Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, November 22, 1912, Image 5
IU-U-,.,. ' ii i i , Bergsee. Von rthur Si!btrglit. $n nriiner filulfiiftille liege Qi in dem U'mhdMtn Wettn.' llnb fn'itf llfcr (inb mschmiegt Von (tiiiilcn Faltern iinb 2Ipt)ibfn. Und Iwntt In sl iiif) iljti iit'frf fifstt fi'oit OJriiffrr. ona den Innen iHirbr rt, ft:eint rr fcrarliifch sauft gcwit s. Von Leclc. welch lig,'t vcrschird? XSsllÖ in br8 Schlummer ".'nnbfii schon l'äfst er sich noch nwm tauschen lotsen Klon finfj fiirtrn ftlbfrntmi llnb ber ftnwUc hellen Glocken. Tttnn fiWiirniifrt rr twwiflert sin, ms ob itirn richl ,m Wirfe fehle. Pin seiner Tiefe Widerten, MSnzt ahnungsvoll bc Himmel? Teele. DleZUacht derZterleum dnug. Ein Aleinsladibild von Claire Chrobok. Mit mattem Cilberschimmer über hoß da Mondlicht die stille Land - schaff. Vom Schneegebirge kam ein trfrischender Hauch, und vom (schloß ' arten her verbreiteten die Rosen sii fceii, berauschenden Duft. An der Rückseite der kleinen Mäd 'chensch-'.le flüsterten zwei jugendliche Stimmen im Gärtchen, das die schön stcn Nelkensiöcke barg. Auf dem Ast eineS Ahornbaumes stand eine schlanke Jiinglingsczestalt und hiclt die kleine, weiße Hand eines jungen Mädchens, das im niedrigen ersten Stockwerk wohnte. Die matte Mondessichcl beleuchtete - ein. zartes, liebreizendes Gesicht. daS ein dunkles, großes Augcnpaar be lebte. Zierliche. Rassische formen trug auch der jungfräuliche Körper: er hätte jedem Bildhauer als Modell dienen können. Eine der langen, dunklen Flechten fiel über das Fenstersims: die Gestalt uf dem Ahorn ergriff sie und drückte shre Lippen auf das glänzende Haar. Dann bat eine weiche, melodische Stimme: Geh nun. mein Freund! Cs ist spat. Edmund gute Rächt." Edmund aber hielt die kleine Hand fest, die sie ihm gereicht halte. nBo bald schickt mich mein Lieb l?eut' heim? Lasz mich nur noch ein halbes, ein Diertelstündchen in Dei rier Nähe sein es ist ja ohnedies so selten, daß ich Dich sehen und mit ir plaudern kann. Deine Tante hütet Dich mit Argusaugen. Sonn iag. selbst in der Kirche, traf mich ihr böser Blick." Das Mädchen seufzte tief auf. Ja. die Tante sie gönnt mir keine frohe Minute! Und mühte sie, daß ich Dich riachts hier an meinem . ffenster sehe, es wäre mein Tod! Doch " ich liebe Dich. Edmund ich harre ' aus und warte geduldig, bis ich vor Gott und aller Welt mich Dein nen . nen darf." Das offene, ehrliche Gesicht des jungen Mannes sah leuchtend vor Glück zu ihr auf. .Mein Mädchen! Meine Adelina! Könnte ich Deinen Mut. Deine Treue , Dir doch baldigst lohnen! Doch sorge Dich nicht. Kämpft unser Lebens schifflcin auch jetzt gegen widrigen - Wind, wir bringen es doch noch in den sicheren Hafen und hissen die bun ten Flaggen Land" und Hochzeit". Nichts soll uns trennen. Mein Va Ui Dein Vater will mir nicht wohl," sagte Adelina leise. .Mein Vater muß nachgeben und tut er eS nicht so bin ich mündig und schaffe mir anderwärts Amt und Existenz. Die Welt ist ' groß und weit, und Deine Liebe macht mir hie Hütte zum Paradiese. Lebe wohl, Adelina vertraue mir allein auf Wiedersehen, mein süßes Lieb!" .Gott schütze Dich. Edmund." hauchte daS Mädchen. Dann huschte die liebreizende Gestalt von der rosenumsponncnen Loggia zurück ins Innere des Haufes. Der junge Mann sprang vom Baume b'rab, warf einen langen Blick, dar.., ein paar Kußhände sei nem Ideale nach, schwang sich über daS hohe Gitter, das Haus und Gar. .ten absperrte, und verschwand auf der Villenstraße in der dunklen Plata nenallee. Jed.nh.ob sich im Garten eine kleine, schwarze Gestalt, die hinter einem Jasminbusche gehockt hatte. Was da hervorkroch, war eine Z'ergengestalt. Zwei große, blitzende Augen saßen in einem schmalen, gelb lichen Gesicht, das eine große Ha bichtnase nicht verschönte. Niemand hätte sagen können, wie 'alt dieses Geschöpf wohl sei, man hätte ihm die Jahre eines