Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, March 19, 1913, Image 3

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    2 ZMie Cmasia Tribüne. Mittwoch, le 19. Miirz 1913.
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Deutsche Treue
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Con C. Zoe?ttL!cnhart.
(9. Fortsetzung.)
.Lieb ouJ den ersten Blick! Wie
tzabe ich dessen früher gespottet', ld
chel'.e Olga. .Ich hielt mich gefeit.
Kl bil ,um letzten Jahre. Nicht
rührte mich, nichtl beschleunigte mei
tun gleichmäbigkn Vulsschlag. Ich
meinte schon, ich sei au Stein oder
Eil, und Fischblut fließ, anstatt dei
, warmen LebenöstromeS in memea
Adern. Da '
" Sie brach errötend ab.
.Da, Olga?" forschte er etemloi.
.Da " sprach sie weiter, wie ei
mm zwingenden ktwai in sich gehör
chend. .Da fah ich einen, der brachte
alkl zu fiebernder Erregung tn mir
Seine Waghalsigkeit imponierte mir.
,Jch bin selber eine starke Natur
ei rang mir Bewunderung ab. wie
er sei widerspenstige? Tier meisterte
und dabei so kilhl. gelassen, fo voll
kommen der Beherrschende blieb. . .
Mir wallt der Jähzorn siedendheiß
zu Kopf, wenn sich mir etwa wider
setzt er blieb so fühl besonnen und
zwang da? aufbäumende Tier unter
,'seZne Eisenfaust ich ich hätte eS
N Jtoto auflodernd erstochen!"
r Erschrocken sah auiat oa, vesiig
erregte Mädchen an. Au den Au
gen schössen ffeuerflröme. die feinen
Nasenflügel vibrierten, die kleinen
Hände ballten sich zur Faust, daß
die Handschuhnähte barsten. Ich
. .. . . . .irjt...
kann ml? niazr veyerricvn , tninyun
dlgte sie sich, und ihre Gestcht sah get
sierhast bleich auZ. jene Blasse höch
s!er Leidenschaft die jeden. BlutStrop
fen auS dem Gesicht drängt, .ffürch
te Sie sich vor mir?" lächelte sie ihn
inMiA an. Cben Sie. Sie tniis
fen mich erst kennen lernen. Ich bin
verzogen, schlecht oder gar nicyl er
zogen, wollen wir lieber sagen. Ich
Wn keine beaueme Frau. Sie haben
mir alle zu Fiißey gelegen, so lange
Ich denken kann, und tcy yave oas
hingenommen, als wenn das so sein
müßte. Wie ein Sturmwind kommt
eS manchmal iiber mich, daß ich
blind und aasend werde Auch die
Neigung zu Ihnen fiel wie ein
Raubtier iiber mich her, deß ich nicht
dagegen ankämpfen konnte und an
nicht? dachte die vielen Mond hin
durch als an Sie. und wie ich Sie
wohl wiedersehen könnte. Es ist et.
waS Elementares. Unbezähmbares in
mir, ich muß eö von meiner kaukasi
schen Mutter im Blute haben. Furch
,ten Sie sich nicht vor mir. Paul We
f Uiap?" lächelte sie ihn mit ihren be
' strickendsten Tonen an.
Stolz warf er den Kopf zurück,
ein Zug eisenfester Willenskraft grub
sich um den Mund und das energisch
5tinn ein.
, .Ich fürcht mich vor nichts. Olga
Vaulowna". sagte er gelassen, und
nur die festgeschlossenen Lippen setzten
in stummer Sprache hinzu: .Ich un
terjoche mir die wildeste Kraft."
Sie nickte .Gut!" und gab ihm
einen Handschlag wie ein Mann.
.Versuchen wir'S denn miteinander",
und ihm kühn in die Augen blickend:
$aul, Sie haben mich bezaubert,
ich . weiß nicht, womit. Ich weiß
aber auch nicht, wie lange das andau
ern wird. Sie sagen, ich bin ein
Original, ein weiblicher Sonderling,
Sehen Sie. zum Beispiel lasse ich
. mich eine Weile wie ein Wirbel von
unserem gesellschaftlichen Treiben in
Petersburg forttragen. Dann ekelt
mich die Monotonie plötzlich an. Ich
werde krank vor Langeweile. Ich steh
immer zwischen zwei Widersprüchen.
Die banale Phrase macht mich unge
duldig. und die geniale Ungebunden
hkit stößt mich ab. Deshalb hasse
ich den Zwang unseres fchablonenhaf
, ien GsellsfaftSltbenS und entfliehe
ihm in die tiefste Einsamkeit. Sehen
Sie, in mir lebt ein Doppelwesen,
da bisher nirgends Genüge fand.
