Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 21, 1918, Sonntagsblatt, Image 11

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    Lieb Vaterland
Ins-m you Ist-m M
—
, cis Fortiecung und SchluH
»Und ich doch, gnädige Bank
Der Generaldirettor alloney
toiegte dabei ganz gemiitlich das
rötliche handt und fügte hinzu
«Das hab' ich schon vor sechs Wo
chen, wie ich das leste Mal in Paris
war, als neueste Neutgleit gehört
Daraufhin kam mir die Jdee« Sie
aufzuiuchen Da erfuhr ich, day Jhre
Frau Mutter auf dem Tode liege. . .
Uebrigens mein herzliche-Z Beileid,
gnädige Frau« «
«Dante!' iagte sie mechanisch und
fühlte den ehrlichen Druck feiner
hand. Dann fuhr er fort
«Da konnte ich Sie natürlich nicht
belästigen. heule, gleich nach Ihrer
Abreise. ivar ich bei Jhnen in Potss
datn und hörte, Sie ieien hierher. Da
bin ich rnit- dem nächsten Zug nachge
fahren, eh« Sie mir ganz aus den
Augen tonimen.'«
Er seufzte.
«Was glauben Sie wohl, was ich
alies durch die Spritztour hierher
serfiiuniei Zwei Sinungen — eine
telephonische Konierenz mit Berlin
Die Arbeit brennt mir auf den Nä
geln. Jch kann's lauen vor den
Uttioniiren verantworten. Aber man
ist schließlich auch Mensch. hier
bin ich Mensch. Sehen Sie: Sie fa
gen selbst, Jhre Ehe wird geschieden
Iclso war sie unglücklich, natürlicher
weise. . .«
»Ja, gen-ist«
»Und sicher nicht durch Jhre
Schuldl Jch tenn' doch auch die
Leute dort! Hatten Sie einen an
deren bekommen, wäre alles gut ge
gangen. . .«
Die junge Frau erhob sich bald.
»Den Generaldirettor, ich weiß
wirtiich nicht, wieio diese Frage ge
xade unt beide hier interessieren
oll.«
.Dai werde ich Jhnen gleich ver
raten, weine Gniidigstet Bleiben
Sie nur hübsch sihenL . . Daß Sie
den bewußten andern nicht gekriegt
haben, das hat er rnir selber oor ei
nein Vierteljahr erzählt! Gniidige
Frau. . . Sind Sie mir nicht böse,
wenn ich mir eine Zignrre anzündei
Ich tnnn nun mal nicht reden, ohne
u rauchen. . .Versluchte Angewohns
ziith . . Dante schön!« Er entlockte
einer hat-onna die ersten blauen
Wolken und nahm ganz gemächlich
das Gespräch wieder aus« .Nun —
und wenn mich der eine von den
beiden Teilen seines. wenn auch spä
ten Bertrauens würdigt — warum
soll ich es dann nicht auch bei dem
anderm oersucheni Der Lüneinnnn
ist so ein tüchtiger Mensch! Daß er
mir nun ganz ootn Fleisch sällt und
lopshiingeribh wird und über Gott
nnd die nsterblichteit spintisiert,
statt nn unsere Kurse zu denlen, so
eht das nicht weiter. Schon im
Interesse des Geschäfti! Der Liines
man-i muß unter die Haut-ei«
»Er ist do schon längst verhei
ratetl« sagte nkgarete Ieddersen.
«Dentt nicht daran! Entlobtt
Seit langemi Knall und Fall! War
um, wissen die Götter! Er sagt ei
keinem Menschen. El war ’ne nette
sescherung! Wütend wak alles aus
ihn. Jch tonnte ihn tnum halten·
Jch hab' die erste Gelegenheit be
mißt, um ihn zu liisten, und ihn in
Geschäften nach Griechenland geschintl
Zltpefn Sie denn davon nichts ge
t «
»Aera
«Auch nicht, wie Sie seht nach
Deutschland zuriietlkimen?«
«Jch hah’ fja laum einen Menschen
gesehen und gesprochenl Jch hab' mich
ganz der Pflege- meiner Mutter ge
wwmnk
«Ach so. . . ja! Was haben Sie
denn, gnädige Fraui« -
«Nichtit Nichtst«
.Sie werden auf einmal so hlnßl
Soll ich ein Glas Wasser holen?«
«Nein, danle sehr! Es geht schon
vorübert«
Margarete Feoersrn saß aufrecht
du« Sie heherrschte ihre Gesicht-Vit
ge. Nur ein leises Zittern übertces
ihren Körper. Ei war ein Schweigen
groischen ihnen. Dann hub der Ge
neraldireltor an:
.Der gute Lünemann heißt sich lie
ber die Zunge ah, als daß er einer
Menschenseele verrät, warum er sich
eigentlich entlobt hat. Aber Ihnen
gesteht er«ii vielleicht. Falls er eben
lIriegenheit hätte, mit Jhnen zu re
n.
