Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 09, 1918, Sonntagsblatt, Image 11

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    Anna-Lilie
- seen-n von Oe sen-O.
n- dortiges-m
.Vii" bis fo fchnieiifuni, selbst-f
raste er.
Sie fnß traurig neben ihm, zit
ternd oor dem, was fie oles inse
Idollte —- niußte. und doch zugleich
mit einein blossen, Me- M tin
derjen. dsifz fie überhaupt noch ein
mni wieder ihre wenige gesen- feine
uchiilter driieten. feine tiebe Riihe
fiihien durfte
Jst ift mir schrecklich. dir zu sti
gein das du d'in) vollkommen irrft.«
sprach fie leife. sit-is welchen Grund
inich die Griifin eingeladen hat, wetk
ich nicht. Die Teilnahme ein siie i
sicher ganz oberfiächlieh Maul-e nur«
wenn innn fo« wund und verängfti t
ift wie ich, bekommt man einen fes
ften Sinn fiir die Aufnahme oon
Oerzenötoiiem Jch habe keinen aus
der Art der Grdfin gehört. Und daß
Graf Geifer völlig durch mein Er
fcheinen iibermfcht war, ift gewiß
Voii ihm ging ro iilfo nicht nuI."
»Du meinft. . ji« fragte er bestürzt.
Er hatte ein ganer Gebäude von
hoffnungen aufgetürmt nuf das
Fundaineiit dieses doriiuegefehten
Wohlwollens fiir die Geliebte.
Aber die turze Erniichteriing iibers
wnnd er fchnelt. -
«Einerlei.« fiigte er mit feftem
Ton, »ich bin es dir nnd inir fchuis
dig, zu handeln. ilnd ich werde han
dein."
Sei-hie legte ihre Wange ein we
nig feiier gegen feine Schulter. Jhre
teilten Hände hielt sie gefiiltet nuf
deni Rande des Miitrofenhiitchens,
das in ihrem Schoß ing.
Sie fiimmelte fich. Sie brauchte
Mut. Sie wollte ihm jii weh tun.
Und sich felbft noch oiei, diei mehr. »
«Wlis du dir fchiiidig wärest, weiß
ich wohi. Mir entf.igen," brachte sie
hervor.
«Sophie!«' Er fuhr auf. Derl
Zorn Dienste aus feinen Augen. Sein
junges Geicht war in Schmerz der
zogen.
»Hältst dii mich einer Ehrlosigteii
fiir fähig?'« friigte er.
»Wen nur die Ehre neben mir
hielte, den möcht ’ich gar nicht hal
ten."
»Du weißt, diifz ich dich liebe und;
deshalb iiichi oon dir lasse. Liebe und;
Ehre sind eins — wenn es sich ums
dno Weib handelt, das mein Weib«
werden wird," fiigte it hliftig.
Jn ihr flammte tein Schmerz unds
keine Leidenschaft, die noch Strei-!
termut hatte, mehr auf. Jhre Hoff-l
nungen waren zerbrochen, ihre Seele
zerschlagen. —
Sie hatte nur noch Kraft zur leh
ten Liebestiik ihm zu entsagen
.Jch weiß es,« fprnch sie leife.
»Aber ich weifz nuch teinen beffern
Dank fiir alle-, wag du mir gnbfh
und bist, eilt dich zu bitten: Gib mich!
anfi«
d »Seit-hie — Geliebte — wie knnnfi
u. . .«
Sie unterbrach feinen schmerzlichem
Ausruf. Ohne sich zu bringen«
mit den großen, triiurigen Augen
hiniiueftnrrend nuf die drohend tin-i
ruhoolie See, ohne doch etwas don!
den Wollen und Wogen zu sehen, fagsi
te sie leife: i
»Als wir uns vor zwei Jahren!
fanden, haben wir nur auf unfre’
Herzen gehört. Wenn das eine?
