Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, February 12, 1913, Image 2

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    NovcLctie Vo. I. Hd.
Hilde Möllr.er war soeben hungrig
und rnüte ton ihren Unterrichtcstun
den zurückgekehrt und wollte sich ge
rode in dem traulichen Zimmer M
ölten FräuleinS Bindemann. die seit
ci Wocben aus Weifen war. recht
behaglich machen, all ihre Blicke auf
die Post kielen, welche die kleine Hil
fk sorglich zurechtgelegt ritte...
ssräuleiil Bindemann wanderte
nämlich tcok ihrer sechzig Jahre noch
unermüdlich in den Tiroler Bergen
formn und ließ sich d,?halb von der
kleinen Lehrerin, die seit vier Iah.
ren bei ihr wohnte, die einlaufenden
Briefe nachsenden...
Es tuet eine kurze Karte, welche
beute Hilde Möllner mehr erregte,
als dies sonst die längsten Briefe ih
rer oberflächlichen Bekannten zu tun
pflegten. Und doch waren diese foc
nigen Zeilen gar nicht mal an sie
sondern an die Abwesende gerichtet.
Die kleine Lehrerin wußte, daß
Fräulein Bindemann auf ihren Nei
sen gern Bekanntschaften cinlniipfte...
daß ihr warmes Herz aber am aller
liebsten sich den Kindern zuneigte,
von denen sie oft noch nach Jahren
die anhänglichsten Beweise einer treu
en Zuneigung empfing. Da hatte auch
heute ein Kerlchen, dessen Namen sie
noch niemals von der alten Freundin
gehört hatte, sich dieser auaenschein
lich erinnert. Tenn auf der Karle
stand zu lesen:
Liebe, gute Tante Bindemann!
Ich bin endlich artig und sittsam
geworden, genau wie Tu das mir
und Dir so oft gewünscht hast. Nun
will ich Tich auch besuchen. Ich
treffe am Donnerstag gegen Abend
bei Dir ein. Bitte, halte recht viel
Chokoladenfpeise bereit . . .
Fitzebub...
Der Donnerstag aber war bereits
morgen. Es erschien demnach ganz
unmöglich. Fräulein lgindemam von
der ihr bevorstehenden Freude und
Uebcrraschunz geziemend in Kennt-
nis zu setzerr. Es half nichts.
sie wollte selbst diesem artig gewor
denen Fitzebub telegraphieren, daß er
daheim zu bleiben habe und seinen
werten Bejuch später zur Auifüh
rung bringen solle... Aber das war
ja unmöglich... Auf dieser Karte
war überhaupt keine Adresse angege
ben. Der kleine Schreiber meinte ge
miß, daß die Tante Bindemann eben
saus mit all den Andern am Schluß
der großen Reisesaison heimkehren
werde, und zog darum gar nicht m
Betracht, datz es anders sein könne...
Ein Weilchen dachte Hilde Möll-
ner angestrengt nach. Dann kam sie
aus das zurua, was ihr gleich an
fangs durch den Kopf geflogen war.
Natürlich mußte nun sie
an Tante Bindemanns Stelle den
Fitzebub aufnehme n-ind für einen
würdigen Empfang borgen.
Zuerst wollte sie darüber ein leises
Unbehagen empfinden. Ihre Frei
stunden waren knapp bemessen. Au-
ßer dem Schulunterricht, den sie als
festangestellte Lehren an einer Kna
benschule den Kleinsten zu erteilen
hatte, gab sie eine Menge Privat-
stunden, um der Mutter, die krank
und elend schon seit Monaten in ei
nem Sanatorium lebte, eine wirkliche
Stütze zu sein. Schließlich aber freu-
te sie sich, auf diesen Besuch, denn
eine große Liebe für alle Kinder er
füllte auch ihr Herz und tat alles,
um dem kleinen Ankömmling die Ab-
wesende zu ersetzen.
Zwar wußte sie nicht sein Alter,
aber nach der Abfassung jener Karte
' durfte et noch kaum aus den kurzen
Höschen heraus sein. Sie erstand
deshalb eine Schachtel Soldaten und
ein kleines Luftschiff, deckte einen
zierlichen Tisch, in dessen Mitte sie
eine mächtige Schale selbstbereitcter
Chokoladenfpeise aufstellte. freute
sich selbst wie ein Kind über das al
les und band zuletzt mit heimli
chen Kichern aus kleinen grünen Bir
kenzweigen eine zierlich Ruthe, die
sie auf das weiße Tellcrchen legte...
Das . war gewiß ein Willkommen,
wie eS auch Fräulein Bindemann ge
billigt hatte... Und was jene noch
außerdem dem kleinen Ankömmling
an Wärme und Herzensgllte beschert
hatte, daran sollte es auch bei ihr
nicht mangeln. Sie würde das Kerl
chen mit jener warmen, treuen Liebe,
die ihr sofort die Herzen der Jun
gen zuführte, in die Arme schließen,
und... er wurde sich schon wvyiZuh,
len... Eine gemeinsame Karte an
die Ferne sollie auch verfaßt werden
und... wenn es nicht gar zu viel
kvstcte, wollten sie sich zusammen aus
einer Ansichtskarte photographieren
lassen...
