedanken und verständnisvolle
Blicke auszutauschen al.. Worte. ,
AIS die Tafel aufgehoben wurde und
die Gesellschaft zu einem Taßchen Mokka
in den Nebensaal ging, hielt ich mich an
meine Tischdame. So hatte ich jedenfalls
die beste Aussicht, mit meinem Gegenüber
zusammenzubleiben. Meine Berechnung
war richtig: die beiden Freundinnen fan
den sich zusammcn; dcr Kommerzienrath
4 J z i .. ?. k; . .
:(.'
WcUkpkgkZ ,?,)
hatt sich verloren. Sie saß in d Ecke
eine Sofa und plauderte. Eine Ziga
rette lehnte sie ab tvi Gründen der
Kunst. Ich sprach wenig, weil sie viel
sprach. - Sie gab allen ihren Worten eine
interessante Betonung und trachte alles
klar und, deutlich, wie wohlüberlegt, her.
aai.. C3.&:, aU s,,ihr Kund' i:t!
nur einige ihrer Gedanken in der Oesfenl.
lichkeit vor, als sei eS ihr gleichgültig, ob
ie Beifall oder Widerspruch fanden, wenn
ie nur interessant waren. Sie erzählte,
ie habe kürzlich erst angefangen, ofstntlich
aufzutreten; ihre Schwester nenn diese
ausübende Kunst sinnlich Und frivol.
Arme Schwester! Ich stelle mir eine Lch
rerin, einen Blaustrumpf vor, eine Dame,
die -litt, war als meine Nachbarin und
sicherlich unvcrhciräthet. Man ver
langte allgemein noch ein Lied zur Laute,
und ich war zufrieden, daß meine schön
Partnerin einwilligte und ich daö Thema
von der frivolen Kunstbethätigung nicht
breitzutreten braucht, denn sie hatte ge
rade gefragte .Wie denken Sie darüber.
Herr Doktor?" Sie nahm ihre Laute um
und sagte mit liebenswürdigem Lächeln
zu der Gesellschaft: .Wenn es Ihnen rccht
ist. werde ich ein kleines, lose, altkran.
zösischeS Licbeölied singen." ES war allen
recht, und sie sang französisch von
m amie und ähnlichen schönen Dineien.
Ich kann leidlich gut Französisch, sie fang
sehr deutlich; aber ich muß gestehen, ich
verstand nur wenig. Meine Augen waren
von dem reizenden Gethue, mit dem sie
den Inhalt begleitete, so in Anspruch gc
nommen. daß meine Obren aLn,,licb aus
geschaltet waren. An einer Stelle mußte
wohl der Text etwaö zudringlich sein,
denn ein lebenslustiger Herr warf ihr eine
kleine, Auswahl Kußhände ,u. Die An
muth der Sängerin wurde dadurch nickst
gestört, aber die Reinheit meiner Kunst,
betrachtung. Ich habe stctZ gefunden, daß
beim Anschauen weiblicher Schönheit ge
theilte -Freude halbe Freude ist.
Es war zwölf geworden. Der Litna
turprofcssor verabschiedete sich mit feiner
Familie. Die Lautenspielerin empfahl sich
auch: sie hatte denselben Weg. Einige Her
n, unter ihnen der Kommerzienrath,
L ,Aen noch ein Glas Bier In einem an
der n Restaurant trinken. Ich schlaft mich
an, und es traf sich, daß ich gerad mit
dem Kommerzienrath zusammenging. Das
Gespräch kam natürlich auf die Lauten
spielerin. .Wie gefiel Ihnen die Da.
meZ' sagte mein Begleiter. .Ihr Ge
sang ist entzückend."
