Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 14, 1918, Sonntagsblatt, Image 11

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    kDieb Initiauds !
Roman von subscph Streb. -
(14. Fortsetzung.) f
»Komm, gib mir die Hand, Dnisyi
Sog', daß Du mit nicht mehr böse
bist!.« Ei kann doch einmal passie
ren!... Es kommt nicht wieder vor!
.. .Wir fahren jeyt zusammen nach
Paris zueiick... Warum schåtteisti
Du denn schon wieder den Konfi« i
»Ich geh’ nicht mehr nach Paris!«
Ei war das erste, weis sie sprach
Ei tlang leise itnd gequält. Kaki
Feddeesen zog aufmertfam die Angen
brauen hoch, so wie wenn man bei
einer ffianziellen Konfeeenz nach dem
einleitenden hin und der ans den
hauptpnnkt inm.
«Wohin möchtest Du den-HI«
»Das weiP ich nicht!"
«Dem Ge etz nach gehört eine Frau
dsorthim too ihr Mann und ihr Kind
itz« .
»Der Junge kommt auch nicht wie
der nach Poe-ist«
Um die Lippen ihres Mannes war
ein unwichtige-, fast mitleidigeö Lä
cheln. Er beugte sich vor und forschte
gediimpit:
»Aber Liebste. . . Beste. . . was
erzadtit Du da fiir Märchen? Das
haft du Dir doch von vornherein sa
gen müssen, daß ich nie auf mei
nen Sohn nnd diio Hang Fee-der
ien auf feinen Erben verzichten wet
de!"
»Ihr müßt!«
»Mein, Margotl Jch bin du! Wir
sprechen uns ausl. . . Du verzeihst
mir, und alles ift gui!«
Wieder ftrettte er feine schwere
weine Pund ihr entgegen. Sie
machte leine Bewegung, Iie zu er
greifen. Sie war fo oletch geworden.
Sie oerfetzte mithfamx
«Jch will mit dem Jungen in
Deutschland leben —- meinetwegen
oon meiner Hände Arbeit. . .«·
». . . bis one niichfle frnitzöfifche
Konfulat ftch iii dies Stillehen ein
niifchtl Ah, iiia cheere, il l) n encore
des fugeo n BerlinL . . Hilft-, wenn
Du fotch ein lieffeltreiven gegen Dich
prodo teren willft. . . iioer lurz oder
lang n tch tut Befih meines Sohnes.
Das gorntitiere ich Oft-l'«
Sein Ton hatte fich geändert. Er
hatte fest eine nnchliifftge Bestimmt
heit. So pflegte start ckedderfen tin
Kontor dei wichtigen Unterredungen
mit dem Bleifiift nuf die Tilchs
plutte zu klopfen, als pochte er auf
feine Rapitalten und feine Stellung
unn oerliehe dadurch feinen Worten
hatt rechte Schwergewicht. Margarete
fentte den Kopf« Was er da ichrdff
alt-sprach, war wahr: Wie sollte
fie, Music-, heinititios, geldlos, er
werdslos, nuf die Dguer ihr Kind
gegen ihn verteidigen, dem Gefeh
und Behörden zur Seite ftnndent
Jhr Mann war fefit fo weit, daß
er sich- mit einem fluchtig frtigenden
Blick trtif fie, eine Ztgarette unzu
ziinden erlaubte. «2llergifz das eine
nicht« Margoll« fagte er dnliei trot
ten, »rein-i muß nie den Bogen liber
fpannem Sonst kommt ein Rück
fchlng. Jch mißt-raucht auch nie
eine günstige Konjunktur Vllfo
treihe mich nicht bis zum iithzeri
ften!"
Bemühn feinen ijgen wohlwol
lenden Ernst zu verleihen, fefzte er
hinzu:
»Und vor allem, dente an unfe
ren Sohn! Jhin fein Eltenihaug zu
erhalten« ift unfere heilige Pflicht!
wegen die müssen wir unfere perföti
lichen Berftiinmungen und Enttäui
fchitngen zutiietfeyetn Wenn Dir die
Rücktehr nach Paris lo fchtver fällt,
fo mußt Du Dir eben-deuten, daß
das eilt Opfer ifl, das Du Charless
Jwan briiigfl!«
Sie ionr auf dein Stuhl in sich
ziijainineiigeiuiiten iiiio halte das
Gesicht in den Händen vergraben
tttlötzlich brach sie in ein leiden
schiiftiiches, verziveifelteg Weinen aus.