Am Vor mittag des Donnerstags
war Hilde wiöllner seh: fröhlich. Sie
rannte kaum die Zeit erwarten, die
s,e in ihr Stüblein führte. Der
Tisch erschien ihr immer noch nicht
schön und niedlich genug gedeckt...
Da fugte sie ein Blümlein ein. Hier
stellte sie ein Abziehbild auf... Und
dann setzte sie sich ans Fenster, sah
ans die Straße hinab und wartete
ungeduldig ...
Schon sank die T'immerung.
'Die Straßen, welche in der Reise
ttii fa Kill aewesen zeigten wieder
da! alte, lebhafte Bild. Die Heiß.
in vor drn Fenstern lagen nich
Willkommen.
r : r,Iafii3 heruntet... Alle Be
wchner wann wieder daheim und
freuten sich der Arbeit und de eige
nen HeimZ ...
Hilde Möllner dachte zum ersten
Male darüber nach, warum sie el
gentlich noch niemals draußen in
der Well gewesen war . . .
Fast mußte sie über diese dummen
(danken lächeln...
Sie hatte doch niemals Zeit ge
habt. Zuerst galt es. die beiden jun.
gen Geschwister zu versorgen, denn
die Mutter war seit dem frühen 2o
bt hti VterS ,art und schonunaS'
bedürftig gewesen . . . Dann, als jene
versorgt waren die Schwester hei
ratete bereits mit dm siebzehnten
Jahr und den Bruder ... den Fritz...
nahm ein reicher Onkel an Hinsei
Statt zu sich blieb nur sie übrig...
Sie hatte nun nicht genügend YnfceU
für all die Kräfte, die jn ihr schlum.
merken... Wie gut war eS doch,
daß sie vor Jahresfrist ihr Eramen
als Lehrerin gemacht hatte. Das
nutzte sie auS. Leicht war eS nicht.
Die Kinder füblen besser als die
Erwachsenen, cb sich ihnen eine Seele
wirklich zuneigt... Sie hatte ihnen
all ihre Liebe gegeben und erfreute
sich darum ihres Vertrauens. Ihre
Mutier liebte sie natürlich vor allem,
nuck dlis alte oute Fräulein Linde
mann stand ihrem Herzen sehr nahe.
aber sie meinte heute, daß trotz Meier
Liebe, die immer und immer von ihr
verlangt und hingenommen wurde.
als etwas durchaus SelbstverZtandli'
ches doch noch eine geheime Quelle
in ihr springe, die keinem gehörte...
Warum sollte sie mit diesem Quell
chen nicht den Fitzebub erfrischen?
Sickier war er ein lieber, kluger
Junge, denn Fräulein Bindemann
hatte einen guten Gelchmack...
Und sie träumte sich für den ihr
noch Unbekannten in eine Art
Sebnsuckt binein. sodaß sie mit roten
Wangen und fröhlichen Augen auf
sprang, als endlich die Klingel er-
tönte.
, . Es war aber gar nicht der klei-
ne Fitzebub...
Ein großer, sonnoerbranntcr
Mann, der längst den Knabenschuhen
entwachsen war, stand da vor ihr . . .
Sie wies ihn kurz ab. weil sie ei
nen Menschen in ihm vermutete, der
ihre Zeit gerade jetzt nicht stehlen
dürfte.
,Jch bin leider sehr in Anspruch
genommen... ich erwarte Bejuch....
So." fragt; er und lächelte ein,
Kenia, darf ich fragen, wer das ist ?"
Sie wollte ihn eigentiiä, kurz zu
rückweisen, aber er hatte gute, frey;
liebe Auoen und dann machte sie von
jeher die Freude mitteilsam. So
sagte sie em wenig widerwillig noch...
aber doch bereits um vieles sreunv::
ch:r: '
Ein Kind . . . Fitzebub hat er sich
unterschrieben."
Dann ärgerte sie sich sofort über
ihre unangebrachte Gesprächigkeit und
wollte die Korridortür schließen. 12?
aber kam nun vollends herein, der
neigte sich lachend und sagte:
Ein hubscher Vcame. nicht wayrk
Freilich... ernsthafte Leute werden
ihn kaum gelten lassen. Ich
habe eine große, unbescheidene Bitte,
dürfte ich vielleicht hier im jflur ein
wenia warten .... ich möchte mei-
nen kleinen Namensvetter sehr
aern kennen lernen.
Sie fnp.se diese Worte als einen
unpassenden Scherz auf. den sie scharf
zurückweisen mußte. Aber sie ran
nickt da.,u. Der fremde öcrr nahm
plötzlich ihre Hand und sagte ganz
leise:
?lch bin der richtige Fikebub . . .
und Sie . . . smd dock die ilce Möll-
ner. von der mir Tante Bindemann
schon so viel erzähl, hat... Es lag
in ibren Vlänen. daß Sie nichts von
mir wissen sollten... ehe ich seßhaft
und brav geworden war. Ich ret"
nämlich bisher viel in der Welt her
um. obne mir eine Seimat au bauen.
