"
7
V
i
i.
p I , . ...
lt I, v- -
An Dunkel gehüllt.
Nomc i von
(11. Fortsetzung.)
' Manfred Cchkuttr strebte munter
öarwärts. wie c'n Mann, der kin rei
MS Gewissen besitzt, (it pfiff sich kin
munteres Stückchen, während er an
htt Haltestelle auf die Elektrische war.
tetk. Zu diesem gesellte sich jemand.
. redclustiz aufzclczt war. Er
knüpfte sofort ein Gespräch mit dem
jungen Manne an. welches sich in den
aller harmlosesten Bahnen bewegte.
TaZ Wetter, die ssahrgelegenheiten.
endlich der Hörner Mord, der in den
ersten. Tagen nach dem Geschehnis
das Tagesgespräch gebildet hatte und
namentlich auf dieser Strecke bis zur
Erschöpfung erörtert worden war.
Jetzt allerdings fingen die Wogen der
Erregung bereits an, abzuebben. daS
Jnterzsse verlor sich, andere Ereignisse
traten in den Vordergrund.
' , ' Immerhin war der Mord noch
nicht in Vergessenheit geraten; es wa
tön doch erst gut acht Tage seit jener
Katastrophe verstrichen.
' Manfred Scheurer hatte durchaus
keine Veranlassung, sich in Schweigen
zu hüllen; er erzählte, daß er in der
Nachbarschaft der Hunnfchen Villa
bedienftet sei und welchen großen An
teil das tragische Schicksal der hoch,
geschätzten armen Ermordeten überall
fände.
An der Ecke des Burftab und Nö
dingsmarkieS verlieh der Diener den
Wagen, und nachdem er flüchtig zum
Abschied an seine Mütze gegriffen,
kümmerte er sich um seine neue Ve
kanntschast nicht weiter. Er eilte den
Zkajen zu und bog in den unwirtli
- chen, düsteren Gang ein.
' ,Hallo. Manne!" rief der alte Herr,
der um diese Stunde noch nicht sein
Lager aufgesucht. .,ich habe Dich so
kzalbwegs erwartet. Sieh, mein
Junge, dort auf dem Petroleumkocher
, brodelt das Wasser und hier'' er
schnalzte mit der Zunge, indem er
eine Flasche, halb mit Rum gefüllt,
' gegen das Licht hielt hier ist ein
guter Tropfen. Zu Abend gegessen
wirst Tu wohl haben?'
Nicht gerade zu Aüend, Vater,
aber doch zu Mittag. Wir essen um
halb sieben."
Ja, immer nobel. Hier in mei
ner stillen Klause vergesse ich natür
kich, daß es draußen eine Welt voll
Glanz und Pracht gibt. Auch für
mich gab es einmal bessere Zeiten.
Nun, reden loir nicht davon
enpi
Der Alle seufzte, dann strich er
zärtlich über die Flasche mit dem
lockenden Inhalt.
-r Manfred hatte sich gesetzt, nachdem
tt seinen Mantel an dem Nagel auf
gehängt; den Filzhuk legte er vorsich
ti$ auf die Kommode.
'Philtop Schwer, der Vater, hatte
?wei Gläser von zweifelhafter Sau
lerkeik aus den Tisch stellt; als aber
. der Grog in denselben duftete, fah
wem nichts mehr von der Unsauber
seit.
Manfred ergriff sein s'las.
Prost. Vater."
Prost, mein Cöhnchen, auf ein
gutes Gelingen Deiner geheimsten
Wünsche."
Er leerte sein Glas auf einen
L"g.
Siehst Du, wie ich es ehrlich
meine.".,
Mit mir. gewiß, dessen bin ich
sicher erwiderte Manfred.
Bei Euch da draußen sind ja
haarsträubende Dinge passiert." hob
der Alte an, nachdem er sich seinem
Sohne gegenüber mit Behagen nie
dergelasscn. Damals, als Du mir
, das Dings es steht noch wohlbe
ballen in der dunklen Luke zur
Verwahrung brachtest, hatte ich ja
keinen blassen Schimmer davon. Und
' Du sagtest auch nichts."
Die Geschichte ging mich ja im
Grunde nichts an, erstens und
zweitens hatte ich ein furchtbar unbe
haglickes Gefühl. Gib mal den Ka
sten heraus, Vater."
Mit einer jünglingsartigen Vehen
digkeit sprang der Alte hinter die
Betlstcttt und holte des Gewünschte
hervor.
Manfred durchschnitt mit dem Ta
schenmesser das Band, nahm die Hülle
ob und stellte den Blechkasten auf den
Tisch-
Mit diesem Kasten hat es seine
eigens Bewandtnis", erklärte er, und
ft'iiie 'Hand, die das Glas zum
Munde führte, zitterte merklich.