Ich brauch die gute Form lo-e oas
. Sah 111 meinen täglichen Mahlzeiten.
und gerade jene, die sie em besten
beherrschen, unsere eleganten Flach
köpfe, sind fast ohne Ausnahme so
typisch wie ein Dutzend Handschuh
gleicher Nummer. Sie scheinen mir
'eine Ausnahme, nicht blasiert, nicht
jiberfirnißt. ein Kavalier vom Sehet
tel bis zur Sohle, der dennoch frisch
, und ungekünstelt auS der Hand
der Allschöpferin Natur hervorgegan
' gen. und wenn Sie dauernd das biet
' den. waS Sie fcheinen. gehör ich
'Ihnen mit Lib,FNd Seele für die
Ewigkeit!"
Der originelle Freimut, mit dem
Olga ihm das alles in? Gesicht
warf, bezauberie Paul mehr und
mehr. DaS war kein Alltagsgeschöpf.
daZ Ruhe und Frieden aufkommen
. ließ, keine jener deutschen Jdealgcstal
ten, wie sein liebes Mlltterlein da
heim oder seine sanfte, harnionisch
wirkende Schwester mit ihrer wohltu
' enden, süßen Frauenanmut. Es war
eint Flamme, dieses seltsam sirenen
hafte Geschöpf, daö den Mann ihrer
Lieb: einhüllte in eine Welt wogender
Leidenschaft.
Ob sie daS Glück bietet, jene! stille,
fester Zuverlässigkeit ob sie nicht
fxt Emotionen verlang! und
Ägt Emotionen bietet? Daran
die der völlig Eingenommene nicht,
c'i ihre- summte Schönheit ihm
"t ''''
igWMtfuiLi m-äcajmuXimxi t",
mehr und mehr daS Herz verwirrie,
und ei ihm umgarnte in immer sinn
berückenderem Taumel seiner ersten
gewaltigen Leidenschaft.
Olga Paulowna. die Bielumfeier
te. sein! daS geistsprühende. eigen
artiae Gescköbf. da alle Welt mit
hochmütiger Kälte behandelt ihm
untrtan. Ihm wirbelte der Kopf in
himmelhochjauchzender Seligkeit, und
er stammelte irre Laut trunkensester
Leidenschaft, während sie. holdselig
lächelnd, al horchte sie einer lüften
Melodie, an seinem Arme hing und
fi urlickfilbren kiek um klebten
Teil der ausgedehnten Eartenpar-
txn.
.Haben Sie niemanden, dem wir
un vertrauen, um uns schreiben zu
können, bil der geeignete Moment
kommt, sich meinem Oheim zu ofsen
baren?" fragte Olga, ehe sie in die
Gesellschast zurückkamen.
Maul backte eine Sekunde Nach
Frau von Maltitz ging ihm durch
den Smn? dann oder sei ihm em
dak von selten der Gattin deS deutsch,
bulgarischen Obersien i.ichtS geschehen
dürfe, waS einer feindseligen Hano
luna neaen einen russiscken Machtha
der gleichkäme. Billigte der Furu
sckliksilick daS BerbälrniS nicht, so
u n-i).-. .
konnte er eine lximlicke Begünstigung
desselben nur als eine ihm erzeigte
unfreundliche Handlung ansehen.
Dem durfte der gewissenhafte Paul
die Freunde aus diesem gesayrucy
glatten bulgarischen Boden nicht auS
setzen.
HedwigS weißeS, zarteS Gesicht
tauchte in seiner Ratlosigkeit plötzlich
erlösend vor ibm auf. ?ln doppelter
Weise wär ihm ja geholfen, wenn
er sie zur Vertrauten seiner geheimen
Liebe machte. Instinktiv fühlte er.
daß er dadurch einer gefährlichen
Wendung ihrer Empfindungen für
sich am zartfühlendsten entgegentreten
würde, und mit dem Egoismus der
Liebe saate er sich aleichzeitig. daß
ein Geschöpf wie Hedwig sich mit
Fanatismus für den beimlich Gelieb
ten opfert, wenn ihr das eigene Gluck
des Besitzes für ewig verschlossen
bliebe.
Als wenn daS Geschick selbst eS
gewollt, schickte eS ihm die Aermste
gerade jetzt in den Weg. Sie hatte
sich ermüdet und übersättigt auS dem
bunten Treiben der alänüenden Ge
fellfchaft heimlich hierher geflüchtet in
die kühle, stille, von grünen Bian
kaskaden Llxrranlte Steingrotte, wo
auS dem. ftiillfiorn einer Naiade ein
Aelsauell in kristallinem Strahl sich
murmelnd in ein marmornes Becken
ergoß.