Das soll jetzt vorbei sein. Es ist wie-
der mal Herbst geworden, und ich
habe Sehnsucht nach einer warmen
Ecke . . . Als ich Ihr Bild sah. dachte
ich, daß Sie viel Wärme und Son
nenschein übrig hatten ... und wollte
als Bittender um ein kleines Almo.
sen bei Ihnen anklopfen. Daß Sie
jetzt allein hier waren, ahnte ich frei
lich nicht..."
Hilde Möllner wußte nicht, was
sie sagen oder beginnen sollte. Da
dränote er sich sanft an ibr vorbei
durch die nächste Tür, die ein wenig
offen stand, sah aus den zierlich ge
deckten Tisch und reichte iht von
neuem die Land hin . . . Das ist au
so Ihr Willkommen für mich... so
viel Liebes . . . Auch für die Rute be
danke ich mich schön..."
Da hatte sich Hilde Möllner end
lich von ihrer Erstarrung erholt.
(ie wollte eiaentlickz aukvrauien.
böse tun... ihn schelten... aber sie
sah noch zur rechten Zeit ein. vatz er
doch ganz schuldlos an diesem Miß
Verständnis war . . . öffnete den
Mund, um ihn zu bitten, daß er sie
unverzüglich verladen möge kam
ber nickt da,u. denn in der Korri-
dortür drehte sich kreischend ein
Schlüssel um...
Fräulein Bindemann hatte auch
diesmal, wie sie daS stets zu tun
pflegte, mit ihrem plötzlichen Erschei'
nen die kleine Lehrerin überraschen
wollen... Nun stand sie mit schlaf
fen Armen sprachlos da... sah von
Fitzcbub, ihrem erklärten Liebling, zu
dem erglühenden Mädchen, und sagte
nicht weller oll:
.Tut mit den einzigen Gefallen
und gebt mir mal schleunigst einen
Stuhl." Dann erst küßte sie den
sonnverbrannten Mann, den einzlgei
Sohn einer früh geflo:bei.?n Freun,
din, herzhaft und drohte ihm mit dem
Finger:
Dieses Willkommen hast Du doch
wohl trotz de würdigen Empfanges
bisher entbthren müssen . . ."
Noch mußte Fritz Werbach irn
leisem Bedauern di: Frage bejahen...
aber eS kam der Tag, an welchem die
Kelle Quelle der kleinen Lehrerin für
ihn da war . . . an welchem sie sich
mit ihm gemeinsam photographieren
ließ...
Und sehr bald darauf konnte Tan
te Binden.ann dem jungen Paar auch
einen kleinen Tisch decken... und
zwar im eigenen Heim. daS aus allen
Ecken und Winkeln ihnen ein stillt
Willkommen" zuflüsterte . . .
Vintluftigt chul,eschichl.
Ein Schulmann erzählte kürzlich
folgendes Erlebnis: Der Herr Schul
infpektor hat die Schule zu X. in
fpiziert und hält nun Konferenz mit
dem Direktor und den Lehrern. Der
gestrenge Vorgesetzte äußert sich sehr
lobend über die Leistungen der Sck:ü
ler. Aber", so fügt er hinzu, die
Schule ist nicht nur dazu da. den
Schülern den Wissensstoff beizubrin
gen. fondern sie soll die Knaben auch
W einer gefälligen Lebensart erziehen.
Dazu gehört, daß sie es verstehen, in
angemessener Form Antwort zu ge
ben. Es ist mir ausgefallen, daß die
Antworten der Schüler ungelenk, ja
geradezu unhöflich herauskommen.
Sie geben dem Fragenden, dem sie
antworten, nicht die diesem zukcm
mende Anrede. So antwortete der
Schüler, den ich nach seinem Namen
fragte, mit einem Kurzen: Müller,
statt höflich: Müller. Herr Inspektor.
Sorgen Sie dafür, meine Herren,
daß wenigstens diese einfache Höflich
keitsregel den Schülern fest einze
präqt wird."
Ein Jahr später! Der Herr Jn
spektor ist von neuem zur Vesichti
ung erschienen und tritt in das
Klassenzimmer, in dem soeben Neli
gionsunterricht erteilt wird. Man ist
gerade beim Sündenfall'. Der Herr
Inspektor als Mann der Praxis
greift unmittelbar in ?tn Unter
richt ein und nimmt dem Herrn Leh
rer die Fragestellung ob. Wie sagte
da Gott zur Schlange?" so fragte er
den einen Müller. Und prompt er-
folgt, einaedenk der strengen Jnstruk
tion. die' Antwort: Verflucht sollst
du sein. Herr Inspektor." Nein,
nein, das meine ich nicht, was sagte
der Herr noch weiter zur Schlange?"
Müller: Auf dem Bauche sollst du
kriechen. Herr Inspektor." Um Got
tes willen weiter, was noch mebr?"
Müller: Ich werde dir den Kopf
zertreten, Herr Inspektor..."
te Rüubergeschichten.
in ein,m kleinen Städtchen, in
dem gerade Viehmarkt abgehalten
wurde, gab eine Wanocriruxpe ras
immer wirksame Zugstück Die Rau-
der". Der Tempel Thaliens war
eine bescheidene Bretterbude ohne er
höhte Bühne. Durch die Seiternüre
gelangte man unmittelbar von der
Straße auf die Szene. Da samt
liche Mitglieder der Schmiere beschaf
tiat innren, blieb dieser Eingang oh-
ne Bewachung und niemand beme'.lte,
daß er angelweit offen ttano. in
riesiger Ochse, der zu einer Herde
gehörte, die vorübrgetrieben wurde,
einen gastlichen Stall vermuteno. .rat
ohne Zögern durch die Kulissen in
das Tbeater und alckte unsaa'ich
dumm in die Zuschauermenge. Karl
Moor hatte eben seine große Szene.