verzauber ten Gnomen aus den Tiefen der Erde geben können. Der Unhold zischte wütend: .Holla, schöne Adelina! Hab' ich Dich endlich?! Darum so spröde, so abweisend? Mich, den reichen Apo thcker Hippolyt Quäkstein ausschla gen? Und hier in stiller Nacht mit des Bürgermeisters windigem Söhn lein scharmuzieren und liebäugeln? Wart'. Du hochmütig Jüngferlein! Dir tränk' ich's ein und Deinem Ga lan dazu, und sollt'S mich mein hal bes Vermögen kosten!" Ganz seltsam funkelten die listigen ' Augen im Mondenlichte. Dann ballte n die Faust gegen Adclinas Fenster und schlich sich ,u einem mit Weinlqub tiberwuchertcn Bretterzaun, in dem er sich eine Lücke geschaffen, durch die er in seinen eige nen Garten schlüpfte. Adelina Settenheim war der Lieb ling deS Städtchen. , Sie hatte in der Hauptstadt die schulen besucht, ihr Examen mit Auszeichnung gemacht und war als wohlbestallte Lehrerin vor Jahreisrifl in Gellingkhausen eingetroffen; mit ihr Klementine Eulenhorst. eine ölte, bissige Jungfer, die Schwester von Adclinaö Vater. Die junge Mädchenlehrerin wgr eine Waise. ES schickte sich für eine Achtzehnjährige nicht, allein im Schulhause zu wohnen, in dem nur der alte Kastellan mit seiner Frau die Aufsicht führte. So hatte Adelina Settenheim der Tante Klementine geschrieben, die in einem Altjungfernstifte lebte, obwohl Ihr der Charakter und daS Wesen der ölten Tante höchst unsympathisch war. Daß dem ausfallend schönen Mäd chen die ganze Männerwelt GellingS Haufen? zu Füßen lag, wird niemand wundernehmen; aber Adelina bevor zugte niemand, und so verzehrten sich die Herren in ungestillter Sehn sucht. Einer war des anderen geschwore ner Feind. Durch ihr feines und liebreiches Wesen nahm sie die Herzen der Kin der und durch diese die Mütter ge fangen, und man beeilte sich, dem geliebten Fräulein" wie die Klei nen sie nannten alle nur möglichen Ovationen zu bereiten und ihr Einla düngen zu Festen zu senden. Auch an Freiern fehlte es der schö nen Lehrerin nicht. Hätten doch selbst ihr zuliebe mehrere Hagestolze das ihnen nicht rosig erscheinende Ehejoch getragen allein Adelina war unnahbar. Gerechtes Aufsehen aber machte in Gellingshausen der Heiratsantrag deS als Weiberfeind bekannten. ' immenS reichen, aber mißgestalteten Apothe kers Quäkstein. Er machte plötzlich dem alten Fräulein Klementine Visi ten und hielt bei ihr regelrecht um die Hand ihrer Nichte an. Natürlich fand er auch die günstigste Aufnahme. Tante Klementine Eulenhorst dachte sich .das Leben im Hause deS reichen Apothekers äußerst verlockend. Zu feiner Entrüstung wies die schöne Lehrerin den häßlichen Reichen ab. Seither hatte Adelina der Tante gegenüber einen schweren Stand Punkt; denn die bissige Alte witterte hinter all den ausgeteilten Körben eine Herzcnsaffäre. -Fräulein Klementine Eulenhorst hatte nicht so ganz unrecbt. Man hatte im vorigen Sommer in Gellingshausen das SanktValen tins-Fest gefeiert. Nachdem Adelina in der Kirche mit ihrer glockenreinen Stimme das Ave-Maria gesungen, in ihrem weißen Kleidchen selbst ei ner Heiligen gleich, hatte man ihr auf dem Fest'platz ein schönes Rosenbukett und ein versiegeltes Billettchen über geben. Dies Billett enthielt den Namen ihres für den ganzen Tag ihr zuge teilten St. ValentinRitters". Adelina hatte kaum noch den Na men gelesen, als auch schon dessen Träger, ein schöner, junger Mann des Bürgermeisters Adorian Sohn Edmund sich näherte und sie in die Reihen des Festzuges führte. An diesem Tage hatten sich die Herzen der jungen Leute innig an einander geschlossen, "und dieser zarte Licbesfrühling währte nun schon ein Jahr. Wohl wußte Edmund Adorian, daß sein strenger Vater andere Pläne mit ihm hatte, daß er ihn schon in der Wiege mit der rothaarigen Toch ter eines Jugendfreundes verlobt, für die Edmund stets Antipathie fühlte. All dies wußte der junge Adorian wohl. Er hoffte dennoch, den Vater