Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, January 06, 1913, Image 2

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    I
berliner Plauderei.
XlM russische Ballet im Neuen US.
niglichen Ci'ertUtyater. Urne
1 neue Tanzkunst. 2traiwbfo'ä
Musik.
B k r l i n . 9. ZXzmbkr.
amüsieren unt so gut wir
Wir
fenrtn. und das Amü antefle dabei
istak so dilt Leute im Stand sind
zu glauben sit amüsierten sich, nnn
va auch gar nicht der fall ist. X
Wille zum Amüsement also ist be
- f.liiiil borgen, und daS allein er
ntet schon zum Beweis dafür, daß
seist Mensch hier ernstlich an Krieg
denkt. Da heißt , so ganz
absolut laßt sich das nicht behaupten,
denn wer zum Beispiel jetzt hingeht
uns Geld leihen will, dem wird es
bald genug zum Bewußtsein gebracht,
daft ti irgendwo auf der Welt Krieg
siebt, trotz deS Waffenstillstands. Tie
Zinsen, die Zinsen! Wer ist denn reich,
respektive kredttreich genug, um die
'Misen bezahlen zu können, die uns
zkt die' Banken für da unschuldigste
Lombardieren abnimmt! Ah. der Krieg
ist in der That eine Kalamität, und
schon wegen des hohen Lombardzins
fußet sollte die Einweihung des (Jnr
xiegir'schen Friedenstempels beim Haag
beschleunigt werden. Vorausgesetzt
r.Ltürlich,'dak dnö etwas hilft.
ted sei manche Leute bezweifeln.
, 'Betrachtet man sich aber die T'iche
ki:,mal bei Licht, dann kann man wirl,
lich zu der Ueberzeugung kommen, das?
der Krieg doch sein Gutes hat, daß
wem ihn gar nicht verfluchen und aus
d'r Welt wkgiviinschen soll. Denken
Sie nur einmal, wie viele Anleihen,
d ohne Kriegsstimmung leichtsinnig
daran gefordert und beinahe ebenso
leichtsinnig 'bewilligt würden, jetzt
itregen des Krieges nicht aufgenommen
teerden können, und wie viel Kummer
:i:nb Unglück das den would be"
Lechrrn erspart! Taf? geliehenes Geld
sein Glück brinae. ist stets die Lehr
terer gewesen, die uns keins leihen
, toollen; wenn sie uns nun wirklich
Zkeini leihen können, oder wir die
Linsen mckt zu erschwingen vermögen,
bleiben wir doch vor einem wahrschein
lichr Unglück gnädig bewahrt. Sehen
iSie, da muß doch der friedfertigste
Mensch zu einem Lobpreiser des Krie
gel Axrden. Man muß eben nur tief
genng über einen Gegenstand nachden
teu, dann kommt schon das Um
gekehrte heraus.
Aber daß der wirkliche, blutige Krieg
zu uns kommen werde, glauben wir
dc,ch noch lange nicht. In vierzehn
Togen kann sich zwar allerlei ereignen,
und wenn dieser Brief vom Schicksal
ttx Druckerschwärze betroffen wird,
mag di Situation schon einen bluti
gettn Anstrich bekommen haben. Vor
läufig amüsieren wir uns und weisen
den Gedanken weit von uns, daß wir
auf einem, Vulkan tanzen. Dagegen
lassen wir uns etwas vortanzen, nicht
aus vulkanischem Boden, sondern auf
der wackeligen Bühne des sogenannten
Jfltutrt Königlich Operntheaters",
welches hifwrifche Etablissement unter
dem Namen Kroll's" einstmals einen
ngenehmen Ruf besaß. Dort tanzt
zur Zeit das Russische Ballet." Nicht
hab Kaiserlich" russische, sondern das
des .Generaldirektors" Sergej von
'Dwghilew. Ist den leichtfüssigen Herr-
fchaflcn die Bezeminung als Kaner
!ich" nicht mehr gestattet, so tanzen sie
doch immer noch königlich, und die
meisten von ihnen haben früher zu
den Kaiserlichen Ball"! gehört. Es ist
dieselbe Gesellschaft, die ich im vorigen
Sommer in London im Convent
Garden sah, die den Parisern die
Augen übergehen ließ, kurz es sind die
ierühmten Hopser und Springer, die
das ganz westliche Europa vor ein
paar Jahren in größtes Erstaunen da
rüder versetzten, daß die alte Ballet
tast noch nicht tot überwunden, son
dcrn noch sehr lebendig und sprung
fertig sei. In Paris und Wien, die
rzf; als Balletstädte in Betracht kom
nien. war man ja am meisten erstaunt
darüber, , daß es thatsächlich Tänzer
innen qad. die sich ihrer Aufgabe mit
Cifer und Leidenschaft hingaben, die
während des Tanzens garnicht daran
dachten, ob sie nicht nach der Borstel
. ll'Ng. wenn sie ihre Kavaliere zum
Souper begleiten, zu ermüdet aussehen
würden.