Das Geräusch vernehmend, glaubte
er, es bereite sich die Erscheinung des
Alten aus dem Turme vor und sckrie
mit markerschütterndem Pathos, wäh
rend er die Augen mit der Hand be
deckte: Entsetzliches Blendwerk, mein
Vater!"
Jn einer Provinzstadt Hannorers
gingen über die Bühne Schillers
.Räuber". Franz Moor tritt mit
dem Briefe zum Vater: Ihr vergebt
mir, wenn ich Euch den Brief .'.icht
selbst lesen lasse diese Zeitung ist
nicht für einen gebrechlichen Körptr"
. . . Mit diesen Worten zieht er ei
ne Nummer der hannoverschen Zei
tung heraus und hält sie dem Pub
likum hin. Es war die Rache des
Mimen, weil ihn die Kritik des BIct
tes, seiner Ansicht nach, übel behan
delte.
Umtausch vorbehalten.
Madame (als die Amme vom Spa
ziergang heimkehrt): .Himmel, das ist
nicht mein Kind . . ."
Regen Sie sich doch nicht auf, gnä
dige Frau! Die Babies sind einige
Minuten von der Obstftau beaufsich
tigt worden, die im Park steht, und
dabei durcheinander gekommen ... ich
babe mir gleich Umtausch vorbehal
ten!"
Einstweilen. Kellnerin:
Trinken Sie noch a Maß. Herr
Krüglhuber?"
Gast: Ich weiß nicht, ob ich noch
a ganze Maß vertragen kann. Broni
... bringen S' mir einstweilen im
wer a Halbe!" : ,: . , ;
Täfllifsif Ctnosio ttUnt.
Das Spttr,ss,rlK,.
Aon Cwir.it Ibcrti.
Auf meinem Evazleraang war ich
für einen Augenblick in daß Bureau
der städtischen Bank eingetreten, um
mit einem meiner Freunde, der dort,
die Stelle eine Lureaucheft beklei
oeie, eine illeraorevung iur ven
Abend zu treffen. Aber er bat mich,
kurze Zeit zu warten, da er momen
tan geschäftliche Angelegenheiten zu
erledigen und keine Zeit hätte, mit
mir zu sprechen. DaS Bureau war
von Leuten überfüllt. Fragen. Ant
worten und Zahlen schwirrten umher,
und jeder dieser ungeduldig warten
den Menschen bemühte sich, die Be
amten für seine Angelegenheiten zu
interessieren, die doch unbedingt die
wichtigsten waren und der schnellsten
Erledigung bedurften. Und wie im
mcr, wenn Geld aus dem Spiele steht,
herrschte eine erregte Stimmung, die
Erwartung jener die sich zu berei
chern hoffen, und die ängstliche Span
nung der anderen, die sich vor Wer
lüften fürchteten.
Ich vertrieb mir die Wartezeit mit
der Beobachtung all dieser Menschen.
AIs ich meine Blicke umherschweisen
ließ, fiel mir die Gestalt eines Man
nez auf, der sich ebenso wie ich im
Hintergrund des Zimmers aufgestellt
hatte. Ein Blick auf ihn genügte,
um zu sehen, daß auch er von der
allgemeinen Unruhe ergriffen war;
und doch ließ er sich von den anderen
immer wieder zurückdrängen mit einer
Schüchternheit, als wäre er es schon
gewöhnt, immer und überall den an
deren den Bortritt zu lassen. Und
sein ganzes Wesen zeigte diese de
mutige Lerschüchterung. Sie war
im Blick seiner traurigen Augen zu
lesen, sie lag auf dem verhärmten
Gesicht, das den Ausdruck eines von
einem grausamen Herrn gehetzten
Tieres trug. Auch seine Kleidung
verriet das Stiefkind des Glückes;
der abgetragene Ueberzieher. der der
schossene Strohhut und der unge
pflegt sein Gesicht umrahmende Voll
bart paßten zu dieser müden, herab
gekommenen Erscheinung. Endlich ;
war im Lokal ein wenig Ruhe ein!
getreten. Der größte Teil der Leute ;
hatte sich entfernt und die Beamten!
benutzten die kurze Zeit der unter
brochenen Arbeit, um die vom Schrei
ben schon ein wenig steifen Finger
zu strecken. Da näherte sich der
Mann endlich dem Schalter, hinter
dem mein Freund saß. den Hut in
der Hand haltend.
Ich bin hergekommen wegen .
wegen meines Kommunalloses! Sie
erinnern sich doch daran? Serie 157
No. 1534. -Um Ihnen die Zinsen zu!
zahlen! Ich habe es doch bei Ihnen
in Verwahrung, Sie wissen doch?"