Die Stirn hatte sie sinnend in die
Hand gestützt und träumte hinein in
daS grüne Dämmern des matt er
hallten BlattvorhangeS. Ihr weißeS
Kleid verriet sie dem scharfen Auge
des vorllberschreitender. Offiziers
Leise boa er die Ranken beiseite und
trat behutsam mit Olga Paulowna
in das magische ichtgeclet der nei
nen Grotte, wo Hedwig, in sich ver
funken, auf einer Moosbank faß.
Fast überirdisch za-rt und verklärt
sab sie in der feennafcn Beleuchtung
aus. Die Rosen an ihrer Brust glüh
ten wie große Blutflecken, und plöz
lich, da Paul mit der jungen Für
stin wie aus der Erde gestiegen vor
,h-. stand, fuhr die durchsichtige Hanv
Zäh zum Herzen, als hätte sie in
c"uß getrossen.
..fiedtoia!" rief Vanl sie mit
Selbstvorwurf ganz erschrocken an,
da ihr. Haupt in Ohnmach cLanwand
lung wie geknickt zurücksank.
Olga tauchte mit schneller Gei
stesgegenwart ihr Spitzentaschenwch
in den kühlen Queu. legte es uver
die Schläfen und rief die junge Frau
fast augenblicklich zur Besinnung zu
rück.
Sie läckelte mit - blassen Livden
auf und die Fürstin Karsakoff an.
Mit dem instinktiven Abnunasvermö
gen sehr fein organisierter Naturen
hatte sie alles erraten, alles begriffen,
als die beiden strahlenden jungen
Menschen so Plötzlich vor ihr sian
den, und augenblicklich war sie ihrer
Schwäche Herr geworden. .Sie
bringen mir Ihr Glück; o. wie ich
Ihnen danke, daß Sie mich zuerst
daran teilnehmen lassen", sagte sie in
nig überzeugend, und kein Schatten
der Abgunst, kein noch so leiser Zug
der Bitterkeit mischte sich in den
Klang ihrer Stimme und den Aus
druck ihres engelhaft sanften, süßen
Gesichts. .06 ich Ihnen helfen
will?" O mein Gott, wozu wäre mein
Leben sonst noch nütze? Ob ich schwei
gen kann? Ueber das Grab hinaus.,
bis Sie mich meines Wortes entbin
den. Verfügen Sie über mich, und
Sie die er liebt, seien Sie mir
eine Freundin voll und ganz in rück
haltlosestem Vertrauen wie ich eä
euch sein will mit der ganzen Hingabe
meines Menschen."
Die schöne Wärme, die aus ihr
hervorbrach, riß die begeisierungsfa
hig junge Fürstin zu staunender Be
wunderung hin.
.Wie sind Si gut, Frau Hed
wig!" -
.Gut?" fragte Hedwig erstaunt.
.Ist das gut, wen man, dem Zuge
seines Herzen. folgt?" Und im uäch
v;'ä p-:-. ';:
:-;'!"v:i T-yiV y ?t ?; -t 'i-.ir?
sten Moment hielten die beiden Frau
en sich tnnia umschlungen.
Eine Freundschaft war', die aus
der Liebe zu demselben Manne in ei
nem Augenblick geboren war aus
Hedwig ed,Isler Natur heraus. Eint
volle Hingabe von der einen, ein be
wundernöwerteS Entgegennehmen von
der anderen Seite. Z,ii ungleiche
Frauen als diese beiden hatten sich
nie gegenübergestanden. Hedwigi
zarte Gestalt, schmiegsam weich, an
ver königlichen, selb ibewukt gelrage
nen der jungen Fürstin lehnend, war
so verschieden von ihr wie der blau
vnono neben der strahlenden Sonne
Ein sinnige deutsche! Gedicht neben
dem alllbenden LiebeSbrimnuS des
Orients. Die märchenhaft: Pracht von
Form und Farbe Olga PaulownaS
erdrückte die poetische Anmut der
deutschen Frau, sie schien ausgkblaßt
und unbedeutend neben der förmlich
sunkensprukxnden Ruliin.
.Olga Paulowna. Olga!" rief
eine ungeduldige Stimme in den Park
hinein.
.Mein Onkel. Ich muß fort,
Schreibe mir durch unsere Freundin
hier, Paul, ich hole mir dort meine
Botschaft und gebe dir bald Antwort.
Bleib, bleib, man mun un nicht zu
sammen zurückkehren fehen. Folge erst
nach ein vaar Minuten.
Olga Paulowna umarmte noch
einmal stürmisch die neue Freundin.
überließ Paul Westap gnädig ihre
Hand zu leidenschaftlichen Küssen
und eilte dann die einsame Pinien
all hinauf, bis zu dem offenen
Platze hin, wo noch immer lebhaft
getanzt wurde.