Die ganze Zeit hatte sie dagegen an
gekämpr um ihrem Mann teiiie
Schwäche zu zeigen Dieier Trä
nenaiitlhrnch jetzt galt nicht iiiii vieler
Stunde. Es war das Leid eine
ganzen Leben-, das sich iii blindem
Schluchzen entlad. Es wollte nicht
enden. Karl Feoverten wartete· Er
ging unbehaglich im Zimmer herum
und warf zuweilen einen nerosien
Blick auf vie junge Frau. Er weit
ärgerlich· Er hatte ichon gehofft, vie
leioige Geschichte glatt abzuioietelm
E- versuchte, ihr sitzt-reden Sie
hörte oon Zeit zu Zeit feine halt-«
lauten, trioialen Beichwichtigungen:.
»Mensch . . Jch bitte Dich: iei ver-T
niinitigt Margot!. . . nimm ichl
doch zusammen! Man hört Di ins
nebenan!« und ichluchzte dann nur
wilder auf.
Endlich hob sie mit einer jähen Beil
wegung ihr blasses, nasses Gesicht
von den Knien zu ihrem Mann em
por, der ungeduldig vor ihr stand.
»Bitte; . . lasse mich fest alleini«
murmelte sie erschöpr
Eber erst Deine hand, Margoh
— als Zeichen, daß alles in Ord
an ist«
r nahm ihre Hand, führte sietan
die Lippen und sog lich ritckiichisoolh l
intt einein halben Lächeln, sur-lis
, . l »l.,-l»l- nl
Er glaubte, fiir heute genug erreicht
zu haben. Margarete saß, als er
gegangen, lange noch da, die Hände
tm Schoß. ohne sich zu rühren, in
einer tiefen Trauer, einer wachsenden
Wehrlostgteit, einer« Willenlosigteit,
die sie schließlich ganz übermannte.
Sie sagte sich: Er wird wiederkom
men —- rnorgen —- iiberinorgen —
immer wieder-. Er wird mich immer
wieder fragen: Willst Du mit mir
stach Paris zurücki bis ich schließlich
»Ja« sage, weil ich keine andere Wahl
habe, weil ich keinen Ausweg weiß,
weil ich tun musi, was ich nicht ver
antworten han«
Ja. Jch werde »Ja« sagen. Jch
fühle es: ich bin zu schwach. . · zu
niatt . . . zu irr in mir nnd mei
nem Leben. Vom Leben enttijuscht
. . . vom Leben oetbittert . . . Und
ist es nicht auch Angst oor des-n Le
ben? Die teioige Gewohnheit an
Fülle und Glanz? Sie wagte teine
Antwort daraus. Was hats die Reue-?
Da draußen vor dem Fenster war
der helle Morgen, wai oer Frühling
Grüne Busche bogen sich im Einwen
wind. Ein Blatt war los-gerissen
"Es flog an den Scheiben vorbei, lustig
tanzend und sich drehend, steneklog
ins Weite. Margarete Fedderien
sah ihm nach und dachte sich: »So
Ifaht’ auch ich durchs Leben. Ohne
Ziel. Ohne Halt. tlnv nach an
szen hin sieht’s aug wie ein Spiel. . .
iEc hilft nichts. Ich hab ort
Hpielti Jn kurzem bin icti wieder in
:!o0kis· . .«
IS.
»Ich finde ioirllich gar nichts dar
»ran. wenn Sie auch einmal beinnir
sTee trinken, Cousine Margot,« sagte
IAlplsonse Feddersen geiniitlich »Sie
Waben so schöne Augen! Sie brau
chen sie gar nicht oor Entriistung noch
größer zu machen!. . . Erstens din
»ich ein ganz harmloser Menschl Das
Zwei-den Sie doch bemerkt haben, seit
"wir noch Ihrer Rückkehr aus Pote
dam gute Freunde geworden findt Als
»in-te noire« gelte ich nur bei Ih
»rem Mann und bei der Firma Fed
dersen -— der Neid, weil ich nicht ar
beite — »in sourmi et la rigale".