Schuld war —- wir büßen dafiir —!
lange — lange —- ich vielleicht mein
Leben lang. Du siehst draußen, ins
der Welt. Vielleicht vergißt man da;
leichter. Jch hoffe, ich eriiehe et iiirk
dich. Vor zwei Jahren redeien wir4
uns auch ein, daß es mancherlei hoff-i
nungen iibe — vielleicht gab es auch;
weiche; te haben sich uns nur nicht
erfüllt. . . du hättest in wirklich eine»
Stellung finden können. . . Dann
war Graf Gehe-: damals-noch nicht«
verheiratet. . . ich weiß Ielbfi nicht
— aber mir ist, als ändere das viel
ch hab' auch nach und nach begrif
: ein nrrnet Mädchen darf sich
nicht ais sieigewichi an dne Leben
eines Mannes hängen —- ihn nicht
swi n, ihretwegen den Beruf zu
wechwnf
«Jch hab' dich nutteden l«ssen««
sprach ee, »ich wollte hören, warum
t dich denn ausgeben soll. Du
gaudst es sn selbst nicht« meine So
-höe —- - Alle-, was du da sagst,
find aus«-tschi Wahrheit-m Die ta
nete, einzige, ewige bleibt: ich lasse
nicht von d;t.«
Er tüßte ste, als wollte et sich the
n einmal in heilige-n Schwur an
vee oben. ;
Zitteknd und htngebend duldete sie;
seine Küsse« halb beseligt von seinen;
esten Worten, halb beschämt von denH
Gesllhh doi man nicht so sittli e»
Küsse dulden dürfe, wenn man en i(
IW wolle. . . F
Und sum dritten Male llei detj
sum-de ten seine S llmellens
suec den Wald htnzitteen te schiest
sen aus dem htntetstundn swiselåen
den well-kennen suchenstäsnmen chi
»Es Mo l
pdle nnd stepdan sudten aus«
Sie fah-n Ah unwissend ran, als
habe Ich In ein nnf der Laster liegen
des Ungeheuer gerikhrn -
. n Oewitter.« fast-e step
«jegt —- irn April. Komm —- da es
tritt niQt IderraHtP
,Iir Seinen sieht enfantmengehem
El ist gefährlich
«Ith eilte dich allein lassen bei
einem nntpsrnnenden Unwetters
kenn nat jemand zufammen fie· t —
gnt —- defto er. Ob Onkel ur
Brkd nnd die rsfin mich verftehen
nitht —- dtr wohtwpsen oder
sicht: ich muß nun vergehen. . Aber
tpwrn «
Sei-hie fchritt neben ihm. Ein
zuckenden weisdlnner Schein, der über
den himmel flog, hatte bewirkt, daß
sc ne net-. ·
« gehe mit dir, bit man Som
mer eigen sieht. «
«Gnt —- tpmtn nur. . .'·
Die rollenden Töne in der hähef
kamen nun rasch hintereinander. H
Idee noch ftand der Wald im?
Sehn-eigen unter dem wollenverlsansl
genen himmel, durchwiirzt von verf
lauen Frühlingelnft und dem Atem?
junger Kräuter. Und graue wartende-!
Stille war unter den tnofpenden Bu
chen. Das Licht versiegte mehr und
mehr. f
Im haftigen Schreiten fagte So
phie: »Berfprich mir, nichts zu über-.
ftiirzetn Suche zu erfahren, wie deine»
Verwandten denken. Jch will nicht,’
daß du meinetwegen altes verlierst.«
Sie ftand ftill und faßte nach feiner
hand. !
Ernft und groß fah fie ihn nn.
Und er erwiderte ihren Blick.
Es war, als prüften sie Geh ge
genfeitig auf vie Kraft ihres Wil
lens.
Er wußte es wohl: dies Mädchen
liebte ihn fo rein, fo felbftios, daß
ihr jede Opfertat, auch die furchtbar-.
fie, zuzutrauen war, wenn fie die Er
tenntnie gewann, sie zerfiöre fonftl
fein Leben. Und er liedte sie umf
i
!
dieser ihrer Selbftlvsigteit willen nur
uin fo heißer. -
Sie aber wußte, daß feine Liebes
und feine Ehrenhaftigteit zu ftart wasf
ren, um je freiwillig von ihr zu lafs
fen. Sie liebte ihm um diefer feiner
starken Leidenschaft willen nur um is»
heißer. s
Und sie hatte es jetzt ganz und gars
begrisseiu wenn sie seine Zukunft vons
der ihren trennen wollte, wenn sies
sich vpsern wollte, damit sein Dais
sein kein verpfuschtes werde —- dann;
mußte sie Itill und zäh und tlugI
daran arbeiten. Wie viel leichter!
schien es, sich in den heißen, jähen
Schmerz einer raschen Entsagung zu
stürzen. . .
