Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 02, 1918, Sonntagsblatt, Image 9

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    Sonntagsblatt des
Magdin anetger und Hervld
Ok: Ists-ON
Des tka Unt.
tlen Iiier den sprsslisett III
Iest m time Gaum-Im
»Die Sache ist sehr·einsach« —- so
erttiiite einmal ein bedeutendes-Fila
vieklpieter sein Können qeqeniiber
einer etwa-I lästian Verehrer-im ,.es
kommt in der Hauptsache darauf an,
immer znr rechten Zeit den Finger
ani die richtige Taste zn legen«
Tag scheint in der Tat lehr ein
fach zn iein. Nur — können mnß
ntan’d. Und nsenn ntan’6 kam-, ift
tnan immer noch lrin Kiinstlemvohl
aber lind die Angdrncksmöalichteis
ten geschaffen deren eine mindste
bnng. weist-er Art innner lie tei,
nicht entralen tann.
Zin- reelkten Zeit die richtige Ta
ste anschlagen ·
Anth unsere Sprache ist ein tö
nende-s Instrument, ein tonndervoll
ieiiigefiigtes« ani dessen Taste-i eine
ganze Menschheit hernmttimpett,
Milliarden von Lebewesen, die im
mer einander »etwas zn lagen« ha
ben, bis der Schlaf oder der Tod
ihnen die Lippen schließt
Ein Monstcckonzkrt, in dein jed
weder zin- Mitioiktnna zugelassen
ist: tein Wunder- dast da Dissonan
zen znm Himmel schreien, daß fal
sche Roten dass Ohr beleidigen, daß
länpische Finger so dedenltith ost
daneben areifen nnd Taste-i znm An
schlag bringt-in die besser ilmmn ge
blieben tvaren bis —- znr rechten
Zeit« bis iie niitichininaen sollten
atsS notwendiger Bestandteil einer
bestimmten Harmonie-.
I . I
Daß wir Menschen iu der Spra
che die einzige Vriiele von stops zu
Kopi, von Seele zu Seele besitzen
das macht die Frage ihrer Handha—
lustig zu einein Gegenstand. der
schlechliveg jeden von uns- sehr
ernstlich angeht.
Nicht tun ästhetischer Werte teil
len. Ich möchte im Gegenteil die
se Seite der Sache hier durchaus
unberührt lassen. Eine Betrachtung
die den Versuch macht, einein Ju
teressengelnet ganz allgemeiner Na
tur behutsam nahezulonnuem tut
gut daran, Worte zu vermeiden, Ivie
etwa —- ViefthetiL
Es gibt Leute, die unrettbur da
bei gähnen niiisscn, sie verbinden
mit diesem Freindwort die unklare
Vorstellung von etwas Verstienes
nein, das sich in scharfem Gegensatz
zu ihrer »Schlichtl).sit« stellt; sie
würden —- an dieser Stelle iilser
»Diesthelil« stolpernd — mir lurzers
hand den Riiclen lehren nnd weitere
Verhandlungen energisch ablehnen,
unter Hinweis ans ihr gutes Recht,
zu sprechen, .,ivie ihnen der Schnu
bel gewachsen ist«.
Eine Attakte ans dieses gute Recht
habe ich nicht vor. Ja, ich gehe
noch weiter: ich nehme dies Recht
siir seden von uns in Anspruch
wobei allerdings die jeweilige Be
schasseuheit der Schniibel erst die
eigentliche entscheidende Frage ons
ivirst; sind sie imstande-, den Bedars
on Ausdrucksmitteln Ivirllich zu
deckent
Da steckt’s: da spricht die handse
sle Wirklichkeit ihr gewichtigeö Wort.
Waden zu werden — das ist
die natürliche Absicht eines jeden,
der die Lippen zum Sprechen öst
uet. sing er sich ein Beessteak be
stellen- Frisch gebraten mit wie
hekn«, mag er seine Liebe erll ren
Inag er »nur Feuer« bitten, um
·Sedonkeusreiheit« oder um Ge
bltsznlage mag er Segen sprechen
oder Fluch iiber lelnen Mit-nen
n, mag er dein Nachbar einen
orgengrnsz heriilierruscn oder das
zündende Wort des Flusrnhrs in
erregte Pollen-allen chteudern —
verstanden will er werden in volle-n;
Ums-inse- ’
Was die Schallwellen seiner sue-;
de in hörbakcn Lauten anderen Jn«
dividnen iibeknnllelm soll nIn ein’
Dank dem Gedankenbitd hinter sei-i
net Stirn entsprechen. Gleichgül·"
tiq, ob dass zn Sagen-de objektiv
wahr oder Innunhc ist« ieine sprach
liche Gestaltung hat sich unbeirrt
dem Zwange des Wollens nach ei
ner bestimmten Richtung Mn zunu
tekitellen· Vollendete Nnchfchöpfnng
einer oder ein«-r Reihe qednnktichee
Vorsleunnqen —- das Ist die hohe
Aufgabe unserer Sprache
Sie ist ihr gesunchiesn Noch nie
verjagte fie. llnerntelzlichen Geistes
wertesn suclnsntipannenden Weishei
ten hat sie lebendiges Leben, la Un
fterblichleit verliehen. Sie hat ein
stammt-need Gewand fide den«-For
chen
nnd wird nie müde, auf
Schwingen das Gliiit zu trnqeu,«
von Seele zu Seele. Sie ift eg,
die des »Ich d" beengende Grenzen
sprengt; sa daß wir eine Menschheit
J,sind und nicht Millionen siebenrin
lander existierende Einzelwefem un
ferer Sprache danken wir ess, die in
Innabliifsiger lieberleitungdarbeit ie
ne tausend-sättigen Beziehungen der
zMenfchen untereinander spinnt, oh
e die der Begriff .»Wir« iiberhanpt
nicht denkbar wäre.
Sie stellt sich willig in eine-·- je
den Dienst, unsere Sprache Aus
ihrem überreichen- Wortschah kam-.
,fie jedem Ergebnis eines Denlvors
ganges eine Hülle bieten, die sich
vollendet seiner Eigenart anpaßt;
was immer im menschlichen Hirnges
beren wird, es findet in diesem
Sehn-S alle-J, was es braucht, nm
genau jenen Ton lebendig zu ina
chen, der dem bestinnnendeu Kinn-ge
innerhalb der Gedauleuiuerlftatt
entspricht.
Der Schatz ist da, der reiche Schat
der Worte, er braucht nur gehoben
zu werden. Und das ist die Arbeit,
die uns selbst zu verrichten bleibt:
»aus der verfeinveuoeriicheu Fülle de
EVerhandenen just das Wort heraus
zufifchesn das feine Befiinnnuug Ge
duchtem Ausdruck zu geben, am voll
kommensteu zu erfüllen geeignet ist.
Daß nicht nur ein Wortbild feu
deen eine ganze Anzahl Ausdrucks
formen fiir diesen oder seiten Ge
danken mnveuddar find, daf- ferner
ihre Anordnung zum Sangesiige
wiederum der persönlichen Wahl
einen weiten Spielraum laßt-das
find Umstände. die der Treiiiicher·
heil des Sprechen-den allerorten
Fallen ausfielleu Teunt nicht an
der Knappheit des Wortsitsatzes schei
tern wir im allgemeine-n mit unfe
ren Bemühungen mu die Sprach
luuft, fonderu an seiner Vielgesials
ligleit. Tat-en usiiieu die ,,i(hrei·
bendeu Leute« ein ltijglittx Lied zu
fingen. —
Darf ich an dieser Itxlte ein tves
ttig and der Schule schwatzen?
Wenn meine nachdenkliche Be
strachtttng über nniet Verhältnis
zur Sprache sich attrlkdnrehatts nicht
ani jene wunderlichen Lilienschen be
schriittlen tttöchte, die let-ten nseiiten
Bogen Panier sehen ldnnen. ohne
ihtt voll zn lrinelm sv iteht der
Schriftsteller ttntnertttn, dettt wesen
ieiner Tätigkeit narli, tut stantvs un:
die Ausdrucksmittel an erster Stelle·
Abgesehen davon« dasz er tnoras
lisch verpslichtet ist, dass feine Un
strutnent der Sprache einigerntaßen
alintpslich zu behandeln: es griindet
sich die ganze Art seine-S Echnssenö
atti det- llntptsiigearbeit des Gedan
kens zntn Wort. Sein eigenes- Jn
leresse zwingt ihn. stir den Betrieb
hinter seiner Stirn ein Sprachge
tvand zn sinden. dass-dein noch lltts
greifbarett bestimmte Fonn verleiht,
sich seinen Linien weich nnd doch fest
anschntiegt -- lurz, ein sprachlirltes
Spiegelbild ieiner gelingen Vor
itellung.
lind ia können Alleine-ne lein
tnett des heißen Ringens nttt das
kerhte Wort, das —- einzia rechte.
Es nntschtoelit uns nnt ihnt, sie
drängen sich ver tttie lastige Fliegen,
sie, die vielen ,,atlensall-J anntends
bat-ein« Wettgetvändek von mangel
haitetn Schnitt, die unt meinen Ge
danken, eben diesen Gedanlensehlvts
tem würdest tvie Frtiu getauste
Kleider ttnt tnanclxe ranengestall
Wer diesen stuntnten Ilantpf ein
mal gekiinipst hat tver se ein biß
chett Elteknzärtlichleit siir sein Gei
steslind besaß, das er nicht anders
als adrrti aelleidet in die Welthins
attszuschielen sich entithllesten konn
te, wer ie verzagt die Feder iinlen
ließ tntd ed ausgaly das rechte Wort
en erhaschen, dieien neeliiehen Fla
dold, der ihtn sozusagen auf der
tilaiettspiye hertnntiinzelt —- dein
wird das ausgleichende Saslckialanch
schon seiten Moment trittntvhierens
der Freude, ausatntettdee Befrei
nng qegönnt haben: weint er seine
Beute endlich ertvischt, dett Kobolds
attt Schlaslltchen hält ttnd ihn mit
wohligem Behagen an der eigetts
dazu bereitgehaltenen tlntenienchs
ten Federivive ansspleßen darsl
Eine liessnnekuche Freude dieser
Augenblick ein kleiner Trost siir se
ne Stunde-n da nnd erbakmnngslose
Venckleltern all nnsre Sünden ge
qen die Ansdrnclslnnsi höhnisch vor
Augen halten. Denn Siindee sind
wie allznnml——die da scheistlich nnd
die da mündlich sprechen, nndniiisi
sen nnsker Sünde Folgen tragen.
Die einen zwickl ihr künstlerisches
Gewissen, Inosem sie ein solches-sha
denx die andern sehen sich allen
Konsequenzen ihrer sprachlichen Miss
qkisse tellnnnislos preisgegebenJvos
seen sie den Ehrgeiz besihem als
Ieisllg znrechninigsiiählg zn gelten.
Jn diesem Sinne glaube ich mich
mit der kleinen Jndistretion ans
der Werkstatt der schreibendMLeus
te einer Abschweifung vom Thema
überhaupt nicht schuldig gemacht zu
haben; ja, ich möchte hehanpteii,dafz
fdie Wichtigkeit eines guten sprach
licheu Ausdruck-Z schlechtioeg siie se
den Menschen aliftiindlich durch die
IPiarid bewiesen wird.
i Aergeiz Bcrftinunnug fa tiefe
i. « unter denen die
Menschheit seufzt, sind nicht immer
das Ergebnis uuiiberbriickbarer Ver
schiedenheiten zwischen den Charak
teren, viel öfter hingegen ist ta
stende Unsicherheit und töwiiches
,tlngeschick in der Wortwahl die tlr
fache schnierzlicher —- nnd so iilier
Ifliisiigeri —- Wunden.
»Und hiite deine Zunge wohl.
Bald ift ein böse-I Wort gesagt-"
! Böse? Als Ausdruck eines haß
serfiittteu Gedankens wäre das »böie
Wort« sprachtechuifch richtig ge
wählt. lind doch hat die Erfah—
rung gelehrt. dasz so ziemlich die
Hälfte sämtlicher tagtäglich umge
setzter böser Worte auf einen wasch
echten Has- als Ursprung nicht zu
riikfznfiiliren sind. Also Mißgriffe
im Ausdrncke halten die andere
Hälfte geschaffen, nnr fo ·- ans
Verseheu.
Jst das ein Trost, wo Wunden
ichmerzeni Wo erst am Wort. am
unglücklich geiviihlteii, der glim
rnende Dass sich entzündet, der vor
gec gar nicht da war? Wo eisige
ntsreindnng sich zwischen zwei
Menschen schiebt, die ihrer ganzen
Gesinnung nach bestimmt waren
Hand in Hand zn gehen? Wo eine
vielleicht nie wiederkehrende Gele
genheit zur Verständigung ergeb.
nile voriiberranschle, nnr weil
nian einander nicht begriff, weit
kein Finger die eine einzige Taste
anschlug, die danach schniachtete, ih
rer Stnnnnheit ledig zn werden, sie,
deren klarer Ton iiberzengend das
gesagt hätte, was ein ganzer Schwall
von Worten vergeblich Zum Anss
drnck zu bringen trachtete'.-!
Ja- tver sie immer siinde znr
rechten Zeit, die richtige Taste —
Einen Talisman besiisze er, der
ihn sonst nm des Lebens harte Ek
ken nnd Kanten hernmsiihrte, nnd
ein Alexander-Schwert triige er in
der Hand, dass mit einem Hieb se
den gordischen Knoten ansi- der Welt
schaffte-. Ten schwierigste-n Situatio·
nen gegeniiber diirsle er lächeln in
teohliger Sicherheit. er, der Herr
nnd Meister der Sprache-, der im
mer sagen kam-, was er witt.
Viel weniger braucht er zuspre
chen, nnd viel schlichter, ais der
Sprachsiiinwer, dein bei der klein
sten Schwierigkeit schon der Angst
schweisi ans die Stirne tritt. Der
Lileemste nimmt den kllinnd so volt
als- iiiöglieli, die Masse soll er- brin
gen; der llnitiriigearbeit eigener Ge
danken in ein eigene-J Wortbild
siihlt er sich nicht gewachsen, ver
zweifelt greist er in den Schau der
Worte, die ihm »ichl)n« erscheinen,
tasst er an sich — daß es die Ab
gennutheit ist, die sie blank erschei
nen liiszt, entgeht ihnc —, auch daß
eben die Zlnt der Worte schuld da
ran ist, wenn sein Gedanke rettungs
los ertrinken mnsz llnd so gehen
zwei auseinander, konsschiittelnd, sie
habest sich nicht verstanden
Das kann ganz belanglos sein;
das kann —- iiber Schicksale ent
scheiden.
Stellen wir nns einen engen
Kreis vor: die Familie· Noch en
Igen denken wir an Mann nnd
Fran. Sie haben sich lieb, ihr Les
ben würden sie lassen siireiiiaisder;
und dennoch —- Gott hat nicht zwei
’Menschenhirne ans der Welt abse
lnt gleich erschassen s— es kommen
Stunden einer leisen Spannung
die Differenz zwischen dem Jch nnd
dein Du macht sich geltend.
Verständigung tnt not. Sie-»Gute
chen sich ans«.
Weni iiiuit dn nicht ein heiusticher
Schreck durch die Seele? Es gilst
ivohlgeiiieinte Aussprachem dieniit
einein Schlachtfeld enden: tue in
ungeschietten Händen zur schneiden
den Waffe wurde, was linde zufam
nieuzuiiitireu berufen innr: die
Sprache
Wir diikfen dabei ganz absehen
von den Tenipeknnientgfiindesh die
etwa der Jähzorn auf dein Gewis
sen hntx die tlufähigteit des einzel
nen, seine ieeliichen Vorgänge in
einein tunc-nein erschöpfendeu Wort
bild niederzulegen, sie ist in erster
Linie schuld doma, wenn Geschosse
dnrch die Luft flieget-, die keiner
der beiden nbzuienden gedachte lind
lsnß erstaunt schaut jeder auf die
Wunden. die er schlug —- uuk weil
er in feinen Ausdrnelsiiiitteln im
nier io peiuvott daneben griff
Tage der Rasen
Novellettr von ElsCorrri
. .,. »I«
Drei Jahre hindurch war sie ihm
fa? täglich begegnet. Erst trug sie
fit freie Röcke, nnd der schlichte runde
Hut befchnttete ein blasses Kinderges
sicht, ani dein noch der müde Ernst
nnfesunder Schniftubenforgen lag.—
Almiihlich wurde vie Miene aus
Iris-sonnen von Lebensneugier saß
es qui der tleinen Stumpfnase nnd
die jungfräuliche Gestalt bewegte sich
mit Bei-acht
Endlich prangte Jugenvbliihen auf
dem heiteren Antlitz und leuchtete Le
bensfreude nns den binnen Augen.
Sie war der vertökperte Sommer,
wie sie so dalierkam in hellfnrbenein
Kuttnnlleid; zu beiden Seiten ihres
Weges Aehrenfelder nnd Sommer
blurnen, — iiber ihr Sonne und Ler
chenjubei.
Jn violettem Dunste verschwam
nien die Konturen ver zusammenge
driingten Stadtbauten, denen sie —
vorn Verort kommend —- znlchritt.
Rnr hier nnd da blitzte in dein
Dnslte die gleißende Knppet einer
Tische over eines Handelsptilafteö
n .
Um Geld zu verdienen, ging das
iiisge Mädchen tagltch in die Groß
itadt Sie fertigte Puc in einein
Modeatelier. Und täglich begegnete
F ihm, wenn er seinen Verdaniingss
paziergring machte Das war.
mittagö u ..i ;-«2 Uhr. Er
hatte während der Vormittags
ftunden ans dein Gericht gearbei
tet« dann sein Diner im Weinres
urant eingenommen, um hiernach
n Begleitung seines Fibo, des höchst
iorrett erzogenen Wachtethiindes,
seldeiu zu schteiidern Er pflegte erst
wieder um JE- tlhr in seinem ge
wohnten Case zu erscheinen, woselbst
er sich leibliche und geistige Genüsse»
zn Gemüte zog
Der Berdaiiiiiigsisspaziergang war
sehr von nöten, denn der here Wies
sor neigten zur Storputeni und zul
blasfer Gesichtgfarbr.
Er hatte schon ein chweres Leben
hinter sich. Seine indheit ward
von den tlnruheii gestört, die ein
nach Gold und Orden jagender Va
ter um sich verbreitet. Die Jugendl
verliimmerte dann unter dein Schat
ten seines bürgerlichen Namens, der
ihn bei jeglicher höheren Bestrebung
hinderlich war. Endlich iain die bit
terste Erfahrung: eine kleine Millio
nenerbin, die ihm der Vater mühsam
aiisspioniert hatte bevorzugte einen
andern! Daß man nach all sol- !
cheii Schictiiileii sein Genügen darin
fand, seinen Berufggeschiisten nach-I
zugehen und ini iibrigen die persön- l
liche Ruhe und das eigene Wohlbe-!
finden zu hüten, diirfte setbstverss
standlich sein. l
Man ioird nie heiraten! Tie Er
biniien sind unzuverliissig und haben
auch ost iiiibequeniin Anhang.
Er sehnte sich auch nicht nach biir
gerlichein Faniiliengliici Eine Frau
mit der Morgenhaiibe, ein schreien .
dög Baby, Badewaiine, Soxthlet oder
gar eine Amme —- pith Wie uns-L
iisthetischl ’
Sein Jiinggesellenheim ioar dage
gen tlassischk Sein Diener ein Ge
dankenleier. —
Ja! Er hatte alles gut in der.
Reihe, was zu seinem Wohlbehagen
gehörte!— Nun gesellte sich gar zu
dem niihlichen Zweite seiner Mit
tagspromenade die angenehme Beob
achtung eines reizvotl erbliihenden
Frauenzimmer-.
Das sah ihn dieses Jahr auch so
eigen ichelmisch an, ati wolle ei
ihn sragen: »Geiall ich diri«
Erst — ais er seinen neuen Som
nierpaletot angehabt, den langen satt
artigen —- da hatte er einen Moment
geglaubt, ein spöttisches Lächeln
Jlinen wäre besser, ins befassen je
der eine gut funltionicreude anf
llappbaise Scham-Wele durch die der
andere liineinbliclen und sich ans
eigener Anschauung ein Bild liolcn
könnte dessen, was da wirklich vor
handen ifi, ohne die euiiiellenden
Auszeichnungen ungeschickter Ans
driiclsveriiiclie.
Bis dahin flehen wir nach wie
vor einen Augenblick vor der eiser
nen Notwendigleii, eine inöglichil
rcstloie Verschinelznug zwischen Ge
danken uud Wort ausr- eigener
Kraft zustande zu bringen.
Eis wird weiter gesprochen
Und da wir allzumal Sünder
find, wird des Mißveritehcuss leiu
Ende sein und des schwächlicheu
Eiiigestöiidiiisies: »So Ineiuiil ich es
nichi«.
Es ifi keinen Pfifferliug weist.
fichwebe um ihren Mund Sobald er
aber das Monocle eingeilemint hatte,
fragten ibre blauen, warmen Augen
naiv: »Gefall ich dir?·«
heute war er im Begriff, seinen
Spaziergang anzulrelen, da tam ihm
eine Blamenbiindlerin in den Weg,
ideren Korb war voll prangender Ro
en.
»Noch sind die Tage der Rosen!«
zitierte der Herr Assessor nnd kaufte
einige der vollen, roten. duftenden
Blüten, die Frage erwägend, was
die Kleine fiir Augen machen würde,
wenn er ihr dieselben darbiile?
Er schmunzelte bereits vor sich hin
—- ein seltenes Ereignis bei ihm!
Hm, so tleine Mädchen unter blanem
Julihimmel, zwischen wachsenden
halmen und Mohnblnmen, inmitten
sonnigen NatnkfchweigenH —- hin!
Er hatte da anch kürzlich ein
Schauspiel gesehen —- er hatte da
mals darüber gelacht. Jetzt indessen
schien ihm doch möglich, daß so ein
junges Weib gar liebliche Jngredien
zen in ein Junggesellenleben nnd —
,,nitimur in vetitn1n« —- in eine
Garaontvohnnng zn bringen ver
mochte ..... So was von Lerchen
trillieren, von ionnig wonniger Le
bensfrendr.
Was sie wohl zu den Rosen sagen
würde? Unruhig schwenkte er das
Stöckchem
Da kam fie auch fchoni sie hatte;
ihren roten Sonnenschirm aufgeij
spannt und iibrr ihrer schlantens hel-»
len Geftalt lag ein tätlicher Schein,i
wie ein bengalifeher Reslex.
Er tlemrnte·slugs die Scherbe ein;
als sie nahte, liiftete er den modi
schen Strohhut und reichte ihr die
Rosen mit den Worten: »Mein schö
nes Kind Noch sind die Tage
der Rosen!"
Erstaunt schanten ihre blauen Au
gen auf Jm nächsten Moment
aber griff sie lcichelnd nach dem
Strauß.
»Sch·o«nen Tanil« lind sie war
fchon an ihm vorbei.
Befriedigt sah er ihr nach. Der
Anfang war gemacht! sie hatte die.
Rosen genommen. —— Gott ja, wa
rum auch nichts Am Ende scharrte
fie sich schon liingft nach einem vor
nehmen Verehrer nni, der ihr ein
wenig Glanz ins arme Näh-näml
leben brachte Na, ja! Knansern
wollte er wahrhaftig nicht! — —
Tänzelnd schlenderte er weiter!