Auf der Stirn ihre? OH'imS stand
eine finstere Wolle, als sie zu ihm
herantrat, und im natürlichsten Ton
der Welt ihn anredete: .Ich habe
mich ein wenig vom Horo ausruhen
müssen. Du riefst mich, wolltest du
etwas?"
Seine Hoheit wünschen sich dir
zu empfehlen, liebe Nichte, und hier,
Madame Karawelojf " seine Stirn
nie trug eine kaum merkbare Schat
tierung von Respekt zur Gering
schätzung .bat, dir vorgestellt zu
werden."
Ein gleiches wiederholte sich bei
Olga. Sie erwiderte die ehrfurchtS
volle Verbeugung des Fürsten Alezan
der mit lächelnder Anmut, und als
ihr Oheim dem hohen Gaste nun dcS
Geleit gab. richtete sich ihre Gestalt
zu ihrer ganzen imponierenden Größe
auf, und die goldgelb funkelnde Mi
nistergattin von Kopf bis zu ?uß
mit einem unbeschreiblich hochmütigen
Blick musternd, sagte sie emskalt:
.Madame, ich hatt: bisher den
Vorzug, Sie nur per Renommee zu
kennen", und dabei kehrte sie der
in ohnmächtigem Zorn sich Verzeh
renden gleichgültig den Rücken , und
sah in scheinbarer Teilnahme, sich
Luft zufächelnd, den tanzenden Paa
ren zu.
Stoiloff hatte inzwischen mit im
mer steigender Unruhe, gleich nachdem
der Horo beendet, seine Frau über
all gesucht, wo ein paar Menschen zu
sammenstanden. Allmählich war er
immer tiefer in den Park und zuletzt
in die Pinienallee gelangt, die nur
ein Endziel, die matt erhellte, blatt
verschleierte Grotte hatte.
Auf halbem Wege kam ihm da
Westap entgegen. Er schien echauf
fiert, erregt, verlegen, als er ihn plötz
lich erblickte. Das fchöne Gesicht
glühte in dunkler Röte, und Stoiloff
kam es vor, als habe er einen Au
genblick daran dacht, ihm auszu
weichen, indem er durch die seitwärts
wie eine Kulissenwand sich hinspan
nende Wildrosenhecke brach.
Der finstere Argwohn, der ihn noch
keinen Moment verlassen, nahm wie
der Besitz von ihm
.Haben Sie meine Frau gesehen?
fragte er in fast unhöflich brüskem
Tone. , .
Westap schien es nur darum zu
tun, schnell an ihm vorüber zu kom
men.
Ihre Frau - Ihre Frau?" am
melt er zerstreut, wie auö schönen
Gedanken widerwillig aufgestört.
Jawohl. Hedwig Frau Stoiloff
" verbesserte er sich verwirrt, ist
da in der Grotte. Sie fühlt sich nicht
wohl. Es wäre ratsam, sie nach
Hause zu führen"
.Nachdem das Fest rhr aueS ge
währt, was si: davon erwartete und
nichts mehr zu bieten hat?" fragte
Stoiloff hämisch, und ganz arglos
des boshaften Hintergedankens, er
widerte Paul hastig: Gewiß, ge
Miß!"
.Ich danke Ihnen für Ihre ruh
rende Fürsorge", sagte Stoiloff mit
so schneidendem Hohn, daß derselbe
selbst Paul diesesmal nicht entgehen
konnte. Er zuckte aber gleichmütig
die Achsel. Er suhlte sich in diesem
Augenblick selbst in Gedanken so
völlig schuldlos, daß er den eifer
süchtigen Narren nur bedauern könn
fc. Mit jeder Faser seines Seins
gehörte er ja Olga Paulowna an,
und der Verbackt des zornigen Man
z amüsierte ihn mehr, als er ihn
beleidigte.
' Eine förmliche Verbeugung hüben
und drüben, und Paul flog eilends
dem Tanzplatze zu. too er die Für
stin noch zu treffe,' hoffte, während
Stoiloff zögernd auf die Grotte zu
schritt und vorsichtig von, der Seite
zwischen dem Blattvorhang hindurch
spähte.
- '(Fortsetzn!! folgt.) ' .
"ö:
r1
D,rAakenbaU.
SfUcsi
Hun,oreke bon Schulz,
. In nicht gerade rosiger Stimmung
kam der Handlungsreisende Hans
Krämer nach Hause. Kräftigen
Schritte ging er im Dunkeln den
Korridor entlang und tn sein Zim
mer. Dort suchte er vergeben nach
Streichhölzern. Beinahe hätt er den
kleinen Tisch mit der Wasserflasche
umgerissen. .Frau Hinze!" rief er
laut. Alle, still. Er ging wieder
zurück und tastete sich vorsichtig bis
ur Küche. Hier brannte auf der
Maschine eine kleine Petroleumlampe.