.Schließ mal die Außentür. damit
wir ungestört sind. Dann will ich
Dir das Geheimnis dieses Kastens
erzahleri." :
Geschäftig eilte Scheurer sen. an
die Thür und horchte auf den Flur
binaus, ob sich nicht etwa neugierige
Lauscher dahinter befanden. Dann
drehte ek den Schlüssel um, und hing
vorsichtshalber ein Tuch über den
Drücker.
So. nun kannst Du losschießen",
ermunterte er seinen Sohn. -Dieser
befolgte den Rat, sprach aber
im Flüsterton.
: Die Stimme drang so schivach
in des Alten Ohr. daß er Mühe
.h:"k, alles ' zu verstehen, denn sein
fepjr. "S-v
A. 'Siiät.
,vtjgij.ar igjr
j
7
Gehör litt schon unier der Last der
Jahre.
AIS Manfred schwieg, lies; der Va.
ier nur ein leises Grunzen verneh.
men.
Und nun. Männe?" fragte er.
Nun wölkn wir den Zlasten auf
seinen Inhalt prüfen."
Philipp Scheurer brauchte nur die
Tischschieblade zu öffnen, da lag zw!
schen einem Nest Schwarzbrot, etwas
Leberwurst und einem Röllchen Kau.
tabak Hammer und Brecheisen.
Hast Du keinen Schlüssel?" fragte
der Sohn.
Nein", entgegnen der Bater.
fcrtH k, n Lust, öi st be U reue
dar an dem Kasten noch einmal, vor
zunehmen, die er vor acht Tagen an
wandt.
Es kostete viele Mühe; das Schloß
setzte den Kraftauzwendungen großen
Widerstand entgegen; endlich aber gab
es einen Knar. man konnte den
Teckel öffnen.
Briefe lagen darin.
Nichts als Briefe einfache
Briefe.
Der ganze Kasten war vollgepfropft
damit.
Vater Scheurer stieß ein meckern
des Lachen aus.
Daß Dich der "
Manfreds zitternde Hand war-
sen den papiernen Inhalt in wüstem
Durcheinander wieder in den Kasten
zurück.
..Auch gut."
Er trank sein Glas hastig aus.
Bring' den Plunder auf die eile,
Vater."
Gewiß, mein Sohn."
Ich will jetzt gehen, ich brauche
Luft. Hier ersticke ich."
Manfred zog sich seinen Paletot an.
Ivährend der Alte den 5iasten in sein
Versteck zurückbeförderte.
's ist vielleicht besser so," murmelte
Männe. Ich heirate die Dor,s.
Zwar ist sie zehn Jahre älter als
ich und so gräßlich vernünftig. Aber
man will doch vorwärts in der Welt
und nicht ewig Diener bleiben. Do
ris hat fünftausend Mark geerbt.
Hätte ich so viel geerbt, was unter den
gegebenen Verhaltnissen sehr wohl
hätte sein können, dann nun ja.
dann hatte ich Doris nicht genom
men. Die kleine Mike bei Büttners,
das verflixte schnippische Kammerkätz
chen, ,hat mirs nun mal angetan."
: Ja, mein Sohn", sagte der ehr
würdige Alte und strich sich seinen
schönen grauen Vollbart, man kann
nicht alles haben."
Stimmt, und darum heirate ich
die Doris. Ich bin fürs Vorwärts
kommen." Manfred fuhr direkt wieder nach
Horn hinaus. Nachdem er seinen
Anzug gewechselt, sich wieder in die
Livree gesteckt, ging er in oen Hinrer
garten. i kroch er in ein Gebüsch hin-
ein und trat an das die Grenze bil
dende Staket.
Vom Herrenhause aus ungesehen
ließ er einen kurzen Psiff erschallen.
Nero, der Kettenhund, kroch aus
feiner Hundehütte hervor und wedelte
mit dem Schwänze.
Er mußte seinen Pfiff nochZais
wiederholen.
Das Staket überspringen oursie er
nicht, es wäre ihm ganz leicht ge
wesen. Doris hatte eS ihm aber ver
boten. Sie hielt mit altjüngferlicher
Pedanterie auf Reputation, und wenn
sie auch schon zu Lebzeiten ihrer ye
liebten Herrin gegen einen zeitweili
gen Besuch des jungen Mannes auf
diesem nicht gerade ungewöhnlichen
Wege nichts einzuwenden gehabt hat
te. nun. da sie alleinige Bewohne
rin der Villa, wenigstens vorläu
sig noch war. glaubte sie den An
stand noch jeder Richtung hin wahren
zu müssen.