Und in diesem Sie wissen doch?"
und dem Zittern seiner Hand, die
den Hut hielt, in dem rührenden Lä
cheln, das er auf fein Gesicht zu
zwingen suchte und das diesem doch
nur den Ausdruck einer schwer leiden-!
den Seele gab, in all diesem war
seine ganze Herzensangst zu lesen,
seine fiebernde Furcht vor der Ant
wort. Mein Freund blickte ihn nachdenk
lich an und zögerte einen Moment.
Tann sagte er leichten Tones: Ah,
Ihr Kommunallos! Aber mein lieber
Sianor Vinus! Erinnern Sie sich
denn nicht mehr, daß Sie mir das:
Los zur Belehnung übergeben Habens
mit dem Rechte, es verkaufen zu dür-1
fen, wenn Sie die Nückzahlungsra
ten nicht pünktlich einhielten? Und
Sie haben doch jetzt einen ganzen
Monat vorbeigehen lassen, ohne Ihre
Verpflichtungen einzuhalten! Ich
glaubte nur. zu Ihrem Besten zu
handeln, um Ihnen noch einen klei
nen Ueberschuß auszahlen zu können!"
Der ädere starrte ihn an mit aus
den Höhlen tretenden Augen, offenen
Mundes, in schmerzhaftem Schrecken
und offensichtlicher Verzweiflung, und
vergebens bemühte er sich, das
krampfhafte Zitiern seiner Lippen
hinter einem Lächeln zu verbergen-,
und er murmelte halblaut vor sich
hin: Gewiß, gewiß! Bitte um Ent
schuldigung. Sie haben recht, eS
ns"it nickts, es macbt nickts!"
Und doch bedeutete es für ihn alles,
für diesen Unglücklichen! Man sah es
ihm wohl an, daß er an dieses Los
geglaubt, sich an diese schwache Hoff
nung mit ollen seinen Kräften ge
klammert hatte, daß es für ihn das
einzige Glück der Gegenwart und die
einzige Hoffnung der Zukunft gewe
sen war, für ihn, der so gebrochen
vom Leben war und der doch diese
einzige Hoffnung nicht aufgeben woll
te, wie der Schiffbrüchige, der sich
an eine Planke klammert, müde und
kraftlos, aber sich immer wieder auf
richtend an dem Gedanken: Das ret
tcnde Schiff muß kommen!"
Mein Freund, gerührt, versuchte
ihn zu trösten. Was lag an so
einem Los? Man gewänne doch nie
mals; dies sei doch nur ein glück
licher Zufall unter tausend Enttäu
schungen. Und jetzt, Signor Vi
nas, jetzt gibt eS für Sie nur etwas
Kluges zu tun! Versuchen Sie. die
Nummer zu vergessen, damit Sie die
stete Angst los sind!"
Der andere hörte diesen Beschwich
tigungsversuchen zu, ohne ein Wort
zu erwidern, nur die Muskeln' seine
Gesichts zuckten und demütig grü
ßend entfernte er sich dann, ei
Mann, dem die letzte Hoffnung dkt
Leben geschwunden ist.
Mein Freund blickte ihm nach.
dann wendete er sich zu mir und !
sagte: .Ich weiß, all mein Reden I
wird nicht genutzt haben! Er wird,
sich die Nummer de verlorenen LoI
se in Gedächlni einbrennen! So
machen e alle!" Dann erzählte er'
mir die Geschichte deS Manne!:
Et hieß Ferdinand VinaS und war
der Sohn eines Portiers. Der
Schule entwachsen, hatte er durch die
Protektion der Besitzerin de Hause
eine Stelle in einer Holzgroßhand
lung erhalten. Und er war fleißig
und strebsam gewesen und hatte sich
Bahn zu brechen gewußt. Er hatte
an sich weitergearbeitet, seinen Hort
zont erweitert und seine Pflichten in
vollendeter Weise erfüllt.
Und durch feine Tüchtigkeit hatte
er eS verstanden, sich die Gunst fei
ne Chefs zu gewinnen, und als sich
dieser nach vielen Jahren vom Ge
schäft zurückgezogen hatte, hatte er
ihm die Leitung übergeben. Und
um sein Glück vollständig zu machen,
war eS ihm auch gelungen, sich die
Liebe der achtzehnjährigen Tochter
feines Herrn zu gewinnen und sie
als Braut heimzuführen. Aber eins
war ihm nicht geglückt: fein Selbst
bemußtfein zu heben. Er konnte die
Schüchternheit seiner bescheidenen
Abkunft nicht überwinden. Sogar
in seiner Frau achtete er mehr die
Tochter seines ehemaligen Ehess. als
die gleichwertige Gefährtin. Immer
fühlte er sich als der bescheidene, ab
hängige Bursche von ehemals, der sich
wie eine Marionette an den Drähten
leiten läßt, die die anderen, die Hö
herstehenden, ziehen. Seine Frau
hatte nicht viel Zeit zu dieser amü
sanken Beschäftigung gehabt, sie starb
bald und ließ ihn mit einem kleinen
Mädchen zurück.
Und dieses Kind hatte nur zu
früh seine Schwache erkannt", sagte
mein Freund.