Daneben lag ein Zettel: Herr Kra
mer. wir sind alle auf die Rehtute.
Die Butter steht in die Speisekam
mer. .Wichtigkeit", brummte er.
nahm Butter und Streichhölzer und
ging in sein Zimmer zurück, machte
Licht, zog die vom Schnee nassen
Stiefel au und setzte sich ermüdet
auf Sofa, um sein srugaleS Abend
brot zu verzehren.
Der Jünger Merkur hatte wirk
lich Grund, übler Laune zu fein.
Keinen einzigen .lumpigen" Auftrag
hatte er heute erhalten, trotzdem er
von früh an auf den Beinen war.
Kein Mensch hatte Geld sürS Ge
schaft, nur fürö Vergnügen! Na
gottlob, heute wat ja Fastnacht, da
hatte der Ballrummel ein Ende und
die Leute konnten wieder an Ber
nünftiges denken . '. . Nichtig, heute
war Fastnacht . . . HanS trat anS
Fenster. Ein par bunt kostümierte
Gestalten sah er drüben an den Häu
sern entlang huschen. Auf dem
Schreibtisch lag ja auch seine Einla
dung zum Maskenball in der .Res
source". .Ach WaS , dachte HanS,
in der Stimmung auch noch zum
Maskenball!"
Aber Erich, sein alter Schulfreund
und Vereinsbruder, wird schön böse
sein, ihn nicht dort zu finden . . .
Helf er sich! Zum Ball gehört Ball
laune! Damit griff er zur Rumfla
sche und braute sich auf dem Spiri
tuskocher ein GlaS Grog, das an
Steife nichts zu wünschen übrig ließ.
Infolge dieses Feuertrunks stellte sich
bei dem bald gar nicht mehr .sorgen
vollen Kaufmann" eine nicht zu über
windende Müdigkeit ein, und ob
wohl es vom Turm erst neun Uhr
schlug, schlüpfte, kurz entschlossen
Herr HanS Kramer inS mollige Bett,
und allen Aerger, den ihm Lack und
Farben heute und jemals bereitet
hatten, empfahl er dem immer ge
treuen Morpheus, in dessen Armen
er es sich bald unier heftigem Schnar
chen wohl fein ließ.
Inmitten emeS seligen Traumes
er hatte eben einem Kunden 6 Faß
Preußisch Blau' - und 10 Kannen
vom feinsten Lack .angedreht"
wurde er durch kräftige Schläge an
die Korridortür emporgeschreckt, die
sich bald zu wahrem Donnergepolter
steigerten. Entsetzt springt er mit
beiden Beinen auS dem Bett, fährt
in die notwendigsten Kleidungsstücke,
macht Licht und ruft ins Entree hin
auS: Wer ist da?"
.Im Namen des Gesetzes! Oeffnen
Sie!" antwortet eine dröhnende Baß
stimme.
HanS wirft einen Blick durch das
Guckloch und taumelt entsetzt zurück:
Auf der Treppe steht in voller Uni
form ein Gerichtsvollzieher.
.Ich kann nicht öffnen." jammert
Fritz, nichts Gutes ahnend, ich schlafe
ja bereits!"
In Namen deS Gesetzes!" schallt
es noch kräftiger, wie vorher, von
draußen zurück.
Hans weicht der Gewalt und off
net. Aber was ist daS?! Der ge
strenge Mann draußen hat ja die
ominöse. Dienstmütze abgenommen,
und unter einer falschen Glatze grinst
ihm sein Freund Erich höchst bclu
stigt entgegen.
Mensch, Hans, bist du denn ganz
von Gott gelassen?" brüllt er ihm
entgegen. Fastnacht Ressource
ball und du liegst in der Klappe?
Eine dunkle Ahnung trieb mich hier
herauf. Du Elender hättest mich also
wahrhaftig sitzen lassen!"
Hans hatte sich langsam von sei
nem Schreck erholt.
Ja, lieber Freund, entschuldige
nur, aber mir fehlte das Wichtigste
zum Ball die Laune, und dazu
gesellte sich entsetzliches Kopfweh
und da hab' ich es vorgezogen, ins
Bett zu gehen."
Na, das ist ,a 'ne nette Geschlch
te! Und du schämst dich nicht, das
auch noch einzugesteh'n. Marsch, zieh'
dich an und komm!!"
Leicht gesagt! Komm! Aus der
Einladung steht, der Eintritt ist nur
km Masken-Kostllm gestattet. Aber
woher jetzt ein Kostüm nehmen?"