»Versvrich inte,«' bat sie weiter,
»meinen Namen nicht zu nennen, von
unserm Bündnis nichts zu verraten,
wenn du herauf-fühlst, daß Gras
Geyer dir zu einem bürgerlich-n Be
rus nicht helsen würde um eines ar-;
inen Mädchens willen. Dann war-s
ten wir, bis-· bit du hnuvtmnnnl
bist . . . nicht wahrt Du schriebst sa
selbst so Aehnltches. . . Aber vielleicht
— mein Gott —- vielletcht weil er
selbft nun glüetlich ist, will er nuch
andern Glück gönnen . .
Sie tonnte nicht weiter sprechen.
Aus dein Untergrund ihrer gequälten
seele tam die unsterbliche hossnungJ
die längst erloschen geglaubte, wieder
eint-or und berauschte ihre Gedan
den. . .
Ergrissen nahm der Mann die Ge
liebte in seine Arme. Sie tlaniinerten
sich aneinander, von hossnung und
Sorge bebend.
Zu ihren Füßen iies seht eine Be
wegung über den Waldeögrund
Wie von unsichtbarer, rascher band
schienen die jungen Gräser alle in
eviener Richtung niedergestrichen zu wer
n.
Und dann rührte es sich in der
Hähe. Die Wipfel über ihnen began
nen zu brausen.
Kein Rauschen war es von rn-l
schetnd bewegter Blätteesülle, tein
üppiges, sominerheiszes Wehen . . der!
Sturm, der vlählich einherzug, peitsch· ;
te die lnbspenden Reisen und gelle,
langgezogene Töne fuhren durch das!
Brausen. s
Romas-' sagte tat Mädchen er
schauernd. »komrn!«
hand in dand eilten sie weiter. Es
war, als sagte sie das Brausen.
Und die ersten Tropfen schnellten ih-.
IIeII nnch.
Sie hatten einen Schirm. Eng
drängten sie sich aneinander, die tun-;
de Wand der gespannlen Seide im
Nacken
S neller und härter prossellen die
Trop en gegen das gewölbte Seiden
eund des Sehn-met l
Fast schwarz wurde es um sie
her, nnd im snhlen Dämmerschein
sahen die grünen Blättchen nn einigen
Büchsen des Unterholzei so seltsam
hell aus« -
Unter elner großen sue machten
sle halt. Der nmsangrel e Stamm
ab ldnen Izu lsn Rücken. Leid
l geborgen enden sle sp, verirrten
un erfolgten Menschen«-dem gleich. s
Gerade well der Uegenschaner vorn
peitschenden Winde seist wagrechl
durch dle Lust gesagt wurde, schus deej
Wllge san-n Raum süe eln trocke
nes Stelle-sein «
änsophle fühlte chslch los-traurig ge
und tmbech
lieuw sahe sle newils
zufammen. der donner lles sie sti
tern. -
War dies nicht ein Bild ihres Le
ben-s Schuhlos dem Wetter dreis
gegebenl Das Beste, was sonst ein
Menschenherz Init töni lichem Stolz
ersitlltt die Liebe der eiten eind in
Sturm und setter elend kämp
Ills ahnt Stett-MI- tvas in thkdov
ing, sagte er fröhlichen Tones: Ein
sruhl ngsgewitter. Jst das nicht auch
alles Ungemach das sich in unsre
Liebe driingtf Nur ein Frühlingsgh
wittert«
Sie schwieg.
Sie horchte ängstlich hinaus. Die
ganze Luft toar oon Tönen erfüllt,
die einander gu verdrängen schienen.
Die noch kahlen Wipsel durchpeitscht
—- in der höhe ein fortwährendes
Grollen — und driihen in der Iiese
das rastlose Rauschen des Meeres, der
nun. aus aller unschtiissigen Ituhe de
;sreit, seine Wogen teastdoll und re
gelmäßig gegen den steinigen Strand
donnern liess.
» Lange standen sie so. Das trockene
TIleetchen ward kleiner und kleiner.
IDer Regen siel senkrechter-, und aus
idem Tropfensall ward ein Sprühen.
Sophiens Kleid ward wie mit Sil
jberstreu übersät. Auf Stephons
Schauer tropste es von den Rippen
des Schirmee herab. Fröstelnd, un
glücklich standen sie und warteten das
Verhalten des Unwetters ab. Zwei
nrme Menschen, die nicht einmal den
Schuh einer hiitte hatten, teine Stät
te, um in friedlich heiterer Ruhe die
hochsten Fragen ihres Lebens zu he
raten·
Und sie fühlten beide das Demüti
gende, ja das Uncoiirdige dieser Lage
ltnd in feinem Herzen wie in dem Ih
ren ward der Entschluß noch fester:
Dies durfte nicht dauern!
