Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, November 05, 1912, Image 2

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    TSsllche bniii TribS.
AliIN Lös Mk!l.
LoUe l'nv NiZSsch w Leipzig. Auet
wch'z Keller. Sein D-schwind?n
lein Unglück. -- Schuch vierzig
jZhklgez Tirigentenjubil'äum.
erhärt Hauptmann' .Gabriel
Schilling', Flucht." Josef
Etransky'i Auftreten in Dresden.
Tat französische Musiks.st in
Schwerin. Tat Musitsrama
Moniu Lanna.
Schwerin, mtiU 14. Ctt.
Vmn einst tkt Reise thut, dann
kann er waj zählen" sagte ich
ZU mir, als ich wirklich nicht mehr
wußt, koich ansangen sollte, um
Ihnen fletreulichen Bericht über alle
dramatischen und musikalischen Ueber
Waschungen zu erstatten, die hier in
Berlin während der letzten Zeit über
r.nj hereinbrachen. Lieber gar keinen
SWtffi nl rintn itntinfTtt.inhlsif n?
Zlh machte ich mich aus dem Staube,
um in der allerdings ziemlich
nahen Ferne neue Kräfte für die
fernere Der7mer Arbeit zu sammeln.
ilsox allem geschah das aber auch m
Ihrem Interesse, denn sie möchten doch
cua schon der Abwechselung halber,
lieber gern mal hören, was m den um
liegenden Dörfern wie Leipzig, Tres
fcen, Schwmn usw. bor sich geht.
Mit Leipzig fing ich an. ES hatte
diesmal Nichts Abschreckender für mich.
denn eS hatte ja vorige Woche keine
Messe. Dafür besaß eS aber eine neue
Anziehungskraft: schon seit dem ersten
August wirkt dort am Stadttheater
Kapellmeister Otto Lohse, der auch
Ihnen noch als Waqnerd'rraent
als Walter Damrosch die .States"
mit seiner Teutschen Opernaesellschast
durchreiste in guter Erinnerung
sein muß. Damals mag vielleicht noch
die Begeisterung, das temperamentvolle
Draufgängerthum in feinen Leistungen
idaS Hervorstechendste gewesen sein, aber
ich erinnere mich doch auch ungemein
poetischer, zarter Nüancn, die er in
ein .Lohengrin" Vorstellung an
brachte.' Seitdem ist aber Lohse ein
usgereifter Meister geworden, ohne
daß er dabei irgend etwas von seiner
zchönen Begenteruna verloren hatte.
Ehe ich ihn besuchte, sprach ich mit
Mterfchiedlichen Leipziger Kritikern
unb sonstigen Leuten, die Beziehungen
zum Theater haben. Selten ist mir
unter solchen Leuten solche Einstimmig
Zeit aufzestoßen. Sie wußlen sich im
cde garrncht genug zu thun, sie spra
' chen von einer neuen Aera des Leip
zrger Theaters. Wohl bemerkt, des
ganzen Theaters, nicht bloß der Oper;
denn was Lohte ,n der Oper, das
scheint sein Freund und Genosse Mae
terfteig im Drama zu sein. Ich hätte
mir am liebsten gleich am selben Abende
ine Vorstellung angehört, aber Lohse
rieth mir ab: zur ersten Neuigkeit, die
erden Leipzigern vorsetzt, Psitners
Koje Vom Liebesgarten soll ich kom
rn. dann hofft er eine bemerkens
werthe Leistung seines Ensembles dar
Lieten zu können. Da ich auch noch was
anderes zu thun habe, als alle. TaJe
zu einer Reise nach Leipzig bereit zu
stehen, bade ich noch nicht sey zugesagt.
Aber wenn ich kann, werde ich die
Leipziger Rose des Liebesgartens
pflücken. ;
Jawohl, die alten konservativen
Leipziger, die mir immer vorkommen
wie di Erfinder jener Bewunderung
der .guten alten Zeit", sind bereits
stolz auf .ihren" Lohse, und sie meinen,
mit Lohse und Nikisch besäßen sie die
besten Dirigenten der Welt. Aber wie
lange werden sie Nikisch noch besitzen?
In zwn Jahren tritt seine Pensions
berechtigung in Kraft, und es sollte
mich nicht wundern, wenn er dann nur
noch zur Erhebung seiner DensionS
raten das geliebte Leipzig besuchte und
die übrige Zeit des Jahres mit dem
riesig einträglichen Gastdirigieren in
Rußland und England verbrächte.
Schließt doch se,n Bertrag mit der
Gewandhausdirektion nur die Ant
Klausel ein, daß er wenn pensioniert.
keine .feste Dirigentenstelle annehmen
darf. Er würde sich auch hüten; bringt
doch das Gastleren das Zehnfache ekn.
Es gelang der Stadt Leipzig noch
, durch einen anoeren, allerdings nega
tiven Vorzug diesmal mein erhöhtes
Wohlwollen zu erwerben: der Auer
bach Keller existiert nicht mehr!
Welch' ein Fluch war doch dieser Keller
für den harmlosen Touristen gewesen,
bloß weil das Volk der Denker und
Dichtn auch seinen Goethe am liebsten
mit etwas Flüssigem verehrt. Daß
dieser Keller schon existiert hatte zu
einer Zeit, als der Dr. Faust - gelebt
haben konnte, daß damals darin
schwer gezecht worden sein soll: das
tXZti soll ein Leipzigpilger erfahren
und denoch der Versuchung widerstehen,
selbst einmal dort einzukehren?