Kostüm? Der erfinderische Erich
sah sich suchend im Zimmer um.
Plötzlich stieß er einen Schrei aus,
schwang eine Farbentube in der Hand
und rief: Hier, hier ist dein Kostüm.
Mit Hilfe dieses .Schokoladenbraun"
wirst du in zehn Minuten in einen
waschechten Nigger verwandelt! Die
Farbe trocknet doch schnell?"
Sosort! Ist ja unser Patent."
Erich drückte den zögernden Hang
auf einen Stuhl, und ehe dieser ein
Wort erwidert konnte, wurden ihm
Gesicht, Hals und Hände fein fäu
berlich schokoladenbraun angetüncht.
Sein etwas krauses dunkles Haar
und die aufgeworfenen Lippen be
laii
dursten keiner künstlerischen Berän,
derung, und wie er sich jetzt im Spie
gel besah und ein wüste, bezeichnen
de Negerlachen anstimmte, war der
amerikanische Yankee Doodle", wie
Erich sagte, jir . und fertig. Ei
paar olle, eingelaufene Drillichhosen
eine bunte Weste, helle Sommer
jackett. Zylinder und ine Zkeh.Har
monika, auf der Hank Meister war,
vervollständigten die Maskerade, und
bald sprang er, singend und spielend
wie ein losgelassener Asse tm Zim
mer umher, und der GerichtSvollzie
her. den alle AmtSwllrd verlassen
hatte, sekundiert ihm.
Die Ausgelassenheit hielt auch an.
als die beiden Freunde die Straße
entlang eilten, in den überfüllten
Ressourck'Saal hinein polterten und
sich unter der kostümierten, ubermu,
tigen Menge dem echten fröhlichen
Faschingötrubel überließen. ,
Hier trennten sich bald ihre Wege,
Der königl. preußische Gerichtsvoll.
zieher hatte andere Ziele, als der
freieste Sohn des freiesten Landes ;
ersterer verfolgte mit unermüdlichem
Diensteifer eine brillantengefchmückte,
tief verschleierte Orientalin, für die
er einen Vollstreckungsbefehl zu ha
ven meinte, 'und nur durch einen
Kuß zu bewegen fei, fruchtlos zu
machen". Der Nigger hingegen fand
bald ein würdiges weibliches Gegen
stück. Miß Topsi. mit der er den
.Cake walk" zu allgemeiner Belusti
gung bis zur Erschöpfung gehampelt
und gestrampelt hatte, und in deren
Gesellschaft er sich gegen Morgen bei
perlendem Naß (Weißbier mit Mai
trank) in einer verschwiegenen Ecke
eines Nebensaales niederließ.
Gerade bemühte er sich, zu ergrlln
den. mit welchem Farbenfabrikat seine
holde Partnerin angestrichen sei, da
sie ihm im Ton fast noch echter und
reiner erschien. alS er selbst. alS sein
Freund Erich aufgeregt an ihren
Tisch trat.
Habt Ihr meine süße Suleika nicht
gesehen? . . ..."
Keine Spur."
Verdammtes Pech" fluchte der Ge
richtsvollzieher. .Sollte sie mir wirk
lich entwischt fein?! Und sie hatte
mir fest versprochen, nach der großen
Pause ihren Schleier zu lüften und
mir demnächst ein Rendezvous zu ge
währen."
Resigniert . und weiter suchend
rannte er davon.
.Aber nicht wahr. Miß Topsi".
flüsterte jetzt HanS seiner Angebete
ten inS dunkle Ohr. .wir sehen uns
wieder?"
.O hes!" erwiderte melodisch, im
mer noch im .Charakter ihrer Rolle,
die farbige Schöne. .Sonntag kive
o'cloek in die Konditorei von Ma
sier Müller am Schloßplatz." ,
.Und woran werde ich dich er
kennen, holde Miß?" , ,
O, du wirst mich schon erkennen,"
lachte sie verschmitzt; außerdem, ich
werde haben eine rote Feder auf das
Hut."
Beglückt eilten sie Arm in Arm
noch einmal zum Tanzsaal, wo so
eben der Kehraus in Form eines
grandiosen Two step" getanzt
wurde.
Noch einmal gaben sie sich mit gan
zer Seele dem beliebten Zweitritt hin.
Kaum aber hatte das letzte Bein
ausgeschwungen, als sich Miß Topsi
dem Arm ihres Nigger-Kavaliers ge
schickt entwand und flink wie ein Wie
sel durch den Haupteingang unwider
dringlich entschwunden war.