Manfred er wurde in der Se
natorsvilla Friedrich genannt
war ihr Schatz. Zwar kein stur
Mischer, heißblütiger Liebhaber, aber
jedenfalls ein Wann mit reellen Ab
sichten. Doris verlangte keine stürmischen
Liebeserklärungen, dazu war sie zu
kühl veranlagt und zu praktisch. Ihr
Verlöbnis war ja auch noch recht
neu. Vor vierzehn Tagen hatte
Friedrich die ersten Anspielungen ge
macht. Dieses kam bei Gelegenheit eines
GesvrächeI. welches die beiden Dienst,
boten, unten in der Küche sitzend, mit
einander führten.
Sie hatten von ihren Ersparnissen
gesprochen.
' Der Diener konnte zwar nicht groß
mit den seinen renommieren, gab er
doch seinem Alten von seinem Wer
dienste ab. Philipp Scheurer machte
zwar hin und wieder Geschäfte man
cherlei Art, er war nicht gerade wäh
lerisch. und eine Großstadt züchtet
allerlei Existenzen. Seine Einnah
men hielten ihn jedoch nur eben über
Wasser." .
Doris dagegen hatte , ihren Lohn
zu Rate gehalten, und konnt!, stolz ein
Sparkassenbuch .mit annähernd tau
send Mark aufwcise?,',.
Isuilitfi
Tausend Mark", so Halle dcmatt
der junge Dienet gedacht, man
könnte etwa! damit anfangen,
um wenn man eine Frau vom Schla
ge Dori' an seiner Seite hätte. Die
alte Hunn würde bei einer tventuellcil
Heirat gewiß auch ein übrige tun.
So war's gekommen, daß man sich,
kurz entschlosten. einig ward.
Doris sah nicht, wie dieses wohl
bei andern Brauten der Fall, den
Himmel voller Geigen; sie war uch
nicht des Jubels voll, sondern hatte
mit kühlem Blute und praktischen!
Sinn nur ihr ferneres Fortkommen
im Auge; sie war eine gute Köchin,
er würde einen gewandten Wirt ab
geben.
Manfred Scheurer war ein Stre
ber. Nur daß in ihm leider eine leichte
Ader steckte; die hatte er vom Vater.
Er war arg hinter den Weibern he?
heiteren, jungen, lebenslustigen, leich
te: Weibern.
Davon wußte aber Doris nichts.
die tn ihrer altiungserlichen Ehr
karkeit ihren ebenen glatten ffl'tg
ging.
Nachdem Manfred den Pfiff meh
rere Male wiederholt, erschien Doris
auf der Bild lache.
Sie hatte ihren mageren Körper
in ein großes Wolltuch gewickelt,
uns trat mit einem freundlichen Gu
len Abend" zu ihrem Bräutigam her
an.
Darf ich nicht ein bißchen 'rü
herkommen?" bat Manfred fchmei-
cyeino.
Nein, das geht nicht, ich kann hier
keine Mannsleute empfangen , sagte
Doris in brüsk abwehrender Weise,
Ich bitte Dich. nach der Mordge
schichte; wir könnten in einen falschen
verdacht kommen.
Dieser Borwand war ausschlaaae
bend für den Diener; sonst hätte es
ihm. zum Teufel, doch gelingen sollen.
das lange hagere Madchen zum Nach
geben zu bringen. Er. Manfred
scheurer.'
Die beiden Liebenden wisperten also
über den Zaun hinweg. Es wird
zum Lachen.
Die Villa der Frau von Hunn war
einem Makler zum Verkauf überqe-
ben worden; die Möbel sollten verauk
tioniert. kleine Andenken an gute
Freuude verabreicht werden. Solan
ge der Nachlaß der Verblichtncn noch
nicht geordnet, hatte man Doris in der
Villa gelassen. Man konnte ihr un-
bedingt vertrauen, sie wurde über ,h
ret geliebten Herrin Eigentum mit
ArguSaugen wachen. Außerdem war
jedes Stück notiert, sie war sich be
wußi, eine große Verantwortung mit
dem Hüten der Villa übernommen zu
haben.
Während dieses ungleiche Liebes
paar am Zaune stand und Zukunfts
bilder entrollte, wobei sich eine wun-
derbare Harmonie in ihren Ansichten
aussprach, faß der alte Scheurer vor
dem Haufen Briefe, die er nach dem
Fortgang seines Sohnes sofort wieder
dem Kasten entnahm.
Man konnte solche Reminiszenzen
aus vergangenen Tagen nicht Pietät-
los dem Untergänge weihen, dachte
Philipp ScheUrer mit einem kausti-
schen Lächeln.
Und wenn ihn die alten Liebes-
briese und Freundschaftsergüsse der
unbekannten Dame im Grunde auch
nichts angingen, so interessierten sie
den älteren Mann doch.
Das war die Sprache seiner Ju
gend; so hatte auch er einmal ge
schwärmt, gefühlt. Das war nun
schon lange her, häßliche Erinnerun-
rtin fiinfn ftrfi sVntsrftPtl fcfiR sPinff
iwi i vv ii j gtv wf
und Jetzt.