umzustimmen, und gab seinem Mäd chen ehrlichen Herzens sein Mannes wort: Nur Du wirst meine süße, kleine Frau!" Trotz dieser Hoffnun gen hieß es vorsichtig sein, dem Va ter und der Welt gegenüber! Und wie süß war nicht das Geheimnis! Ein glutvoller Blick ein süßeS Lächeln der Druck der Hand ein paar leise geflüsterte Worte.... Da trat plötzlich eine unerwartete Wendung ein.. Durch einen anonymen Brief kam dem Bürgermeister der Herzensbund seines Sohnes zur Kenntnis. Denl würdigen Herrn Adorian hatte die taufrische Schönheit Adelinas schon lange selbst in die Augen gestochen. Er hätte die junge Lehrerin gern für sich selbst gewonnen; war er doch Witwer und kaum ein Fünfziger. Die Gewißheit, daß seine Hoffnun gen nun vollständig getäuscht seien, brachte ihn in Horn. Es kam zu einem heftigen Auftritt zwischen Vater und Sohn, und Ed mund verließ noch am selben Tage da Elternhaus, sein Amt und da! Städtchen, nachdem er in einem Briefe von Adelina Abschied genom men. Adelina bekam diesen Brief nie mals in die Hände. Tante Eulenhorst, durch , den Apo, theker von seinen abendlichen Erleb nisten unterrichtet, fing da? Schrei ben auf. : .Nun gilt'S. Geliebte" so schrieb Edmund Adorian Deinen Mut. Deine Treue zu zeigen! Sobald Ich mir Eristenz und ein Heini geschas fen. hole ich mir mein süßel Weib." Adelina hörte ten der plötzlichen Abreise ihres Freunde. Et be fremdete sie wohl, daß er keinen Ab schied von ihr genommen: doch hatte sie volle Vertrauen in seine Liebe. Sie lächelte wehmütig: Das sind die Dornen, die bei den Nolen stehen." Toch wurde sie still und in sich ge kehrt und widmete sich mit um so größerem Eifer den Pflichten ihre oft recht mühsamen Berufes. Plötzlich glaubte die junae Lehre ein zu bemerken, daß man sie neugie rig betrachtete da und dort wich Ihr eine gute Bekannte aus einige Herren grüßten vertraulich und spöt tisch lächelnd. WaS haben sie?" fragte sich Ade lina und mied von da an jede Gesell schaft. Von Edmund kam keine Zeile. Allmählich faßte der Gedanke in ihrem Hirn Wurzel: Er hat Dich vergessen! Ist das seine treue Liebe? Sind mir nur die Dornen vom Ro senflor meines Glückes geblieben?" Die Tante Klementine war voll ständig verbittert und unzugänglich, und so war Adelina ganz auf sich selbst und ihre trüben Gedanken an gewiesen, die oft daS arme Köpfchen marterten und allen Lebensmut töte ten. Kaum verließ AdeUna Settenheim noch daS Schulgebäude. Wochen. Monate vergingen, der Winter war vorüber, und neuer Blü tenfchmuck umkränzte die ewig junge Natur. Keine Kunde von Edmund wie eine Zyklopenfaust preßte der Ee danke des Verlassenscins ihr das blu tende Hcrz zusammen. In der Reli gion wollte sie Trost und Zuflucht suchen aber als sie eines Mai abends in der St. Marienkirche ihr gewohntes Plätzchen einnehmen und an den Kapellenstufcn knien wollte, rückten die Nachbarinnen fort von ihr ja. , eine verließ ostentativ das Gotteshaus. Adelina erbleichte dann färbte tiefe Glut ihre Wangen. Welches Verbrechen hatte sie denn begangen, daß man ihre Nähe floh? Was war es denn nur. das die Men schen ihr zum Borwurf machten? Sie zermarterte ihren armen Kopf grübelte und fand doch nichts. Zum ersten Male nahm sie zur Tante Klementine ihre Zuflucht. Die bissige Alte, der sie von dem Vorgefallenen, dem Unsagbaren, daS ihr begegnet, berichtete nahm die Brille von der Nase und schlug das Buch zu, in dem sie gelesen. Wundert's Dich denn noch. Du Pflichtvergessene? Weiß nicht die ganze Stadt von Deinem Verhältnis zu dem Windbeutel Edmund, Abo rian? Pfeifen nicht die Spatzen auf den Dächern von Deinen nächtlichen Stelldicheincn im Garten? Einen solchen Freier wie den reichen Quäk stein ausschlagen und mit dem Tu nichtgut anbandeln das ist ja un erhört!" Ich habe nichts zu bereuen und nehme den Quäkstein nicht!" So rief Adelina im Bewußtsein ihrer Unschuld. Also das war's. Man hatte ihr reines