Hans sah auf die Uhr. Es war
Punkt Sieben. Und um Neun wollte
er bei Mippelmann u. Co. feine erste
Offerte machen ... Er wischt: sich
den letzten braunen Schweiß von der
Stirn in das bereits völlig braun
durchtränkte Taschentuch. Ach was",
dachte er, Herr Mippelmann wird
sich gedulden. Und wenn mir das
Geschäft wirklich aus der Nase geht,
was schadet's? Habe ich doch das
Herz eines lieben Mädchens errun
gen, mit dem ich vielleicht mein Glück
fürs Leben finden werde.
Kammerjungfer also ist sie . . . So
hatte ihm der Tanzmeister ander
traut, und sogar in einem sehr vor
nehmen Hause sollte sie sein. Hans
hüllte sich zufrieden in seinen Ueber
zieher, setzte den Zhlinderhut in die
Stirn und schritt, die letzte Tanzweise
pfeifend, durch den graudämmernden
Aschermittwochmorgen seiner Woh
nung zu.
Herr Mippelmann wartete in den
nächsten Tagen nicht allein auf den
angekündigten Reisendenbesuch, auch
alle anderen Kunden warteten aus
Hans Kramer. ja selbst sein eigener
Chef kriegte den teuren Spesenma
cher" nicht , zu Gesicht.
Hans Kramer konnte sich vorläufig
nirgends sehen lassen. Influenza war
der vorgeschobene Grund seines Zu
Hausebleibens. Die Intensität seiner
patentierten braunen Lackfarbe abel
die wie Gift ihm aus Gesicht. Hais
und Händen haftete, war die wirk
liche Ursache, die ihn von jeder Be
qegnung mit den Menschen zurückhielt.
Am Sonnabend endlich sah er wie
der einigermaßen menschlich" aus,
und Sonntag konnte er sich getrost
auf Weg machen nach, Mllllerö Kon
ditorei; morgens hatte er den , letzten
Rest seines Aankee Doodle" abge
streift und abgeseift.
Eben fchlagt's fünf. Hochklopfen
den Herzen betritt Hans mit einem
"-f ."'T?X'v X?:- '
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Tiefer Muff au Litzen ist etwa
wendiu ist bei der Herstellung eine eleganten Müsse sur formellen weoiaua.
acht aus den Novitäten . Effekten in Muffen diesen Wmler hervor. Der hier
abgebildete Muff ist aus breiter schwarzer Lihe rebt gefälteltem Ch,?fon und
lanstcr feidenenffransen hergestellt. Eine Halskrause auS dem gefältelten Chiffon
Pakt zu dem Muss uno oewe no mit rannen miciicn us Mivurii, un
nriii'em Satinband verziert. Eine Schleife aus demselben Band ist unter denr.
Hutrande angebracht. ' " . '
Veilchenstrauch in der Glacöhand die
Mullersche Konditorei.'
Ein Blick, ein unterdrückter Schrer,
dann taumelt er zur Seite und er
birgt sich, um von niemand bemerkt
zu werden, hinter einem Mauerpfei
er.
.Was befehlen der Herr?" tritt
der weißgekleidete Pikkolo an den nach
Luft Schöpsenden heran.
,O. ich danke, ein plötzlicher
Schwindel, ich muß sofort wieder an
die frische Luft."
Bitt' fchön."
Aber bitte, noch eine Frage: Da
drinnen", er deutet mit dem Daumen
hinter sich, .sitzt eine Dame eine
Dame " .
,Ach, Sie meinen die Schwarze?"
unterbricht ihn lächelnd der Pikkolo.
,AllerdingS. Sagen Sie. ist denn
die Dame immer schwarz?"
,Ja; die ist rmmer schwarz und
immer so komisch mit der großen ro
en Feder auf dem Hut.
.Entsetzlich!" stöhnt Hans.
.Das ist die schwarze Kammer
kau bei 'ne Gräfin. Topsi heißt sie.
und alle Leute ulken ihr an, wenn sie
herkommt."
Genug, genug. Empfehle mich.
Mit drei langen Schritten war
Hans draußen auf der Straße. Bei
nahe wäre er seinem Freund Erich in
die Arme gefallen.
.Mensch, Hans, Mnkee Doodle.
tti dem Maskenball haben wir uns
nicht mehr gesehen."
.Sprich nicht von dem Ball, lie-
ber Freund."
Aber Du hattest doch eine so rei
zende Eroberung gemacht?"
Sprich nicht davon, ich beschwöre
Dich, mir wird schwarz vor den
Augen!"
Also enttäuscht? . . . Aufrichtiges
Beileid. Da bin ich ja noch besser
dran. Ich hoffe nämlich nmmer noch
auf den günstigen Zufall, der mir
meine holde Suleika" wieder in den
Weg führt."
Hoffe lieber nicht, mein Freund.
Weißt Du, wer Deine holde Suleika
war?"
Nun?".