Sie haben von diesen Russen ja auch
drüben eine Probe bekommen, bor
. allem die unvergleichliche Pawlowa,
die übrigens nicht in diesem En-
; semble auftritt; sie beginnt ihr Einzel
yc sispiel erst Ende des Monats,
, ich brauche mich also nicht auf die
igenartigcn Reize ihrer Tänze einzu
lassen. Aber, seitdem diese wundervoll
trainierten . Russen und Russinnen
c.us?.erhalb des Zarenreiches ihre Kunst
ei'.szeübt haben, ist mit ihnen eine
Aberrafchende Vrrcknderung vor sich
gangen. Als sie zuerst in Deutsch
land erschienen, räumten wir . ihnen
cjerne ein, daß eine solche überraschend
irheitliche und beinahe vergeistigte
Virtuosität einen fast mit der that
sachlichen, Unnatur bei konventionellen
Pellets 'aussöhnen könne. Und , die
falb- und Ganz nackt - Tänze, die
In Deutschland, treibhausarlig kulti
licri morden waren, die Dunkaniaden,
nxAUti durch das Beispiel der tech
hochentwickelten Russen um so
' ' l:t in Mißkredit. Aber die Be-
",mit den Unreifen Versuchen zu
Tanzsri.' respektive mit
-.it zur antuen An zu-
t' i auch auf die
Russen Eindruck machen. Tann kam
erblich zu diesen unklaren und'dilel
tantischen Versuchen noch do geradezu
revolulionikrendk rhythmisch System
des Herr,, Dalrroie. nd nun iind wir
soweit. dcß die at BIleikunsi. wie sie
unsere Grokväter dkrebrt baden, mit
einer ,un.skühlingraftn. durch und i ten Eir.schl.ig. Namentlich Petruik,.
durch natürlichen Körperdemegiing'! eine russische Jahrmarkt' oder Kar
kunst inen neuen Bund zu schliefen irninedaU . Posse, geht weit in' Gro.
Begriff steht.' Man sehe sich zum Bei's teZk hndfc. Drei Gliederpuppen be
spiel das Ballet i'o,','tra" an. da?! lustigen die Menge, in der Mitte eine
natürlich auch Fokin konstruirt hat. Da Art Kolombine, rechts von ihr der
giebt ,s selbst bei der Solotcnzerin. bei! zum Unglück bestimmte Pierrot. link
lamar flarsavina, kein Trikot m:hr;!der kohlrabenschwarze gesegnete Neer.
nun. und die männlichen ägyptischen!, vier Szenen wird un der tragische
Etlöven behelfen stet) mit einem latjteiij Ulttlaus paitUmiuiisch und tänzle
Handtuch, das sie in die Hüften winrisch höchst pointirt vorgeführt. Die
den. Sonst alles nackt. Indezent?, degenerirte Kolombine zieht das
ein Zttixl Ich awubt. der lüsternste ' fchwan Scheusal der wohlerzogen?n
Mensch wird gerade derjenige sein, der
die Rückkehr zum Trikot predigt. M
skrn war derKaisr da, der ausnahms
r ... .., ... , (i..w- 11..
weise einmal in paar Stunden inBer-
lin um weilen vermochte. Er war nt
" t e .
zückt, er cina so weit, ganz ernsth.ist
zu erklären: Jetzt brauche man ,a gar
keine Archäologen mehr nach Aegypln
zu schicken, bier. beim russischen Ballet,
könne man orientalische Kostüme studi'
ren. gkd aoer nocy wener, iu)
geh: stets jer- noch weiter da der Kau
fr." - xh behaupte, daß durch das Ab-1
!. ... tr t l ' . 1
streifen der oeheuchelten Nacktheit eine
Natürlikcit in die Tanzdewegungen
gekommen ist. von deren Reiz man
während der Herrschaft der Trikotherr
lichkeit llberlai'pt keine Ahnung hatte.
Schon bei Gelegenheit der Dlcroze'
schen Festspicle in Hellerau habe ich,
wenn sch nicht irre, davon gesprochen,
welch unsagbare uns sonst ganz unde
kannte Grazie der weibliche Gang be
kommt, wenn der nackte Fuß den Erd
boden berührt. Sehen insere an der-
rückte Tchuhbildunaen mit unmöglichen
'
Absähen peroönnte Augen zuerst den
weiblichen Fuß n.ickt in der Ruhe, so
ersaßt uns ein stilles Entsetzen über
seine Größe und .Unsörmlichkeit". Wie
durch einen Zauber wird aber dieser
Eindruck iveggewischt. sobald der Fuß
und daS Bein zu schreiten beginnt.
Wohlbemerkt, wenn das Mädchen sich
an di nacktfüßige Borwärtstxwegung
schon gewöhnt hat.
Und so ist es mit jeder Bewegung,
ja mit jeder Körperform txr Frau wie
des Mannes. Dr ganze theatralische
Hokuspokus verschwindet und d le
knLfrische Natur tritt vor unsere ent
zückten Augen. Freilich sieht man noch
die Erinnerungen an di gewohnten
Pas" und .Pirouetten" hier und da
durchbrechen, aber da! Konventionell,
Balletmäßige wird doch immer mehr
in dn Hintergrund gedrängt.
Allerdings noch nicht in allen Dar
bietungen der Russen. Wenn zum Bei
spiel der wunderschöne Man, d?r ixr
götterte Rijinski auf der Bühne steht,
ist daS alte Ballet in all' stiner Herr
lichkeit da. Trotzdem ich nun für be
sagtes Ballt konventionelles Ballet so
gut wie aar nichts übrig' habe und
außerdem einen natürlichen meinet
wegen von blassem Neid ingegebenen
Widerwillen gegen schöne Männer"
hege, find ich das Springen und bor
allem das hüpfende Laufen dieses Ni
jinski unnachahmlich schön. Nur möch-
te ich gern einmal wissen, ob nicht doch
di glänzenden hellfeidenen Trikots zu
diesem Reiz etwas init beitragen, oder
aber, ob noch ein aanz neuer Reiz hin
zukam, nxnn Nijinski seine wunder
bar symmetrisck)en Beinc so springen
ließe, wie Gott sie ihm beschrrt hat.