Verhältnis zu Edmund Adorian ausgekundschaftet in den Schmutz der Verleumdung herniedergezogen ihr Herz blutete unter den ungerechten Anklagen. Und er. den sie mit der ersten Glut der Leidenschaft liebte,- für den sie litt und duldete er hatte sie so schnell vergessen! Arme Adelina! Du wußtest ja nicht, daß Dein junger Freund, trotz dem er von seinem Mädchen keine Antwort erhalten, vier-, fünfmal ge schrieben, daß seine Briefe, durch Quäkstein aufgefangen, von Deiner charakterlosen Tante vernichtet wur den und der Mann Deines Herzens nun schwer erkrankt in 'der Haupt stadt lag. Die giftige Zunge der Verlernn dung ruhte nicht. Da und dort be sprach man Adelinas Schicksal. .Des Bürgermeisters Sohn muß die Lehrerin heiraten," hieß es. Die gute Sitte verlangt es! Wo ist der Entflohene?" Selbst im Gemeinderat des Städt chens besprach man diese Angelegen heit und zerrte sie in den grellsten Farben vor die Öffentlichkeit; denn Quäkstein hatte sich's zugeschworcn. Adelinas Ruf in den Morast zu treten. Plötzlich tauchte das Gerücht auf: Adelina Settenheim hübe sich in qe hässiger Art über den Herrn Pfarrer und die Stadtvertreter ausgesprochen. Wie ein Lauffeuer ging es durch Gel lingshausen. Da und dort gab inet noch ein paar Unzen Bosheit dazu dort erzählte man sich haarsträubende Geschichten an diesem Tage machte die arme Lehrerin die Beiner tung, daß ihre Schülerinnen, die ihr früher in Zuneigung ergeben waren, ihr den Gehorsam verweigerten, manche zischelten und lachten. Viele Kinder blieben ganz auö. Statt ihrer kamen von Eltern Briefe voll giftiger Sticheleien, selbst Bei lagen. Bis daljin hatte Adelina Aeduldis. 'läßliche Cnif)(i uriljune. !kr Leid ertragen, auf die Vors'hung hoffend und In dem aiiten Glinben. das, ihr endlich Gerechtigkeit wider kahren müsse. Nun fielen lle Hoffnungen von ihr ab nd zerbrök kelten. wie In einen tiefen Brunnen stürzend. Umsonst marterte sie ibr Hirn, wo mit sie denn oll diese herben Prllfiin gen verdient hake. Lohnte sich'! denn noch, zu leben, wenn die Verleumder siegten, wenn der unschuldig Gequäl ten alle Mittel fehlten, sich rechtferti gen zu können? Spät am Abend dieses Tages, an dem Ihr Tante Klementine die neuen Gerüchte In heftigem Zorn dorgewor fen und ihr zugleich mitgeteilt, dsß sie mit einer so von aller Welt Miß achteten nicht länger zusammenhaufen wolle" an diesem Abend lag Ade lina bleichen Antlitzes in Ihrem Stübchen vor dem kleinen Madonnen bilde. Sie hatte das weiße Kleid anae legt, das sie am St. Valentins-Fcste getragen. Leise rieselten die Trauen ihr über die blassen Wangen, Schmerz nd Qual lagen aus dem schmalen Antlitz. Nun stand sie auf. ging zum ofse nen Fenster, beugte sich über die b!ü benden Nelken und Nescdatöpfe und fuhr liebkosend mit der Hand über die duftenden Blüten. Einen Blick in den freundlichen Garten und noch einen langen im Stäbchen umher dann verließ das junge Mädchen leise daö HauS. nach, dem sie ein großes, graues' Tuch über das weiße Gewand und auch das Haupt geworfen. Im Garten schluchzte eine einsame Nachtigall ihr sehnsuchtsvolles Lied. Die Nacht war dunkel, kein Mondes strahl erhellte sie.' Ach. wie war die Welt so ode! Glich sie nicht der bäum- und strauchlosen Wüste Sa hara? Und das noch so junge Kottesgeschöpf war zu müde, dies Dasein weitcrzuschleppen. Im Städtchen' schlief wohl schon alles es war nahe an Mitternacht. Selbst der alte Nachtwächter schlum merte friedlich auf den Stufen vor dem Portale des Rathauses. Auf dem mit uralten Ulmen ein gesäumten Marktplatze befand sich das große Wohnhaus des Bürgermeisters Adorian, und vor diesem alten Pa triziergebäude ein tiefer Brunnen. Er trug das Steinbild eines schönen Weibes, dessen ideale Gestalt in einem Fischschwanze endete. Die schöne Melusine" diesen Namen hatte auch der Brunnen. Um Mitternacht erschien dort eine schlanke, weiße Gestalt, aber von der Hauptstraße