Nur daß er bereit war, fiic den
Sieg, und sie entschlossen war, sitr
das Ende alle Kraft einzusetzen.
Er schämte sich und tam sich un
männlich vor, daß er dies reine, doe
nehme Mädchen zum Stelldichein ge
heten hatte. llnd sie schämte sich,
dasz sie nicht den Heldenmut gehabt
hatte, schon seinem ersten Geständnis
die Lüge entgegenzusetzem sie liebe
ihn nicht.
»Ich glaube, es wird nicht mehr
oiel desser,«' sprach sie endlich ge
drückt.
»So gehen wirt« antwortete er
kurz. Nun stand eine herbe, feuchte
Kühte zwischen deu Stämmen des
Waldes-, und alles schwüle, drängende
Frählingsahnen war wie niederge
schlagen.
Als sie wohl risse Viertelstunde lang
in schwerem Schweigen nebeneinander
gegangen waren, tam dem Manne
das Gefühl, dasz sie in dieser Stim
mung nicht bleiben oder gar ausein
ander gehen durften.
»Du hast mir noch gar nichts oon
deinem lieben Vater gesagt-« begann
er herzlich.
Er wußte, daß jedes Wort der
Teilnahme und der Achtung siir den
armen Mann ihr wohltat. Er
brauchte auch weder Teilnahme, noch
Achtung zu heucheln. Längst hatte er
erkannt, daß das ganze Unglück des
Dottors Schüler aus dessen überzars
iern Gewissen entsprang. hundert
andere an seiner Stelle wären über
das Ereignis hinweggegangen, wie
iiber einen jener peinlichen Zwischen
fälle, von denen der ärzttiche Berus
nun einmal nicht frei bleibt. Seine
Seele klammerte sich allzu hartnäckig
an die Frage: habe ich fahrlässig ge
handelti Und an ihre Lösung setzte er
den Rest seines Lebens-.
»Es ijt eine Wandlung eingetreten,
oon der ich noch nicht weiß, ob sie
gut oder schlimm ist. Papa ist von
dem tatenlosen Grübeln zum Expe
rimentieren übergegangen,'· erzählte
Sophte.
»Um Gottes willen. . . ein Ex
perimentieren mit Opiumtinttuk .. .
an weni? Doch nicht an sich
selbst?«
«Sähest du mich dann so ruhig?«
sprach sie. »O nein —- eö ist gewiß
nicht ganz nnderniinstig, was er macht
— aber ich habe doch Furcht — sur
ihn — des Resultate wegen —- und
deshalb —- —«
,,Nun," drängte er, »und des
nicht«
»Wie wunderbar ist et doch, daß
man Menschen, die man am heißestrn
aus Erden liebt, oft am besten dient
mit Lüge und Betrug,« sagte sie vor
lich hin; die Gedanken nn ihren Va
te- verknüpften sich mit denen an ihre
Liebe.
»Doch nur, wenn irgend etwas nn
gesund in den Verhältnissen ist,«
meinte er.
»Ganz gewiß,« bestätigte sie be
deutungsvoll. Und nach einer Pause
suhr sie sort gu erzikhlem »Wir aben
nun eine kleine Lan nchengucht. apa
erzeugt bei den Tieren allerlei Krani
heiten und sieht dann gn, wie viel
Tropfen Opium sie vertragen, wie
.viel sie hetlt.«
»Das isi in iranihast.«
»Sei-ris. Aber wenn es ihn selbst
»von seinen Qualen genesen machen
staun. . . Denke dir: als das Expe
Irinient mit dein ersten nnd zweiten
i
j
i
Tier miß liiette, stieg Panos Un
gliicksgesii l. Dann s- dann griss
ich sie einem Betrag. Port e W
sitllte imlieh die siiis en Int
einer F iis gtett von der gleichen
Farbe —- nls Dottersttnd weiß man
ja seit mancherlei Bescheid —- ich tat
eine Chisintzsung in die Fläschchen.
Seitdem hat Papa wieder mit wei
Tierchen experimentiert. Er versteht
setdn die Resultate nicht —- nber er
festeste-sie MEDIUM
;er ist ganz angeregt und spricht ste
ider mehr davon, daß die Autdrttb
’ten recht hatten. welche siir ihn ein
traten-«
.Meine arme Sophiet Ader liegt
der betrug nicht zu sehr aus der
Har.dt«
Eben darum wird er in nicht
entdecken. Das Alterunida schein
’tichste läßt sich am leichtesten derber
gen. Niemals tiiine ihm von selbst
die Idee, daß irgend jemand, und gar
ich, sich über seine Itntturen her
machte. Jch hoffe, nach turzer Zeit
sagen zu können- Riin beruhige dich
desinitid, denn du hast nun Beweise
genug, und wer weis. vielleicht ge
winnt er dann den Mut iuriich tote
der zu praktizierem Wenn die Leute
ihn auch nur einmal bei ganz leichten
äußerlichen Suchen zuziigen — tI
wäre schon diel sitr ihn ·- giibe ihm
moralischen hat«
»Liebling —- soll ich mir die hand
zerichneiden oder versenge-it«
»Du wärest imstande — —- ich
bitte dicht Rein, was du manchmal
kur Einsalle hasti«
Jhre Augen leuchteten zärtlich zu
ihm aus
,,-tlch, mein herz —- tvat sür eine
diistere Jugend du hasti« sagte er.
»Hu-ei Jahre habe ich dich gehabt.
ist one nicht Glütts genugt«
Er drückte ihr start die Hand.
»Ein-ich nicht so, als sei es ein Lie
bestraum gewesen« der nun ausge
traumt sei. Zwei Jahre haben wir
oon Hoffnungen gelebt. Das ist dor
bei."
»Ja, das ist oorbei,·' bestätigte sie;
aber iie meinten es jeder anders.
Der sprühende Regen oersiegte nun.
Aber der Waldesboden war naß, die
Wetterseite der grauen Buchenstamme
!ichwarz, die Reiter blank. Es schien,
als habe die Natur gebadet und fröre
xnun sehnsüchtig dem trocknenden
Sonnenschein entgegen»
Nun schimmerte die große Koppel
zwischen den Stiimmen auf, gleich
einein grasgriinen Vorhang, der
hinter weißgrauen Säulen autgehängt
lvi1k.
»Jch warte. Geh’ allein weiterl·
Ich will es sol«
Der bestimmte Ton des Mädchens
zwang ihn, ihr nachzugehen. Und
er sah es ja auch ein: es war lliii
ger und würdiger, ihr Verlöbnis
nach angemessener Vorbereitung selbst
mitzuteilen, als eö vom Zufall ent
decken zu lassen.
»Leb’ wohl, mein Liebling! Mor
gen nachmittag besuche ich deinen
Vater. Vielleicht habe ich dann in
zwischen schon mit Onlel Burchard
sprechen lönnen.«
Er zog sie noch einmal in seine
Arme. Und sie ließ es geschehen in
zitterndem Glück. Sie wußte, ei
war das leßte Mal — denn s-.e war
entschlossen, ihn niemals wieder allein
im Wald zu tressen. Sie litt zu
sehr —- ihr Stolz guckte wie unter
Dolchstöszem
Er und sie, sie waren beide zu gut
zu dieser Heimlichteii.
Lieber unglücklich sein, als unwiirdig
bleiben, als siebethaste Glücksminuten
so peinooll mit Beschämung bezahlen
—- wie heute. —- — -
Um dieselbe Nachmittagöstunde,
als Stephan und Sophie sich im
Walde trafen, saß Gras Burchard
bei seiner jungen Gattin in ihrem
Wohnzimmen Es lag im ersten
Stockwerk, neben ihrer Schlasstube.
Von den Fenstern ah man hinaus
über die Koppel au das Meer, ge
rade wie bei Stephan, dessen Zim
mer unmittelbar iiber diesem lag.
Gras Burchard war gekommen,
um in der Freiheit und Stille, die
diese Stunde ihnen gab, ernste Dinge
mit Anna zu sprechen.
Vor seiner heirat hatte er wenig
Gelegenheit gehabt, seine Braut wirt
lich tennen zu lernen. Er liebte.
Und von der Gewalt dieser ihn un-J
wir-kirchlich und leidenschaftlich aus«
sassenden Liebe hatte er sich zu dem
jungen, schönen Geschöpf siihren las
sen. Er vertraute sich und seiner
abgellärten Kraft. Welche Eigen
chasten auch immer er in der jungen
rau finden werde — es mußte und
würde ihm gelingen, mit ihr zusam
men ein rechtes Glück sich auszu
bauen, nicht nur sür sich — auch siir
’sie. Denn in einer Ehe kann es ein
einseitiges Glück nicht geben.