Das Mädchen mit den Rosen inl
der Hand ging indesfen stracks derl
Stadt zu. Ein Lächeln lag auf th
rem frischen Antlitz. Ja ja, sie Iva-’
ren da, die Rosentage Vielleicht
hatte der fette Gect davon gehörtJ
daß —- — Und er hatte ihr iu einerl
neium Aufmerks.«»ieit Guid man-l
schen wollen. -
Wie nett von ihm! j
Plötzlich aber durchschosk es ihrcnt
Kopf, daß er auch nichts loisfen iönnel
nnd nur galant sein Irr-eilte So alJ
lerhand Hinterqedanten haben töunei
— — Ivuppl die Tftofen flogen iiber
die Hecke.
»Gut dann, daß ich ihm nun nicht
mehr fo oft begegnen man — denn
morgen — «--"
Und-sie zog den Handschnh ab
nnd tiiszte ein schlichte-z goldene-I
Ringlein
«- J«
Andern Zugs kamen der Herr
Assesfor wieder mit Rosen daher.
Heute triillerte er sognr eine liebliche
Melodie. Diese ersimo jedoch, nlg
tem Herrn Vlssessor niemand nuf dem
Psnde begegneie. —- Verstinnni trat
er dann den Heimweg an nnd tonrf
im Cnsis dem Kellner die falsch ge
reichte Zeitung vor die Füße
Am darauffolgenden Tage aber he
inm der Gedankenleser die Titnla
tur »Wel« und Fibo erhielt einen
Stoß·
Wo das junge Ding nnr blieb?
Die Unruhe tvnri sich ihm nnf den
Magen! -— Dabei stellten sich immer
häufiger Zeichen leichten Podagkns
ein ..... Wie gut könnte ihm dn so
eine kleine junge Person Aufheiterung
bieten! Wo iie nur steckte?
Hutte sie nrn Ende —- er lachte,
daß sein intsgeschioemmter Leib wal
kelte — hatte sie am Ende eiue Bu
dereife nngetreteni ·
Da nber tam ihm ein Gednulec er
sollte sich einen Budennfenthnlt gön
nen! Sein Arzt rotirde es gnthei
ßen. —
Gedncht —- getan! Er reiste
Aber Ende August war er schon
wieder zurück Er hatte sich nach
seinem Heinr, zum Gedrrnlenleser und
zu Fibo zuriirtgesehnt Und « nnch
noch etwas.
Sie war ihm ost im Traume er
schienen, die kleine Blühendr. Und
er hatte von ihren frischen Lippen
einen Zaubertrant gesogen, den er
vordern nie genossen. Den Zauber
trank, durch den das Herz ein ju
gendliches Ausschwellen empfand —
eine innige Zartlichleil für alles Le
·ben und alles Lebende·
Jn Wirklichkeit aber suchte er ver
gebens, ihr wieder zu begegnen. Sie
schien nicht mehr nach der Stadt zu
gehen! —- Und eines Sonntags —
eines sonnigen, heißatrnigen August
sonntags, wo alles Blütendufl und
Roggenglanz war, da dehnten der
Herr Assessor den Vetdaunngsspas
ziergang ans bis hinein in die Stra
ßen des idyllischen Borotts mit den
kotbedachlen Häusern und den lliifs
senden Dorftötern·
Vielleicht sah er sie an eine-n Fen
lsler, in einem Garten! Er schmach
tete nach ihrem Anblick.
Jedoch, obgleich er fleißig Umfchau
hielt, er erblickte nicht die Gesuchte.
Nur ein scheinbar neu erbaules, net
tes Haus fiel ihm auf. An der glän
zend lactietten Haustür hing eine
Gitlande aus Tannen und Papier
rosen; ein Platat »Herzlich Will
lommen" schautelte sich in dem ober
sten Bogen des schon wellenden Ge
windes: das vielleicht schon Wochen
den Eingang ziertr. Hinter dem
Haus lag ein lleiner Garten mit ei
ner Laube unier den dunleln Zwei
gen aller Fliedetbiiunlr.