Indessen setze ich wenig Hoffnung auf
die Entwicklungsfähigkeit dieles Da
mnliblingS. Ein Mann wird nicht
ungestraft roegen seiner körperlichen
Reize von dn Frauen vergöttert; wenn
der geistige Reiz sich nicht hinzugesellt,
kapselt r sich nach und nach als schöne
Puppe in.
WaS ich in Kleopatra", in Sche
herazade", zum Theil auch im Feuer
Vogel" und in Petruska" gesehen oder
zu sehen geglaubt hatte, nämlich den
Einfluß der einigenden rhythmischen
Art des Dalcroz, machte mich neugie
rig. Und so erfuhr ich denn auch von
den maßgebenden Persönlichkeiten, daß
man allerdings schon mit Dalcroze in
Verbindung stehe und weiter Vor
schlage und Weisungen von ihm r
warte. Bravo! Eine Revolution, die
alles blindlings guillotinirt. bereitet
nothwendiger Weise ine länore Pe
riode der Stagnation bor; eine Revolu
tion aber, die nur das Verbrauchte nie
dersäbelt. den positiven Kern des B
stehenden sich dagegen einverleibt und
zur Entwicklung bringt, wird zur s
gensreichen Reform. Und Dalcroze ist
klug genug, um zu wissen, daß dieTech
nik des alten BalletS auch twaS werth
ist, daß er daraus gerade für sein Sy
stem profitiren kann. Umgekehrt mö
gen ihm neue Tanzideen aus der tnti
meren Beschäftigung mit dieser voll
endeten alten Balletkunst aufgehen.
Einst sah ich daS russisch Ballt in
seiner Heimath, im Maricntheater zu
St. Ptrsburg. Ni und nimmer
kann ich mir vorstellen, daß auch dort
sich die moderne Tanzauffassung' ein
bürgern könnte. Ich glaube, die ge
summten Großfürsten würden gegen
das Fallen der Gazeröckchen und der
Trikots Protest einlegen, denn gerade
in diesen zartenKleioungsstücken scheint
ihre Illusion zu ankern. Aber . was
verschlagt'S, wenn sie sich an der Newa
noch ein Weile weiter nach dem alten
Stil amüsiren! Einmal wird's auch
in Rußland zu dämmern anfangen,
wenn wir's auch nicht wehr erleben.
Man tanzt nicht' ohnc Musik, oder
aber wan wünscht zu den wilden Böl
kerschaften 'Mkckmet zu werden. Und
?on dieser, TanMusil der Ruen jnuä.
ich noch in Wörtchen sagen. Sie ha
den da einen ganz jungen, schmächti
gkn Mischen. Jü?r Stravinkkq mit
Kamen, der die Musik zum .euer
Vogel" und .irueka" komponirt Hz!.
iU sind fabelhaste, respektio komische
mn!m,m,n mit kinem starken that
keiken Gliederpuppe vor. und die letz
lere muß ihr Leben lassen, so daß die
ägespähne schließlich nur so üb;r
die Bübne stauben. Nicht c.ll.zu schwer.
zu den wahnwitzigen Borgangen eia
, . t . . j - J. - f i m .
mehr oder minder geeigneieerchester
aerällsch m ersinnen. Aber Stra
vmsky hat sehr viel mehr gethan.
Gleich beim ersten Hören erhalt man
das Bewußtsein, daß diese beschreib
bende. ch.irakterisirende Musik nickt
blob.e Bealeituni. musikalisck- Ern
kleidung ist: ja. es ist mir sogar Pas-
f i r. t jl v . m;: Ä M
sirt. daß ick den Buhnenvorgangen
nur ganz mechanisch solgte. wahrend
mein Geist durch die Musik beschlag'
nahmt wurde. Und dabei ist's doch
allermodernste Musik, von dr man
wohl behaupten darf, daß sie una
meistens nur sporadisch aufwirbelt,
aber sehen im Allgemeinen dauernd
in Bann schlägt. Richard Slrauß. der
sich Petrusk.r anhörte, soll die geist.
reiche Bemerkung haben fallen lassen.
daß es immer interessire. seine wa
lahmer kennen zu lernen: indessen
. . 4 i fi . .CV!.. iM f
traue ich ihm solckx selbstgefällige Al
bernheit garnicht zu. Er ist dafür ei
gentlich zu klug. Freilich merkt man
in Stravinsky's Musik den Einfluß
von Richard Strauß zuweilen ganz
deutlich, aber lange nicht so oft und fa
auffällig, wie zum Beispiel b?i
Strauß denEiiifluh Wagners. Meyer
beer und Mendelssohns. Dann aber
hat Stravinsky etwas so unoerkenn
bar Russisches, daß Strauß darüber
vollständig in Vergessenheit geräth.
Nein, dieser junge Stravinsly schein!
eine musikalisch recht selbständige Na
tur zu sein, und da er unverdrossen
seines Weges geht, darf man von ihm
noch Bedeutendes erwarten. Ob ti
empfehlenswert!) sein wird, dies:
Pantomimen- und Tanzmusik zu kon
densiren und als eine Art von Tanz
suite im Konzertsaal spielen zu las
sen. möchte ich nicht so ohne wkiter-s
entscheiden. Es käme viel auf die Ein
kleidung an.. Aber das Eine weiß ich.
daß kein Musiker sie hören wird ohn
zu fragen: Wer hat denn das kom
ponirt? Was mich betrifft, so habe ich
schon manche neue, auch namhafteOper
gehört, ohne das geringste Verlangen
nach Einblick in den Klavierauszug zu
Spuren. Aoer nciazocm icg ric,r vcivrn
Ballets gehört hatte, ruhte ich nicht
eher, als bis ich die Noten vor der
Nase bat'.e. Und die Augen haben mir
dann bestätigt, was die Ohren schon
wiikien: dak dieser Stravinsky ein
sehr hoffnungsvolles Talent ist.