Alle Opfer, die ein Vater nur
für ein verwöhntes Kind bringen
kann, hatte er gebracht. Keines war
ihm zu groß erschienen. Er sprach
von seiner Tochter, wie andere von
der Madonna sprechen. Ich habe sie
einmal gesehen, als sie mit ihm ins
Bureau gekommen war, um Geld zu
wechseln. Sie war blond, schlank
und graziös, damals fast noch ein
Kind, kaum 17 Jahre alt und doch
fchon ein verführerisch schönes Weib
mit großen, dunklen, leuchtenden Au
gen. mit glänzende Zähnen, die be
reit schienen, sich in das Leben ein
zubeißen, wo es am schönsten ist.
Und sie trug ihre eleganten Kleider
mit solch einer Grazie, als schiene es
ihr ganz undenkbar, sich in andere
Stoffe alz in Spitzen und Seide zu
hüllen. Und je älter sie wurde, desto
höher stieg ihre Sucht nach Lurus . . .
und dann, unglücklicherweise, setzte sie
sich einen jungen Studenten in den
Kopf und wurde seine Frau. Ich
sagte unglücklicherweise", sagte mein
Freund, weil dies ein Mann war.
dessen Charakter auch nicht die nötige
Festigkeit aufwies, dessen der Le
bensgefährte dieses leichtsinnig veran
lagten Geschöpfes bedurft hätte. Der
Vater sah dies wohl ein, aber es
wäre leichter für ihn gewesen, zu
sterben, als seinem Liebling einen
Wunsch zu versagen. Und sie war
doch so glücklich in all den Vorbe
reitungen zur Hochzeit, umgeben von
Spitzen und Seide und Pelzwerk.
Und dann kam, was kommen muß
te. Der Gatte, der nicht nur schwach,
sondern auch leichtsinnig war, wen
bete eines Tages oll diesem den Rük
ken, nicht ohne vorher die Kasse des
Alten aufzuschließen und für sein
ferneres Wohlergehen vorzusorgen.
Und seine Frau weinte ihm keine
Träne der Liebe oder der Sehnsucht
nach. Die einzige Veränderung, die
sein Abschied mit sich brachte, bestand
darin, daß sie nun wieder zum Vater
zog
Welch ein Martyrium lebte nun
der Alte! Es ist wahr, er hatte eine
schöne, elegante Tochter! Oh. ihre
Spiegel sagten es ihr oft genug, und
Schönheit legt Verpflichtungen auf!
Ja. er durfte sich freuen! Las er
ihren Namen doch immer in der Zei
tung, wenn es eine Zusammenkunft
der eleganten Welt zu beschreiben gab!
Sprach man doch überall von ihr
als einer der schönsten Frauen! War
die nicht genug Belohnung für fein
Opfer, all dies bezahlen zu müssen,
mit dem Vermögen, das er sich in
harter Arbeit mühselig erworben hat
te? Und so gab er die Hundertlire
stücke, die er sich Centesimi für Cen
tesimi sorgfältig zusammengelegt
hatte, sich nie auch nur den geringsten
Lebensgenuß gönnend, eines nach
dem anderen her, jedes einer neuen
Laune der geliebten Tochter opfernd."
Als mein Freund geendigt hatte,
erschien vor meinem geistigen Auge
der Alte wieder, in seinem schäbigen,
abgetragenen Rock, mit dem verschos
senen Strohhut, und ich sah sein ver
zweifelteS Gesicht wieder über die
letzte, fehlgeschlagene Hoffnung: das
verkaufte LoS. Ein seltsamer Kon
traft zu dem Bild. daS die Erzäh
lung meines Freundes in mir von
der strahlenden Schönheit und Ele
ganz der Tochter hervorgerufen hatte.
Einige Monate verstricken, ich hatte
Signor Vinas fchon fast ganz vcr
gefsen und ick begegnete ihm auch nie
auf der Straße.
Eine Abend hotte ich miedet me!
nen Freund im Bureau besucht. Da
öffnete sich die Tür und VIna trat
ein. Diesmal hielt er sich nicht
schüchtern im Hintergrund. Den Hut
auf dem Kopf behaltend, mit Augen,
au denen der bitterste Haß sprach,
stürzte er aus den Lagerhaltet lo.
hinter dem mein Freund saß, und
schrie Ihn mit rauher, greller Stim
me an: Schnell, schnell, ich habe
keine Zeit!"
Und als mein Freund ihn um fein
Begehren fragte, stieß er hervor: Ich
habe heute im .Kurier" gelesen, daß
mein Loi gezogen worden ist! Mein
KommunalloS, Serie 157, No.
Aber ich kann es gar nicht glauben,
vielleicht habe ich mich nur geirrt!
Deswegen bin ich hergekommen,
um
Er konnte vor Erregung nicht wei
ter sprechen. Mein Freund warf ihm
einen Blick zu: Hab? ich eS dir nicht
gesagt, so machen sie es alle? Keiner
hat den Mut, feine Nummer zu ver
gelsen!"
Tann rief er einen Lehrling, einen
blonden Jungen, und sagte zu ihm:
.Geh'. Marini, lauf' einmal flink
zum Merkur", dort liegen immer
am ersten die Ziehungslisten auf! Er
kundige dich dort!" Und zu Vinas:
Jn zehn Minuten werden wir wif
sen, woran wir eigentlich sind."