Nimmermehr! Ein, oder auch zwei
nal ist jeder dagewesen, beim dritten
Ctele wird ihn freilich wohl der Muth
vorher , verlassen haben. Denn, was
man auch von der Grüneberger Schat
tenseite nud von der Bomfter Beeren
auflese fabeln mag, an die Säure des
2ein3 der in Auerbach'S Keller ver
schenkt wurde, reichte keiner heran. Wer,
räch dem Borgang des braven Frosch.
r:i Maul sehr voll verlangt" und
7".7Amen hat, .der wird sicher mit
( total durchlöcherten Magen nach
; y-'e gewankt sein. Es war die kon
' .'trieft mkdhistofeNsS Ironie, die
. x t:rt in flüssiger Form und in
i IZr.ttn gereicht, wurde. Und
Keller die Wirthschaft führte, vom
dichterisch historischen Standpunkt
aus ganz recht: er wollte immer noch
einem zum Besuch kommen' Hie
phisto Gelegenheit zu der Kla.e gebe:
.Wenn eure Weine nur m wenig
besser wären!
Von Leipzig fahre ich stets gern
nach Dresden, rade wie ich gern in
einen aristokratischen Salon eintrete,
nachdem ich die gute Stube eines
Bürgtlhause sattsam ausgekostet habe'.
Auf der Fahrt dahin ärgerte ich mich
darüber, daß ich nicht neulich dmh zur
Tchuchfeier, zum vierzigjährigen Dir!
gentenjubikäum Cchuch'S nach dort ge.
cangen fei. .Wirst dir alles hübsch er
zahlen lassen", beruhigte ich mich. fcnfy
ich dann auch gethan, aber es war nicht
alles hübsch, was sie mir erzählten. Die
Zeitungsberichte müssen wohl ziemlich
stark gefärbt gewesen sein. Freilich hat
das Publikum begreiflicherweise feinem
Cchuch zugejubelt, wi: sich's gebührt,
aber die Anerkennungs. und Huldbe
weife, die dem Jubilar von der Könige
l.chen Intendanz dargebracht worden
sind, sollen nicht ohne Beigeschmack g
wesen fein. Graf Seebach, hörte ich.
habe sich dabei ungeheuer kühl und
preußisch .korrekt" benommen: nun
und Schuch. der sonst so witzig
reden kann, habe seine wohlpra
parierte Dankesrede angstlich vom
Papier abgelesen. Ueberhaupt soll
Schuch. weil man ihm bei manche
wichtigen Dingen nicht mehr das ent
scheidende Wort zuschiebt, ziemlich un
zufrieden mit seiner Dresdener Stcl
lung sein. Ich hoffe aber, das ist über.,
trieben.
Vor allem lag mir an der Genera
probe von Gerhart Hauptmann's .Ga.
brul Schillings Flucht" welches
Drama hier seine erste öffentliche Aus
führung nach dem Lauchstcdter Erperi,
ment erfuhr. Mit .außerordentlicher
Sorgsalt hatte man sie vorbereitet und
die besten Kräfte des Dresdener Schau
spielensembles setzten für das merk
würdige, unwiderstehlich anziehende
und doch auch wieder abstoßende
Seelengemälde ihr Aeußcrstes ein. Daß
nicht alles dem Publikum sanft ein
gehen könne, war mir übrigens schon
klar geworden, als ich im vorigen
Frühling das Buch gelesen hatte. Am
rirtrtSTn . ftfftV &niT fftVYvf
VII HV l -W UVIUV Hl ueuue,
wo Hauptmann mit den Darftellern
beim fröhlichen Mcchle saß, wurde mir
denn das auch bestätigt: manches hatte
das Publikum förmlich eisia stimmt,
Einerlei, es ist das Werk eines Dich-
terS.
Und was sagen Sie dazu daß der
achtzehnjährige sächsische Kronprinz
oen er letzten Proben beigewohnt ba
und zwar mit ofscnsichtlicher tiefste:
Theilnahme! Ist das nicht für einen
Halb - Jüngling em , wenig zu früh?
&o ernst brauchen halberwachsene
KronpnnM eigentlich noch Nicht zu
sem. Vielleicht wird ein solcher Krön.
pnnz aber dann nicht später, als Gatte
und Vater sein ganzes Sinnen und
Trachten auf Sport und Operette kon
zentrieren.
Ich merkte es aber bald, daß id
auf dieser Reife von den Dirigenten
nicht los kommen sollte; von den Lit
faßsäulen sprang mir der riesig ge
druckte Name von Josef Stransk
entgegen: Crsies Konzert des Vereins
der Musikfreunde: Euryanthe Ou-
vertüre, Beethoven's .Fünfte" und
Liszt's .Tasso". Ich glaube, das war
transky'S einziges Auftreten auf dem
europäischen Kontinent, und da ich
Stransky feit seiner Uebersiedelung
nacy Amerika nicht mchr dirigieren ge
sehen hatte, beeilte ich mich, um halb
acht Uhr den Saal zu erreichen. Bis
zum letzten Winkel war er besetzt und
vle .yooen Augenbrauen" waren auf
icoem Msicht zu entdecken. Gewiß,
wenn em Kunstler .der schnöden Dol-
larö wegen" nach Amerika aebt. dann
ist eö hier noch immer ausgemachte
Sache, daß er verwildern muß. Einen
eingefleischten Kontinentalen, der nie
den Weg uber'S große Wasser aefun-
den,, eines Besseren belehren zu wollen.
ist vergebene Liebesmühe. Trotz aller
Austausch Professoren bleiben die
Vorurtheile gegen Amerika in ordent
lich mittelalterlicher Zähigkeit bestehen.
Aber ich muß doch ,u Ehren des
Dresdener Konzertpublikums konsta
tieren, daß man des Dirigenten Leist
ungen trotz seiner .Amerikanisier"
so hoch wie möglich einschätzte. Nach
dem .Tasso' besonders gab es riesige
Beifallssalven. Mein eigner Eindruck
war, daß Josef Stransky durch seine
anstrengende Arbeit mit . dem New
Yorker Philharmonischen Orchester
seine vortrefflichen Dirigenteneigen
schaften noch auf eine höhere Stufe ge-
bracht habe. Seme Beherrschung der
Materie schien noch an Sicherheit zuge-
nommen zu yaven, und di; suggesioe
Macht, die er auf die Spieler
ausübte, schien ; unbegrenzt . gewor
den zu sein. Er gab uns eine
streng fachliche, würdige und da
bei durchaus lebendige Darstellung der
.fünften", und im .Tasso" ließ er'
semem Temperament zwar nicht die ,
Zügel schießen, ließ ihm aber freien
Laus. Es war für m aktiv wie passiv
Beteiligten ein überaus erfreulicher
Abend. Auf die Frage, warum er nicht
auch in Berlin . noch vor , seiner Rück
reise nach New Fort in Konzert diri
g:ere, antwortete Stransky mir mit
einem diplomatischen Lächeln, wie er's
sich erst in Amerika angewöhnt zu
baben fchcint: .vielleicht im nächsten
Jahre", meinte ! Am Ende möchte
er erst noch ein bischen mehr ameri
kanisch verwildern. ,
Ich mußte mich svuten,, - wollte ich
in Schwerin, ankommen. Doch halt.
Hofkapellmeister Naehler schon
wltöer habe ich'! mit einem Dirigenten
zu thun! hatte mir ausdrücklich
geschrieben, er betrachte diese vierlazi.
gfn französischen Wunkasführunj'F!,
durchaus nicht als .Fest"; also will ich
mich bemühen, ohne irgendwelche fest,
lich. Ausschmückung darüber zu schrei
den.
Wenn man die Mecklenburger in die
französische Musik einführen will, muß
man natürlich ein vorsichtige, mit
hin etwas konservatives Programm
machen. Uns Auswärtige, dagegen
konnte eS wenig reizen die d moll
Svmphonie und die .Batitudei" von
Ccsar Frank, die Harald-Symphonie
von Berlwz oder Massenets' .Manou"
in deutscher Sprache zu hören.Auch di
Kammermusik, an der sich Meister wie
Henri Marteau und Raoul Pugno be.
thkillgten, brachte keinen Novitatenreiz
mit sich, während allerdings dal T.
bussy'sche Streichquartett den einge.
scssenen Schwerinern einigermaßen neu
uno mooern vorgekommen sein ma,
ernste und verläßliche Künstler sind,
wenn sie auch all Slimmkünsller sich
nicht grad auszeichne. Der Helden
tenor Sröbke erfreut sich ines macht
vollen, in den hohen Tönen besonlxrS
reiche? OrganS. da er gegebenen Fall!
auch zu einem frönen mezza voce zu
verwenden versteht. Im übrigen frei
li fehlt noch stark an Stimmkultur.
In der Kapelle aber sitzt muH ein
lrfinder. der Flötist Samuels. An
Sonntag Nachmittag führte er uni
fein Ekfindung höchst überzeugend
vor. Vermittelst eine einfachen Appa
rate, eines kleinen Blasebalgs, der mit
dem rechten Fuß in Betrieb zu setzen
ist. führt er den Bläsern einen bestän
d-zen Strom von Luft in die Mund
höhle, der sie aller Athemsschnierig
keite überhebt. Sie können, ob sie nun
Flöte oder Baktuba blasen, ob sie
wenig oder diel Luft nöthig haben, di
Phrasen nach Belieben ausdehnen, und
alle die kleinen Mittelchen. deren sich
die Komponisten zu bedienen hatten,
um eine Unnterbrechnng de Ton
ftromS durch Ablösung zwischen den
a. iri
Aber für gestern Abend war im Hof. Instrumente zu verdecken, sind nun
lizeaker drc rste deutsche Aufführe? uversluiZig geworven. Wrrilcy. dies
des MusikdramaS Monna Lanna
angesetzt und zu dieser Angelegenbeit
waren denn auch einige Berliner
und Hamburger Kritiker, herüberge-
kommen.
Henri Fevrier heißt der noch junge
Komponist, der eS unternommen, das
erschütternde Seelendrama Marter
lincks in Musik zu setzen. Daß dr
Stoff die Komponisten besonder an
zieht, kann ich mir wohl vorstellen,
desgleichen daß auch die Talentvollsten
unter ihnen darüber zu Fall kommen,
weil es gradezu unmöglich ist, - da.
Psychologisch dieser Dichtung in der
Musik zu reproduzieren. Für F6vrier
und seine Oper sprach die Thatsache,
daß Maeterlinck selbst ihm bei der
Umarbeitung des Stoffes gebolfen
hatte, ja, daß er sogar daS glückliche
Ende" selbst binzuaedichtet baben muk.
Wenn sich der Dichter trotzdem später
der Uraufführung im Großen Opern
hause zu Paris gerichtlich widersetzte,
so geschah daS scheinbar, weil er die
kleinere Bühneder Opera Comique für
so viel geeigneter hielt, in Wirklichkeit
aber, weil er gern seine Frau in der
Titelrolle auftreten lassen wollte, ein
Wunsch, den zu erfüllen die Große
Oper sich entschieden geweigert hatte.
Erfindung hat inen sehr wesentlichen
praktischen Werth. Wenn sie sich noch
nicht überall eingebürgert hat
selbst kn Schvkrin wird sie rst von
wenigen Bläsern benutzt! dann
kommt daZ vielleicht bloß daher, nxik
sie eben aus Mecklenburg kommt. Und
wn erwartet ?!euerungS - Refor
men aus dem ffeudal :aal z)cklea
bürg! i
August S p s n u t t).
New Yorker Plauderei.
Mobjustiz. Die New Haden , Erfat
bahn. Unsere FnedenSonkel.
Ausgeschlossen. Weiblich Räu
br Quartett.
V ,!i ?Xitt,j(,a I a.im frrtfii;fl-fi. flT..ntl
jtK. j "Jyi'. Bt! '"vft'-jio; "'"irJU;
Wenn ich nun mahlt, bah die Auf.
führung hier, natürlich nach Maßgabe
der bescheidenen Verältnisse in einer
Stadt von weniger als fünfzlgkausend
Einwohnern, eine recht gute war, daß
die Sänger mindestens passabel sangen
- der Tenorist Grobke beiidt e ne
riesenftarke, aber noch zu wenig kulti-
vierte Stimme. daß endlich das
Orchester sich als eine anz ausgezeich-
nete Organisation bewährie, so geht
daraus hervor, daß die-Oper schoneinen
Erfolg hätte haben können, wenn sie
wirklich etwas werth wäre. Freilich, es
wurde nach dem zweiten Akt und nach
dem Schluß tüchtig applaudiert, der
Komponist und die hervorragendsten
)arfteller mußten wieder und wieder
vor dem Borhange erscheinen und ihre
Dankesverbeugungen machen, aber
nach vierzehn Tagen wird in
X , -' i r m . r jl t r i
Mlvnin in xiicii m jnrDi nacy oer
Fövrierschen .Monna Vanna Be
gehe haben. Ich habe mit vielen emhei
mischen Theaterfreunden darüber ge-
prochen, sie waren alle der Ansicht, daß
ihnen diese Partitur keinerlei Änre
gung gäbe, daß manches ja .ganz gut"
lange, aber daß die dramatische
Energie, daß der Kontrast zwischen
hinauf und hinunter fehle; etwa so
iklen die Laienurtheue aus. Man
klatschte Beifall, weil das Ganze unter
der Protektion des HofeS stand und
die Mecklenburger loyale Unterthanen
sind und ferner applaudierte man,
weil sich die einheimischen Kräfte
olch' auberordentliche Mühe damit
gegeben hatten. Also aus lauter
menschlich - begreiflichen Gründen,
aber nicht aus dem einzig wahren
Grunde des Ueberzeugtseins.
Mich selbst hat die Fövrier'sche
Musik ordentlich eingeschläfert. Sie ist
gänzlich physiognomielos, sie plätschert
durch die drei Stunden hindurch, wie
etwa das Leüungswasser im Bade
zimmer, das man abzudrehen der
gessen hat. Allerdings, manchmal
kommt mehr Wasser, manchmal wem-
ger, aber stets ist es Wasser, farbloses
Wasser. Wenn der Komponist deö
.dramatischen Effekts wegen etne
Forte, eine Steigerung anbringen zu
müssen glaubt, bleibt es dennoch bei
derselben lyrischen Weichheit der Em
pfindung. Nirgends trifft er den Nagel
auf den Kof, und erst recht nirgends
vermag er jene zarte Eigenart der
Maeterlinckschen Poesie auch nur an
zudeuten. Es ist hoffnungslose fran
osische Kapellmeistermusik von der
druckslosesten Sorte. Nach Mas
enet.' Puccmi und Wagner hat sich
Fövrier vornehmlich entwickelt, wenn
man hier überhaupt von einer Ent
Wickelung reden darf. Ich ., will ihm
trotzdem die Existenzberechtigung Zn
feinem eigenen Lande nicht, absprechen,
denn auch in Frankreich mag eS Spieß
bürger geben, die aufgewärmten Kohl
lieber essen, als frisch gekochten; aber
als Repräsentanten der modernen
französischen Musik im Auslande hätte
man auf kemm ungeeigneteren Versal.
len können. : ;
Meine Schweriner Ausbeute
schrumpft also zusammen; ich habe nur
den angenehmen Eindruck mit nach
Hause zu nehmen, daß in Schwerein
eine ganz vortrefsliche Hofkapelle sitzt,
und, daß bit .Sänget, des Loftheatkrs
au
Weil zwei kleine Mädchen in einem
harmlosen Passanten den Mann zu er.
kennen glaubten, der Kinder durch den
.Z'ozbite" mißhandelte, wurde ' der
arme Kerl von einer brüllenden Menge
überfallen und beinahe todt geschlagen.