Ja, gewiß. 5?ch bin nur ins?!,!,
daß ich sie nicht nach Hause zu bringen
brauchte. Ich trinke jetzt noch sehr gern
Hit. i tv' a . ' ' ' v
nn Wias icr. dieses ehrliche Be
kenntnis stimmte nicht mit meinen Gefüh
len übereilt. Ich hätte gern einen Theil
der Nacht und mehrere Glas Bier ge
opfert, um mit ihr allein in einer Auto
drofchke , unbekannten Groß-Berliner Ge
genden zuzufahren; ich hätte gern zu dem
schöne Bildnis den örllichcn Rahmen ge
konnt. Da ich dieses Glück nicht hatte
und ein verheiratheter Mann bi, so war
es natürlich auS, denn ich würde wohl die
Dame so bald nicht, vielleicht nie wieder
sehen. Dieser Gedanke gab mir schließlich
Kraft, etwas freier über die schöne Lau
tenspielerin weiterzuplaudern. .Ich bin
nicht eitel," sagte ich scheinbar gleichgültig,
aber haben Sie bemerkt, wie sie mich den
ganzen Abend ansah? Ich glaube, sie hat
eine kleine Feuerscele in sich. Vielleicht
treibt sic doch noch etwas andere zur
Ausübung ihrer Kunst, etwas, daZ sie sich
nur nicht gestchen will." .
' Der Kommerzienrath sah mich an und
lachte.
.Ich bitte um Verzeihung. Herr Dok
or." sagte er. .daß ich gelacht habe. Es
konnte Sie vielleicht verletzen. Ich bin aber
überzeugt, daß Sie selbst lachen werden,
wenn Sie die Aufklärung über die inter
efsirten Blicke Ihres Gegenübers erhalten
werden. Wir Männer sind wohl alle et
wcö eitel, oder besser wir Menschen. Und
ohne diese Eitelkeit 'wäre unser Leben
sicherlich ein ganz Theil trauriaer. D,
hin, wohin meine Tischdame während des
AbendS reichlich oft gesehen hat. habe ich
auch manchmal einen Blick geworfen."
.Sie machen mich neugierig. Ich darf
also annehmen
.Ja. Sie werden mir zustimmen hnfe
Sie eS nicht waren, wenn Sie ein Men
schenkenner sind."
.Ab:r wohin ? Hinter mk war hi
Wand ?'
Und ein schöner aroner Si,k'l. sv
S wohl nicht bemerkt haben."
Ich sah ihn verdutzt an. Ich konnte
ihm nicht gram sein weaen der kleinen
Bosheit, die in seinen Worten steckte. Wir
gingen eine Weile schweigend nebeneinan
der. Schließlich wurde mir daS Schwei
Ütri peinlich. Vielleicht glaubte er, ich
fühlte mich wirklich gekränkt. Deshalb
sagte ich, kurz bevor wir unser Ziel er
reichten, mit einem gewissen resignirten
summn: .Ms Leben theilt doch thatsäch
lich die besten Lehren aus." Ich alaubte.
damit mich und ihn darüber hinwegzu
bringen. Er lachte zustimmend, und beim
Biere gingen bald andere Reden hin und
her. ,.,
Den Rest der Nacht muk IS. als icki
endlich nach Hause kam, etwas unruhig ge
schlafe haben. Ich träumte immerfort
von der Lautenspielerin. Sie hatte die
Laute umgehängt; sie sang mit vorgebeug
tem Oberkörper und einem gewinnenden
Lächeln auf dem Gesicht, und um sie
herum standen unzählige Spiegel, die alle
ihr Bild wiedergaben.
Der Wissenschafter, der für ein gut
bezahlte Stellung schwelgt ein Schufi!
Der Politiker . . . eS kommt darauf an.
was sein Schweigen bewirkt, und was er
I der Stellung schaffen kann.
Regenwurm sterben, wenn fit
einige Stunden der frischen Luft auöge
setzt werden. .',
Eine Erzgrube, die sich sehr reich er
w!eZ. ist kürzlich von ibrem afrikanische,',
Eigenthümer für ein Pac lrt Hafer,
und eint SporimüZz: verlauft worden.
: