IÄUUUH »Ehe-. Roman von III III-Cis (2. IotttekungJ Aber es versteichen Minuten, und das Brautpaak kam nicht. «Ra, Linswth flüstette Herden, .tvo bleiben sie beant« i here von Linstow jagte: »Jo, o.'· Er sah aus wie jemand, ver seht gesammelt an etwas Feknliegendes ventt und deshalb nicht genau ven Sinn ver Art-ehe versteht. Er war met-r at- mittelgkoß, ziemlich dick und hatte eine Glatze. Seine Züge, von Natur nuyt unevel, waren etwas auf geichwemmt. Heideke sah ihn init etwas unge diitoigeni Mitleid an. hatte sie, seit» ihrer Anwesenheit im hause, wohls schon eine vernünftige Antwort oon ihm betommeiii l Es lam ihr immer vor, als ob seine Gedanken wären wie ein Pferd im Trott, das man nicht aufhalten durfte, weil es nicht die Kraft beses sen hätte, oon neuem anzuziehein Wenn sie einmal in Bewegung gesegt waren, mußten sie in der eingeichlas genen Richtng bleiben, um sich nicht zti verwirren. Mit dem Mann zusammen zit le ben, mußte eine ftiinoige Gebohrt-ro he fiir die Seinen bedeuten. Die Frau war oor zwei Jahren gestorben. Der Sohn schien nach dem Mater zu arten. Anna hatte et vielleicht, nachdem sie mutterlos ge worden war, zwischen den beiden gei stestriigen Mannern nicht mehr aus gehalten. Jlieht sie von hier, weil sie da- Leben suchlt dachte Herdeie plötz- » lich. . In diesem Augenblick tat sich die» Sitr oom Flut her auf, und gefolgt oon den bexden Zeugen, dein alterenI Hammerrifs und Unniio Bruder Do-l nai, schritt das Brautpaai uber die! Schwelle Burchard Gras Gebet toar ein gro ser Mann, imposant schon durch die haltung die er sich zis geben iuuszte, schlant und mit den regelmäßigen, vornehmen Zügen der Familie. Seine Augen waren duntel. Sie blickten; auch iegt klar und geraden-tin ’ Gras Burchaid hatte graues haar; Irr noch oöllig angelichieter Full- lag ei wellig über der hohen Stirn. Dei Schnurrdart bewahrte noch seine duntle Farbe und gab durch dreien Gegensag dem Gesicht etwas Kahne iind Jugendliches. Anna oon Linstow blieb, obgleich sie eine schlanke, hohe Erscheinung war und immer als «gioß« gegolten halte, doch um mehr ais einen halben Kopf unter der Große ihres Verlob mi. Sie sah erregt aus. Man bemerkte es an der augerordenilichen Btafse ihres Gesichte· und an dein fieberhaf ken Glanz ihrer blauen Augen. Jn diesem weißen Gesicht fielen die blut roten, sehr schon gezeichneten Lippen mertioiiidig aus.« Sie hat einen unheimlichen Mund, dachte Renate. so brennend, so üppig und doch so sest geichlossen. Jm übrigen fand Giäsin Renate die Erscheinung der Bran «stiiooll«. Der sehr einfache Schnitt des weiß seidenen Kleides, der geoiegene Stoff, die mächtige Schleppe zeigten einen sicheren Tritt, Wurde mit Poinp siir du«-Gelegenheit passend zu vereinen such gefiel es Renaten, daß der Schleier zwar das ganze blonde haar stid die ganze Gestalt in grossen Fal ken umgib, aber das Gesicht srei ließ. « Gröfin Herdeke sah zunächst nur ihren Bruder, empfand nur seine Ge genwart. Sie lebte sein ganzes, stol zes Leben in diesem Augendiiet nach Uiid ihr erregtes Herz fragte: ift dies seines Lebens Krönung? bedeutet ei sein Ungliiai Seit see jene bitterm Leiden ihres einzigen, init einer harten Entf.:gung endenden Liebestonan- durchge tiienpft und dann überwunden hatte, war der Bruder ihr Ledensinhatt ge worden. Ihre Neigung ging weit hin aus iider die Grenzen auch der hinge bendsten Schwefternlieve. Sie liedte in ihm ihren Vater, ihre Mutter wei ter, er