Der Assessor ging an dem Anwe
ien vorüber —- bei der Laube aber
blieb er mit einem Ruck stehen. Eine
gänzlich ungeschnlte, aber warm nnd
lieb llingende Stimme sang drinnen
das Lied von den Tagen der Rosen.
,.... Ihr Fröhliehen singt. weil das
Leben noch rinnt
Noch ist die schöne-, die blühende Zeit —
Noeh sind die Tagen der Rosen. . .
»Dast recht!« antwortete drinnen
in der Laube eine Männerstinime.
»Nun lrieg’ ich auch einen Kuß!
lind nun noch einen siir unsern —«
,,Psui! willst du wohll« schalt die
Frauenstimmr.
»Bin schon still! Die Wiege
tann ich aber doch dann bezahlen?«
»Oder soll ich daiiir ein paar
Tage in der Stadt Hüte ausputzen?«
»hat’s nicht nötigt —- Mir ist
heimlich jeden Tag ein Zweigroscheni
stiick in eine Schrantecke gerntscht.
Da liegt nun eine Menge solcher
blinder Schimmel. —- Komm, wir
wollen sie mal zählen, ob sie nicht
schon langen!«
,,Pscht! Da ist jemand!« wisperte
die Frau·
Aber der Jemand weicht nicht,
als auch die beiden aus der Laube
treten. Er hebt sogar das Gesicht
mit der ungesnnden Blässe, mit den
schmalen, verlnifsenen Lippen und
dein schwammigen Doppeltinn frei
in die Höhe nnd schaut das junge,
lslauäugige Weib an, das nach tur
zem iiberraschtenr Zaudern ihm lau
nia zunickt und dann am Arme ihre-J
stäminigen Mannes ins Haus geht.——
lind der andere wendet sich lang
snn ab. Jhm tönt der schlichte Sang
im Herzen nach. — Ja, die beiden
im jungen Heim, mit den ausge
sannnelten Groschen im Schranttvin
tel, gesammelt sür trauten Zweck,
oie verlebten Nosentagei
Er ging heimwärts-.
Als er durch die sliisternden, über
sonnten Felder schritt, sand er eine
dijrre Aehre am Wege. Sie hatte
teine Frucht gezeitigt, sie war hohl —
der letzte Regen schien ihre Wurzeln
nntertvaschen und sie zu Fall ge
bracht zn haben.
Ter Assessor nahm die diirre Aehre
ans —- und siir einen Moment kam
ihm der Einfall, dasz sein eigenes
Leben eine Aehnlichkeit habe mit dem
elenden, einst hossiirtig dagestandes
nen Halme....
W-—
—— Renlifliich. »Ist es wahr
dniz in dem neuen, realisiiichen Stück
dem Hanptdarsicller wirklich ein
j3nlm nezogen ivird?«
,,«.icntiirlich ifle wahrt darum
mit-d ja dass Stiick bloß drei Mal
nnfgekiilirt, weil er nur noch drei
Zähne l)ntl«
ilnerlvakiete Zustim
in n n n. —- ,,Vnter, ich liebe Fräu
lein Eteffen und will mich cnii ihr
oerloben Hoffentlich ifl sie doch auch
nach deinem Geschninck.«
,»,Gewiß, mein Junge: als ich in
deinem Alter war. machte ich ihr
ebenfalls den Hof-«
—- Wideripenftig. «Jeci
habe ich den verflixten Köler schon
siebenmal ncngetanft. . . aber er hört
immer noch nichtl«
—- Tann rieth auch Io.
Arzt: Jlne Frnn ist lehr leidend; iie
nmß im Sommer nach Oftendel
Untie: Ja, wenn iie in ein teures
Bad muß- cann ich Ihnen aber Ihre
Rechnung nicht bezahlen, Heu- Dol
lorl
Arzt: QJvakten Sie, Sie können
iblir in ais-C Solzbiidek im Haufe ge
en. «.