Zweitens kommen Sie doch natiiri
lich nicht allein. sondern mit Ihrer
Moslauer Schwiigerin. Augen-dem
laden wir noch eine Dritte im Bun
de ein. Ihre Freundin Lisa zum
Beispiels«
»Lisa Eampbelli Die kennen Sie
ja taum!«
Der Vetter zog die schwarzen Itin
genbrauen hoch.
«Lisa? Ich bitte Sie! Es ist
doch eine Consine oon mir. Sie macht
nur wenig Gebrauch davon. Sie ist
doch eine geboren- Brettschneider von
Brettschneider und Praasnict in Elte
terobnrg. Der Großvater stahl gräßs
lich während des Krimtrieges —-— da:
her das viele Gelds«
»Sie wissen, Vetter, daß ich diesen
Ton nicht ausstehen kann!"
»Verzeihung!« sagte Alplsonse sied
dersen renmiitig. »Sie haben recht.
Sie sind überhaupt viel zu schade sur
diese Stadt und diese Menschen.
Also Sie kommen nachmittago zu
einem Couiiiieniassee? Ganz philis
ströiL A l’allemande! Mit Napstui
chen und Veilchensträusschen. Bitte,
bitte! Jch bin doch ietzt auch so oiel
bei Jhnenl«
»Ja, ich frage mich auch. war
um!" .
Der Vetter liess weich seinen Blick
aus der jungen Frau ruhen, die ihm
im Dämmern der gegen die Son
nenglut halbgeschlossenen «J,"iiloiis"ieii
in ihrem ioeiszen Kleid gegenüber-«
süß
»«Sie tun mir leidi« sagte er, »Sie
sind so einsam. Niemand tiiminert
sich um Sie. Seit Sie nach Ihrer
Rückkehr aus Potodain Jhrer lieben
Schwiigerin Madge den Stuhl vor
die Türe gesetzt haben, sind Sie doch
bei der ganzen Clique ln Acht und
Bann!«
»Das ist mir vöilig gleichgültig!«
»Und unser guter Eharleh inter
essiert sich momentan nur siir die
Erziager im Ris. Er betätigt seine
Reue durch doppeltet Geldoerdieneii.
Er ist wieder so respettabet wie
sein hauptbuch Sie können es mir
glauben. Mir macht er doch nichts
vor.«
»Jch hnbe Sie nicht beauftragt, ihn
zu überwachen!«
«Könnten Sie es denn, Sie neine,
tleine Ironi« Alphvnse schüttelte
mitleidig den Kopf. »Nicht zehn
Schritt iveit tomnien Sie nns eige
nen Füßen durch Patie. Jeder Gn
min schlägt Jhnen ein Schnippchen.
Sie sind aus viel zu seinem Stoff.
Also wie gesagt: Jhee Verwandten
wollen nichts mehr von Ihnen wissen.
Jht Mann läßt Sie allein. Es geht
Ihnen tvie mie! Sie haben zu viel
steie Zeit! Und siie solche leeren
Stunden bin ich doch immer besser als
nicht-i«
Alphvnse Ieddeksen schaute wieder
mit teiiumeei chem Lächeln dut das
lleine Bondoe und hinaus nu den
Sonnenglanz und das Menschenge
iviinmel det Avenne du Bois de Bon
lognr.
»Es sidi sich gut bei hnen, Cou
sine Matgotl lind dtau en zieht die
Welt vorbei. Bunt und dumm wie
eine Seisenblasei Sehen Sie mal die
Ameeitnneeinnen mit den Riesenhu
- - »
tent Was die hier Loch wolleni Die
Saiion ist doch vor Es ist doch
schon Anfang Juli!"
»Warum find Sie denn da noch
hier?«
sEs lag ihm ans den Lippen:
»Wegen Ihnen!« Aber er begnügte
nch damit, Margarete stumm anzu
feheni
»Ich habe nirgendwo was anf der
Weit verloren!« sagte er dann
»Selbft mein natürlicher Landesvai
ter, der Fürst von Monate iviirde
mich nicht vermissen, wenn ich ein
mal in den Spielsiilen fehlte·
Entre nougc Jch spiele eigkntlich
nnr noch, um die Feddeeiens in iirs
gern.«
»Was baden Sie Ihnen denn ge
inni«
,:Sie sind da! Das genügt. An
ßetdem verachten sie mich. Sie
verachten Sie nnch Consine MakgoU
Sie werden ewig die arme Schwä
gerin ans Deutschland bleiben und
ich der Müßiggang der Fami!ie.
jWir sind beide Opfer der Fieiimeeiees
len!«
Die junge Frau beugte sich vor nnd
goß ihm Tee ein.
»Da-Z ist das Neueslr. Vetter, daß
Sie sich mich noch iiiit niir identifi
iierent«
»Ich nicht! Das Schicksal bat
uns beide als die Outsider der Firma
Jivan Feddersen nnd Söhne zusam
iiiengesiihrt. Wir sind Leidensgesährs
len. Warum sollten wir nns da nicht
gegenseitig trösten!"
»Ich brauchte gar keinen Trost!
Jch sag« niir selber, ivas ich niir viel
leicht manchmal sagen must
»Aber hilst es Ihnen auch? Ich
alaube, wir trauten beide ani Leben.
Eonsine M-.irgot!'«
ErJiatie ernst nnd gesiihldoll ge
sprochen. Sie lachte nur aus und
reichte ihin die Zurterschalr. Er sah
schmerzlich darein.
«Sie tiin rnir iveh, Sie nehmen
rnich nicht ernst! Es ist mein Schick
sal. Jch bin abgestempelt seit Jah
ren! Ich taiin mich nicht niehr än
dern, iveil sich die Meinung iiber mich
nicht mehr ändert. Aber Jhnen wür
de ich wenigstens gerne in besserem
Licht erscheinen. .
Er stand plötzlich ans iiisb griss
nach seinem Zhliiiderlint, niii sich zu
empfehlen.
»Glauben Eie, es ist viel »in inie
.Jesiindigt worden Eousine Mnigot
klsfieiniind hat mic, je den Ernst des
Lebens gelehrt Jch habe nie ein
rechtes Vaterhius gehabt. Sie wis
fent iiieine Eltern cebteii zietrennh
Zwanzig Jahre habe ich ineine Miit
ter darunter leiden sehen, ohne ein
Wort der Klage· Sie lvar eine Hei
tigr. Wenn man mir setzt Frivolitiit
vorwirst: Ein Mann. der solch ein-:
Mutter hatte, lann nie wirklich die
Ehrfurcht vor den Frauen verlieren!
Er findet niir zn schwer die Frauen,
die solch eine Ehrfurcht verdienen!"
Jn seinen schiveriniiiigen Angek
stand zu lesen: »Du bist solch eine
Frank« Dann änderte er den Ton
nnd zeigte lachend seine Zähne
»Adieii, Cousinel Aus Wiederse
Tien bei inirl Jch musz ietzt Ihre
Zchmäaerin Ljnboiv ins Konzert
JickylcppenP —
Madame Ljnvoto Fedderfen die
Gattin Ytiloiais, war eine impasante,
.-londe Sinn-in, mit dein deriichttichen
Flug-denn einer iassischen Schaut-en
iiir iisre Jugend schon zu iorpaleni
und Voll gesunden ’sll)legmao, obtdols
sie sich eines Leidens-I wegen in Paris
mtstsielt, si(l; dabei nach Moska Jn
riiitselsnte nnd aiss Langeweile den
ganzen Tag Hsigiretten rauchte nna
Hünigleiten ass. Das tat sie auch
ietzt, einige Takte später, in der Wot)
uung Vetter Illi»t)onseg. Sie hatte
aar keine Scheu vor dieser Odhle des
Löwen« Ob er oder eine alte Tann
ilsr die Donnean von Paris :nachten,
war ihrem schläfriaen Temperamen.
ganz gleich. Sie war froh, jeman
den zu haben, mit dem sie Utnisiths
reden tonntez sie verstand nnn ein
mal leinWorteinec anderensprache.
Außerdem toaren ja auch die Schwa
gerin MatAot und Lisa Campbett d
Die drei jungen Frauen saßen um
den Teetisch Die blumengeschmiiet
ten sommertichen litiesenlsiite nietten.