bedeutete fiir sie den Begriff «Iomilie", zu welchem ihre Seh-ve fter Renate nur ein ganz nebensächli ches Anhängfel dildete. Jeden Ehr geiz, den fie sonst etwa fiir sich und einen Gatten gehabt haben würde, hegte sie nun fiir den Bruder. Als et «uttg war, wählte sie un aufhörlich site ihn unter den Töchtern des hohen Adeli die schönsten und reiehsten und vermählte ihn in ihrer Phantasie. Wenn er einmal ein ern stes Jnteresfe fiir diefe oder jene fun se Dame zu zeigen begann. sörderte hervete die Suche gleich fo übereifr . dass entweder ihr Bruder oder de fange Dame den Geschmack daran verlor. See war mich des Bruders Par teisenofsin und fühlte «freitonfervn fid« bis in ihre leyten Gedeinten hin ein. Uettn eine ruu sich um Politit Ieise-imst. tut e ee gleich mit Lei denschon very-te sog aus dek Ler. eilte erregtee Reichstag-bedauert einen Genuß wie aus dem Besuch eines spannenden Dramas. Sie war auch des Bruders Kompagnvm Während Renaie ihr hübsches Vermögen in4 preußischen Konsols angeiegi und es mach und nach ganz aus dem Grund desih ihres Bruders herausgezogen hatte, wies Herdeke den Gedanken, sieh auszahlen zu lassen, immer mit Ent tiisiung von sich. Sie genoß jeden wirtschaftlichen Erfolg mit Triumph. Kutsum, von allem, was das Leben nur heeanspiilen konnte an den Strand der Gegenwart, sollten die desien Güter, die glänzenvsien gerade zu Buchards Füßen herankommen. Und diesen heißdewuuderten Bru der, dessen Dasein sie in solchem Lie deseiser nachledte, den sah sie sich nun an ein Mädchen hingeben, von dessen Namen sogar sie alle vor einem Vier teljahr noch keine Ahnung gehahi Wen- - Die Tochter eines leidlich degltters ten Landedelmonnes, ein junges Ding von zwanzig Jahren, war nun schliesslich diejenige geworden. welche sich diese viel ersehnte Stellung er rang. Sie wurde Grösin Gener. Verdele fühlte sich oon Erschiittes rung überwältigt. Tränen traten in ihre Augen, sie saliete die hände und sah das Paar an. Jhre Schwester Renate sah die Tränen und das händesalten und dachte: Natürlichi Tränen und Andacht hatte man stch doch di- zur iirchlichen Trauung aufzusparen. Hier waren sie minde stens geschmaetlos. herdete aber wartete nicht erst den Anolirt des priesterlichen Ornates ab, um zu beten, sondern sie flehte mit tindlicher anrunst: Lieber Gott - weshalb Anna ihn auch heiratet, ob aus Liebe oder aus einem kalten, äußerlichen Grund — laß es gut en den! Dente an alle Leiden, die mir beschieden waren, und daß ei mir nicht vergönnt wurde, mir meinem armen Bello zusammenzukommen Last dafür Burchard sehr glücklich werden! Das Brautpaar hatte sich dem Tisch genähert, hinter dem nun here Wolf Weber von Pallau mit rotem Gesicht und gänzlich auseinanderge ströubtem Bart stand. Baron Fred hamrnerrisL um eine Kleinigkeit-srischer und weniger dor nehm aussehend als sein Bruder, stand in einer Haltung voll undurch dringlichen Ernstes hinter dein Gra sen Geyer. Die Sonne schien Herrn Ired gerade aus« Haupt und liesz die Sorgfalt ertennen, mit welcher dir dunkelblanden haare über die begin nenre Lichtung oben aus dem Wirbel verteilt waren. hinter Anna stand ihr einziger Bruder Donat, ein überlanger blon der Mensch oon weichlichem Ausdruck Alle Anwesenden waren voll Er wartung, wie Herr Weber oon Pallau sich aus der Afsare ziehen würde. Er tat es iiderrafchend kurz und sachlich. Er beschrönite sich aus alles Vorge schrieden-. Dann unterschrieden das Paar und die Zeugen, und