Die junge Frau hob die Augen zu
dem Generalvirettor. Mit einem
raschen, halb angstvollen Eli-, und
sentte sie wieder. Er war oon neuem
verlegen. Er sog emsig an seiner Zi
garre.
»Sie gehen mich ja nichts an, gnä
dige staut Aber wenn ich so den
Litnemann Jahr um Jahr im
Schweiß seines Angesichts siir unsere
Usellschast hiisseln seh’, ohne daß er
irgendeine Freude am Leben hatte. . .
ich will nicht die Vorsehung spielen
. . . ich hin nicht der liebe Herr
pfi- . . ich hab« bloß dem Liinemann
Ist ein paar Leibs-n nach Athen tele
er s nach Deutschland
Ich sent-. er wird heute
»Es s«
; in Murg feint If» Ihnen
WI«
Margarete erhob sich. Auch der
Generaldirettor Malloney stand auf
nnd bettete den Stummel der st
garre, die ihm iiber diese saure Bier
teiftunde hinweggeholfen, in einen
is
«Wenn er hier ift, gnädige Frau,
werd’ ich ihm sagen, dasz Sie auch
hier find. Dann rutfcky ich sporn
ft.·eirhs ins Geschäft zurück. Mag nun
werden, was will. Jch hab' den Lü
nemann wietlich liebt. . . Jeh wollte,
ich höit’ ’nen Sohn wie ihn. Aber
es sind man lauter Töchter. Ufst
Adieu, gnädigs Frau-« ’
Der Generaldirettor Malloneh
fchiittelte Margarete die hand und
lief förmlich davon, als habe er
eine übte Tat begangen, und trott
nete sich, während er im Lift hinan
fuhr, mit einein Tafchentuch die
Stirne. ,
Von oben sah er durch die Licht
halle noch einmal die junge Frau.
Sie faß, ohne sich zu rühren. Men
schen kamen und gingen im Getriebe
des hotele. Sie beachtete es nicht.
Dann durchzuckte es sie: So wird
nun auch bald Morih Liinemann
hier eintreten. Sie sprang jählings
auf. Sie ftand oor dem Gasthaus.
Sie ging in die Straßen hinaus,
ohne zu wissen, suchte fie ihn oder
floh sie ihni Wie im Traum fah
sie um sich. Der Wind lräufelte den
blauen Spiegel der Jnnenalfter. Au
ßen auf der großen, freien Fläche
Ichiiumten weiße Wellen. Silber-grau
oerfchwamm weiterhin der Wasser
spiegeL Ein alter Mann mit einer
Title trat ihr in den Weg. Sie
sollte tleine Fischen für die Möwen
taufen. An der Ecke standen zwei
tileinmiidchen mit weißen häubehem
Sie lispelten beim Sprechen. Es
war wie auf dem Theater. Ei war
alles unwahrstheinlich in diefer gro
«ßen fremden Stadt. Ei war, als
müsse man jeden Augenblick etwa
chen, in die Wirklichkeit von stottdanr
oder Paris zurück. Der Alsterpaoili
lon war schwarz von Menschen. Die
Musik spielte. Sie schritt geistesads
wesend daran vorbei — wieder in
sdatt hotei. Sie stand am Fenster
ihres Zimmerö, den tion zwischen
den ausgestiihten Armen, die Hand
sliichen an die hömmernden Schläsen
sgepreszn Unten schossen die Dampf
Iboote wie Schwalben kreuz und quer
durch die Flut, Jachten dliihten wie
sschwimmende Schwäne ihre weißen
lSegeL Ruderboote slihten dahin. Ei
ne tiihle Brise wehte herein. Eis war
smm schon span- Nachmiiiag. Die
xSonne stand ties irn Westen. . . Wie
Lhatte der Generaldireltor Malloneh
kgesagti heute wird er noch kommen
»-— oon Griechenland her —- iider
JLand und Meer. . .
I Oder er kam nicht. Er wollte
Inichts oon ihr wissen. Und sie saß
shier und wartete. . .
J Sie stand aus einmal wieder im
Knien Sie ging mechanisch aus das
athaui zu. An dem war eine Jn
schrist. Die war lateinisch. Sie
konnte sie nicht lesen. Jhr Herz stand
still. Da kam ein Mann rasch hinter
ihr her. Der sah Morih Liinemann
ähnlich. Der lüstete den hist nnd
gab ihr die Hand und sie ihm Dann
hörte sie wie ans weiter Entfernung
seine Stimme:
» .Eben war ich bei Malloney im
shotelt Dort sagten sie, Du seist aus
sgegangeih in der Richtung hierher.
iDa bin ich Dir nach.«
i »Ja
Y »Und gottlob hab’ ich Dich schon
oon weitern erkannt. .
Auf einmal schwiegen beide und
isahen sich fast erfchrocken an. Dann
Igingen fie langsam weiter — neben
einander, irgendwohin in die Stadt
hinein, in das Gen-irr krummer
Grachten und alter Gassen.
Da begann er wieder und stieß
es hervor:
«Malloney sagte, Du wolltest von
Deinem Mann fort?"
i »Ich bin es fchon längst! Jst tur
xzem bin ich geschieden!«
Sie konnte nicht anders. Sie
mußte aussprechen, was ihr das herz
drückte
« ch habe Dir doch geschrieben, wie
ung italich meine Ehe war. . . da
mals. . . zu Deiner Verlobung. . .
oder hast Du den Brief vielleicht gar
nicht belommeni«
»Ach-'
Eber ich nie eine Antwort!«
» Er holte tief Atem.
i »Ich hab’ Dir damals nicht ant
worten tönnentk
’ »Warum nichts Du weißt i.icht,
wie tveh Du mir damit getan
haft!«
»Ich hab' nicht tönneni Du hast
mir in dem Brief zu meiner deirat
Gliid gen-Unschi- . .«
.Wenn tch nicht gewußt hätte,
daß Du vor der heirat standest, hätte
ich nie eine ile an Dich gerichtet.
Es sollte d nur eine Verföhnung
zum Abschied feint
i Mai-is Lünemann hatte Mühe,
; weiteszuspkechem
»Du hast den Brief an einen viel
besseren Menschen gerichtet, als ich
damals war. Du hast geglaubt, ich
hiitte das alles zwischen ans hinter
mir und hätte eine andere gefunden,
i
i
s
Y- mik passen-e in spi- sannst-«
u. . .«
»Ich hab' es gehofft, Worts . J
um Deinetwilleni« · » .
.Jch aber will Dirgeftehenx Jch
war in jener seit in einer fchlimmes
ren Berfaffung wie Du vor fech
Jahrem Eben weil ich von Dir
.nicht loslpinmen konnte, dachte ich:
Macht wie die Gretet Taufch' Dir
wenigstens fiir Dein Unglück Geld
ein! Sie hat Dir ja das Bei piel
gegeben und ift ganz vergnügt. enn
sie vergessen und sich «in alles finden
lann. warum nicht auch Du? Dazu
war ich feft entfchtoffeni Da hat
Dein Brief mir plöglich fchrecllich
die Augen aufgemacht. An Det
nem Schicksal hab' ich mein eigenes
lünftigei Schickfal erkannt. Du haft
mich im legten Moment gerettet,
Grete. . .«
»Und da bift Du ohne eine Zeile
fort. . .«
»Dir auch das noch zu gestehen.
. . . Jch bracht’ es nicht fertig. Jch
brauchte meine Kraft fiir das näch;
fte. Jch bin heimgefahren und ha
meine Verlobung aufgelöst Die
Leute hielten mich einfach fitr ver
rückt. . . Es war ein harter Schritt.
Jch habe mir damit mehr Feinde gesE
macht, als ich zeitlebens wieder ver
föhnen lann!'« »
Sie kannte dies trogige Lächeln
an ihm. Er fuhr fort:
»Um einen tüchtigen Kerl kommen
sie heutzutage nicht herum: sie brau
chen mich. Es heißt nun fchuften.
Leicht werden wiss im Anfang
nicht haben! Das ertliir' ich Dir
gleicht«
(
Er sprach wie selbstverständlich
oon ihnen beiden. Sie sagte nichts
dazu. Still ging sie neben ihni her.
Auf den abenddiimmernden Gassen
wimmelten die Menschen. Zuweilen
fah man bei einer Straßentreuzung
weit in der Ferne die Maften der
Wasserkante. Sie hatten die große
Burstah hinter sich gelassen. Die
häuser wurden mittelaltertich, hoch
giebelig, engbriiftig, noch aus der it
oor dem großen Brand. Moriß it
nemann begann wieder. »Ein Leben
ini Luxus, wie Du es bisher geführt
hast, kann ich meiner Frau nicht bie
ten. Aber ich oerdiene genug! Jch
hab’ es nicht zu bereuen, daß ich
ebenso wie Du auf meine Art auch
aus unseren alten Verhältnissen her
aus bin. Und der Unterschied zwischen
uns beiden, Grete, war: nur, daß ich
dabei ein ehrlicher Deutscher geblieben
bin und bleiben werde. , . Und Du
mit mir!«
Er schaute sie·erwartungsooll an,
ob sie ihm nicht etwas erwidern witt
de. Sie konnte nicht. Aber sie blieb,
wie Schuß suchend, den Blick am
Boden, dicht an seiner Seite. Und ihr
war, wie er da neben ihr schritt und
gedämpft und kräftig in seiner rau-«
hen Herzlichteit ihr Trost gab, als
redete das Vaterland, als redete
Deutschland selber zu ihr.
HGnte —- hast Du mir denn nichts
zu sagen?«
Er war stehen geblieben. Auch
sie machte halt und schlug die Augen
auf und trat fast erschrocken einen
Schritt zurück. Dicht hinter ihnen
rectte sich ein Riese empor, hob sich
turrnhoch in die Dämmerung, iibers
ragte Stadt und Fluß. Ein getreuer
Eckart hielt Bismarcks Denkmal, aus
steinernen Quadern, wie fiir die
’Ewigleit gefügt, die Wache an der
Pforte des Reichs. Die beiden Men
schen unter ihm schienen winzig klein«
Andere waren außer ihnen nicht da
Es war still, auf dem Schluchtweg
hernieder zu den Landungsbriiclew
Nur aus der Ferne klangen vor der
Reeperbahn und deni Spielbudenplaß
der Trubel von St. Pauli. und von
unten, vom Hafen her, ein unbestimm
tes, tausendfachez ehernes Brausen
der Arbeit.
»Gute. . ."
Er breitete die Arme aus. Da
sanl sie ihsn on die Brust.
»Ich hin wieder daheim! Jch bin
bei Diel«
Sie sprachen nicht weiter. Sie
litßten sich stumm· Ueber ihnen stand
der steinerne Riese. Der Abendschein
lag iiber seinem mächtigen haupt.
Seine Augen blickten auf die beiden
zu seinen Füßen nieder und schauten
weiter in letzte Fetnen und segneten
das deutsche Lond.
Ende-) «
x.—.-.—
—- Gecn ii t l ich. Fräulein: «Eine
Postlarte... weshalb losnrnen Sie
denn heute so irilhzeitigi«
Briefträger: »Weil da Ihr Schatz
schreibt, daß Sie uin neun Uhr an
der Annonceuhr sein sollen, jeyt isth
ja schon dreiviertell"
—- Laloiiifch. Gläubiger: »Ich
war schon in drei Wohnungen um
Ihnen den Wechsel zu präsentieren;
wie ost ziehen Sie denn eigentlich
ansi«
Schuldner: »Wi« scheint, noch
lange nicht ost genugt«
—- Feiner Unterschied. —
Einetn Luftschissee, der or verschul
oet ist, hat man das Luflschiss ge
pfiindet. Am Tage darauf will ihn
ein Belannter besuchen, und als die
1 fer ihn nicht zu hause trifft, fragt er
den Nachbar: Ist er ausgeflogenF
,Nein,« antwortete dieser, »der hat
, ausgeflogenl«
Jch hatte einst ein Stück geschrie
ben, ein Tt)eaterstiick. Leider ist es
nicht das einzige geblieben, in späte
ren Jahren habe ich mich in ähnli
cher Weise noch einigemale vergan
gen, und vielleicht hat der eine oder
andere der geneigten Leser meinen
Namen schon auf irgend einem
Theaterzettel gelesen. Sollte er da
mals versäumt haben, sich diese Vor
stellung anzusehen, jo hat er nach
meiner unmaßgeblichen Meinung
entschieden einen großen Fehler be
gangen, nnd ich rate ihm wohlmei
nend, denselben bei der nächsten sich
bietenden Gelegenheit gut zu ma
chen, zugleich empfehle ich ihm drin
gend, diese zweite Gelegenheit ja
nicht zu vrsiinmen, da sich die deut
ichen Theaterdirektoren, »aus Min
derschatzung meines Wekt'o«, sehr
selten entschließen, eine-s meiner
saintlichen Werke zur Ausführung
zu bringen, was mich jedoch nicht ab
gehalten, 21 Stücke mit 62 Akten
und 7:’..: Szenen zu schreiben. Um
strtümern vorzubeugen, sei hier be
nierlt, daß nicht jedes der 21 Stücke
62 Akte und 732 Szenen aufweist,
sondern alle zusammen so viel Ab
schnitte enthalten.
Allein das alles gehört ja gar
nicht hierher, und ich bitte der Ab
schweifung wegen nnt Entschuldi
gung. Daß ich ein Stück geschrieben
hatte, glaube ich, wenn ich nicht irre.
i..c Eingang erwähnt zu haben· Es
war kein siinfaktigess Trauerspiel,
nur-II Iiis droinkiszusz Onthnsksl ·
nein, nnr ein ganz kleiner bescheide
ner Charakter war aus meiner Fe
der geflossen, und wenn ich auch zu
meinem Werk zwei Tage mehr Zeit
gebraucht hatte als der liebe Gott,
da er die Welt erschuf, to ging es
mir doch nicht schlechter wie ihm,
denn alr- ich ansat), was ich gemacht
lsatte, siehe da war alles sehr gut
»Was Wunder, wenn ich mich rasch
sentschlosn der Welt nicht lange den
sGennsz nnd mir den Lorbeerkranz
des Ruhmes vorzuenthalten, das
Stückchen sauber abschreilien ließ
nnd es an eine Theaterbuchhandlnng
sandte
Jch war indes einigermaßen
überrascht, als ich nach etwa
Vier Wochen mein Stück mit einem
artigen, gedruckten Brief als Ein
tage zuriickerhielt, in welchem der
Verleger behauptete, daß das Stück
Ileider siir seinen Verlag nicht ge
Eeignet sei. Am ersten Tage war ich
sehr niedergeschlagen, am zweiten
’argerlich, bis ich endlich am dritten
zu der ileberzengnng tam, »der
Csel«, so nannte ich frevelnd den
IBnchhiindley verstehe nichts, das
Stück nochmals einpackte nnd an ei
nen Zweiten sandte.
Derselbe Erfolg, mit dein Unter
schiede, dasz dieser Zweite das Manu
stript nnsraniiert znriickschickte, was
jedoch nnr znr Folge hatte, daß ich
ihn einen »Schas5iops« nannte, der
noch weniger verstünde als der Erste,
nnd das Stiict einem Dritten ein
sandte.
Aber anch dieser Dritte schickte es
zurück, nnd zwar eingeschrieden nn
srantiert. Nun legte ich es still re
signierend beiseite-.
Einige Zeit darauf siihrte mich
der Zufall nach einer grösseren
Stadt, und ein anderer Zufall liesz
mich zufällig die Bekanntschaft eines
sich dort zufällig anshaltenden Thea
terdirettorci machen. Dac- ich so viele
giinstige Zufälle nicht nnbenutft vor
izbergehen lassen ionnte, war selbst
Verständlich, ich gäb ihm das Stück
Jchen, was ich auch wieder zufällig
bei mir hatte, nnd er versprach mir,
dasselbe sobald wie möglich zn lesen.
Eher als- ich geglaubt, hielt er
Wort, denn schon am nächsten Tage
schrieb er mir, das Stiia habe ihin
enszerordentlich gefallen und er
gnsiirde e-: mit Vergnügen zur Ans
ssnhrung bringen, wenn ich aus ein
»Hoiiorar verzichten wolle. Beigefiigld
swar dem Briese ein mit 18 Mart 5
iPs. und der Adresse des Theaterdis
stettors ausgefiilltes Poftanweis
sungsszormular als Abonnementsi
preis siir zwölf Sperrsitfel
-Wäre die Nachschrift nicht eine
Einladung zn der übermorgen statt
findenden ersten Probe meines
Stückes gewesen, ich weiß nicht, was
ich getan hätte, so aber verbiß ich
meinen Groll und schickte das Geld.
Der Tag erschien. Um 11 Uhr
war die Probe angesetzt, um 7 Uhr
war ich bereits auf. Lessings Dra
inaturgie und Kleins Geschichte des
Dranias, soweit sie fertig ist, hatte
ich bereits den Abend vorher durch
gebliittert. Um 91X2 Uhr hielt
ich’s in meinem Zimmer nicht mehr
mis, ich mußte fort, ins Freie. Sie
benmal ging ich die Straße-, in wel
cher das Theater lag, auf und ab
beim achteninal wagte ich mich sogar
schon bis ans den Hansflny beim
zehnten faszte ich endlich einen küh
nen Entschluß und trat ein.
O wie öde und unwirtlich sah der
grosse Saal ansl Es war ein Rauch
theaiek ziemlich niederen Rangech
leere und halbgkleerte Bierseidel
standen ans den Tischem die den wei
ten, halbdunkeln Raum füllten. Kell
net mit heronigekrempelten Hemd
iitmeln schlüpsten mit oerdtossenek
Miene zwischen den Stuhleeihen bet
um. Der Vorhang der Bühne war
halb aufgezogen, Möbelftücke aller
Akt standen nnd lagen im wüsten
Durcheinander auf dem in Dunkel
heit fast verhüllten Podium.
Ein unangenehmes Gefühl über
tam mich. Wenn das die goldene
Pforte zum Tempel der Kunst warl
Jch bestellte ein Glas Bier, es- war
sehr schlecht, aber die Uhr zeigte noch
nicht einmal die zehnte Stunde. llm
10 Uhr bestellte ich mir ein zweites
Glas, das war noch schlechten Die
Minuten schlichen bleiem Jch nahm
eine Zeitung, aber ich fand keinen
Zusammenhang in dem, was ich las,
ich weiß heute noch nicht, ob das
Blatt oder, meine Gemiitsstimmnng
an dein Umstand schuld war.
Jetzt schlug eiJ dreiviertel, jetzt
müssen sie bald tout-neu.
Jedesmal, wenn die Tiir ging,
fuhr ich von meinem Sitze aus, je
desmal umsonst — tein Schauspielee
ließ sich sehen.
Es schlug die elfte Stunde, der
nächste-, der da lau-, mußte der Di
rektor fein.
Die Tiit ging auf, ich erhob mich,
um den Biihnenleitek zu begrüßen
Aber es war ein Zeitung-sinnge.
Jch warf dem liugliicklichen einen
Blick zu, der hingereicht hätte, einen
Ochsen zu töten, wenn man mit
Blicken überhaupt einen Ochsen töten
könnte
EI" schlug ein Viertel ans zwölf
Uhr.
Nervös verfolgten meine Augen
den Zeiger meiner Uhr —- wieder
zehn Minuten voriiber.
Jch bestellte noch ein Glas Bier,
nur um den siellner fragen zu tön
nen, wann denn hier die Proben an
fangen. Ein undeutliches Gruuzeu,
ans dem ich etwa entnehmen konnte-,
daß er es selber nicht wisse, war die
AntJvort;»
YOU-V slulljc scsujcus iu« lljlll UIUH
5 Pfennige Trinkgeld zu geben.
Endlich erschien der Direktor-.
»Ich bitte tausendmal um Ent
schuldigung, mein bester Herr
Autor,« rief er mir iiberlaut zu, »ich
kann heute noch keine Probe abhal
ten, meine Frau hat Wäsche-, und ich
mnsz sie in dem Stiick beschiiitigenl«
»Die Wäsche?« fragte ich.
,,J bewahre, meine Frau —- und
die wäscht eben heutel« erwiderte er.
»Ah so, Jhre Frau Gemahlin ist
Wäscherin,« sagte ich uializiög.
,,Wieso?« entgegnete er, mich
mißtrauisch ansehend·
Ju mir kochte ers. »Noch Ihre-u
Worten,« antwortete ich daher,
»inuß ich auuehmeu, daß sie das
Theater als Nebensache betrachtet.«
»Wo denken Sie hiu,« unterbrach
er mich, »meine Frau ist Schauspie
lerin, sogar eine sehr gute Schau
spielerin — aber Jveun sie Wäsche
hat! —- Sie wissen ja, wie die
Frauen sind.«
Damals wußte ich das noch nicht.
«Uebrigen;:s,« suhr er fort, »ma
cheu wir uns die Sache hier nicht so
imgstlich, ich habe nur Jhretwegeu
einige Proben augesetzt, sonst wird
so ein Stück mit einer rProbe raus
yewetterh daß es eine Freude ist
lber morgen sriih, da soll’5 losge
hen, kommen Sie nur «
Nach einigem Sträuben versprach
ich endlich, zu ericheiueih und stellte
mich auch ani anderen Tage, diesmal
erst siius Minuten nach der festge
setzten Zeit, ein. Allein auch diesmal
vergeblich, denn als ich das Theater
lokal betrat, war weder eiu Schau
spieler noch der Direktor zu sehen.
Eine halbe Stunde wartete ich ge
duldig, als- jedoch immer noch nie
mand erscheinen wollte, ersuchte ich
einen der stellner, doch den Theater
dieuer zu rufen.
utn schauenon Honngetuajler oek
gesamten siellnerschar belehrte niich
indessen, daß eiu solcher Würdenträ
ger an diesetn Theater nicht existiere,
endlich entschloß sich ein zufällig an
wesender Junge, gegen ein Trink
geld bei dein Direktor Nachfrage be
ttiffs der Probe zu halten, nnd kam
ttach einer Viertelsntnde mit der
Antwort zurück: »Der Herr Direktor
nnd sämtliche Mitglieder seien in
folge einer gestern abend von einem
tlunstntiieen veranstalteten Festlichs
seit vollständig indisponiert.«
Der Bote druckte sich natiirlich
weit drastischer aus-, ausJ diiiieisicht
fiir den Leser glaubte ich seine Worte
nntgeftalten zu tuiissen.
Ob dieser Antwort war ich einfach
starr! Jch glaube entschieden, daß
setzt titeine Geduld zn Ende nnd daß
ich entriistet dasJ Stint zurückziehen
würde, aber ntau täuscht sich ost,
und am häufigsten iiber sich selbst.
«- uerst freilich stand tnein Entschluß
fift: Das Sttick wird zueückgezogenz
aber schon nach einer Stunde be
schloß ich, den Direktor nur mit die
sem Schreckinittel einzuschüchtern, bis
ich zuletzt zu der Annahme tant, die
Sache gehen zu lassen, wie sie eben
ging, aber eine Probe besuchte ich
nicht mehr, soviel stand in mir fest,
und feierlich beschwor ich es beim
Haupte des Patrokius und der Tu
gend der zehntausend Jungfrauen.
Jeder der Leser wird nun erwar
ten-« daß ich ant nächsten Tage doch
hinging, und er hat ganz recht, ich
ging, aber erst nach einer langen
Auseinandersetzung mit dem Büh
Person befuchte.
Diesinal sollte kein tückischer sit-«
fall oder böfer Wille das Werk ins
seiner Ausführung hindern. Allesz
war an seinem Platz, das Personal
verfannnelt, die Biihne fertig ask
stellt. i
Auf dein Regiestuht, vorn neben»
dem Sonffleurtasten, nahm ich
Platz, der Jnfpiztent gab das Nutz
gelzeicheu zum Anfang, der Souffiiv
tenr schlug das Buch auf, und dis
erste Szene meines ersten Stückes
wurde auf der ersten Probe zum er-,
ftenmat probiert. -
Was ich geahnt, traf ein. Kein«
Mensch wnszte eine Zithe- Gleich de -
Erste, der auftritt, sprach den ersten
Satz, so dasz man dass Gegenteil ;
ite5«Jiil)atts verstehen mußte. T
Zweite-, welcher mit oen W ; ·
«Pentre Saiut Geis« aufzut » »
hatte, hielt diesen LiedlingsM
Heinrich IV. fiir eine Pekfou, M
unterbrach die Probe mit der Xe
niertuug, dafz der Darsteller »
Herrn von St, Gris noch nichtZ».«j
sei. Auf seinen Irrtum aufmer f
gemacht, forderte er von mir dies
tliiruug, ob das der Heinrich-«- ,
fei, den nmn wegen f.-ines V :
Henri quatre genannt hätte, M
Dritte trat nicht auf, und als er M
dem Grunde. gefragt wurde, behaup
tete er, sein Stichwort fei nicht ge
fallen, er habe in feiner Rolle als
Stichwort Hahaha angegeben.