Fünfzehn Mark muß man für den
Sitz bezahlen will man der Wonnen
dieses russischen Ballets und seiner
Musik theilhaftig werden: aber ich
bin selten aus dem Krollschen Opern-
stall so befriedigt nach Haue gegan
gen. wie von diesen Balletvorstellun
gm; und zivar auch dann nicht, wenn
ich garnicht bezahlt hatt?.
Und nun ist die trübe Aussicht vor
Handen, daß uns dieses königliche
Operntheater" doch noch länger er
halten bleibt; denn neuerdings sieht es
wirklich so aus, als würde auf einen
anderen Platz für das neue Königliche
Opernhaus gefahndet. Gewiß gehört
eS anderwärts hin. die Gegend von
Kroll ist meiner unmaßgeblichen
und uninteressirten Meinung nach
zu entlegen. Aber daS Unglück wäre
doch groß, wenn m Folge solcher Lo
kalveränderung die alte ..Shanty" noch
weitere Jahre für Volksschauspiele
(Tegernseer etc.). Kino Darstellun
gen. Große und kleine Oper, nissix
Balletvorstellungen usw. benutzt wer
den würde. Das einzig passende wäre
eine permanente Hundeausstellung,
denn auf den Hund ist dieses königliche
Etablissement längst gekommen. Au
ßerdem würde der Duft der ausge
stellten Hunde die jetzt herrschende
Atmosphäre nicht verschlechtern, wohl
aber erträglicher machen können.
Riecht man einen Hund, so weiß man
doch gleich, woran man ist; jetzt aber
weiß kein Mensch, was gerade bei
Kroll'S gekocht wird. Nur das eine
ist immer gewiß: es riecht!
A u g u st S p a n u t h. '
Auf dem Standesamt.
Staiidesbraiiiter idcr sich ctwaZ
verspätet hat): Warten die Herr,
schasten schon lange?"
Bräutigam (ärgerlich): Gewiß,
wir hätten schon wieder geschieden
sein können!"
.Vor. der Lokalbahn.
Ist die Fahrt Nachts nicht gefähr
lich?" ,
Bewahre, da geht der Schaff,
ner mit seiner Laterne voraus!"
Girgl (der sich gegen Hagelschlag hat
versichern lassen): Schad'. ' daß man
.den Siu&tl ritt auch machen kann!"
tisltcht CmoM triflK.
New Aorker Plauderet.
E!n Siez über die Mucker. Aon der
2l,räne"insel. Schnelldampser.
Das Appellfrricht in Albanq W
enl Mieden, daß ti sein Verbrechen ist.!
i.i . . , s. , '.-!. k.t !
Bti ionniagi tte '.luirnerünmirii oc,
Publikum auf einen bevoksiehenden
Landverkaus zu lenken, so lanae nich!
Attraktionen lürmen.-er Art zum ?ln
lecken prospekiiver Ke'user zur Amien
tunz gekommen sind" oder keine ösfcn
IM Auktion stattgefundn bat.
Das Gericht verfügte die Entlassung
ThcmaZ Dur.ftrd'ö. 'Renten einer
Landentwickluiia - Gesellschaft, die
Glund:igenthum auf S taten Island
te kauft aus dem Gei-,hrsam. Tn
sord war der Verletzung des Irlifgk
sres überführt worden, ireil er einen
Detektiv, der sich in inem Auto befand.
daS Tunferd für den Tran'porl von
auf der Suche mich Heiinstätten b
findlichen Versenkn gemiktbet, zum
Arkaufe eines Grundstückea 'zu bewe
g'i versucht hatte.
ES ereignen sich auf ElliZ Island
Fälle, in denen die Inquisition viel
lieber ihre sogenannt? Pflicht der Re
giernnq gegenüber außer Acht lassen
und sich von dem Mitgefühl für in'S
Unglück gerathene Eimvari:erer leiien
losten möchte, wenn diese ihr zur Ent
scheidung über ihr ferneres Schicksal
voi geführt werden. Denn häufig ist es
so offensichtlich, daß die Leute unver
schuldet in'S Unglück gerathen sind.
d z es den JnquisitionKbeamten rech!
schwer fällt, dem Gebot des esetzcS
oder dessen Auslegung durch die maß
gebenden Gewalten zu fclaen. Ein sol-cbe-
Fall scheint der einer Familie
Miyer zu sein, die unter außergkwö'm
kicken Umständen aus der Insel höngen
geblieben ist.
In der zweiten Kü:e der Penn
siilvania" kam die nur- .aninmct
stemmende Frau Emma Meyer mit
kleinen Kindern berüber. um sich
zw.'.
ibiem Gatten anzuschließen. Vor der
Ankunft der Familie bat die Einwan-
derur.gsbebörde von ir.-end einer P,-r.
i " , , I
so: die Mittheilung erhalten, daß
VmcnduZ Meyer, der Gatte der Fiau.
sich vor etwa sechs Wochen der gerichl.