er siillte den Trauschein aus, um ihn mit einer etwas zu tiesen Verbeugung dem Grasen Burchard zu überreichen. Nun war die bürgerliche Zeremonie zu Ende. Man hatte verabredet, dlsz sich teinerlei Gratulation daran schließen, sondern dasz das Paar und die Gäste sich gleich i.n Zuge nach» nebenan begeben sollten, wo schon» Pastor Ludeie oor einem improaister ten Altar der Neudermählten harrte» Waldemar össnete nun auch-breit die Iliigeltiiren zur «desten Stube«.l und zugleich ertönte oon drinnen znrs tilaoterdegleitung ein plarrender Ue-» sang. Ein Dunend Schuljungen aus Pallau, in Sonntagotleidern, mit Ilotenblättern in oersrorenen Fausten,1 standen in einer We zusammenge driingt und sangen eiserooll und saltch, während der Küster am Kla vier rechts dor der Wand, hestig mit; dem Zions nictend, seiner Schar den Takt angad. I Geradeaus vor einem weißu:nlleis» oeten Altar« ven Blumen und been nenve Kerzen ziekten· stano Pastot Lüdete mit gefalteten hänoen unv« wartete in einer haltung voll ve schaueelichek Ruhe oek Neuoecmähli ten. Er machte leine Redensarten, ge dachte mit einem guten Wort dee oeei stotbenen Frau von Anstatt-, uno oot allen Dingen: er machte es kurz. Dann tam das große Glückwüns schen, das die Gestalt Eines otangools len Dukcheinnnoees annahm· —- heet oon Linstaw ließ sich von seinem tm-» posanten Schlotegersohn umarmen und dachte geöngttigt, daß ee einige passenoe Worte sagen musse, die et" aber nicht sont-. Dann küßte ek seine! Tochter, ward von Rührung plötzlich lägekmetnnt und wischte sich Tzänen a . Derdete und Renate umarmten und; küßten das Paar. Auch vie Pattoein und Icau oon Pallau umarmten: Anna. Uesche oon Pallau aber hing» lange laut schluchseno an Annats VII-. t Dieser Jammer ihrer Tochter rührte wieder Jena von Pallau; wel nend sagte sie: »Ja, sie Tini-' doch zu sammen ausgewachsen unv sle waren doch so desteundetl Und nun reißt das Leben sie auseinander« «Weed' und mach’ glücklich, Anis nas« sprach ver sung- Wolf oon Baum-, indem A the fest die dank-s fchitttelte, »und las unt die Alten bleiben. ugmdfreunbfchaftl Dein Mann mu begreifen —- das binbet.« » »Sie werden in meinem haufe ftets ein willkommner Gaft fein; ich hoffe, daß Anna fich Fraulein Ur ula und Sie recht bald einiäth sagte Graf Burchard verbindlich. i Dann feste man fich zu Tifch. Rechts vom Paar der Pator mit lGräfin Nenate, links Griiin her dete mit Denn von Linftow. Wenn es Verdeten auch einen Augenblick ärgerlich war, nicht neben ihrem Bru der In fihen fo begriff sie doch fchnell den Vorteil, der darin lag, Herrn Weber von Pallau den Vater an ihrerl recht Seite zu haben. Er war fo mittzfnm und harmlos. Er sprach, ohne daß man mit vorsichtigen Fra In an ihn beranzufchleichen brauchte· ( ielieicht kannte und beheerfchte er auch gar tein anderes Thema, als feinen Beruf und den lieben Nächsten. Es wurde fchnell recht laut bei Tifch· Das leidlich lange Zimmer war gerade oon der Hochzeitstafel gut ausgefullt, auf der mehr und ioftbas reres altes Silber zu fehen war, als Herdele erwartet hatte. Den töftlichen Blumenfchtnuck des Tisches hatten Herdete und Renure aus Berlin fchits ten lassen. Fiir vie Familie Weber von Pallau war es selbstverständlich, daß man sich aus einer hochzeit amiisieren müsse. Sie sorgtef enn auch in erster Linie siir den -; ichen Stimmen 1ärm. Wols » machte gewisser maßen der Ba «-Hammerriss den Hof Aber He beobachtete daß diese ihrein Schwager