So saß Philipp Scheurer lange,
lange, beim trüben Schein der kleinen
Petroleumlampe.
Er hatte sorgfältig jeden einzelnen
Brief durchstudiert, und sobald er
ihn gelesen, hatte er ihn vor den
kleinen eisernen Ösen geworfen. Er
wollte alles sofort verbrennen, es
war zwecklos, ja kompromittirend,
solchen wertlosen Plunder aufzuheben.
Einen Brief aber warf er nicht zu
den andern; er möcht denselben wohl
nicht zu dem wertlosen Plunder rech
nen. Der war nur kurzen Inhalts und
paßte so gar nicht in den Liebes
und Freundschaftsbehälter hinein.
Mochte auch wohl nur aus Wer
sehen sich in die intimen Angelegen
leiten der alten Dame verirrt haben.
Diesen Brief legte er gedankenvoll
zurück.
Und als er mit seiner Lektüre fer
tig tvar, holte er aus seinem Ausgeh
rock ein Portefeuille von verblichener
Eleganz hervor; in dieses legte er
denBrief hinein; es war der einzige
Inhalt.
Nun wurde der Haufe Papier in
den Ofen gesteckt, ein Streichholz
flammte auf.
Lustig und gierig leckten die Flam
men an den lieben Erinnerungen ei
ner schönen, reichen Vergangenheit
herum, und Philipp Scheurer streckte
seine welken Hände über die Glut
und wärmte . seinen ausgemergelten
Körper daran.
(Fortsetzung folgt.)
Schüttelte, m. Der Dieb
sah um die Ecke Leutj biegen;
Drum ließ er schleunigst seine
Bcute liegen.
Cnifilja Tribune.
1'cnnfr.ina,
Tle ttlucksganö.
Erzählung w,, Cl. Reiiner, ,
Ei klingelte. DaS kürzlich zuge.
zogen Dienstmädchen öffnete, und
brachte der Tochter des Hauses einen
Brief.
An Fräulein Louise Müller, Ber
lin. Klkiststkiiße 100" lautete die Auf.
schrift.
Schnell, Marie, laufen Sie dem
Postboten nach und geben Sie den
Brief zurück. Erstens heiße ich Alice
und zweitens kenne ich den Absender
nicht. Der Brief ist gewiß wieder
für Fräulein Müller. Kleiststraß
101. bestimmt.
DaS Mädchen eilte mit dem Brief
davon.
Diese ewigen Verwechselungen!
Das kommt davon, wenn man Mük
ler heißt ni und daran läßt
sich ja nichts ändern wenigstens
fürS erste nicht, simulierte sie für sich
schmunzelnd weiter. Aber ich habe
eine Idee von Schiller, ich nenne mich
jetzt Alice-Lotte. Lotte nennen sie
mich ja doch schon alle und so bin
ich unter den Müllerinnen vielleicht
doch leichter herauszufinden."
Hiermit war für den zwanzigjäh
rigen kleinen, energischen Schelm die
Angelegenheit erledigt. Lustig tral
lerte sie ein Lied und ging zu ihrer
Mutter in die Küche. Trotz der vor
gerückten Jahreszeit war es ein hei
ßer Tag und Mutter und Tochter be
rieten, wie sie am praktischsten die
vielen Fleischvorräie verwenden könn
ten, deren Aufbewahrung bei den
mangelhaften Wirtschaftsräumen ei
ner Berliner Wohnung an und für
sich ziemlich schwierig ist. Außer dem
für die nächste Mahlzeit gekauften
Fleisch hatte der billige Schlächter
aus Schlesien unbestellt einen riesi
gen Kalbsbraten geschickt imd ein Ver-
wandter von Frau Muller glaubte
seiner Cousine mit Uebersendung ei
ner selbsterlcgten" Rehkeule eint
Freude zu bereiten.
Mutti, weißt Du." schmeichelte
Alice, da wäre doch die beste Gele
genheit, eine kleine Gesellschaft zil
geben. Wir haben sowieso noch ei-
niae Verpflichtungen, Marqa und
Elfe müssen wir einladen und Nefe
rendar Schneider und dann war ich
U
Ja, ja, mein Kind," stöhnt: Frau
Müller. Du weißt doch, Vater will
von Gesellschaften nichts hören, es ko-
stet schon alles Geld genug."
Ja. aber ehe das Fleisch um-
kommt?" wagte Alice noch einzuwen-
den. Im stillen hoffte sie ihren al-
ten Herrn doch herumzukriegen und
ihm sogar eine Bowle abzuluchsen.