Zehn Minuten! Für ihn eine
Ewigkeit. Nie kann ich diese zehn
Minuten vergessen, denn nie noch
sah ich ein menschliches Wesen in solch
nervenzerreißender Aufregung. Er
lief auf und ab. keuchend, in einem
Aufruhr seines ganzen Wesens, hal
tungslos. Die Demut und Zurück
Haltung eines ganzen Lebens entlud
sich in dieser kurzen Spanne Zeit.
Vor seinen Augen erschien sein gan
zes verlorenes Leben, seine freudlos
verbrachte Jugend, sein Eintritt ins
Geschäft, und dann dieses Zusam
menraffen der Geldstücke, eines nach
dem anderen, und von dem ersten
Ersparnis hatte er sich, fünfzig Iah
re vorher, dieses Los gekauft, einst
sein größtes Glück, nun seines Lebens
härtester Schlag.
Und inmitten seines Ctammelns,
in dem seine arme, gequälte Seele
sich Luft machte, schien er ganz seine
Tochter vergessen zu haben. Nicht
ein Wort von ihr; er sah nur sich
und die Ruinen seines Lebens.
Als der Lehrling zurückkehrte,
stürzte sich der Alte auf ihn, toten
blaß, das Gesicht von Angst und
Schmerz verzerrt: Ist es wahr, ist
es wahr?"
Nein, es ist nicht wahr!" sagte der
Bursche mit ruhiger Stimme.
Das Gesicht des Alten wurde von
einer fast wahnsinnigen Freude über
zogen; die ganze magere Gestalt wur
de von einem Zittern ergriffen. Dann
faßte er sich ein wenig, und von tie
fer Scham überkommen, verfiel er
wieder in seine gewöhnliche Haltung,
bat meinen Freund vielmals um Ent
schuldigung wegen der Störung und
entfernte sich dann, vor Scham in sich
zusammengesunken, in seinen abgetra
genen Ueberzieher gehüllt, aber doch
mit einem Seufzer der Erleichterung.
Und sein Gesicht hatte einen glück
lichcn Ausdruck, einen so glücklichen,
wie ihn vielleicht nicht einmal der
Gewinn des Haupttreffers auf ihm
hervorgerufen hätte. Tenn trotz al
ler Grausamkeiten, die das Leben ge
gen ihn verübt hatte, einmal war er
doch Sieg'? über das Schicksal ge-blieben.
Tie Fledermau im Tienst er
Menschheit.
Wie gründlich uns eine ganz ge
wohnliche Miickenplage auch den land
fchaftlich herrlichst gelegenen Ort ver
derben und wie sehr wir unter ihr zu
leiden vermögen, das hat schon manch
erholungsbedürftiger Sommerfrischler
zu feinem großen Kummer am eige
nen Leibe verspürt, so daß er sehr
wohl sich in die verzweifelte Lage
jener armen Menschen hineindenkrn
kann, die unter den geraöezu gefähr
lichen Moskitos Qualen der fchlimm
sien Sorte zu ertragen haben. Mit
nicht geringem Jubel wurde daher die
Nachricht aufgenommen, daß dem
amerikanischen Bakteriologen Dr.
Charles R. Campbell von San Anto
nio ein Versuch, Moskitos mit Hilfe
von Fledermäusen zu bekämpfen,
glänzend gelungen sei. Gerade die
Stadt San Antonio und ihre Umge
bung leiden furchtbar unter Malaria
und Moskitos. Alle möglichen Ver
suche, den Uebeln abzuhelfen, schlugen
mehr oder weniger fehl. Da nun be
kannterweise Fledermäuse vorzügliche
Jnsektenvertilger sind und für Mos
kitos eine besondere Vorliebe haben,
verfiel Dr. Campbell auf den Ge
danken, diese Eigenart der Tiere für
seine Zwecke nutzbar zu machen. Er
ließ in und um San Antonio herum
sogenannte l,atruts" errichten, die
die Fledermäuse einladen sollten, sich
häuslich darin niederzulassen. Diese
bezogen denn auch sofort ihre neuen
Quartiere und eröffneten mit voller
Kraft ihre berufliche Tätigkeit: den
Vernichtungskrieg gegen die Moski
tos. Da dieser erste bescheidene Ver
such so ausgezeichnet glückte, beschloß
D.'. Charles R. Campbell, unentwegt
dieser Fährte zu folgen, und hofft im
Laufe der Zeit noch günstigere Resul
täte gegen die Moökitoplage zu er
zielen.
Ei Wassgang.
Xtl ?, itt ttmtnitn 1s tnurU
fchr Btrdnklkbnks.
Zu dem Duell, da unlängst Zw!
seien dem Präsidenle'. de ungari
sckn Abgeordnetenhauses. Grofe't
Stephan Tiszi. und dem Abgecrd,
kkten Grafen Michael Karolyi am 2.