Egvn seltsam duldenve und totette Blicke zuwars, als wollte sie sagen: Jch halte dies gezwungen aus, viel lieber säße ich bei dir. Frau von Pallau schrie der Pa stvrin eine Mitteilung iiber ihre Leutetiichin ins Ohr. Ursche hänselte ihren Tischnachbar Donat und wollte sich tvtlachen, weil er ihre Späße nicht immer gleich verstand. Der Pastor ließ das Brautpaari leben. Sein Toast war eine wenig; veränderte zweite Auslage seiner Trauredr. Dann widmete er sich mit völliger hingabe dem guten Essen. Was sur eine Hochzeit! Was siir »eine Hochzeit! dachte Renate und sah von ver Seite ihren Bruder an. i Aber er saß unbefangen, freund lich. bemerkte scheinbar gar nichts Außergewöhnliches und sprach fast limmer halblaut in ritterlicher Hal tung. gutig, doch nicht geschmaetlos Izärtiich mit seiner jungen Frau. Und IUnna lächelte, freudig, aber doch mit einer gewissen Gelassenheit. Sie schien ihre Erregung besiegt zu haben. Sicher und stolz saß sie da, so schön wie noch nie. i «Donnerwetter,« sagte Herr Wolf lvvn Patiau Vater zu Herdeke, »so ne schone Braut sieht man selten. illnd was das Beste ist: glücklich sieht sie aus Na, ich gvnne ihr das. Meine »arme Freundin, die Linstvw, und meine Alte hatten sich ja immer aus gedacht, daß aus dem Wvls und der Anna ein Paar werden sollte· Das ist nun anders gekommen. Der Ben gel hätt· sich ja auch nicht vvn sern an sie ’rangetraut. Jn der Jugend sreundschast kann man gut Kanierad zusammen sein —- das ist wieder was andres als heiraten. Und als Mann shätte er ja wohl auch gar nicht zu ihr gepaßt... Sie trinken ja nichts, siorntessr. Zu veiii Rotfpon können Sie oreist Vertrauen sassen... ich hab’ unsre-i Freund Linstow bei der Wahl beraten.'· «Dante." sprach Heroeie und ließ sich ihr Glas siillen. »Aber warum hätten denn Jhr Herr Sohn und Anna nicht zusammen gepaßti« »Ach Gott,« meinte er sast ent schiitdigend, «wisse-n Sie —- er ist ja mein Einziger und mein Stainnihals ter — er ist ein ausrechter Kerl, stei ßig, tiichtig — klingt wunderbar, wenn 'n Vater sv was sagt: ich achl’ ihn, wie sonst teinen andren jungen Mann. Aber die Anna hat oon tlein an immer gesprochen, dasz sie blosz einen ganz bedeutenden Mann nimmt, so einen, vor dem andre Männer sich als zweite Garnitur vorkommen. Nu und so ’n Mann ist ja ivoll mein Junge nicht. llnd dann auch: erstinal haben sie als Kinder sich schon mit all ihren Unarlen gekannt; zweitens haben sie’s iiiinier gehört, dasz sie«inal Braut und Brautigaiii werden soll ten —- und da was- sa von vorn herein verpsiischt. Kein Reiz der Neu heit — teine Ueberraschuiigen. Wo soll da die Liede hertonimen! Und wo Anna was Extra-i ist und was Ex tras will.« Also vielleicht in einer Anwands lang oon Madchenroniantit hat sie meinen Bruder genommen, dachte hervete und sah die junge Frau an. Eines war gewiß, ihre Erscheinung und ihre ganze Art ließen sie als ein Wesen erteiinen, das recht wenig zu ihrer ganzen Umgebung gepaßt haben mochte. Vielleicht war Anna ihrer Mutter nachgeraten. Die Frage ließ sich ohne Jndiitretion tun. Als herr Wols sein Rottveinglas wieder einmal in behaglich genuszvols lem Zuge langsam geleert hatte, stag te Herdele: »Wie Sie begreisen wer den, wollte ich Anna gestern und hent’ morgen nicht noch unnöt« weich ma chen durch Fragen nach i rer Mutter, aber ich mischte wohl wissen, ob Anna ihrer Mutter seht glich« und woranI die Frau so früh strika l »Die ist an ihrem Mann eingeganq