l'cke' Verfolgung entzogen habe, und
daß seine Familie bier eintreffen
we'de. Natürlich w'.'.rde infolge tiefer
Mittheilung die Familie b.'i ihrer An
kur.ft nach Ellis Island gcschiät. u:id
d.: ahnungslose Mann stellte sich dort;
ei.,, um die Seinen loueiscn. Vor der
Inquisition wurde er von der gen'mcuth oder Queenstown oder Eher
ihn erhobene i Beschuldigung " in j bcnra) in weniaer als sechs Tagen zu
Kcnninis geseg:. Er erklärte, er hab:! rücl!e?en. und in dieser Rckordliste ist
i.l der Heima.h geschäftlich Schiftbruch ! 'e deutsche Schiffsbainndustrie so
rr'itten. und seine Glaubker bätten ' f.länzend vertreten, daß man im patrio
sein ganzes Hab und Gut veräußert. , ti'chen Uebereifer keine Ungenauigkeit
um sich nach Möglichkeit schadlos zu 1 1 begeben nöthig hat. Tie Maure
Balten. Nun stellte sich aber heran, daß ' tania" und Lusitania" fuhren mit
Äther sich auf einem Tampstr herüber v.er Tagen und zehn respektive fünf
gcarbeitet uns den Dampfer hier ver-, zehn Stunden; d'e Lucania" folgt
lcssen hatte, ohne die übliche Jnspek-! mit fünf Tagen sieben Stunden und
ti,n durch die EinwanderunciLbe'wroc ' h'-t Viktoria Luise" der Hamburger
durchgemacht zu haben. Die'Jnqmsi. ! h vor ihrem Umbau als Teutsch
tion mit der Familie, die einen sehr i land" in genau derselben Zeit einen
guten Eindruck macht, cusrichiigue! 1) Meilen längeren .urs zurück.
Sympathie, doch konnte sie unter.de , legt. D .Bremer Schnelldampfer
cbwal:enden Umständen nicht das di: ! Kronprinzessin Eecilie". Kaiser Wil
Leute erlösende Wort sprechen, denn ! Mir. der Zweite" und Kaiser Wilbelm
M'yer ist thatsächlich aus gesetzwidrige! der Große" hatten die besten RekordS
Muse in'S Land gelangt und mußZ iber den längeren KurS nach Ply
ieiit den Nachweis liefern, daß die ! rncuth und Eherbourg mit fünf Tagen
gegen ihn erhobene Beschuldigung halt-;
w I
los ist. Xt Fami.l muß im Karzer
bleiben, bis diese Sache erledigt ist.
Seit zwei Mengten befinden sich der
II Jabre alte Eiolik Walerym und
sein 16 Jahre alte Schwester Leo-
pclda als Ausgeschlossene aus der
Insel, und nur der Vermittelung des
Vertreters der Polnischen Gesellschaft
hoben sie es zu verdanken, daß sie nicht
längst wieder in der Heimath einge-
treffen sind. Tie Beiden kamen am 19.
Oktober mit dem Dampser Presirent
Grc.nt" an und wollten zu ihrem Ontel
Ompry Zymaczewski nach No. 817
Fünfte Str., Manhattan. Zwei
Wccken vor ihrer Ankunft hat die
Gattin des OnkelS eine Besuchsreise
i.i die Heimath unternommen, und als
d?r Onkel Neffen und Nichte abholen
wollte, weigerte sich die Einwände-
rungsbehörde. das Mädchen mit ihm
zielen zu lassen, der junge Ciolet
wollte di Schwester nicht allein auf
de: Insel zurücklassen und so wurde
d s Paar eins ich ausgeschlossen. Den
Bemühungen des polnischen Verireters
gelang es. Bruder und Schwester v:r
der Deportation zu bewahren, indem
er nachmies, daß ., der Onkel seine
Gattin per Kabel . zur schleunigsten
Rückkehr aufgefordert und sie geant-
wertet hat, daß sie am 23, Dezember
wieder hier eintreffen werde. Während
des Aufenthaltes auf Ellis Irland
muß der Onkel die Beköstigung für
die Beiden bezahlen, da die Dampfer-
gefellfchaft unter den obwaltenden Um-
standen nicht verpflichtet ist, für die
Verpflegung der Detinirien aufzu
kcrnrnen.
'
Eine deiirichläildifche Zeitschiist
brachte dieser Tage einen Artikel über
die Dauer der Ueberfahrt, von Europa
nich Amerika, in dem die Fortschritte,
die der atlantische Verkehr in den letz
ten hundert Jahren gemacht ha!, dar
gelegt wurden.
Zur Zeit der Segelschiffe rechnete
man für die Amerikoreij fünf b s
sechs Wochen, und der Hamburger
Dreimaster Hoffnung" hielt alß erster
Schnellfabrer den Rekord, r legte im !
?kobre1801 die Reise.in dreißig Tagen i
Zurück. Der erste Oeandampser Sa-j
oannah' brauchte im Jahre 1H19 noch
fi.k,fundzwalizig Tngk. und im Jahre
1K baute der ' englische Reedek
Eunard, der Begründer der nach ihm
benannten Linie. Dampfer, die die
Sirecke in ochizehn Zogen zurücklegten.
mildem war man daraus bedacht, d e
Ozeanreise vermittels, bester uns
f J f I . A u'.tt unk MM
schnellerer Schiffe abzukürzen und an
aenelmier zu gestalten. Im Jahre WM
schuf dl .Blit.innia" einen neuen 31'
fort, t'icnrt'ii laco; incr Ialire spater
la:i die Acadia" in 'zehn und nach
wtiteren vier Jahren die .Pkisi.t" n
neun Taz?n herüber.