Januar stattfand und mit der Ler
Ittzung und Kampffähigkeit bei
t rafen Kacolyi endete, während Gras
2iza vollkommen unversehrt blieb,
werden auS Ofenpst folgende Ein
zklhein gkinelkt: Die Beranlussung
zum Duell gab ein Wortwechsel, der
zwischen dem Grasen Karolyk und
d,m Grafen Tisza am 1. Januar
abends im Nationalkasino zu Of:n
pest stattgefunden hatte. Zwischen 5
und 7 Uhr abends war Graf TiSza
im Nationalkasino erschienen, wo in
einem Nebensaal Graf Michael Ka
rclyi mit zioei Freunden sich unter
hielt. Graf Tisza ging auf den
Grafen Karolyi zu und wollt, ihm
ttwaS sagen. Graf Karolyi wie je
doch die Hand deS Grasen TtSza zu
rück und sagte: Nach dem. waS ge
schehen ist. wäre z'.oeckloS, wenn mit
miteinander schöntun würden." Grs
Tisza kthrte daraus dem Grafen Ka
rolyi den Rücken und ließ ihn zum
Duell fordern.
Graf Tisza ist. obwohl et nut aus
dem linken Auge sieht, einet oet bet
rorragc.idsten Fechter Ungarns, ode.'
auch Graf Karolni gehört zu den be
dtutendsten ecktern deS Landes. So
ist es zu erklären, daß die Gegne
Jümsll niiseirmndkkstiekeri. und r?
nach 32 Gängen einer von ihn?
kampfunfähig wurde. Man ljird sich
!um erinnern, daß jemals ein so
lcnge andaurrnder Wakfengang statt
fand. Der Zweikampf währte über
eine Stunde. Das Duell fand ::m 3
Uhr nachmittags stutt. Beim ersten
Gang erhielt Graf Karolyi auf die
Stirn einen leichten Hieb von mehre
ren Zentimetern Länge, den die Aerz
:e verklebten. Hierauf gerieten die
Gegner noch einunddreißigmal an
einander, so daß die Dauer deS Du
ells insgesamt 55 Minuten betrug.
Während des weiteren Verlaufe deZ
weikampfes erhielt Graf Karolyl
noch zehn til zwölf Flachhiebe auf
den 5tcpf, auf die Schulter, auf den
Arm und auf die Brust. Beim zwei
,nddreißigsten Gange erbielt Gr,'
Karolyi an seinem rechten Arm einen
scharfen Hieb. Als das Blut hervor
spritzte, erklärten die Sekundanten
auf Grund des Gutachtens des Pro
fessors Hültel, der derArzt ihrer Par
!el war. daß Graf Karolyi nicht
mehr fähig sei, den Kampf fortzuset
zen. .hieraus wurde der Kamps em
gestellt. Die Parteien versöhnten sich
nicht. Graf Tisza blieb unverletzt
und erhielt bloß bei einem der Zu
sammenstöße auf dem rechten Arm ei
nen ganz belanglosen Flachhieb, d:t
vom Umkippen der Säbelspitze her
rührte.
Graf Tisza erwies sich als fefirn
zendcr Fechter. Sämtliche Anwesen
de bewunderten die Elastizität, mit
der er den überaus langen Zweilampf
austrug, und die Ueberlegenheit, die
er fortwährend über seinen Gegner
bewies. Dabei verlor Graf Wza
keinen Augenblick die Ruhe, während
Graf Karolyi während des ganzen
?weikampfes so fieberhaft erregt war,
daß es die Aerzte für angeraten hiel
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ten Schwamm abzuwasche.i. Karo
lyi war bereits beim siebzehnten Zu
sammenstoß so erschöpft, daß die
Aerzte eine Ruhepause von einer Mi
nute anordneten, während der sich
Graf Karolyi in einem Nebensaale
auf einen Diwan legte und eine
Herzmassage an ihm vorgenommen
wurde. Die Aerzte wollten ur
sprünglich nach diesem siebzehnte..'
usammenst.sj das Duell für beendet
erklären, da ihnen die Blässe deS
Grafen Karolyi höchst bedenklich er
schien; allein er wollte unter keinen
Umständen davon etwas wissen, und
s? wurde die Herzn. age vorgenom
men. Als diese vorüber war, erhob
sich Graf Karolyi. de'- befürchtete.
daß das Duell für beendet erklärt
würde, und eilte in den Fechtsaal,
um das Duell forizuseen.
Als Graf Tisza abends im Klub
erschien, strömten ihm sämtliche Mit
glieder der Partei entgegen und bra
chen in stürmische Eljenrufe auS. Der
erste, der den Grafen Tisza beglück
wünschte, war Ministerpräsident Lu
kacs. Graf Tisza ließ sich nicht in
Erzählungen de; Einzelheiten deS
DuellS ein. Er erwähnte bloß, daß
er, während im Abgeordnetenha:,
im politischen Kampf einzelne ,'e
tcklmpfungen gegen ihn laut wurden,
sich nicht darum gekümmert habe,
weil er diese Dinge nicht auf daS
persönliche Gebiet bringen wollte; 1 13
jedoch Graf Karolyi die Angelegen
heit auf das gesellschaftliche Gebiet
übertrug, hielt er es für geböte sich
Genugtuung zu verschaffen. Graf
Tisza trat im Klub auf den Staats
iekretär im Ministerium deS Innern
Emmerich Jakabffy zu und sprach
'bn mit folgenden Worten an: .Wie
ich höre, haben mich Detektiv! in
:dnm uebereifer 'um Fechtsaal ve
oleiiet. Ich danke Dir. daß mit die
Polizei derart reimDucll sekundierte.'
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