gen," taunte Den von Pallau, wäh rend er sich so nah zu Herdekeu her abueigte, daß die ganze Tafelkunde merken konnte, et sage etwas Ver trauliches; »das heißt: auf deutsch gesprochen. Auf mediziniich gesagt, hat sie ’ne Lungeuentsiladung gehabt. Aber da war kein Wille und keine Kraft zum Bessern-erben Aufgezelnt durch das stille, tägliche Elend. Sie tennen ihn ja erst seit gestern. Aber »so viel Blick hat ja woll ’n jeder, »das zu sehen: hat kein Rückgrat, der iLinstatm Alte Familie. Es gibt sal »che, die degenetieken, weil sie zu toll Hat-auflas leben. Es gibt andre, die "veriumpfen, weil sie gar nicht leben. zhaven sich nie betätigt, die Lilith-tos JNicht in der Politik, nicht in der iLaavwiktschafy nicht beim Mtlität. lSa hingewukzelt —- mokalisch einge schlafen. Und der Donat aktet nach ihm. Schade!« «Also Anna glich ihrer Mutters« »Nicht so justament. Von Ansehen —- ja. Aber sie hat nicht so die Cr gebung zum Stillhalten wie die Mut ter. Die arme Frau oon Linstow konnte nichts durchseßem alle ihre Wünsche, alle ihrs Pläne zerbrachen an der Geistestriigheit von ihm. Wis sen Sie, solche Männer sind schlim mer als Wüteriche unds Tyrannen. Jst, als wenn Sie überm Moor ge hen sollen: saeten 'rein! Ueber Fels tann man klettern, dnrch’n Dornen diclicht lann man sich schlagen, aber über Schlammgrund lommt man nicht weg. Zuleßt gab die Frau es auf, sie ließ alles gehen, wie es woll te. Und Anna, seit sie erwachsen ist, hat gar nicht erst versucht, einzugrei fen. Jch hab's immer zu meiner Al ten gesagt: Die Anna ist zu klug, die »siingt so’n nutzlosen Kampf nicht erst »an nnd deattx Jch geh' ja doch bald aus dem Haus. Und das hab’ ich auch immer gesagt: Sie macht mal 'ne aparte heirat.« « Herdele hörte all diese Vertrau lichleiten mit Herztlopfen an, wäh rend sie ein lächelndes Gesicht machte, als plauderte ihr Nachbar über ton ventionelle Dinge mit ihr. Nun glaubte sie zu wissen, aus welchem Grunde Anna die Hand Burchards so ohne Besinnen ange nommen hatte: sie hatte an ihrer Mutter die stille Tragit gesehen, die darin liegt, wenn das Leben einer ed len, begabten Frau an der Uniahigs teit des Mannes zerbricht. Sie suchte für sich ein andres Los. Sie suchte vor allen Dingen einen Mann, zu dem sie emporblicken tonnte. Das war gewiß tein unedler Grund zur Hei rat. Aber es war keiner, der im Her-. zen wurzelte. So hatte Burchard sich vielleicht noch alles erst zu erobern, was er» schon zu besitzen glaubte. Konnte ihins das gtlickent Konnte er nicht an die-» ser Aufgabe scheitern, lroy aller sei-» ner Vorzüge? »Eine frohe Jugend scheint die arij meAnna nicht gehabt zu haben,«i sagte Verdele noch. s »So so, la la,« antwortete Herr-s Wolf. «Kinder, die auf dem Lands aufwachsen, haben immer Freude auch wenn's im Elternhaus nur trübselig hergeht. Und Anna war ja diel bei uns. Fast alle Tage. Wir sind fidele Leute« kann ich Jhnen fa gen. Und wir flenneii nicht gleich, wenn mal ’ne schlechte Ernte kommt Das nächste oder überniichste Jahr gibt’s ’ne bessere. Der alte Pflüger da oben, der den Acker der Mensch heit fort und fort umtrempelt mit seiner ewigen Pflugschar, der sorgt schon dafür, daß alles wieder nach oben kommt, was mal ’runtergewühlt war. Wicht wahrs« »Gewiß, gewiß,« bestätigte Herdele und fügte aus ooller Ueberzeagung hinzu: »Welches Glück für Anna, daß sie Jhr haus halte! Möchte diese schone Freundschaft weiter bestehen!" .Wir sind einfache Leute,« wehrte Herr oon Pallau ab, »wer weiß, ob wir der Gräfin Geifer noch in ihre Kreise passen. Sie tonimt ja nu in die große Welt. Was meine Ursche freilich anlangt —- die laßt nich lot ter, die schwarnit zu heiß für Anna. Die wird sie wohl bald mal besuchen wollen. Und der Bengel, der hols, hält natürlich auch was oon ihr... Gott« wenn man zusammen Birnen gestohlen hntl Wissen Sie, ich hatt’ im sinlthaug ’ne neue feine Sorte Trug zum ersten Male iechg Birnen. War bei Todesftrafe zedermann ver boten, daran zu gehen· Und eines Tages sind alle sechie ·utfch. Der Gärtner wollte den Jungen und die beiden Mädels zusammen aus dem Kalthaus haben kommen sehn Nu« ich die Gören vors Forum gekriegt. Lügen ist nich bei meinem Wolf. Also sagt er: »Ja, ich habe die Birnen ge gessen. Aber ich allein.« Diese letzte Aussage rechnete er nicht als Lüge, sondern als Ritterpfticht. wie er spä ter gestand. Ja· das war eine Ge fchichte." Und in aufwnllender Rührung sag te er nach einer tleinen Pause: »Von den Birnen cnuß ich doch der Anna künftig alle Jahr ein Körbchen sen den - ich hab’ nämlich nun zwei g.oße Bäume von der Sorte...« Unterdeö war das Mahl bis sum Dessert vorgerückt. Herr von Pallau wies den aufwartenden Lohnbiener an, dem Fräulein im himheerroten Kleid die Schale mit Schololaden und Konsttliren noch einmal anzu bieten und am besten die Schale vor das Fräulein hinzusiellen. »Wie ich Ursche kenne, steckt sie sich was davon ein,« sagte er vergnügt. Die Baronin hammerriss ließ über den Tisch hin ihren Schwager an einem Knallbondon ziehen, der durch aus nicht zerreißen und knallen wollte. Die Pastorin fragte, wann das Paar adreise, und Frau don Pallau ries in das Hörrohr hinein, daß es wohl bald Zeit siir Anna werde, sich umzuziehem der Zug gehe um Sechs und sie hätten doch fast Fünfdiertels stunden im Schlitten bis zur Kreis stadn Da lam Waldemar mit einem Tre dreit voll Depeschem Das Postamt in der Kreisstadt hatte vom Grasen Geyer den Hinweis erhalten, es möge sooiel einlansende Glilawnnschdepei schen wie möglich sich ansammeln lassen und diese dann aus einmal sen den. »Vorlesen!« rief Frau oon Pallau. Ursche und die Baronin Hammerriss llatschten zustimmend in die . linde ,Was sur eine Menge Depe chen,« sprach Herr oon Linstow und hatte Unruhe, daß man ihm, dem Braut oater, die Arbeit, sie dorzulesen, zu muten tönnte. Wolf, der Sohn, dem die Ungeduld schon in allen Fingern saß, nahm sich, einfach an der Ba ronin Nadine dortiberreichend, das ganze Teebrett mit den Depeschen. Er las in ernstem, respettoollem Ton, jedesmal sich besonders zu dem Grasen Burchard wendend, die Glück wünsche, die aus dem Kreise don des sen Parteigenossem Gutsnachdarn oder entfernten Verwandten lamen. Handelte es sich ader um Bede schen, die aus dem Kreise der Gegend stammten, don Freunden der hier der sammel·ten Familien, trug Wols sie mit tomischem Pathos dor, und die Tischgesellschast lachte und ilatschte dazu Beifall. Namentlich llrsche und Donat wollten vor Vergnügen «ster ben«. Auch Graf Burchard lächelte. »Troy der schönen und sast reisen Männlichteit seiner Erscheinung hat der junge Pallau noch etwas von einem großen Jungen,« sagte er zu Anna gewendet. «Ja,« antwortete sie bestätigen-, «er ist mit seinen sünsundzivanzig Jahren noch so tinolich. Noch nicht aufgewacht. Aber das liegt in der Fa milie. Das haben die Pallaus so an sich. Vielleicht bleibt er so und wird wie sein Vater.« «D·u liebst die Familie.