her, hallten die gleichsör migen Schritte ' der Polizeipatrouille erschreckt eilte die Gestalt über den Platz, beugte sich über den Brun nenrand und erschauerte. Dann schwang sich das Weiße hinüber. Ein leiser Ruf: Edmund! Mein Edmund!" , Ein gurgelnder Laut und in der Tiefe war alles still wie zuvor. Zwei Sternlein fielen in dem Mo ment vom Himmel. Als die goldenen Strahlen der Frühsonne auf Gellingshausen her abschauten, sahen sie ein gut Teil der Bevölkerung den .Melusincn-Brun nen" umstehen. Die erste Magd, die früh morgens ihren Kübel mit Wasser zu füllen gekommen war, hatte in der Tiefe etwas Weißes entdeckt. Eine halbe Stunde später zog man Adelina Set tenheim aus dem" Brunnen und seltsamerweise, wohl nur zufällig, legte man die Leiche des jungen Mäd chens dem Bürgermeister vor die Haustür. Am nächsten Tage erhielt der Bür germeister einen Brief der Hospitals leitung zu Düsseldorf daß sein Sohn Edmund Adorian tags zuvor gegen Mitternacht am TyphuS der schieden". Zwei Sternlein waren vom Him mel gefallen. Indes schrieb der alte, kahlköpfige Gemeindeschreiber Hartmund in fein Protokoll: , Adelina Settenheim, Lehrerin, 19 Jahre alt. unverheiratet im Me lustnen-Vrunnen" ertrunken." Durchschaut. Ein Schulinspektor, der durch ein Kreuzfeuer von Fragen die Klasse in Schrecken versetzt hat. schließt mit der Aufgabe: Und nun sagt mir noch' wer hat Hamlet geschrieben?" Entschuldigen Sie. Herr Inspektor." antwortet ein zitternder Junge, ich war's nicht." Am Abend erzählt der Inspektor diesen Vorfall dem Bürger meister. der interessiert zuhört und in tm langes Gelächter ausbricht. Das ist gut", meint er schließlich, und oabei bin ich fest überzeugt, der Ben. hat es doch getan!" 'Mehr Schlaf. Du bist o jetzt morgens immer so frisch und munter bummelst wohl abends nicht mehr so lange?" Das nicht: aber meine Frau bat mit glänzendem Erfolge einen Stotterkursuö mitgemacht und ist daher nachts mit der Gardincnpre digt genau um eine Stunde früher fertig." . Splitter. Die meisten Men schcn erstreben nicht Rechte, sondern Lorrechte. Der Polenkut. Von $t'r,t Lang A,ilo. Leutnant Schmitzbach von den Dra gonern war ein patenter Junge, der schneidigste Reiter, der größte Kur mrtch und hatte auch sonst viele lie benöwllrdige Eigenschaften. Dazu gehörte, daß er nirgends fehlte, wo etwas los war. Doch sein Haupttrick war und blieb der Sport. Ein Ren nen, auf dem er nicht wenigstens ei nen Preis gewann, war schon seit mehreren Jahren undenkbar. Und nun war daS UnBuibliche ge schehen. Er h.itte sich beim ersten Rennen um zwei Nasenlängen schla gen lassen. Es schien ihn nicht ein mal sonderlich zu berühren. AIS er auf den Sattelplatz zurück ritt, achtete er nicht der vielen Unzu friedenen, die alle auf seinen Gaul gesetzt hatten. Sein, Blick glitt über sie hinweg nach der Tribüne. Seine Freunde schüttelten die Köpfe. , Als er nun gar beim vierten Ren nen zurücktrat und Reugeld bezahlte, wollte daS Verwundern kein Ende nehmen. Nur von Schmollwitz von den elf ten Ulanen, sein größter Konkurrent, freute sich. Der rote Baron", wie er seiner brennendroten Haare wegen genannt wurde, hatte dadurch mehr Chancen. Schmollwih hatte auch einen anderen Namen, den man sich allerdings nur in die Ohren flüsterte. Der Dallesbaron". Man wußte nicht genau, ob er zu viel verausgabte oder zu wenig Geldmittel zur Ver fügung hatte. Thatsache war, daß er in steter Geldverlegenheit vegetierte, wie er selbst sagte, und sehnsüchtig auf den Tod einer alten Tante war tete. die ihn zum Universalerben ein geseht hatte. Beim nächsten Nennen, daS acht Tage später stattfand, erschien Schmitzbach zum Erstaunen aller in füll dreß". nicht wie sonst im leich ten Neitrock und der über die Ohren gezogenen Neitmiitze. Er kam als Zuschauer, hatte gar nicht gezeichnet. Am Totalisator herrschte Natlosig keit. All die Provinzonkels, die kein eigenes Urteil