Der vorerwähnte Artikel der deut
schen Zkiischrift sährt dani wörtlich
ssrt:
Mit der Einsührung der Schiff'
schraube sür die Ozeandampfer und
deZ StableS als Baumaterial gelang
dann eine nvitere Berkiirzung der
R.isedauer. IM) sehen wir den ersten
Schrauben . Dampfer. Xtn Em!
sior", den C:ean in 8 Tagen kreuzen,
lHs.l? brauchte der Hamburger Dam'
pser Prussi.," nur noch 7 2av. lhK7
lrreici'te die in Di'ittschland fybouti;
Cahn" ihr Ziel in 6 Tasten. Die Heu
ti.en erstllassiaen Ozeanri-sen legen
die Reile in durchschnittlich s Tagen
zuiiick. Damit dürfte aber auch die
Mindlstzahl er Reisetaie so ziemlich
eriiicht sein, nicht etwa, weil man
i'.ch: noch schnell? Schüfe bauen
icnnie, sondern weil dise sich infolge
der allzuviel Platz bkiinipruchkiiden
I','aschinenan!azen nicht mehr reniirei
t'ürden."
Die Artikel deutscher Zeiischriitcn
Ubtn gewöhnlich den Vorzug der
Gründlichkeit und Richtigkeit, aber dem
eben erwähnten Artikel kann man
weder das Ein, noch das Andere nach
rühmen. Der guten alten Prussia" der
Hamburger rechnete man es hoch an.
trenn sie nach zwölftäiiger Neise t'v.T
ankam, sie gewöhnlich einen oder
?wei Tage länger brauchte; und der
Stolz der Bremer Linie, die Lahn
d.e dis schnellste
deutsche Schiff und
'einer der schnellsten Ozeandampfer
tuner jeik war. yai niemals ai ici
in sechs Taacn erreicht. Die Lahn"
war ein neun - Tage - Dampfer und
I, .1 (iNt if unlt Aiintfr nnr n im
h it gelegentlich, unter außerewöbnlich
günstigen Umständen einen Rekord von
a tt Tagen geschaffen.
Ebenso ist es unrichtig von einer
Reise in fünf Tagen als Durchschnitts
leistung der erstk.assien Ozeanrieftn
u: serer Zeit zu sprechen. Es giebt im
Ganzen kaum ein Dutzend Ozean-
dampscr. die die Reise von Land zu
Land ld. k. von New Nork bis Ply
r. r- v. . . t T- l rr r- t
e'.s rezp. iexzer,n runoen. ann ,ino
d, noch die Eampania". die City of
Paris", o;?- utomc und Majo
slc", die weniger als sechs Tage zur
Ozeanreise benöthigert, und damit ist
die Lifte erschöpf.
Tie verlorene Handschrift'
Ein: merkwürdige Geschichte von
FranzLedermann.
Ein deutscher Philologe von einigem
Ansehen, Dr. Ottolar Meyer mit Ra
nun, weilte seit längerer Zeit in Ale;
andrien. um in den dortigen öffentli
ch und privaten Bibliotheken nach
alten Manuskripten zu forschen. Trog
allen Eifers wollte es ihm nicht gelin
gen, etivat !Hks?nders zu entdecken.
Ms er einrs Abends, müde des ver
geblichen Cuchens, die Staatsbiblio
thek verlassen hatte, führte ihn fein
Spaziergzng in die Vorstadt Pela.
Während er dort in Beobachtung des
bunten orientalischen Lebens die Gas
sen durchwandert, fiel fein Blick wie
vln ungefähr aus eine alte,, baufällige
Hütte. Sie war offenbar vor sehr
langer Zeit theilweise ingestürzt und
dann von ihren Bewohnern verlassen
worden, ohne daß sich jemand weiter
um sie gekümmert hätte. Der Gelehrte
trat mit Interesse näher und entdeckte
bald eine schadhafte Thür, die sich
ohne Mühe öffnen ließ und den Ein
tritt in das Innere gestattete. Er trat
hinein und überzeugte sich mit kurzem
Blick, daß der Jnnenraum, jeder Ein
richtung bar. nur auS den kahlen
Wänden bestand. Schon wollte er
die Hütte wideer verlassen, als sein
Auge aus etwas Glänzendes hasten
blieb, das aus 'der Füllung eines ge
borst'knen Pfeilers hervorragte. Bon
erklärlicher Neugier getrieben, griff
Meyer darnach und hielt eine längliche
Metallkapsel in den Händen, die sich
ohne Schwierigkeit öffnete und der er
einen gerollten Papyrus entnahm.
Mit pochenden Herzen rollte der
Morscher leinen ftund auf. Wer 6
schreibt seine Verwunderung und sein
Entzücken, als er bemerkte, daß er S
mit einem li?mplelten Ezemplar der
römischen Geschichte de Llvlui zn
thun hall, einem Werk, das seit dem
Mittelalter für die wissenschastlicki
Welt bis auf wenige Bruchstücke ver.
loren gegangen ist! Das vorliegende
Eremvlar war ossnebar, sei eS durch
Absicht, sei S durch Zufall. In die Ze
mentfullung des Pfeiler geraiyen,
hatte hier die Jahrhundert Überbau.
,rt und war erst beim Einsturz wieder
zum Vorschein gekommen, ohne von
einem der spärlichen Gäste der Hütte
bemerkt zu werden.
Der Gelehrte zitterte am ganzen
Körper, al er den Schatz in Händen
dielt, dessen Fund ihn zum berühmten
'jJMnne macmk uno uaieicy oir w
schichtSwissenschaft sür nxite Perioden
de Alterthums auf ine neu: Bast.
stellen mußte.
AIS er sich von der ersten Erregung
erholt hatte, verbarg er den Schatz
sorgfältig unter seinem Rock und be
gab sich eiligst nach seiner Wohnung,
die er bei einer griechischen Wittwe in
der Nähe des Hofe inne hatte.