Was wußte sie von Geldverdienen
und den Anforderungen des täglichen
Lebens. Und wenn auch Herr Mül-
ler seinem Mädel und seinen beiden
Söhnen gern jedes Vergnügen ae-
gönnt hätte, so verfügte er doch nur
über ein nicht zu hohes Einkommen,
das keine zu große Sprünge gestat
tete. Während nun Alice schweigend die
Preißelbeeren zum Einmachen sor-
tierte. heiterte sich ihr Kesichtchen all
mählich wieder aus. Tausend bunte
Gedanken durchquerten den Kraus
köpf. Ja, dieser Referendar
Schneider! Es war doch gar zu ko
misch, auf welche Weise sie ihn ken-
nen gelernt hat. War doch wieder
der verpönte Name Müller" daran
schuld gewesen. Er war bei Frau
Major Müller, Kleiststraße 99, ein
geladen und wollte der Dame seine
Aufwartung machen. Dabei geriet
er aus Versehen in. das Haus Num-
mer 100, in dem zufallig auch eine
Familie Müller wohnte. Als er
dann im Salon sitzend, seinen Irr
tum erkannte, war Alice in ihr herz-
erfrischendes helles Lachen ausgebro
chen, das ihn aber gar nicht verletzte,
sondern sofort sein Herz für dieses
muntere Madel mit dem blonden
Kraushaar und den großen blauen
Kinderaugen einnahm. Mit Entschul-
digungen verabschiedete er sich zwar
von Mutter und Tochter, aber auch
mit dem festen Vorsatz, daß dies nich!
der einzige Besuch bleiben würde.
Dann hatte er es so einzurichten ge-
wußt, Alice auf ihren Wegen zur
Klavierstunde, zum Tennis usw. zu
reffen und schließlich machte er den
Eltern feinen Besuch. Seitdem war
er ein häufig und gern gesehener
Gast. '
Alice, in ihre Gedanken vertieft.
hatte ganz ihre Arbeit vergessen und
suhlte plötzlich errötend den forschen
den Blick der Mutter auf sich gerich
tet. Da pochte es an der Hintertür
und, glücklich über diese Ablenkung,
sprang sie auf, um zu öffnen. Ein
Bote brachte eine schöne fette Gans.
Frau Müller hatte keine bestellt Und
wollte sie nicht annehmen.
Aber sie is schon bezahlt und ick
nehme nu dct schwere Biest nich mehr
mit. Meine Meesterin schickt mir und
hier steht es ooch janz richtig druff."
Die Adresse stimmte in der Tat
und mitleidig meinte Frau Müller:
Nun gut, ich habe die Gans nicht
bestellt, könnte auch gar keine gebrau
chen. Aber lassen Sie sie hier und
erkundigen Sie sich nach der richtigen
Adresse und holen Sie sie dann ab.
Ich kann mir nicht denken, wer mir
eine Gans schicken könnte, vielleicht
ist eS doch eine Verwechselung durch
den Namen Müller.
Die rätselhafte Sans bot nun dem
3antnr 1 nirr
übermütigen jungen Kleeblatt !
Alice und ihren Brüdern Anlaß
zu den blutigsten Witzen. Man zer
brach sich den Kopf, um den Spen
der eine so eigenartigen (Geschenkes
herauszufinden. Frau Müller glaubte
in einer ihr befreundeten, sehr origi
nellen alten Dame, der sie manchmal
gefällig gewesen war, die Geberin tr
kennen dürfen. Als sie sich jedoch
am nächsten Tag bedankte, wollte die
alte Dame nicht! davon wissen und
versicherte hoch und teuer ihre Un
schuld.
Der techtdenkende Hausherr hatte
streng angesagt, die GanS unberührt
liegen zu lassen, bis nach vier Tagen
der praktische Sinn von Frau Miller
Einspruch erhob.
Väterchen", meinte sie, die Gang
muß jetzt gebraten werden, sonst kann
man sie nicht mehr gebrauchen.
Schließlich können wir doch nicht
mehr tun, als bezahlen."
So geschah eS auch. Das Fett er
gab eine große Schüssel Schmalz.
dnF Gänseklein ein Mitlagsgericht
und' die schöne zarte Leber sollte
ein Leckerbissen für Herrn Müller
zum Abend werden.
Als er schmunzelnd mit Wohlbe
Hagen die Leber verzehrte, glaubte
Alice den Augenblick für geeignet,
ihm ihre Bitte vorzutragen, wußte
doch der kleine Schelm schon, daß die
Herren der Schöpfung, wenn sie gut
gegessen haben, am besten gelaunt
sind. . Den Bitten seines Lieblings,
von den Brüdern kräftig unterstützt,
konnte der alte Herr doch nicht wi
verstehen und er willigte, wenn auch
brummig, ein.