ein seiner hauch von Parsüm schweb
te über dein Rascheln der dustigen
Kleider. Sie lachten und schtvaszten
nnd waren doch ein wenig ausgeregt,
die beiden Pariserinnen und, durch
sie angesteckt, schliesslich auch die Rus
stn· Es Ivar immerhin keine Klei
nigleit, bei Vetter Alpisonse zu Gaste
zu sein, von dessen Wohnung und
Ihren Geheimnissen man sich sonst
im Familientreis nur vom hörensas
gen Räubergeschichten zuraunte. Aber
es war, wie immer in solchen Din
gen, eine Enttänschung. Die Vor
derräume, in denen er seine Consinen
empsing, unterschieden sich in nicht-s
von dem Jnterieur irgendeines ande
ren reichen Junggesellen Und tvao
sonst noch Mertwiirdiges vorhanden
sein konnte, das vielberusenextiirtische
Badezimmer, das sensterlose marots
Ianische Rauchtabinett —- diese Ge
beimnisse zeigte er nicht. Sein
Quartier lag ln einem Eckhaus des
Boulevard des Italiens und einer
Seitengasse, mitten im uervenerschiit
tetndsten Lärm der Weltstadt. Er
war auch darin Pariser geworden,
daß seine Ohren sich gegen Geräusche
völlig abgestumpst hatten. Er fühlte
—
sich hier sehr wohl. Er saß mit ei
rkem gönnerhaft gutmütigen Lächeln’
sztvifchea den drei hübschen und über-;
siegantem in tottbarem Schmuck
ftimmernden jungen Frauen, beinahel
Foie ein Papa unter seinen Töchtern.(
Er hatte absichtlich etwas Vöterttchess
san sich. Er hatte einige Schwierig- «
Zeiten mit der Unterhaltung, denut
er mußte abwechsetnb mit der Mos-!
sktueria Nufsiich, mit Margarete
«Deutfch reden. Nur Lisa Campbeth
sverstand beide Sprachen gteisthtt"cißi»c;.l
thm war er wieder mit Madame
Hsticochi Feddetsm beschäftigt Er
ätsemertte etwas zu ihr, mit einem
.Zeitenb!ict auf Margarete Die fuhr
cnett-its auf:
s »Lifa, was hat er eben von mit
Igesagt?«
»Ach nichtö!'« . »He-·
,.Erzähl’ es doch!« i
Die tleiiie Petersbnrgerin lachte.
»Er hat gesagt, Du feist die hüb—
felieste Frau von Paris!«
»Hab« ich nicht recht?" vers-txt dri
Vetter Alphonse auf deutfit··, Ihn
sinit der Wimper zu zarten, und bot
seinen Gästen seine eigens präpariet
ten Damenzigaretteii aus Teebiiiiteri
in. »Ich erwähnte diese allgemein
anerkannte Wahrheit auch nur, unt
suieiiie Nachbarin zur Linteii etwa-z
in beleben. Sie heißt Lindin Lin
«doiv heißt auf deutsch: Liebe Nun
sehen Sie dies-z tttflegiiiat Vener
summiert nichts Wenn man uns
HLiebe getauft hatte Er lenkt
rasch eins da er fah, dafi Miigaietci
« .-tir n sich iiiniobltt e. »Aber das h.:i
sie von ihrem Vater. Ein Rasse,
xkoie er im Buche steht! Er tieißi
’noch den Zumer und betreuzigi
Sich, eh« er den Tce aiio bei Unter
«:sisse trinkt!"
· Er wandte sich iviedrr der Mos
,taiierin zu. Margarete stand "ai;s
siind sah sich in der Wohnung um.
INebenan ioar ein Ectraiini, den Vet
ster Alphonse die Stirne hattek als
fein Arbeitslabinett zu bezeichnen.
Llus dein Tisch lagen Rennen in vier,
fünf Sprachen, Broschükeii und Biis
.l)er. Sie nahm ein paar zur Hind.
Sie waren alle ausgeschnitten« zu
iveiteii die Seiten umgebogen Er
mußte doch in se ner oberflcichlichen
:«2lrt vielerlei Interessen lpwiben Dis
erstaunte sie Sie hiitte es ihm
nicht zugetrauL Auch die Bilder
«.in den Wänden, die Bronzen unt
Marinorskulptiiren zeugten von aus
inesprochenenr Kuiistgefchnicck. Dan
«sih sie wieder etwas Neues Aui
Wem Schreibtisch, so daß sein Blick
lzu jeder Zeit darauf fallen mußt-,
iftand die Photographie einer alten
ITanie offenbar seiner Mutter Ein
lfrisches Veilchenstriiitfichen lag davor
tnnb verbreitete seinen zarten Dust:
ins rührte fie beinah. Dabei er
szählte er eben nebenan auf rufsisch
ieine offenbar recht-gewagte Geschichte,
Ihr-in Frau Ljuboio lachte fo Serzlich.
stoie sie es nur bei solchen Gelegenhei
Iten tat, und die tleiiie Petergburges
sein schaute so streng, als es ihr zar
tes Kindergesicht erlaubte, an ihn
vorbei in die Erle. Dann stand er
ipliiszlich neben Margarete. Er war
Iganz ernft Er iiickte ihr zu
i »Die Blumen oor dein Bild lege
i .ch jeden Morgen frisch hiii!« state
er. »Das ist eine alte Anaeivohnheii
Jvon mir seit vielen Jahren!«
i Im felbeii Augenblick beinahesrhoii
schlug seine Stimmung wieder ins
i."Hetvohnte uni.
Kommen Sie!« bat er. »Die
kbeiden drinnen sind zum Morden
·langiveilig. Helsen Sie mir',« ilnd
cidiihreiid er fie an seineiii Arm zit
.,-i·ickfiihrte, fliifterte er: »Ich bin fu
froh, das; Sie einmal bei niir waren
Das ist fiir mich und diese Raum-.
·-oie eine Art Weihe Sie wissen:
Tia gar nicht, welche Micht Sie iiber
mich besitzen Jch werde durit Sies
iin anderer Mensch Ich habe iiie
’-.«»eahnt, dafi einein eine Frau so in:
l reinsten Sinne Freund-werden taniii' s
s »Maraot!« rief Lisa Caiiipbelti
tiliihlirh als sie wieder um den bro- i
de iiden silbernen Zanioivar and dies
Sksvresschale init Früchten utid Sii-I
; skigteiten zusaniinenfafien, und
tlatschte in die Hände. »Gott se«-’
.Dant!«
: »Was dennck«
i ,,Eben haft Tn gelacht! Zum er
SskenmaL seit Du aus Deutschland
iziiriick bift tliun wirst Du doch
endlich wieder die Alte!"
»Ach, Unsinn!«
»Sei doch frol)!. . . Du und die
tlopshängerei. . . das geht doch auf
die Dauer nicht zusammen!«
Margarete Fedderfen lachte wirk
lich. Sie fiihlle sich sonderbar frei
und leicht.
»Gott, Kinder --- warum soll man
denn schließlich nicht vergnügt sein?«
sagte sie. »Das Leben ist ja fo
kurz. Es lohnt sich kaum der
Mühe. .
Diefe Stimmung zwischen Ueber
mut nnd Traurigkeit blieb in ihr.
Als das Gespräch wieder einmal in
das Russische umgeschlagen war, trat
-sie allein aus den kleinen Balken hin
Iaus. Es ging schon gegen Abend.
»Das Blau des Himmels war ver
blaßt; die Luft voll eines feinen,
ffilbergrauen Staubs, itn Weften, ge
gen Versatlles zu; über dem Häuser
meer lag eine feurige Glut. Tief un
ter ihr, aus dem breiten Boulevard,
donnerte und brauste Paris. Die
Menschen wimmelten schwarz wie ein ,
—
Ameisenschwaem -—- verworrenes Ge
räusch drang aus dem sprudelnven
Grund — Rädergerassel —- das Gel
len der Zeitungsvertänser »Deuxie-u:e
Edition!« Die ersten Laternen blink
ten anf. Daztvischen bunte Farben-—
slecten — die Körbe der Blumenhänd
ler. Ein halbverlvchter süßer
Hauch glitt da empor, schwebte träu
merisch über Lärm und Leben
. . . gab Mut. . . Noch war Das Le
ben da. . . tausendgestaltig winkte
es! Die alle da unten lebten. War
unc nicht auch sie da oben, die einsame
junge Frau?
Drinnen schwatzten und lachten sie
weiter. Sie gesellte sich zu Ihnen.
Sie machte mit. Sie war in über
miitiger Laune. Alphonse Febversen
bewahrte gegen sie eine ehrerbietng
zarte Höflichteit, die ihr wohl tat.
Es plauderte sich gut mit ihm. Sie
dachte, toohlig in ein Ungetüm oon
lederneui Klubsessel zuriictgelehnt, die
lomische tleine Teezigarelte zwischen
Den Lippen. nicht an das Fortschrei
ten der Zeit. Aber ihre Freundin
Lisa sah aus vie Uhr, raffte eilig den
Orchiveenbiischel von ihrem Platz zu
sammen, steckte ihn an die Brust nnd
sprang anf.