;!! .nnie angekommen, entzündete
er sinne Ztüdierlainpe und entfaltete
die Urkunde, den er empfand den
gNibenden Wunsch, sie nach an diesem
Abend vollsiändig zn lesen und die
Wonne zu kosten, erster moderner
Mensch die sagennninvbene älteste
römische Geschichte ' aiitkentischer
Darstelliin.g zu genieren.
Seine Absicht konnte er aber nicht
zur Aiidsiihrnng bringen. Macht.' der
lu-rbe Geruch des Patmniä die Uch,.
die sein oder trat nach der Ausregnni
der letzten Stunde die natürliche ')toaf-
tion ein er fühlte sich von einem
plötzlickx'il Scknvädieanfall gepackt. So
mußte er die Lektüre seines Schatz
ans den nädiften Tag verschieben, und
nachdem er den Papnnis, sorgfältig
in der Kapsel verschlcssen, aus .ein
Tischchen zu Häuptern seines BetteZ
niedergelegt lzatte, warf er sich halb
ciiiögezogen ans sein Lager, wo er nach
wniigen Sekunden entschliimrnert.
,
Er mochte etwa zelin Minuten e
schlafet, lwben. als er durch ein son
derbares Geräusch geweckt wurde, über
dessen Herkunft er fickz zunäckzst keine
Ned'ensckxist geben konnte. Bald aber
bemerkte er beim Tckicin des MondeZ.
der sein Zimmer mäßig erhellte, daß
die ttnnil'e von di'r PapyriiSrollo ans.
ging. Mit Schrecken und Venviinde
ning mußte er sehen, daß die Rolle
auf dem Tischchen krampfhaft, ge
wissermaßen in Zuckungen, Ijiii und
her rollte, sich aufbauschte und zeit
nvise die Form veränderte, ganz als
ob ein lebendiges Wesen sich darin be
fände, das mit allen frästen seine
Hülle zu zersprengen trachtete. Und
endlich gab der Deckel mit leichtem
Knallen nach, und aus der Oefsnuuz
tauchte die winzige Gestalt eines
Menschen in antikem Geivandc auf,
der schnell zur Lebensgröße erwuchs,
mit leichtem Sprunge das DifeMhen
verließ und neben MeyerL Lager trat.
Livius!" bauchte der Gelehrte, der
den geheimnißliolleil Vorgang mit
wack)sender Verwunderung beobachtet
hatte.
Der räthselhaste Fremdling mach,
te eine aumuthige Berbeugung, die
die Nennung seines Namens als ri.h
tig bestätigte und zuglech ene Art Be
grüßung bedeuten mochte, dann for
derte er durch, eine weitere Geste
Meyer auf. ihm zu folgen.
Dieser wollte mit Rücksicht auf feine
mangelhafte Bekleidung einen Auf.
schub erbitten, aber der Römer schlang
mit entschiedener Bewegung seine To
ga um ihn. Meyer fühlte, wie ihm der
Boden unter den Füßen entschwand,
und ein kühler Wind verrieth ihm
gleichzeitig, daß sie das Zimmer der
lassen haben mußten und sich im Freien
befanden. Don feiner Umgebung ver
mochte er aber trotz eller Anstrengung
in der Dunkelheit nichts zu erkennen.
Wohin fliegen wir?" wagt er end
sich schüchtern zu fragen.
.Ins Land der Zukunft." lautete
die kurze Antwort.
Kann man denn in die Zukunft
blicken?" fragte Meyer twas muthi
ger. Wer die Vergangenheit kennt, kennt
auch die Zukunft," entgegnete der Ro
mr. Jetzt schweige und merke wohl
auf."
Der Gelehrte bemüht sich, mit si
nut Sinnen die Umwelt zu durchorin
gen. Er hatte den Eindruck, daß die
Finsterniß etwas nachließ. Sie glit
t.i scheinbar in einem schmalen Hohl
weg dahin, dessen Wände sich wie
machtige Häuser in greifbarer Nähe
nchts und links erhoben. Das Merk
würdige war nun, daß diese Häusr
nickt stillstanden, sondern wie gewal
tige Schisse in ruhiger Fahrt rechts
und links an ihnen vorüberglitten.
Nach einigen Sekunden machte er die
weitere Entdeckung, daß diese HauZ
nihen nicht vollständig dunkel waren,
sondern hier und da verschwommen
Lichtpunkt, wie gedämpst erleuchtete
Fenster, besaßen. Er gab sich jetzt
Mühe, genauer hinzüblicken, und be
merkte, daß die Lichtstrahlen von Stu
dirlampe mannigfacher Art ausgin
gn, die auf Tischen und Pulten stan
den. Vor diesen saßen Männer mit
ernsten, brillengeschmllckten Augen und
zerzausten, strähnigen Haaren. Rechts
und links von ihnen waren dicke Bü
cher aufgethürmt, aus denen sie dau
ernd Auszüge herzustellen schienen.
Auch glaubte Meyer das Kratzen ihrer
Federn, wenn sie Notizen machten,
wie einen feinen, singenden Rhythmus
z , hören. Von Zeit zu Zeit ließen die
Gelehrten die Fedir müde sinken, fuh
ren mit der Hand über die Stira und
Nii rmelten, während ein schnsüchtigel
Ncheln über it,re gefurchten Züge glitt,
eii kurzes Wort, immer daS gleiche.
tlchc Meyer aler niemals recht ver
sinne.
Wer sind diese, und waS thun sie?
f.agte er endlich keinen schweigsame
Lcgleiter.
,Da sind die Philologen der lünf
tigen Zeiten cul aller Herren Länder.
Durch deinen Fund ist die Geschichte
und Philologie auf ein neue Basis
gl stellt. Ein Jahrhundert wird nöthiz
sin utn die Fülle bei Neuen dem alt
bekannten ebenbürtig durchzuarbeiten.