DaZ ist die New Yorker Version deS
Richter Lynch, die nicht einmal die
Scheinform einer Proccfsirung wagt,
sondern daZ Opfer seiner Wilkur ein
fach unter den Füßen zertrampelt. Der
New Forker Mob unterscheidet sich in
solchen Fällen nicht im geringsten von
vem wob naeno vinci anoeren 'irn
lionenstadk. In ihm kommt der Mord
instinlt. der auch beim unerzogenen
Kind alZ Zeistörungssinn rudimentär
vorbanden ist und nie ganz auSge
rottet, sondern nur zurückgedrängt
werden kann, brutal und plötzlich zum
Ausdruck. Wir sollten darum auch mit
der Urtheil über Lynchereien weiter
innen im Land etwas zurückhaltend
sein. Wir sind nur sehr wenig besser.
ch
Die New Haden Bckhn zählt zu den
wenigen Bahnen deS Ostens, die trotz
brutaler Ausplünderung des Publi
kums. das fährt und Güter verschickt,
poch immer eine Unmenge alter, uralter
Waggons laufen läßt. Die Bahn hat
ellerdingS Millionen für die Berbefse
rung ihrer Bettung ausgegeben und hat
außer dem Hunderte von Millionen
drangewendet, um alle Konkurrenz auö
ihrem Terrain fernzuhalten oder an sich
zu ziehen. Aber grade ,shalb ist eS
unverständlich, warum mit den wen!
gen Millionen, die ein Ersatz der alten
hölzernen Waggons durch neue Stahl
cars kosten würde, gespart worden ist.
Die Schadenersatzansprüche auö den
beiden letzten Katastrophen auf der
New Haven Bahn haben sicher schon die
Hälfte der Summe gekostet, welche
Stahlwagen kosten würden. Die Kurz
sichtigkeit mancher Jndustriegrößen ist
hie und da unglaublich.
.
Daß unsere Flotte innerhalb zehn
Jahren zum alten Eisen gehören wird,
behaupten unsere Friedensonkel. AuS
Anlaß der Demonstration im New
Forker Hafen haben sie sich in
diesem Sinn wieder einmal gründ,
lich losgelassen. Sie weisen da
rauf hin. was wir alle langst
wußten, daß die glorreichen Fahrzeuge,
welch bei Santjago Spaniens ameri
kanifche Herrfchaft zerschmetterten,
heute nur anstandshalber als Reserve
geführt werden. Si prophezeien, daß
in zehn weiteren Jahren unsere mo
dernsten Schiffe wieder alt geworden
sein werden. Auch da wissen wir. Was
uns aber recht interessiren würde, wäre,
was wir thun sollen. Da weicht man
uns vorsichtig aus. Eine Flotte müssen
wir haben; das wagen sie selbst nicht
abzustreiten; modern muß sie sein; das
können sie nicht leugnen. Aber jammern
thun sie doch, als ob die Flotte den
u,n des Landes bedeute.
Trotzdem er 31 Jahre lang in Ame
rika war und nach dem Staate Mnne.
fota kam. während dort noch der An
siedle? mit der einen Hand den Pflug
und der anderen die Flinte führen
mußte, um sich gegen räuberische Sioux
zu wehren, ist der Krainer PrimoS
Pernez bei der Rückkehr vo.l einer Be
fuchsreife nach der alten Heimath auf
ElliS Island unter der Angabe festge
halten worden, daß er möglicherweise
dem amerikanischen Gemeinwesen zur
Last fallen könnte.
' Gegen den Mann spricht lediglich
fein Alter. Er hat Geld und ine Fahr,
karte nach Albany. Minn.. wo sich
feine Farm befindet, die setzt von seine
in Amerika geborenen Söhnen bewirth
schaftet wird. Da man in Minnesota,
wie in vielen westlichen Staaten.' auf
daZ .erste ZZaM HinpMMiHann. hat;
Pernez nie sein volle Bürgerrecht tu
worden, und hierunter muß er jetzt aus
der Thräneninsel. wo man lediglich
dtin Buchstaben de Gesetze und nicht
der gesunden Vernunft nach urtheilt,
leiden. '
Daß Pernez schllMch doch frei
kommen wird, weiß Jeder auf ölli
Jiland. Wenn er gänzlich mittellos
wär, wa er nicht ilt. hätte Oesterreich
zweifello da, gute Recht, bei eisser De.
portation seine Annahme zu verwei,
gern, da er im Jahre 180 auSivan.
derte nd seither in den Vereinigten
Staaten gewohnt hat. Die kurze Be.
suchsreise. die er lektei taf nack
drüben machte, gab ihm. da seine
Mmilie sich bler befindet, sicherlich da
5eimathsrecht nickt wieder.
DaS Ewigweibliche zieht Dich hin.
an! In eigenthümlicher Weise scheinen
sie m vem loyllkschkn Ban n Jiland.
jener malerisch vor der Jamaica Bay
gelagerten, gen Himmel duftenden
Insel die Frauenfrage gelöst zu haben.
Nicht daß etwa die Suffragetten dort
da Regime führen oder die Frauen im
öffentlichen Leben eine hervorragende
Rolle spielen. O. nein doch scheint
dort eine Anzahl von övatöchtern
einem .Berufe' obüulieaen. für den
sonst dai stärkere Geschlecht ein auS
schließlicheS Privilegium genoß, näm
lich den bei Rinaldo Rinaldinik
' Ja, wenn man dem siebenndvierzig
Jchtt alten Jacob Golden. Glauben
schenken darf, wurde er auf dem mit
llen .Wohlgerüchen Arabiens erfüll
ten Eiland bei hellichtem Tage von vier
grauen angefallen und um feine Baar,
schaft im Betrage von 561 beraubt.
Daß die betreffenden .Damen' ihr
vinitx .mit Lust und Liebe" und dem
gehörigen Nachdruck ausüben, dessen
war im Flatbush . Polizeigericht daS
ramponirte Aussehen Golden'S Zeuge.
Er trägt den .gedämStsckten" Arm in
der Schlinge und die Visage ist schreck
lich zerschunden und zerkratzt. , Nach
seiner Darsteung war Golden, der
seine Zeichens ein Alttrodler ist. nach
der Insel gekommen, um mit einem
dort domizilirten Altwaarenhändler
in Geschäft abzuschließen. Nachher
hatte rr sich zur Frau Pauline Evon
begeben, die Hühner zu verkaufen hat.