hatten, waren in größ ter Verlegenheit, auf welches Pferd sie nun setzen sollten. Die Damen, die Kameraden wunderten sich. Nie mand kannte den Grund seines son dcrbaren Benehmens. , Nur der rote Baron schien etwas zu ahnen. Er hatte Schmitzbach schon im vorigen Rennen scharf beobachtet. Er lächelte eigentümlich, als er an Schmitzbach herantrat. - Ah, Sie wollen mal Kritiker spielen?" Vielleicht; vor allem mal als Mensch einem Rennen beiwohnen." Als Mensch?" Na ja, man will doch mal an ständig angezogen ein Rennen mit machen." Der rote Baron lächelte noch mehr. Sein Auge überflog die patente, ge schniegelte Erscheinrng Schmitzbachs, der sich schon wieder von ihm abge wendet und seine Aufmerksamkeit auf einen roten Rosenhut lenkte, der auf der Tribüne in der zweiten Reihe der letzten Loge saß und nur ab und zu diskret hinter dem ungeheuren Feder Hut der dicken Frau Major Schaper hervorlugte. Auch darüber quittierte der rote Baron mit einem Lächeln. Er war also auf ganz richtiger Fährte. Schmitzbach hatte sich anscheinend in den roten Rosenhut, der schon auf dem ersten Nennen , Aufsehen erregte, rettungslos verliebt und aus diesem Grunde auf das Mitreiten verzichtet. Er wollte Eindruck machen, wozu der saloppe Reitanzug nicht geeignet, wollte wohl auch mehr in der Nähe der Angebeteten bleiben. Hören Sie mal, lieber Schmoll Witz", wandte er sich lebhaft an den Kameraden, können Sie mir nicht sagen, wer die Dame mit dem Ro senhut ist, die hinter Frau Schaper sitzt? Sie ist 'mir schon das letzte mal aufgefallen. Muß 'ne Auslän denn sein, "jat so was Apartes." j Von Schmollwitz zuckte die Ach sein. Bedaure, bin nicht orientiert. Aber die Dame ist mir auch schon aufgefallen. Wirklich famose Er scheinung. Werde mich erkundigen." Ja, bitte, Sie täten mir einen großen Gefallen. Sie wissen, wenn ich mich nach einer Dame erkundige, gibt's schlechte Witze." Werde es schon herausbekommen. Ich tu' Ihnen ja gern jeden Gefal len, leider beruht das nicht aus Ge genseitigkeit." Wieso?" Nun, vorgestern im Kasino " , Schmitzbach erinnerte sich. Schmoll witz hatte ihn um hundert Taler an gepumpt und er hatte in einer An Wandlung von Solidität diese verwel gert. Fast verlegen sagte er: ES war mir vorgestern tatsächlich nicht möglich, Ihren Wunsch zu erfüllen. Aber wenn Sie mir den Namen und die Verhältnisse jener Dame aus kundschaften oder mir Gelegenheit geben, mit ihr bekannt zu werden, verschaffe ich Ihnen das Geld. Ein geschlagen?" Er hielt dem roten Baron die Hand hin. Dieser zögerte einen Augenblick, dann schlug er ein. Abgemacht. Wann kann ich daö Geld haben?" Verblüfft sah Schmitzbach ihn an. So sicher war er seiner Sache? Viel leicht wußte Schmollwitz, wer der rote Hut war und ließ ihn herein fallen. Gleichviel. Et kam ihm aus ein paar Hundertmarkscheine nickt an, wenn Cchmollwitz ihm nur die Bekanntschaft mit dem entzückenden Geschöpf ermöglichte. Er war ja von Natur nicht schüchtern und nie um eine Auirede verlegen, wenn er etwas erreichen wollte; aber er konnte doch unmöglich an diese elegante Da me. die sich so vornehm gab, ohne weiteres herantreten und sich vor stellen. Auch andern Herren war der Ro senhut ausgefallen und es hatten sich vor der Loge. In deren Hintergrund die Rosenkönigin thronte, ganze Gruppen n Herren gebildet, die interessiert miteinander plauderten und noch interessierter die neue Er scheinung musterten. Schmitzbach hatte sich gegenüber der Tribüne aufgestellt und schien al leS andere vergessen zu haben. Un entwegt starrte er die junge Dame, die sich durch die allgemeine Auf merlsamkeit gar nicht geniert fühlte, an. Sie nahm die vielen bewundern den Blicke lächelnd entgegen, und eS kam Schmitzbach in seiner erwachten Eifersucht vor, als ob sie darauf rea giere. Gleich darauf verwarf er den Gedanken wieder als eine unerhörte Beleidigung der sich tadellos geben den jungen Dame. Er hatte