»O Gott, ich Inusj heiml» jagte
sie. »Reginald wartet!«
Sie hatte große Angst oor ihrem
Mann, obwohl dieser hartgesottene
Yantee mit den grausam diinuen,
glattrasierten Lippen gegen sie die
Rücksicht selber war. Margarete
schloß sich ihr an. Die Automobile
der jungen Frauen harrten auf der
Straße. Der Vetter Alphonse tam
eilig hinterher das Treppenhaug her
nnter. Er hatte eben noch rasch init
der blonden Nussin zu tnscheln ge
habt. Die ging nur« weil die ande
ren gingen. Sie wäre ebensogut auch
bis zwei Uhr nachts sitzen geblieben.
Jhr war alles recht. Jetzt stand Al
phonse Feddersen da, lächelte und
winkte dankend zum Abschied mit der
lHand· Und während Margarete ihm
noch einmal zunielte und ihr Coupcs in
das Grau des Boulevards hinaus
schosz, beschlich sie eine sonderbare
Traurigkeit, wie de-: Abschied von ei
ner Kameradschast. Sie zog sröstelnd
den lichtgriinen Seidenburnug enger
um die Schultern. Unter ihr surr
ten die Gummireisen. Vor den Schei
ben tanzten schattenhast Gaglaters
nen, Ilienschety Bäume ooriiber. Die
Welt wurde immer dunkler, immer
einsamer, je weiter man hinaus bis
in die Adenue du Boisks de Vonlogne
tain. .
Als sie nnd ihr Mann sich ei
nige Tage später allein daheim bei
Tisch gegenübersaßen, im hellen
Kerzenlicht, er im Frau nnd weißer
Binde, die Rosette der .Ehrenlegioti
im Knopfloch sie mit bloßen Schul
tern, ein dietes Perlentolliee um den
weißen Hals, da begann itarl Fed
dersen:
,,Hör" mal« Margot: Was war
denn das siir eine Geschichte nach
mitnth bei Aiphonse7 Davon hast
Du mir ja gar nichts erzählte Ich
höre jetzt erst nachträglich oon dritter
Seite. .
»Sag« doch lieber gleich: von
Madge!«
«Gleichoiel von wein. . . natürlich:
es waren ja auch die anderen da.
Aber trotzdem . · . es gibt Dinge,
wo man auch den Schein oernieidkn
sollte. . .
Die schöne junge Frau lief; die
Gabel sinken und sah ilpa iroitia iiber
den Tisch hin an.
»Das ist dac- Llieuejte!" sagte sie,
»daß Tit etwas nicht recht ist,
was- ich tue! Du hast doch sonst
darin solch einen göttlichen Weich
tnut!«
Er schlug ungeduldig init den Fin
gern aus den Tisch.
»Ich habe Dir meinerseits streng
ste siorrettheit versprochen nnd hatte
sie ein!« versetzte er schars. »Aber
ich verlange sie auch von Dir! Und
wenn es auch nnr Vetter Alphonse ist
». gewiß. . . Ha ne tire pas a
conjisquetice . . . Aber ich wiinsche
nicht, daß Du Dir eigenmächtig diese
tleinen Freiheiten nimmst. . . durch
ans nicht!«
Jn ihr nsar ein sonderbarer leiser
Triumph. Ein Ahnen Ioiedererloas
chender Macht iiber ihn, wenn dar
da drüben Eifersucht war. . . Sie
dachte sich: Mein Gott!. · . Ich bin
ja so vernarrt. . . Ich bin ja so ent
täuscht. . . Jch will ja auch jetzt noch
noch, nach allein, nichts anderes als
ihn! Jch hab' es gelernt, bescheiden
zu« sein!. . . Aber die Zeit, wo sie
seeudig die Hände ausstreckte, um eine
Gnade von ihm zu empfangen, war
vorüber-. Sie versetzte in tiiblem
Tros:
»Mein lieber Charley. . . ich neh
me solche Verhaltungsinaßregeln nicht
ani«
»Was?«
»Entweder man hat einen Mann,
der sich um einen kümmert, oder ei
nen, der das nicht tut. Jch habe das
letztere. Aber dann verlange ich auch
Vertrauen. Das ist das geringste,
was man mir zubilligen muß. Lasse
Dir das gesiilligst gesagt sein! Ein
sür allemal!« - I
Karl Feddersen traute seinen Oh-i
ren nicht. Er war ganz verblüfft
»Das ist allerdings großarting
meinte er endlich. »Wenn meine ei-»
gene Frau. . i
s » ls Deine Frau had’ ich töngst
hier teine Stellung mehr. . . Die
hast Du selber preisgegeben, seit
Jahren, in jeder Aet. Meine Stel
jlnng Euch allen gegenüber hab« ich
nnr als Chaelesstanö Mutter.