Zweimal hatte er Anna während
rhres kurzen Brautstandes besucht.
wöchentlich wohl dreimal mit ihr
sBriese gewechselt. Aus ihrem Wesen
wie aus ihrenBriesen sprach immer
seine gro e Bewunderung sür seine
sPersönli leit, was er nur zu gern
s iir den Beweis leimender Liebe hielt.
i m übrigen fand er seine Braut
imaßvoll und von fast verschlossener
sArL Er nahm das damals siir die
Hscheue Unberiihrtheit des jungen
Mädchen-, das unter besonderen Er
ziehungsverhälinissem eigentlich ganz
sich selbst lebend, erwachsen war. Da
mals hatte er sich vorgenommen ge
habt, dem geliebten Weibe erst ein
volles Jahr der Pslichtlosigseii, des
gänzlichen Genuklebens zu gönnen
Sie lam ihm en bißchen vor wie
eine verzauberte König-weinen bte
er erlds hatte, nnd bie er ninr erst
Glanz, Vergniigem Sorglosigteit ge-:
niesen lassen wollte, ehe er ste in«
bat ernste Leben einsiihrtr. Aber
nun kannte er Anna fchon genauer.
Ober vielmehr, er hatte begriffen,
das ei sehr chtver sei, Anna genau
kennen In lernen
Er fah, dass ihre maßvolle, ver
s lossene Irt nicht hie scheue Unbe
r’hrtheit einer ängstlich vor dem Le
ben zitternden Mädchenseele war. Er
wußte seht, das sich eine ihm noch
sremve Gedantenwelt hinter dieser
reinen weißen Stirn barg. Er hatte
auch längst herausgefunden, daß
Anna noch viel intelligenter war, als
er einst gedacht hatte. Regsani und
tätselvollt Daß ihr Mund schwieg,
wenn ihre blii en sprachenl
Nein, ein so ches Weib durfte er
nix müßig gehen lassent
ie toar zu bedeutend, um mit
ihren Kräften brach zu liegen. Und
wer wußte, ob diese geheimnisvolle
Gedantenwelt nicht Feinde und Ge
fahren bargf
Graf Burcharb erkannte eigentlich
nur einen einzigen Bildner und Er
zieher an: die Pflicht. Ob die Un
tergriinde in Annas Seele nun voll
von Schönheiten und Fähigkeiten
zum Guten waren — ob in ihr
duntle Eigenschaften schlummerten-—
einerlei! Jhr Pflichten zu geben,
war ihm ein heiliges Gebot.
Nun saß er bei ihr und legte ihr
vie ganzen Wirtschaftsoerhaltniffe
von Sommerhagen tlar. Sie sollte
lernen, diese zu begreifen, uin sie
eines Tages lontrollieren zu können.
Sie sollte auch den ganzen haus
ivirtschaftlichen Betrieb im Schlosse
selbst übersehen lernen, um ihn recht
bald ganz zu leiten. Alle Rechnungs
bücher sollten von ihr nachgesehen
und eine alle Zweige zusammentrif
sende Buchführung von ihr selbst ge
pflogen werden. Sie sollte sich niit
tern Jnhait der Silberschränte und
rer Leinentammer vertraut machen.
Er nannte ihr vie Zahlen, die» im
äußersten Fall der Hausstand tosten
dürfe.
Sie hörte genau zu. Jhre Zwi
schensragen ließen darüber teineii
Zweifel, daß sie alles rasch und tlar
erfaßte. Doch vermochte er nicht zu
erraten, ob sie sich diese Aufgaben
freudig ausbiirden ließ oder ob sie
nur aus Klugheit keinen Widerwillen
verriet.
Sie saß in ihrer Sosaecke, den
Kops in die Rechte gestützt, den Ell
bogen aus der Tischplatte, und sah
aus alt die großen Bücher hin, die
da lagen.
Er zur Seite am Tisch, im tiefen
Lehnstuhl, beugte sich weit vor, hielt
rie hande aus dem Deaet eines der
mächtigen in schwarzes Beinen ge
bundenen Zolianten und sprach lie
bevoll, gleichsam als Ertlarungorede:
«Sieh’, liebe Anna, du bist vielleicht
erstaunt, daß ein so reicher Mann
wie ich von seiner Vaugiraii soviel
Arbeit und das genaue Jniiehalten
eines bestimmten Budgeto fordert.