« .«O natürlich sehr,« sagte Anna. Aber es klang so nebensächlich Es war tein herzenston in der Antwort. Das nahm den Grasen Burchard wunder. Er hatte geglaubt, daß ein junges Wesen wie Anna sehr eng mit ihrer Umgebung verwachsen sein müsse. Aber nun lentte Wolf wieder alle Aufmerksamkeit auf sich. Er räuipertei sich sehr bedeutungsvoll. Dann sah er; Nabine hammerrisf an. Darauf Ursj sula undkAnna und hielt eine Deoes ehe breit geöffnet und straff zwischen einen beiden Händen. »Von weni? Von wem?« schrie Mich-« . «Naten!« l »«Minnen wir nicht,« sagte die Ba ron-m ! «Ratenl« befahl er noch einmal. Da wußte Ursche es. Sie wurde dunkelrot, und ihre Stimme tlang et was unsicher, als sie nun jubelnd rief: »Von den Leutnantst" Er ais-tie Die Baronin lächelte interessiert. Aller Augen hingen an Wolf. Renate hatte bei jeder einzigen De pesche, die oorgelesen wurde, stets ihre junge Schwijgerin beobachtet. Ob Anna geschmeichelt lächelte, wenn gro ße Namen zu Gehör kamen —- das wollte sie feststellen; oder ob Anna ir gend welche besondere Rührung nnd Freude verriet, wennlBelannte aus ocr Gegend ihr Grüße tchickten. Aber diese junge Frau blieb immer gleich gelassen und lächelte zu allen Depeschen dasselbe tonventionelle Lä cheln. » Jetzt aber —- Renate sal) es genau »—— jetzt veränderte sie ihre Farbe. Ihre Nasensliigel bebten. Jht Bliä schien dunkler, leuchtender uno doch härter zu werden. Er hing an Wolf —- in siebrischer Spannung, wie es Nennten schien. Was heißt dass dach te diese. Nun las Wolf: »Ist dankbarer Erinnerung an die schönen Manövertage gestatten sich die Unterzeichneten der Grösin Buechard Geyer die oerehrungsaollsten Glück rviinsche darzubringen, sowie den Fa milien Linstow, Hammerrisf uan We-! bet von Pallau die herzlichsten Fest grüße « senden. Bülow, Nibeet, Las sen, Burg-, Runnu, Norinann.'« Die Baronin, Frau oon Prrllach Ursnla und Herr von Pallau klatsch ten in die händr. »Was denn? Hör ich recht?« sragte die Gräsin Nenate ihren Tischnachs bar, den Verstor, »Notmann9 Unser Stephnn Normannt War der hier in Quartier?« »Aus Pallau, mit vier Kameraden. Hier lag nur ’ne halbe Kompagnie mit Deren von Lassen und Baron Prags. Pallauö hatten vier Herren und den Major. hammerrisss auch ’n paar Leuten-tits. No, das waren vergnügte acht Tage. Und Leutnant Norniann schoß den Vogel ab bei den Damen —- dae niertte man so Tau-B erzählte Pastor Liidetr. Renate wandte sich zu ihrem Bru der und störte ihn in einem Gespräch mit seiner Frau: »Die kennen er Stephan. hast du das nicht gewii is So was interessiert einen dochk »Es-»den sprech’ ich mit Anna davon. Mir fällt eo nun wieder ein, daß Stephan iii seine-is Gliiawunschschreis ben erwähnte, er sei hier herum in Quartier gewesen und habe die Ehre gehabt, Anna von Linstow damals oorgestellt zu werden« »Das weite doch starl.« sagte Re nate, zu schnellem iind scharfen Tadel bereit, »wenn der Junge seine ganze Anteilnahme heut in dem Sammel telegramm ausdrückte.« - »Wa» es doch ah!«« Inzwischen las Wolf weiter. Ein halbes Dutzend Depeschen wurde »An gehört ohne Zeichen von Jnter e. Ursula und die Baronin ienierhiei en sich flüsternd darüber, weshalb Wh diese sechs Ossiziere ein Tetezeasin zusammen eingelassen hätten. wickelt men zu dem Schluß, dasz ein Friihs schoppen sie wohl zusällig vereint hatte. Dann räusperte Wols sich nochmals sehr tiinstlich und start und sah spie der seine Schwester neckend an, ehe er las: »Graf und Gräsin Gener. Tausend gute Wünsche sendet Stephan Nor inctnn.'