Da tiat Marie kichernd zur Tür
herein. Gnädige Frau, der Bote ist
wieder da und will die Gans abho
len. Die war ja gar nicht für uns,
sondern eine Frau Müller aus der
Keithstraße 100 hat sie per Telephon
bestellt und da haben die im Geschäft
Kleiftstraße" verstanden. Die Dame
mußte inzwischen verreisen und konnte
sich deshalb bis letzt Nicht drum kum
mern. Nun ist sie zurückgekommen
und reklamiert die Gans.
Familie Müller brach in ein schal,
lendes Gelächter aus und als Frau
Müller überlegte, was zu tun sei,
klopfte ihr der Gatte gutmütig auf
die Schulter:
Na. Mutterchen, hier hast Du 3
Mark, mehr wird sie wohl Nicht !o
sten, bezahle sie nur, und wenn wir
das große Los gewinnen, lassen wir
uns umtaufen, damit wir nicht mehr
Müller heißen. Wir können den
Braten nun ja gut zu unserer Gesell-
schaft gebrauchen, nicht wahr, Alice?.
Dankbar warf sie ihrem Vater eine
Kußhand zu. Sofort wurde das Me
nu beraten und die Einladungen ab
geschickt.
Alice schmückte die Tafel zu der
kleinen Festlichkeit in reizendster Wei-
se, ganz in Weiß mit Lila. Sie
selbst zog ein einfaches weißes Kleid
an, das durch einen Tuff lila Astern
am Gürtel feinen einzigen Schmuck
erhielt. Gerade in dieser Einfachheit
sah sie entzückend aus und als nach
oem vorzüglichen Abendessen und der
Bowle die Jugend für ein Tänzchen
plädierte, zu dem Papa Müller auf
spielen mußte, glühten ihre Wangen
und erhöhten den Glanz ihrer Augen.
Kurt Schneider, hingerissen durch
ihre Anmut, zog sie in einen geschütz
ten Winkel des Nebenzimmers, um
schlang sie voll Innigkeit und küßte
stumm die heißen, roten Lippen, die
sich den seinen auch nicht entzogen.
Dann lachte der Kobold ganz leise
sein bezauberndes Lachen: Nun bin
ich doch glücklich, daß ich Müller
heiße." Und doch", antwortete
Kurt, wirst Du mir diesen Namen
opfern müssen, sobald ich mein As
sessorezamen bestanden habe."
Zärtlich schmiegte sie sich an ihn:
Und morgen sprechen Sie mit mei
nem Papa?" Heiße Küsse waren die
Antwort. Da erscholl es aus dem
Musikzimmer:
A li ce Schnei
der.
Ter Großvatkrtani.
Der Großvater - Tanz ist seit lan
gen Jahren bei Lustbarkeiten und
Vclksfestcn als letzkr Tanz ge
bräuchlich. Seit dem vorigen Iah:
hundert wird er als Tourentanz ao
gehalten, nach dem Liedertezt: Und
als der Großvater die Großmutter
nahm.- da war der Großvater ein
Bräutigam und die Großmutter eine
Braut." Bereits im 18. Jahrhun
dert wurde er auf den Hofbällcn ge
tanzt. Eine geschichtliche Mitteilung
aus der Fastnachtszeit des Jahres
1792 besagt, daß zum Fastnachtsbcill
am Dresdener Hofe die Tanzsolge wie
gewöhnlich mit , dem sogenannten
Großvatcrtanz beschlossen worden sei.
Diesmal aber wurde der Tanz nach
einer neuen, schicklichen" Musik auf
geführt und dadurch, daß zwei Paa
re zugleich abfallen mußten, merkl'ch
ge'ürzt". Eine dieser, geschichtlichen
Notiz hinzugefügte Anmerkung be
sagt: Wahrscheinlich existiert dieser
Tanz schrn so lange, als bei den
Deutschen das Tanzen in Uebung ist
Bei VollZsesten und Lustbarkeiten
der niederen Stände erhäü er ge
wohnlich den Namen Kehraus". .
Stoßseufzer. Sonn
tagsrciter (auf einem störrischen
Gaul): Weitn ich nur diesmal schon
unten läe!" "; ,
Die lange Ms ner".
?.i,kk Htt die niif kschitakdsch
?ts,stlni.
Durch den jetzigen Balkankrieg
wird auch die große Mauer wieder
in Erinnerung gebracht, die tot Mi
zehn Jahrhunderten, nur wenige
Stadien westlich von der heutigen
Tschalaloscha Linie, errichtet wuroe,
Diese große Landbefestigung. welche
der byzantinische Kaiser AnastasioS l.
gegen die zunehmende Bulgarengesahr
in den Jahren 507 bis 512. etwa 65
Kilometer westlich der Hauptstadt.
vom Marmara. bis zum Schwarzen
Meere in einer Lange von 4.? Kilo
metern hat anlegen lassen, ist durch
ihre genaue Datierung auch em Fix
Punkt für die Entwicklungsgeschichte
dieser Besestigungsart geworden.
llevcr ,yre Bauart ist früher sehr we
nig bekannt gewesen, und so hat der
bekannte deutsche Archaologe und
Prähiflorikcr C. Schuchhardt (vom
Berliner Völkermuseum) sie im Jahre
1898 untersucht und die Resultate
seiner Forschungen in einem Aufsatze
im Archäologischen Jahrbuch" 1901
niedergelegt.