Frau Hinze, meine Wirtin,
sie hat es mir selbst erzählt . .
er kleine Schwerenöter.
In einer niederrheinischen Gemein
de widmete sich das Fräulein HL btt
verdienstlichen Aufgabt der Unterwei
sung der Dorfjugend in den aller
ersten Anfangsgründen der Wissen
schaft. Groß ist die Verehrung,
deren sie sich bei ihren Kleinen er
freut. Einmal wollte sie einem der
unbeholfensten Knirpse die Hand
beim Schreiben führen und setzte sich
1 !
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deshalb neben ihm. Aber jetzt ging
noch schlechter. Wie der Junge r.
so zerstreut sein konnte? Als ich das
Fräulein mißmutig wieder erhob, sah
der Kleine ' sie treuherzig lächelnd an
und meinte auf die Frage der Leh
rerin nach dem Grunde feines Lä
chelns: Och, Fräulein blio doch noch
jett sette." (Bleib doch noch was
sitzen.)
In den fflitterwochen.
Du .süße? Manchen. Du hast so.
einen kleinen Mund, daß ich von j
einem Kuß zn wenig habe!? . t .
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" ZT'"' T r "' ' 1 '""'r-T Z T-ä:"T'. "
gan, neues. .Daß Pelz nicht absolut flf
ntiseptische ewürze.
Vor etwa einer Generation schien
sich die Gewohnheit einzubürgern,
alle Gcnußmittcl als verderblich hin
zustellen, und noch bis vor wenigen
Jahren wurde von vielen Leuten be
hauptct, daß die Gewürze schwer ver
baulich und schädlich für das Blut
seien. Glücklicherweise bekämpft' die
heutige Wissenschaft diese irrige An
sicht. indem sie hervorhebt, ein wie
wichtiger Faktor der Geschmack für
unser Wohlbefinden ist. und daß Din
ge. die uns gut fchmecken und die
nicht im Uebermaß genossen werden,
der Gesundheit nur zuträglich sein
können. Gelchrte, wie Hoffmann' und
Evans, haben bewiesen, daß verschie
dene heutige unmoderne" Gewürze,
wie Zimmt und Nelken.' wertvolle
Nahrungs-Konservierungsmittel . dar
stellen, und daß Muskat und Ncl
kenpfeffer das Wachsen der Mikro
ben aufhält. Vom Muskat sind wir
ja jetzt sehr abgekommen, obgleich'
sogar in der Medizin als BerUhi
gungsmittel . gebraucht wird. Die
antiseptischen Eigenschaften dieser Ge
würze sind, dem ätherischen Oel, das
sie enthalten, zuzuschreiben, und auch
das Oel deS Mostrichs hat diese Wir
kung im höchsten Grade. Es ist oft
die Frage aufgeworfen worden, wa '
rum die Menschen gerade . in ' den.
heißen Gegenden Mostrich und andere
stark erhitzende Gewürze in besonders
reichlichem Maße anwenden. , ,. Ge
wohnlich neigt der Laie zu der An
sicht, daß eine folche Lebensweise in
den Tropen wenig angebracht ist. wa
die intensive Hitze doch genügt,, und'
man es vermeiden sollte, dem Körper
noch weiteres Heizmaterial zuzufüh
ren. Es liegt jedoch auf der Hand,
daß die Nahrungsmittel in den
heißen Gegenden sehr leicht der Ge
fahr des Verderbens ausgefetzt, sind
und daß der Gebrauch des.Moflrichä
und anderer Gewürze dazu . dient.
diesen schädlichen Einfluß, der Hitzs
zu mildern und so den Tropenbewoh!
nern vor vielen Gefahren zu sichern
In Landöhut wurdö
die Witwe des verstorbenen Konkurs
Verwalters und Bücherrevisors Rüb,
die in den Geschäften ihres Mannes
genau Bescheid weiß, in einer Ban
lerottsache zum Konkursverwalter er?
nannt.
Ein Automobil unglück
unter . eigenartigen Umständen .ereig
nete sich bei Klein Lafferde in Han
nover. Ein Automobil fuhr , bei die
sem Orte gegen ein über die Straße
gezogens Kabel der elektrischen Licht
leitung. Dadurch erhielt ein im Wa
gen sitzender Oberingenieur aus Rin
gelsheim einen elektrischen Schlag und
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letzZ n der Wi erheblich
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i schädt.
Unglaublich. .Sehen Sl
dort die Dame mit dem Führer am
Felsen!. . . Sollte man's für möglich
halten, daß eine Mutier von vier
Kindern solch waghalsige Krazeleien
unternimmt?" ;
.Dabei ist daS m e i n e Frau und
ich vm raarsanwalt un
kann nichts dagegen machend : -
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