Zur Beruhigung tann ich dir sagen,
daß dies Budget so weit gespannt
ist, daß Herdete alljährlich große Er
sparnisse machte, die sie zu wohltä
tigen Zwecken verwendete. Du kannst
also, bis du alles sicher beherrschest,
immerhin einiges Lehrgeld zahlen,
ohne gleich vor Destziien zittern zu
müssen. Reichtum und Stand legen
nach meiner Empfindung höchste Ver
pslichtungen aus. Jch habe die
Pflicht, mein Geld zirlulieren zu
lassen und durch Gastlichkeit, sinnst
pslege und dergleichen vielen Men
schen Verdienst zu schaffen. Aber ich
habe nicht das Recht, zu verschwen
den. Wir leben überdies im seitab
ter der Arbeit. Böllige soziale Aus
gleiche kann es niemals geben. Schon
als Kain den Abel erschlug, gab es
verschiedene Werte und Stellungen
Kain hielt den Abel siir vor Gott
als besser gestellt. Aber der einzige
Ausgleich, der möglich ist, die ein
zige wahre Gleichheit aller Menschen
untereinander ist dies: die Pflicht zur
Arbeit sei siir alle gleicht Jch dars
dir sagen, daß ich mehr Respelt habe
vor meinem Ackertnecht, der psliigt,
als vor einem meiner Standesgenos
sen, ivenn er saulenzt und verschwen
det. Nach diesem Grundsatz soll auch
das Wesen leben, das mir das
leuerste aus Erden ist.«
Er nahm Annas Linie und kiißte
sie voll Zärtlichkeit
,,Jch will mir Mühe geben, deinen
Erwartungen zu entsprechen,« sagte
sie.
Das war eine Bestialität Aber
er war schon zufrieden, daß er kein
übellauniges Widerstreben sand. Hun
derte an ihrer Stelle hätten ge
schmollt: Das soll ich alles!
Anna schien noch nachgedacht zu
haben, denn nach einer kurzen Pause
siigte sie hinzu: «Arbeit ist auch
Macht. Man herrscht damit. Nicht
wahrt«
Diese Bemerkung überraschte und
hegliickte ihn. Sie deutete aus den
hang, herrschen zu wollen Lag
das in ihrs —- oh, dann wollte er es
schon in das Gesunde lenken.
«Gewiß,« sprach er lebhast. »Und
ich will dir bei dieser Gelegenheit
auch erklären, weshalb Herdeke mir
näher steht, alt Renate. Nicht nur,
weil ich sie in schwerer Lebenslage
H tcgser und würdig be upten
a . onvern auch. weil sie ch sort
und fort niislich betätigte. Sie II
alle Arbeit getan. die Ih sitt Its
Zeit von dir erwarte. Renate lebt
nur sich, ihrem Behagen, ihrer Tei
leite-«
»Und ihrem Streit mit Derdele,«
schalt-te Anna lächelnd ein«
«Und dabei trennt fie »fi nie-on
ihr. Wer hindert ne zu seifiiiel«
einmal einen Winter in Paris- oder
Rom zii derlehent Ader nein —
rioih lein Menfih hat die beiden le
anders als zusammen gefeheir. Und
diejenige, in deren Armen die andere
einmal ftirdt, wird noch tadelnd der
Sterbenden eine Bemerkung in den
tehten Seufzer hineinfiiistern.« fprach
er.
Zugleich hob er laufchend den
Kopf. Ein grollender Ton niiirrte
draußen durch die ruft. Zwar das
Donners Wahrhaftig — eii fiheint
was aufzuziehen. tein Apiiigetvits
ter.'
»Was war da« iiir eine fchtvere
Lebenslage mit herdetei« fragte sie.
Er wollte sich eigentlich naht ali
leiiten lafieii, denn fein Thema weit
noch nicht ganz zu Ende gefprachen.
Aber er mochte nicht als ichulmeifteri
licher Pedant erscheinen. «herdele
fchlug drei Antrage nacheinander
aus. Nicht nur aut- Uehermiit, wie
Renate. Rein, fie wollte gern hel
raten, sehnte fich nach vielen schönen
Aufgaben und fah fich alle Männer
darauf an, oh einer für fie paßte.