Er ersiand einige Prachtexemplare deS
Federviehs und zog feine Börse um
erfür zu bezahlen. AIs er eine Rolle
meinem Leiden ein Ende.
Ich hat! wieder einmal einen Tag
vcll von Enttauschunzen hinter mir
un verordne!, mir zur Ausbesserung
meines stark erschütterten Selbstver
trauen einen Whisky. Ich steuerte auf
die nächste Bar lo. deren wohlklingen
der Name .HU, Lordihip'k Lardcr' so
viel versprach. Sie war von nur weni
ge,. Leuten besucht. Kaum hatte ich dein
Barman In meinem besten Englisch mit
unverfälschtem deutschen Akzent meinen
Wunsch zu erkennen gegeben, als sich
aus einer Drei Männer , Gruppe etn
breitschulteriger Hüne mit lang herab
hängendem grauen Schnurrbart lo
löste und, mit gutmüthicem Lächeln
mir die breite Hand auf die Schulter
legend, im reinsten osifriesischcn Dialekt
mich anredete:
, .Hallo, junger Landömann. wag
zum Kuckuck hat Sie in diese schau
derhafte Nest geführt?!'
Der mich also apostrophierte, war
Hang Ludolf Schrader. Der Schmerz
Über meine verunglückte englische Aus-
spräche wich sehr schnell der Freude,
endlich einmal wieder in meiner gelieb
ten Muttersprache reden zu dürfen, um
so mehr, als ich au seinen Fragen
weniger Neugierde al vielmehr auf,
richtige Anteilnahme an meinem Ge
schick deutlich heraushörte. Bon dieser
Minute an datierte unsere Freund
schaft. Meine Sorgen hatte , Hans
Ludolf Schrader bald heraus und
macht, sie zu den feinigen. Er bestand
darauf, daß ich da Boardinghouse. in
welchem ich wohnte, mit seiner beschei
denen, aber wohnlich eingerichteten
Häuslichkeit vertauschte. Dann ging es
au da Stellungsuchen. Diese fand sich
naa einigem Bemühen auf der Chan
dos Grube, welche ein ihm befreun
deter Amerikaner leitete. Han Ludolf
Schrader ließ eS sich nicht nehmen, mich
Abend sur Abend in dem Nothwendig
sien für meinen neuen Beruf zu unter
weisen, bis ich einigermaßen fest im
Sattel faß. Die erste K tdu . Antilope
brachte ich unter feiner Anleitung zur
Strecke, und als mich später die heim
tückische Malaria überfiel, war er es.
unter dessen fürsorglicher Pflege ich
wieder auf die Beine kam. Im folgen
den ahre zog HanS Ludolf in die
Wildnis, um zu Prospektieren. Er kam
nur selten in die Stadt. Um so häuft
ger trug mich mein Basuto Pony zu
ihm hinaus. Dann pflegte er aus dem
von Banknoten zum Vorschein brachte, reichen Schatze seiner Erinnerungen zu
sei Frau Evon vor Erstaunen ob all erzählen: vom Deutsch . Franzosischen
dS Mammons beinahe vom Stuhl ge Kriege, den er als Freiwilliger im han-
tnTtm Vm JW. 0f...tr:j t.i An. f.:rj.. : l.Ji. ca.i i
(um. ,m iiuivinu auycuuiia n iie i i'"-uuycii iiuniciic - jicuirncni miiflc
vom Hofe, wo sich die Szene abspielte,
ins HauS gelaufen und sei wenige
Augenblicke später mit drei andern
Frauen zurückgekommen, die angeblich
ohne Weiteres über ihn herfielen. Eines
der Weiber habe ihn am Halse gepackt,
die zweite that ihre Hand über seinen
Mund, die dritte hieb mit einem großen
Stocke auf ihn ein und die letzte vom
Quartett entriß ihm den Geldbeutel.
Sobald der Trödler sich von dem
Raubattentat erholt hatte, erstattete er
Anzeige und die .bewaffnete Macht"
der Insel, bestehend auö dem Polizisten
William EvanS nahm zwei der muth
maßlichen Thäterinnen fest. Die Arre
ftantmnen, Frau Paulina Evon und
deren Nachbarin Frau Marziana
Kostka betheuerten in dem erwähnten
Poliigericht ihre Unschuld, doch stellte
Richter Harris sie bis unter je 51000
Burgichast. Auf die anderen Räuber
im Unterrock" fahndet die .Polizei'
noch.
Deutsche andskeuteim Aus
lande.
Von Karl Brauer.
HanS Ludolf Schrader und Gideo
Katnmba.
So oft ich von der Chandoö . Grube
zu meinem väterlichen Freunde Hans
Ludolf Schrader hinüberritt, war ich
gewiß, daß mich für die etwas erntoni
gen sechs Meilen, welche ich bis zu
seinem Bohrloch zurückzulegen hatte,
mindestens ebenso viele angenehme
Stunden in seiner Jesellschaft entscha
digen würden.
Seit dem Tage unserer ersten Be
gegnung vor genau fünf Jahren hatte
er mir die freundschaftlichste und un
eigennützigste Gesinnung entgegenge
bracht und diese so oft in die That um
gesetzt, daß ich tief in seiner Schuld
stand, ohne Aussicht, sie ihm . jemals
abtragen zu können. W er es doch
cttoefin. der dem unerfahrenen Neuan
kömmling seine erst Anstellung ver
schafft hatte, als ich arm am Beutel,
krank am Herzen" nach mancherlei Irr
fahrten in Bulawayo mein Glück ver-
suchte. DeS Englischen wenig mächtig
und bar aller , praktischen Kenntnisse,
war ich bald zu der entmuihigenden
Einsicht gelangt, daß man in Rhodesia
Nicht auf mi.ch gewartet hatte, sondern
sehr gut ohne mich fertig wurde.