In Hunderten von Kominentaren wir
tiefe Rie enarbeit vollbracht, 'er
jPaxyruö Meyer", mein von dir neu
entdcckteS ÜZerk. bildet die Lebensbe.
fckäftigung aller dieser Tausende. Alt
deine Diener, als Lerkünder deines
W hmm fiiih si i.ifirnii iifiTfin !hä
tig, und das Räthselwort, das ihre .
Lippen in den karjzen Momenten der
Rihe aubspreche.,, in einem Gemisch
von Bewunderung und Neid. eS lautet:
Meyer!"
Unseren Gelehrten ergriff bei diesen
Worten ein unsägliches GlllckZgefühl.
Er merkte, wie ihm die Thränen ka
wen, so daß er im Uebermaß der Ei
nffenheit einen Moment die Augen
schließen mußte.
Als er sie wieder öffnete, sah er noch
immer rechts und links die Lampen
aufleuchten und in ihrem Schein eifrig
arbeitende Menschen, zugleich aber
machte er die merkwürdige Entdeckung,
daß die Gesichter nicht mehr den frü
Herrn ähnelten. Er erblickte Knaben
und Jünglinge, elend und abgespannt.
die mit nervösen Handen dicke Foltan
ten wälzten, während ihre gerötheten
Augen auf dem Buch gerade vor ihnen
hafteten. Bon 3eit zu Seit schlössen
sie, wie von Müdigkeit überwältigt,
die Augen und stützten den Kops mit
der Hand, während ihr Mund voller
Bitterniß ein Wort vor sich hin mur
melte.
Und wer sind diese?" fragte mit ei
nem Gefühl deS Unbehagens der Gc
lehrte.
Das 'ist die Jugend, die die neu
aufgefundenen Liviusbücher präpa
rirt", erwiderte sein Begleiter, durch
deinen Fund hat sich der zu bewälti
gende lateinische Lehrstoff verdoppelt.
Zwei neue Unterrichtsstunden mußten
täglich neu eingefügt werden. Müde
und überarbeitet hocken die Jüng
linge während der Nacht über den Bü
chern. Mehr als je fühlen sie sich um
ihre Jugend betrogen, und das Wort,
das ihre bitteren Lippen in den kurzen
Ruhepausen, die sie sich gönnen, mur
meln. eS lautet: Meyer!"
Und plötzlich hatte der Gelehrte daS
Gefühl, als wenn die Häuser rechts ,
und links auf ihn eindrängten; immer
intensiver strahlten die Lampen; 5uf
allen Seiten sah er bleiche, über
spannte Jünglingsgesichter, und auS
ffft innern ftm S f 11 rArflrtr
UUCl UlUUUl tUlUl lill vua fcu7vv
Wort entgegen. Kaltes Entsetzen lief
ihm über 'den Rücken. Er hatte plötz
lich die Angst, daß sein Gefährte ihn
hilflos feinen Feinden preigeben
könnte. Mit verzweifelter Kraft griff
er in die Toga ...
Da gab es einen starken Knall und
Meyer erwachte.
Das erste Dämmern des TageS
drang durch das Fenster. AlleS im
Zimmer war unverändert, nur daS
Tischchen mit der Kapsel war durch
eine heftige Armbewegung deS Schlä- -fers
umgestürzt.
In der Frühe des Morgens gleich
ein gebeugter Mann mit müdenSchrit
ten durch die Vorstadt Pela. Unter
seinem Mantel hielt er einen lang
liehen Gegenstand verborgen. AIS er
in die Nähe einer zerfallenen Hütte ge
langt war, sah er sich einen Augenblick
nach allen Seiten scheu um. Dann,
sicher, nicht beobachtet zu werden, ging
er in das Innere der Hütte, die er we
nige Sekuntxn später ohne jenen Ge
genstand wieder verließ. Mit gesenkt
tem Haupt schlich er dann langsam
zum Hafen herab, um das nächste
Schiff nach Europa zu besteigen.
Man hat nie wieder etwas von ihm
gehört. Wahrscheinlich hat er einen an
diesem Tage abgehenden italienischen
Dampfer benutzt, der den im östlichen
Mittelmeer häufigen Hrbststürmen
zum Opfer gefallen ist.
Und die Gelehrten der ganzen Welt,
denen für die Kenntniß der älteren
römisch Geschichte jede sichere Un
terlage fehlt, sie ahnen nicht, daß in ,
einer eingefallenen Hütte der Vorstadt
Pela bei Alerandrien. in der Höhlung
eines Pfeilers ein komplettes Exem-
plar der römischen Geschichte deS Li- (
viuö liegt, die all ihr Zweifel in ei
nem Augenblick lösen könnte. ,
Bedenke daSEndts
Ein schlichter junger Mann hat die
wohlbetagte Tochter eineS RentierS
mit eigener Lebensgefahr auS Um
Jluthen gerettet. Der glückliche Ba
ter dankt ihm mit übtrschwenglichen
Worten; doch als der muthige Retter
merkt, das er als Schwiegersohn auj
der Affaire hervorgehen könnte, un
terbricht er ihn: bitte, bitte, Herr . . .
aber ... ich möchte doch bitten, die
Sache blos mit Geldabzumachen
Am Jluß. J
Herr: Wenn ich vorhatte, mir das
Leben zu nehmen, würde ich an dieser
Tteu'e inS Wasser springen!"
Gensdarm: Für den Fall vergef.
sen Sie aber nur nicht, vorher fünf
Gulden an die Sterbekasse einzuzah
len, dies ist nämlich ein verböte?;
Pd,.vli!" -