sich fest vorgenommen, sie nicht auS den Augen zu lassen. Schon vor Beendigung des Rennens war er nach dem Wagenpark gegan gen. Er hatte auch den Rosenhut mitten im Gewühl der Menge auf tauchen gesehen und sich herange drängt. Aber er war doch zu spat gekommen. Als sie sich trennten, wollte er näheres wissen. .Heut abend beim Essen im Ka sino erzähle ich Ihnen alles", sagte von Schmollwitz, vielleicht sind Sie auch so gut, das Geld mir mitzu bringen." .Das Geld bringe ich mit, ober das, waS Sie über die Dame ersah ren. muß ich jetzt gleich wissen. Wie heißt sie? Und wo kann ich sie kennen lernen?" Schmollwitz räusperte sich und sagte dann langsam, jedes Wort be tonend: .Sie heißt Gusti Schneider. Und wenn Sie in Berlin im Hotel Monopol absteigen, ist es Ihnen ein Leichtes, sie kennen zu lernen." Ah, im Hotel Monopol? Sie lo giert da?" Ja, sie logiert da. Aber Sie müssen, ' wenn ' Sie sie sehen und sprechen wollen, ein Zimmer in der zweiten Etage nehmen." Zweite Etage? Warum denn?" Da ist sie nämlich Zimmermäd chen seit einem Jahr. Adieu, lieber Schmitzbach, und viel Vergnügen." Lssenbach Anekdote. Ein Pariser Blatt erinnert an eine lustige Proklamation des Operetten kdnigS Offenbach, die er vor der Pre miere des Orpheus" im Stil der Proklamation Napoleon I. an sein Versammeltes Kriegsvolk" richtete. Offenbach, der die ganze Aufführung selbst leitete, bestieg auf der Bühne den schon bereitstehenden Sonnenwa gen, nahm die Zügel der vier wei ßen Pferde in die Hand, ordnete feine Truppen in Gefechtsstellung und ver las dann mit Stentorstimme folgen den Erlaß: Soldaten! Ich bin mit euch zu frieden. Ihr habt euch wohl verdient um mich gemacht. Ihr habt tapfer gekämpft, habt Beifall geerntet und den Mitrailleusen der Kritik getrotzt. Sarcey, Saint-Victor, Jouvin sind entwaffnet; La Pommeraye ist in die Flucht geschlagen, Claretie ist gescn Gn, TarbiZ hat zwei Flügel in un seren Händen gelassen. Soldaten! Ich bin zufrieden mit euch, aber laßt euch durch den Triumph nicht berauschen; bewahret weiter die Manneszucht, die euch Ruhm gebracht hat, und ver geßt nie, daß von der Höhe dieses Wagens vierzig Jahre des Erfolges auf euch niederschauen. Der Gene ralissimus der olympischen Armee. Jacques Offenbach." Und die Sol daten riefen begeistert: Es lebe un scr Maestro, unser General!" I m B i l d e. Bewerber: Ich habe mich vor vier Wochen schriftlich um die ausgeschriebene Buchhalterstelle beworben: habe ich wohl Aussicht?" Nein; Sie sind zu oft im Ne bcl". Höflich. Gast (zu einem Herrn, der eine Perücke trägt)' Ich kann gar nicht begreifen. Herr Mül ler, wie Sie das Haar eines an deren ManneS auf dem Kopfe tra gen können!" Herr Müller: Oh. Sie tragen doch auch die Wolle eineS anderen" Sckafes auf dem Leib." Unverfroren. Gatte (als eS beim Spaziergang mit Frau und Schwiegermutter anfängt zu regnen): Seht ihr 's nun; ich habe geraten, tu Schirme mitzunehmen; jetzt muß ich euch den meinigen geben und selbst nebenher laufen!" Frau Ach Fritz, i wenn Du auch ein bißchen naß wirst; öeinctwkgen können wir uns doch nicht immer mit dem Schirm abschleppen!" Tragikomischer Vorfall. Ck,knrI,!tS,n eine wakinsinnige taU stsche Poll,,kib,lntkn. Der Polk'.eihiuptmann Michaiw. der ein Revier in Petersburg leitete. l!tt in den letzten :nakn an hf.Kf ren Krankheiten, die anscheinen?' ch sein Nervensrstkin untergraben. ?iö!j lies) brach mitten in der Nait bei ihm der Wahnsinn auS. . Er zog sei ne Paradeuniform an, nahm al!e Waffen u sich und ließ au? dm Polizeirevier alle verfügbaren Eck utz leute in fein? Wohnung komme?. Hier b.fahl er. seine eigenen Sachen ge nau zu durchsuchen und die Schutz" leute, die dem Befehl nicht ni wider stehen wagten, brachten die Wohnen des kranken OfkizierS in chaotische Verwirrung. Seine Familie wa- in aller Hast geflohen. Nach Mittcr nacht ließ der Hauvtmann die Schutz leute Kerzen entzünden: er