Irgendwelche Zweifel meinerseits wur
den ohnedies durch die barsche Abwei
fung gründlich beseitigt: Germans
need not apply!", mit deren Bekannt
gab; an den Eingangsthoren der Gru
ben ein verärgerter Jingoismus eZ
war kurze Zeit nach dem verunglückten
Jameson Raid allen Bewerbungen
zuvorkam. Bei deutschen Firmen anzu
kommen, war aus dem einfachen
Grunde ausgeschlossen: es gab damals
dort noch keine. Die robe Arbeit, in
Amerika für Anfänger die erste Zu
flucht, war das geheiligte Monopol der
Schwarzen. Ein glücklicher Zufall,
welchen ich die Bekanntsaft HanS
Ludolf SchaderS vcrLankte rnaMe
macht ,von den Kämpfen um Orleans,
wo er daS eiserne Kreuz erworben.
Oder wie es ihn bald nach Friedens
schluß hinausgetrieben in die weit:
Welt: zuerst nach Indien und Austra
lien. Dann war er nach Südafrika ge-
kommen: Kimberleyz Reichthum hatte
lyn gelockt. Er befand sich unter den
ersten Pionieren auf den neuentdeckten
Goldfeldern des Witwatersrand und
sah Johannesburg entstehen. Das
waren goldene Zeiten für ihn gewesen.
Doch so leicht wie der Reichthum ihm
zugeströmt war, ebenso schnell war er
ihr an der Börse durch seine Spiel
leidenschaft wieder aus den Händen ge
glitten. Nach dreißigjährigem Aufent
halt im Auslande war er beute kaum fa
weit, um seinen letzten Wunsch, sein
Leben in der alten Heimath zu be
schließen, verwirklichen zu können.
Als ich heute, am fünften JahreZ.
tag unserer ersten Begegnung, zu ihm
hinübertritt, wußte ich, daß er mich
bestimmt erwartete. Wir hatten den
29. März nie ohne kleine Feier vor.
uoergeyen lauen, uns o war mein
Kommen in seinen Augen selbstvcr
ständlich. Ein opulentes Mahl harrte meiner,
von kundiger Hand zubereitet: junger
Cmj.-Y-- 'i I. "rr s , .
iitai&ioiccn mir llirer eröffne das
Menü; für den Gemüsegang hatte
banden Englisch und Holländisch ge
wiß geläufig sei. Ich bekam aber fast
einen Lochkrampf ol dieser Anschein,
tare Buschmann in zwar etwa holpri
aem. aber immerhin verständlichen,
Französisch feine Bitte um Arbeit
wiederholte. Diese neue buschmännisch
Leistung bracht auch HanS Ludolf ou
seiner ernsten Haltung, welche er im
Verkehr mit Schwarzen stets anzu
nehmen pflegte. ES drängte auch ihn
nach einer Erklärung dife linguisti
fchen Phänomens. Eine Hand voll
Tabak verschaffte sie nnS. WaS wir z
t.Lren bekamen, war allerdings wunder,
lich genug. '
Der Gegenstand unserer Neugierde
hieß Gideon Katamba und hakte
irgendwo in der Kapkolonie vor viele
Jahren zum ersten Mal, seine schwär
zen Augenlider aufgeschlagen.
Kaum flügge geworden, verließ e?
den heimathlichen Kral und verdingt
sich in East London alS Pferdeboy.
Das Leben und Treiben am Hafen,
welches er zu beobachten oft genug Ge
legenheit hatte, ließ in ihm den
Wunsch reifen, auch einmal auf einem
Schiff über daSgroße Wasser fahre
zu dürfen.
Froh schlägt das Herz im Reisekittel,
Vorausgesetzt man hat die Mittel."
singt Wilhelm Busch. Ueber Mitiek
verfügte Gideon Katamba allerdings
nicht, wohl aber über eine reiche Por
tion Schlauheit. Er quartierte sich auf
dem ersten besten Dampfer als blinder
Passagier ein und vertraute dem
Schicksal. Sein Stern führte ihn nach
Nossi ffltf auf Madagaskar. Es gelang
ihm. ohne Prügel vom Dampfer zu
entwischen und in die Stadt zu ent
kommen. Hier griff man ihn auf und
steckte .ihn. da man nichts weiter mit
ihm anzufangen wußte, in ein Turko
regiment, welches gerade im Begriff
stand, sich nach Algier einzuschiffen
Zwri Jahre später brach der franzö
sifche Krieg aus. und Gideon Katamba
trat seine dritte Seereise an, um im
Verein mit seinen dunkelhäutigen
Kameraden auf die Deutschen loSge
lassen zu wleden. Schon bei Weißen
bürg traf ihn dasselbe Schicksal, wel
ches einige Wochen später seinen Kaiser
bei Sedon ereilte: er wurde gefangen
genommen. Man brachte ihn aber nicht
nach Wllyelmshohe, sondern nach
Königsberg. Diese Königsberg Ge
fangenschaft war für Gideon Katamba
die glücklichste Periode seines Lebens,
und er gedachte ihrer in dankbarer Er
innerung. Hier brauchte er sich nicht
totschießen zu lassen und konnte den
ganzen Tag faulenzen. Daher kam ihm
der Frankfurter Friede ebenso über'
raschend wie ungelegen: er mußte, zu
rück nach Frankreich. Wie er es dann
ermöglichte, plötzlich von Frankreich
nach England zu verschwinden, blieb er
uns in seiner Erzählung schuldig.. ES
war Gideon Katamba offenbar Pein
lick. sich hierüber zu äußern, und wir
waren diskret genug, nicht in duseS
Dunkel hineinzuleuchten. Genug; er
war eines schönen Tages in England
und wäre auch heute noch dort, wen
nicht das Heimweh seine, schwarze
Seele geplagt hätte. Er erarbeitet sich
als Kohlenzieher freie Ueberfahrt nach
Kapstadt und zog von hier aus mit
einigen Stammesgenossen nach Dama.