Die lange Mauer" wird von dem
Volke ebenso wie die moderne Befe
stigungen der nahen Tschataldfcha
Linie Kaleh" genannt. Schuchhardt
hat die Mauer von ihrem südlichen
Anfang ganz in der Nähe von Si
livri bis zum Schwarzen Meer, wo
sie ganz nahe bei Kap Kaleondschik
endigt, an allen Stellen, wo sie noch
zu sehen ist. trotz Schwierigkeiten von
Seiten der türkischen Behörden be
sichtigen können. Er hat eine große
Anzahl Türme, drei Lager und zwei
Besesten (befestigte Schlösser oder
Tordurchgänge), sowie den Zug der
Mauer über Japadscha festgestellt.
Ferner hat er den Verlauf der Ka,
leh". aufsteigend auf 245 Meter und
herunter an die Eisenbahnstation
Kurfali, weiter über längere, ganz
lich unbewohnte Strecken auf die
Höhe des Kusch-Kaja (400 Meter)
und in die Nähe von Karadscha
Köi bis an das Schwarze Meer ver
folgt, wo nach beiden Seiten hin auf
weitere Strecken weder Dörfer, noch
fonstige Wohnstättcn zu finden sind.
Die Wahl, welche Anastasios für
seine Linie getroffen hat, erklärt sich
aus der langen, von Kurfal: bis
zum Kusch-Kaja fast gradlinig ver
laufenden Wasserscheide. Diese
Strecke ist so hoch und unwirtlich,
daß sie schon eine natürliche Land
wehr bildet. Von diesem gegebenen
festen Körper aus ließ sich auch nach
Süden die Linie so fortsetzen, daß sie
ziemlich grade und immer auf der
Höhe lief und nur im Norden nach
dem Abstieg vom Kusch-Kaja ein
größeres Bachtal zu überqueren und
damit eine stärkere künstliche Deckung
zu schaffen war. Die beiden Besesten.
das Klltschük - Besesten (das klein?
Schloß) und das Böjllk - Besesten
(großes Schloß), sind in der nächsten
Nähe des Kusch-Kaja. Es sind Tor
Befestigungen in Gestalt großer recht
eckiger Höfe von etwa 30 mal 58 Me
ter lichter Weite. Die Ecken der
Höfe sind mit Türmen besetzt, von
denen das kleine Schloß drei, das
große fünf hat. Die Höfe dieser Tor
besestigungen sind so stattlich, daß
man diese eher als kleine Kastelle be-
zeichnen kann.
Die Anastasios - Linie wurde qe-
mäß den Inschriften im zehnten
Jahrhundert wiederholt ausgebessert.
Die Mauer selbst hat durchweg 11.
zuweilen bis 12y2 Fuß Dicke; außen
ist sie aus Quadern, innen aus Guß
mauerwerk gebaut, ohne Graben und
Wall. Gerundete Türme sind bis
30 Fuß vorspringend vorgelegt.
Hinter der Linie liegen im südli
chen Teil an zwei Stellen schwach zu
erkennen, im nördlichen an einer
Stelle sehr deutlich bemerkbar grö
ßere Lager,- welche die gefährdeten
Partien decken und die Besatzung für
die Türme liesern.
Der Telcphonhclm der Flieger.
Der Flieger kann sich mit seinem
Fluggast mit Hilfe gewöhnlicher
Sprache nicht verständigen, da das
Geräusch des Motors jedes Wort
unverstandlica macht, und für die
beiden Insassen der Flugmaschine
bleibt daher, obwohl sie dicht beiein
ander sitzen, keine andere Möglichkeit
der, Unterhaltung, als durch das Te-
lcphon. Ein französischer Erfinder
hat nun jüngst eine Verbindung von
Telephon und Sicherheitshelm ange
geben, die die Billigung des franzö-
fischen Kriegsm'lnisteriums gefunden
hat. Der Fliegerhelm ist mit zwei
Hörern versehen, die sich dem Flie
gcr an die Ohren legen, und mit ei-
na Sprcchöffnung, die unmittelbar
vor den Mund zu liegen kommt.!
i"ie Verbindung ist jedoch nicht
dauernd, sondern wird durch Stöp
selkontakte beliebig hergestellt odcr
unterbrochen. Nach dem
Landen!
uiuuucii ,ti uic u-'b lllu iucucv
C - sWi- l . - 1 . . . fc.rf"
HA S!ä Tlrt' mC4U
UM den Apparat zu bekümmern,
denn wenn sie aufstehen, ziehen sie
den Stöpsee aus der Anschlußdose
mit heraus. -
Im Kalenderjahr 1911
wurden in Canada 339 Schiffe ge
baut, mit Znsgesamt 27,733 Tonnen.
gehalt. Ihre Kosten betrugen ?1.