selber er griff eine Fahne und so zog er mit den Leuten über die Straße bis zu einer Teebude, in die er eindrang um eine neue Durchsuchung vorzunehmen, die etwa zwei Stunden dauerte. , Inzwischen waren auf feinen Be sehl noch Schutzleute aus einem an deren Polizeirevier geholt worden; ebenso mußten die Kutscher der auf den umliegenden Straßen siehenden Lohndroschken sich der abenteuerl'chen Gesellschaft anschließen. Als endlich die Durchsuchung abgeschlossen war, stellte sich der Hauptmann, den blo ßen Säbel in der Hand, an die Spitze seiner Mannschaft und siihrte sie ins Dachgeschoß ,ines Hinterhau ses, wo er in die Wohnung hineinzu schießen befahl. Als ein Schutzmann bemerkte, sie stehe leer, änderte er sei nen Plan und kehrte in seine Woh nung zurück, wo er die Mannschaft an die ffenster stellte und um Hilse rufen ließ. Endlich nahm er ein Heiligenbild und zog nun, wieder von der ganzen Schar Bewaffneter gefolgt, aufs Re vieramt. Es war inzwischen siinf Uhr morgens geworden. Hier war teten schon Offiziere anderer Pol-zei-bezirke, die von den tragikomischen Vorfällen gehört hatten, und einem von diesen gelang es, ihn zu entwaffnen, der sofort in eine Heil anstatt gebracht wurde. Von d?r Mannschaft hatte während der ganzen Nacht Keiner gewagt, dem tollen Hauptmann zu widerstehen; nur ein glücklicher Zufall hat es gefügt, daß der Kranke keine verhängnisvollen Befehle gab, die wahrscheinlich ebenso stupid ausgeführt worden wären, wie die verhältnismäßig harmlosen Lau nen des Kranken. Eiue Künstlerin ttex. , , Otto Julius Bierbaums Muiter feierte dieser Tage in Berlin ihren 70. Geburtstag. Wer ;e, so plaudert ein Korrespondent, der alten Dame gegen Übersitzen und mit ihr plaudern durfte, dem fiel ihre überraschende Aehnlichkeit mit dem Sohne auf. die in der Kopfbildung und namentlich -n der hohen, Stirne liegt, und er konnte bei ihren bedachtsamen und doch so farbig anschaulichen Erzählungen mei nen. Otto Julius selber zu hören. Henriette Bierbaum wurde in Gor bitz als Tochter eines Bergmannes ge boren. Sie folgte 1864 ihrem Manne nach Grünberg in Schlesien, wo dieser eine Konditorei betrieb, und später nach Dresden und dann nach Leipzig. Nach dem Zusammcnbruch ihres dor tigen Geschäftes, eines Restaurants, zogen sie nach München, wo Vater Bierbaum in der Zuckerbäckereiabtei lung bei Scidl Anstellung fand. Dann hat Mutter Bierbaum noch in Zürich und am längsten in Berlin gelebt. Sie sagt selber, die Herzensgute ihres Sohnes sei ein Erbteil des Vaters gewesen, aber die künstlerische Natur habe er von Ihr gehabt. Ein Bruder von ihr war sächsischer Kam mermuslkus. eine Nichte Schauspiele rin. und wer ihren Beitrag zu dem sceben erschienenen köstlichen Buche Otto Julius Bierbaum 1 zum Ge dächtnis" liest, der kann sich überzeu gen, daß das künstlerische Tempera ment ihrer Familie auch in ihr unbe wußt rege war. Sie ermöglichte dann auch dem Sohne, d:n literarische? Be ruf zu ergreifen. Otto Julius hat in einem geradezu vorbildlichen Verhältnis mit seinen schwergeprüften Eltern gelebt. Sie folgten ihm in die Städte, wo er t weils feinen Wohnsitz aufgeschlagen hatte, und Sohn und Eltern teilten alles miteinander. Nach dem Tode des Vaters war er der Mutter nn ständiger Helfer, ihre einzige Stütze, und trachtete, ihr .Leben auf jede Weise zu verschönern. Dafür pflegte ie ihn in seiner Todeskrankhcit bis zu einem letzten Atemzüge. Nun lebt ie nur noch der Erinnerung an den icrühmten Sohn, und sie kann es in ?em stolzen Bewußtsein tun. eine von jenen verelirungswürdigen Müttern gewesen zu sein deren Klugheit. Her zensbildung und treuer Sorge die Kinder im Leiblichen und Gcistig'.n ihr Bestes verdanken. ,' , Auf 100,000 Einwohner kommen Todesfälle infolge Alkohols, in Bcr lin 3, in Paris 6. in London 13. in Petersburg 20. ' DaS englische Staatsrcchk kennt keine freiwillige Niederlegung des Parlamentsmandates.