« »Katz; und bündig.« hemertte Graf Burchard lächelnd. »Gott —- so ’ne Art Verlegenheiti« meinte Herr von Pallauz «geht mir auch so, bin immer rein wie aus den Mund geschlagen, wenn ich stimme ren oder tondolieren soll." ; Renate sah zu Anna hin. Sie wurde wieder rot — teiii «wettel. Was will das sagen-i dachte Henair. »Aus der Senhiion die der Reine Norniann hier ani Tische macht, »schließe ich, daß unser Junge hier ge .ivisserinaszen eine Rolle gespickt hat iin letzten Manöver," sagte hetdeie Herrn von Pallam «llnteugdar! Die hunmieriisf schniachieie... na, ilsr Mann ist sa ivoll weiter nich eiiersiichiigt Und meine tlrsche war direkt iii ilsii dek lnuui, ist es dieueichi noch. öchudet nichts — so 'n kleines Slculsseuer iiiusz iiial sein. Kam riiik togai dot, als od die Anna chii gern Ititze — war iiaturlich ein Jrriuin Was aber den Yldrinaiin veiras — der dtteb merkwürdig tilhn Gott -— iiietne Ursche ist Ia teine Beeintr. Aber wenn die Nadine Haminerriss Augen machtt ...Und denn to in 'ni Mauer-en wo niaii doch als Leuinaiit gewisser-nu ßen das Recht nat, alle Blumen am Wege zu psliicten, die einen anla chen . . ·'« « Die Griisin Herdete seufzte. Sie hatte sei eine Ahnung« welche Grunde Steplsan Ytorm.inn gleichgül tig gegen alle Frauen und Mädchen niachie... lliid ihr Seuszer war uin so schwerer, weil sie sich deiouszt sein miiszie, daß itsre eigene Guiiiiuiigtett den jungen Mann iiiit jener zusam mengesuyri hatte, deren schdiie tlugen ihni diinii osseiidar gesähriich gewor den. Ithier schließlich hatte Steplsan doch Verstand! Er toiiiiie doch nie mals iiii txrnst einen Uhu fassen, dessen Ausführung seine ganze Laus batsii vernichten iiiußtel Herr ddn Pallau wollte nun genau wissen, durch welche Faiiiilieiideiziueis guiig der Oderteutiiani Yturinann niit den Genug verwandt sei· »Das ist eine ganz einfache Ge schichte,« begann Herden-, «uiiske Cousine Stedyanie, die Letzte eines Nebenziveigeg der Geisen heiratete einen Künstler. Man bauschte namalö den guten Musitlehrer Nuriiiunu zu einem Genie aus. Nichts leichte-, all einem Menschen den Glauben beizu bringen, er sei eins. Da hat er denn Steptsanirs kleines Vermögen dettotns ponieri. Wenn eine Illdrmuniische Oper an irgend einer Prodinzdiihne ausgeführt ward, sagte ich immer-: ich hör' die Goldstücke förmlich rollen. Das war wenigstens die wahre Mu sit dabei. und sie oertlang sahethast rusch. Als dte beiden tritt-en —- ich s-g’ Ihnen, wie aufs Stichwort stor ben sie — als ot) sie was bei ihren otclen Beriihrungen tnit dein Theater gelernt hätten —- da war für ihren armen Jungen nichts met-r du« Wir wußten nur durchs Hörensngen oon ihm. Aber Buechard reiste hin, brachte ihn ins Kndettenhnns und hat auch weiter siir ihn so quasi den Vater ge spielt —- bis ntts den heutigen Tags« Herr von Pullnu hörte mit unoers hohlenem Jntcresse zu. Wenn der Oberleutnnnt Normann mich nicht tm geringsten aus Ursulas oftentundtge Schwärnierei reagiert hatte... man konnte immerhin nicht ivisjen... und so standen sich die Weber-l oon Ptillau denn doch, daß die einzige Tochter sich einen armen Letttnnnt wählen durfte« wenn sie ihn ernsthgst liebte. — Utn den Tisch tunc tun große Un ruhe. Jeder sah ein, daß es Zeit Iei stir Annn, sich ttztizulleiden, aber hetr oon Linstow dnchn nicht dami, die Tasel aufzuheben hervete sagte es ihm zweimal. Fortsetzung solgt.)