Sie fagte es mir einmal feldft, sie
derftehe sich gar nicht, trotz aller
Wertschätzung iür diesen und jenen
fei ihr der Gedanke, ihn zu heiraten,
ivie was Sündhiiftes. So war sie
fünfundzivanzig geworden. Sie ging
eigentlich aui in der Anteilnahme—
am Leben ihrer Freunde, des Bei-.
ronö Bolto Liebenderg und seiner
Frau, ihrer Pensionsfreundim Und
eines Tages ward ihr und ward derer J .
Manne die geheimste Wahrheit dieser
Freundschaft mit Entsetzen tlar. Sie
liebten sich. Es gab Kämpfe von
unaussprechlicher ochwerr. Bolta
wollte Iich scheiden lassen. Herdete
glaubte das Opfer nicht annehmen
zu tonnen. Sie wußte Maria Lie-»
benberg würde daran vergehend
Bolto sagte: »Es ist bester, daß eines
weint, als dass drei weinen-« her-«
iete sagte: »Wie tonnen zwei glück
lich fein, wenn darüber eine verzwei
selt!« Das alles zerrte an Herde
lens Seele «- tiianchmal fürchtete ich
für ihr Leben. Aber endlich tat Her
dete den entscheidenden Schritt. Sie
zwang den Mann, sede Hoffnung
aufzugeben. Es fiegte eben in ihr.
das Geherfchea
Mein Gott, dachte Anna, ich hätte
gefühlt, wie die Maria Liebt-nimm
Ich wäre auch lieber gestorben, ehe
ich eine andere hatte triumphieren
lasfen. Wie tann man ihr einen
Vorwurf daraus machen?
»Worüber deiitst du nachs« fragte
Graf Burchard, dein ihr Ausdruck
iiicht gefiel.
»Ich dachte, was du damit sagen
wolltest: das- bjeyeriche siegte in her
dete,« log sie voll Ruhe.
»Du tennst unser Wappen: ein
Geier, der hoch iii reiner Luft
schwebt. Wir haben es immer sa
gedeutet: Die Reinheit, die Freiheit
hoch über allein Niedrigen, das set
unser Element — aber gegebenes
Falls stößt der Geier auch hinab und
vernichtet tämpfend das Widerwär-.
lige — — Herdele wollte frei und
rein bleiben Sie sagte: »Daß diesen
Mann und ich uno lieben mußten.
war ein Schicksal, das uns ahnungs
los befiel. Aber zu ihm gehen, sein
Weib werden, Glück mit ihm suchen
das kann ich nicht, denn ein anderes
Weib iviirde ich dadurch elend ina
cheti. Jch würde mich der Reue aus-.
setzen.« Sieh, und das nenne ich
das Gehersche: redlich mit den inne
ren Feinden kämpfen, die uns ber
suchen, aber endlich so handeln, daß
wir reuelos zurückblicken können. Das«
Leben bietet uns Schlachten an. Dein«
entgeht auch der Edelste nicht. Aber
wie wir sie zu Ende tiimpien — das
entscheidet unseren Wert.«
Anna fühlte, daß sie etwas sage-«
müßte.
»Dies alles erhöht meine Liebes
Und Bewunderung fiir deine Schwe
iter.«« Aber sie sagte es mechanisch
Auch als Graf Burchard nun auf
die Geschäfte zurückkam, hörte sie
taum zu. "
Er hatte ihr noch Wichtige-H zu
erklären: wie er hoiie, daß sie lich
aus dcn auf dem hiesigen Familien-i
sitz zu satncnelnden Erfahrungen na
und nach io viel Sicherheit erwürb
um dann Oftrau ganz auf eige
Verantwortung verwalten zu iönnenq
Denn dieses Gut war ihr sum Wis
tvensiß besiimmi, ihr besonderes Er
wenn er, menschlicher Berechnun»
nach, lange vor ihr dahingehen soll
Es gehörte nicht zum Fideikommi
und er hatte es ihr zu nnheichriiu
tem Eigentum teftamentnrifch «
machi, «
Daß Anna auf diese Auseinany
fehungen nicht mit Reden antw ,
tete, wie: »Es-sprich nicht von dein «
Tod« —- »Von derlei Inag ich nicht
reden hören« —- fand er geschan
voll.
Gortiehung folgt.)
—- Zakte Andeutun
Gast (der in seinem Beeifteak M
kleinen Holziplitier iinhet):
Wirti Sollte das do v
von einer Droichie ieinf