148,000,
Unsere
Schliiltmoslkr-Vfflck
i')! & 1 ' '
l'l I .w
hS't 'W'lin.. !
Wl
L SL k A-xV tfiiH '
BS-'iP .ufil&'' G
uBj'h
9134.
Prakiikchks Modell für Unten,.
Äiii? einem Ttiick aemnkkit. Mann mit
normalst oder ertnifitct Taillenlinie ne
niadit werden, (lecianct für glanncini;,
f .ff .s s... r-:w ir (.:.
iunru, lYMiiinmur, cnw, uuiuir.
Nainsook, lirorjbslt Muslin ober Ürtpr.
Das Sluiitt ist in 3 (Grünen gMit!en:
klein, miltchiroh und nrft. (3 be
nötigt 3 i'tnrM ÖCwUislctt Stoff für die
initiiere ()iöfjf.
Preis m Musters 10 Cents.
Neuer Herbst nnd Winter'Kata
log mit allen nrnrsien Mode jetzt
fertig, eder Leferia der Omaha
Tribüne" für 10 Cents zugesandt.
Vkstellungs-Auweisge; -
Dies iwirn werden an irgend
e,ne Acre e aeaen Einienduna bti
Preises geschickt. Man geb Nummer
und Groke und die volle Adresse oeut
lich cm und schicke den Coupon nebst
dem oben erwähnten Preis cm da?
PA1TERN DEPARTMENT
OMAHA TRIBUNE,
1311 Howard St. j
Eine zehntägige Ncde.
Einen neuen Rekord forensischer
Beredsamkeit hat der gegenwärtige
englische Solicitor General, Sir
John Simon, in der Gerichtsverhand
lung aufgestellt, in der die Entschä
digungsanfprllche der Telephougefcll
schaft. die bisher alleinige Inhaberin
des gesamten Fernsprechnetzes von
England war, an die englisch: Post
Verwaltung, die das Fernsprechwcsen
vor kurzem unter ihre Obhut ge
bracht hat, geregelt werden ' sollen.
Zehn Tage hing hat er in, der Ber
Handlung allein das Wort gehabt;
allerdings hat er während dieser zehn
Tage nur wenig mehr als insgesamt
46 Stunden gesprochen. ' Aber im-,
merhin ist das selbst für England, töo
Dauerreden bei Gerichtsverhandlung
gen durchaus nichts Ungewöhnliches,
sind, ein Rekord. Die letzten Rekord
träger gerichtlicher Beredsamkeit wa-"
ren der bekannte Führer der engli-
schen Konservativen Sir Edward
Carfon, der acht Tage lang während
eines Prozesses das Wort hatte, und.
der englische Attorney General Sir
Rufus Jsaacs, der sogar noch ein
wenig länger sprach.
Daß die Poli zei als
rnerbettener Gast bei einer Hoch
zeiisfeier erschien und den Bräutigam,
seltener die Braut, kurz vor oder nach
der Trauung verhaftete, ist fchon öfttt
dagewesen. Aber eine Verlobungsfeicr
auf Grund gesetzlicher Bestimmungen
als unerlaubte Versammlung zu er,
klären, blieb der Weisheit eines russi
schen Pristaws (Polizeikommissais)
vorbehalten. Im Dorfe Belogasowka
des Atkarsker Kreises gab ein Bauer
seinen Verlobunqsschmaus. Plötzlich
erschien der Pristaw mit dem Uriadnik
(Wachtmeister, und Landwächtern, da
je r ... rrn. r - r jt . tn.t ....
üuiy icinct tcinung lüitc Ksziiamm
u. . m. ' ii.,
langen nach den Bestimmungen über
den verstärkten Schutz ungesetzlich wa
ren. Als die Gäste in ihrem beschränk
ten Untertanenverstand und im . Ge
fühl ihres Rechtes der Aufforderung,
auseinanderzugehen, nicht nachkamen,
liiß der schlagfertige Pristaw . die
Nagaika (Kosakenpeitsche) spielen. Am
besten kam das Brautpaar weg, da
9 ' 1 1 !
W I
i ki
1 1 ' i $
& : : v
. : rf : : :
. .
. f , t
: : :
w f I : : :
: ä :
5" g . ä -ö : 5 :
e 2 - W :
Hfg.: 1 : i
I 1 g j :
e o o ... ;
: 2 ss :
.kurzerhand eingesperrt wurdj.
r