»Das solt doch Lachen tiedententte
rief ich ihm zu. -
»Ganz rechtl« erwiderte en www
Schnitt —- fo hieß der Gmnspietekz
der ihm das-·- Stichwort zu dringenvv
hatte, —- ,,hat nicht hahaha, fondcm
hihihi gelacht, nnd da wußte ich
richt, ot) dies mein Stichlachen fei.«
Ein verzweifelte-r Blick zum Hirn-.
mel war« feine Antwort.
muten-H de- mich iu Wiss-eures
--i
cine Zeitlang sah ich mir nun sie
Sache ruhig an, als aber mit jedes
Szene das Gedächtnis der Darsteller
mehr und mehr zu schwinden schien«
bemächtigte sich meiner eine hochgms
dige Nervosität, die nur durch dis
leise iu mir ansdämmernde Ahnung-H
,man nzt dich«, an einem Ausdrucks
verhindert wurde, alier doch die
Schranken der kiinstlichen Ruhe
durchlirach, alsJ einer der Darsteller
den Schreckengrnf »in meinem Hausq
Tesertenre!« mit dein srendigstert
Gesicht von der Welt und den Wor
ten »in meinem Hause-, welche Ehre«
zmn Ausdruck brachte. Da legte nH
mit vielem Aulomb den Rotstiit nie
der nnd erklärte die Probef fiir auf-«
erhoben!
»Das ist unmöglich« rief piöhlickj
der Diiettop ans- dem Zuschauer
raum, die Zettel sind gedruckt, das
Stint ist heute abend.
«Nieinalcsi« rief ich.
,,Toch, doch, beruhigte e,r »die
Herrschaften lernen heute nachmittcg
ntch, das Stiiel mnsz sein.«
Jch sah ein, daß nichts zu machen
war und verließ rachebriitend das
TheaterlotaL
Aber abends zur Vorstellnns
mußte ich doch zugegen lein, troc
dein ich mir vorgenommen, nicht
hinzugehen, litt es mich nicht in mei
ner Wohnung.
Tas- Hans war gut besetzt, viele
meiner Freunde nnd Bekannten hat
ten sich eingesnnden. Die Vorstel
lung begann nnd endete, wie ich er-.
wartet; mein Stint wurde total ges
nun-sein und wenn trotzdem der Vor-.
Lang nnter starkem Applanö siel, sq
hatte ich dies- unr der an linverq
stand grenzenden Harmlosigieit des
Publikums zn danken nnd den aku
«
Ist-ich gehanteu nnd nut Blech ausge
sclxlageuen Händen meiner Freunde«
die des Guten noch uiehr taten nnd
mich stiiriuisch riesen. Ich zögerte
iratiirlich nicht, diesein ehrenvollets
Ruf Folge zu leisten. Der Augenblick
der Rache und des Triumphes-«- war
gekommen. Beinahe wäre niir beides
rereitelt worden, denn als ich die
Bühne betrat-, war der Vorhang
schon aufgezogen, und ich, der dies
nicht wußte, befand mich plötzlich.
völlig unvorbereitet, dein geehrtm
Publikum gegenüber. Dies verwirrte
mich, ich starrte die Menge verdunt
an und sagte: Guten Abendl
Guten Abendt antwortete das
verbliisfte Publikum einstimmig,
Aber da hatte ich inich schon gefaßt
nnd sprach schnell:
Meine Herrschaftenl So schmei
chelhaft tnii auch Jhr Beifall ist und
so gern ich denselben annehmen
möchte, so inuß ich ihn leider ent
schieden ahlehnen, da er ganz allein
den Tarstelleru gebührt, welche
durch ihre Darstellung inein Stück
vollständig unigeschassen haben, obs
zu dessen Bor- oder Nachteil, wagt
ich nicht zu entscheiden.
Große Pause, dann fiel unter dem
Gelächter des gesamten Auditoriiuth
der Vorhang, und ich fand es für
dringend geboten, niich den Müss
wiinschen der Viihneninitglieder, dtc
aus allen Kulisseu ansinichzueiltem
durch schleimige Niickwiirtxitieweguns
gen zu entziehen tlnwilltiirlieh mu ji
te ich dabei an Schiller denken, as
er nach der ersten Vorstellung vm
Walleustein das Schans pielhaus ver-;
ließ und Mütter ihre siinder einem-«
holdem unt ihnen deu berühmt-s
Dichter zu zeigen, ich glaubte näm
lich etwas enniorgehoben zu sehen —
alser Kinder schienen es mir nicht
zu sein«