raland. Mit der Besitzergreifung dieses
Landstriches wurde auch Gideon Ka
tamba zum deutschen Staatsbürger be
fördert und hatte nun hinreichend Ge
legenheit. feine in Königsberg begon
nenen Studien in der , deutschen
Sprache fortzusetzen. Erst kürzlich hatte
er Deutsch , Südwest den Rücken ge
kehrt und durchwanderte jetzt Rhidesia
als Gelegenheitsarbeiter. Ueber die
Motive dieser seiner abermaligen
Wanderlust schwieg er sich, sicherlich
au triftigen Gründen, ebenfalls aus. ,
Gideon Katamba hatte die Erzäh
Hans Ludolf zwei Konservenbüchsen lung seines LebenSIauses, beendet und
geschlachtet"; hierauf folgte Spring- kam nochmals auf seinen Wunsch zu.
bockfllet vom Rost, und Weißbrot mit
Marmelade machte den Beschluß. An
Whisky war natürlich kein Mangel,
und für kühles Wasser sorgte der
Wassersack aus Segeltuch. Um uns von
dieser Schlemmermahlzeit zu erholen,
warfen wir uns in die breiten Bom-
bay Ehairs und setzten unsere kurzen
Pfeifen in Brand. Wir konstatierten
noch voll Befriedigung, daß wir in
trauter Harmonie mit der ÜbrigenWelt
lebten, und schauten dann schweigend
der untergehenden Sonne nach. Unsere
Gedanken waren wohl die gleichen und
verloren sich in europäischer Richtung.
Saku bona, BaaS! (Guten Abend.
Herr!) unterbrach eine tiefe Stimme
unser Andacht und schreckte uns aus
unseren Träumen auf. Der Eigen
thümer dieses Basses war ein alter
grauhaariger Buschmann, kaum größer
als vier Fuß. Hans Ludolf war ent-
zückt über diesen plötzlichen Besuch und
machte, noch im Banne seiner heimath
lichen SehnsuchtSträume. seinem Aer
ger in einem ehrlichen deutschen Fluche
Luft. Worte thun einem Schwär
zen nicht weh. am allerwenigsten einem
Buschmann, und ehe noch einer von
uns darauf kam. ihm ein rauhes .Voet
zak!" (?cher dich fort!) zuzurufen,
hatte er uns zum zweiten Male über
rumpelt,,, indem er in gebrochenem
Deutsch fortfuhr: ,fi fein auch Deut,
scher, ich kommen aus Südwest, ich
suchen Arbeit!"
Ein Deutsch sprechender Schwarzer
war uns etwas Neues und stimmte
unS milder. Mir hatten aber keines
wegs die Absicht, ihn dies wissen zu
lassen, und nahmen unsere uflucht zur
frsKzi Sprache, in der richtigen
VorauIMng daß diesem allen Vsl&i,
ruck lh..i Beschäftigung zu neben.
Seine verschmitzten Äugen verriethen
deutlich, daß er sich der Wirkung seiner
phantastischen Schilderung wohl be
wußt war. Darum galt es, die Sikua
tiin auszunutzen. Er hatte instinktil,
Hans Ludolf als den Herrn deS Hauses
errathen und redete auf ihn ein:
Warum Du nicht geben armen
Buschmann Arbeit? Du und ich beide
Reichsdeutsche, beide Landsleute; ich
gut arbeiten."
Ein kurzes ironisches Lachen HanS
Ludolfs war die einzige Antwort. , '
.Ich habe nie darüber ,u Dir ge
fprocken," wandte er sich an mich, .aber
ist es nicht jämmerlich, daß man mir,
der ich doch auch am Aufbau deS deut
fchen Vaterlandes nicht ganz ' unbe
theiligt bin, die deutsche StsatSange
Hörigkeit abgeknöpft hat. bloß weil ich
einmal bergab, mich zur rechten Zeit .
beim Konsul einschreiben zu lassen?
Und dieser schwarze Halunke hat dal'
Recht, sich Reichsdeutscher zu nennen!'
Ich nahm Gideon Katamba mit zur
ChandoS - Grube und beschäftigte ihn
als Officeboy. 'Unsere Freundschaft
währte nicht lange. Bereits nach acht
2,aaen fanie man tyn vetm Schnaps
verkauf ab, den er an Schwarz der
mittelte. Er be.i,og dafür ein Jahr Ge
fängnis und fünfundzwanzig mit der
neunschwänzigen Katze. Dann hörte ich
nichts mehr von ihm.
Unteroffizier. Lehmann II., auS
dem Brett, das Si? vorm Lkopf ha
ben. wird noch mal mein Sarg ge
schnitten werden!"
Jede Kritik ist zugleich eine Ärltiz.
über den Kritiker. -'
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