lind aus Ver nehm« ich mein Recht,
«oor cnir zn oemntworten, was ich
7tue!" «
»Aber es gibt gewisse Riieisielkteih
«
l
jnia chi«re. .
I »Wer nimmt denn aus mich Rück
ssichtent Wer dantt denn mir ellvast
»Wenn ich ans meinen eigenen Fikszen
lsteh’, so habt Jhr’s gewollt und mich
dazu gebracht!"
! »Du bist auf einmal ein ganz an
lderer Mensch. Margot!«
«Gar nicht!« sagte Margarete kn
»hig nnd schob ihren Stuhl zurück, um
lsich zu erheben. »Ich lasse mich nur
Hiicht nntertriegen!. . . Jch bin varii
lber hinausl. . . Da hättest Du Dir
leine Frau von anderer Herlnnst su
ichen sollen! Wir in Preußen sind ans
Izähem Holz!« «
; Karl Fedoersen schmieg, als sie Ha
I unmen in »en kleinen Saton hin
!ubergingen. Er war betreten. Dann
Isammelte er sich. Er hatte jetzt an
sdere Dinge im Kopf. Er schob mit
« seiner gewohnten tiiihle den Zwischen-—
;fatl zur Seite. Er sing wieder an,
’von Geld zu reden.
; »Heis; wird es nachgerade in Pa
Hei5!«« sagte er, sich eine Zigarre an
ziindend. ,,Unerträglichl Ich wollte,
lich könnte schon mit Dir weg! Aber
»die Geschäfte sind augenblicklich ans
seinem Punkt. . . Jch möchte nnt wis
ssen, mer die Deutschen erfunden hatt
lieberall sind sie einem in der Que
rc. Da steckt jetzt wieder dieser Ge
nekaldireltor Maltoney in Paris. In
Geschäften mit net-. Kein Vergnü
gen.«·
,,Vertragt Euch doch!· erwiderte
Margarete gleichgültig
tsr machte ein neevöfes Gesicht.
»Wie wenig Takt dieser Malloney
hat,« sagte er, ,,tannft Du schon aus«
folgendem ermessen. Er wußte sich
keinen anderen Begleiter und Bem
ter nach Paris mitzubringen als
Moritz Liinemannl Nun bitte ich
ich Dich. . Malloney ist ja, icheint’s,
iiber das Nähere nicht orientiert, aber
so viel weiß er doch, daß wir feiner
zeit Herrn Lünemann Für uns ge
winnen wollten nnd die er es brüsk
abgelehnt hat!«
Sie war bei dem Namen zurückge
zuckt
»Da hast Du seht mit ihm zu
tunt« fragte sie tonlos.
»Ah non, ina chesrel Das fehlte
niir gerade noch. Das lehnte.ich
von vornherein energisch ab. Herr
Liiiieinann scheitit auch selbst gar nicht
diese Absicht gehabt zu haben. Er
hält sich ganz iin pintertteffein Er
bleibt unsichtbar. Er kann wohl
nicht-.- dafiir. Er ist Angestellter ei
ner Aktiengesellschaft Er niiiß seine
Vorgesetzten begleiten. Die kommen
offenbar ohne ihn nicht mehr aus. Er
hat sich, scheint’s, in seinem Konzern
eine sehr ftarle Position geschaffen.
lluerquicklieh bleibtU Jch taiii. es
nicht leiden, wenn einem geschäftliche
und persönliche Beziehungen durchein
anderlaufen. Es triibt den klaren
Blick· . .«
Er brach al) und lnrn nicht inehr
auf das Thema zurück. Aber in Mar
aarete tlang es nach, die nächsten
Tage, die folgende Woche. Es tvar
ein seltsame-J Gefühl, sich mit Moiitz
Liineinann zusammen in derselben
Stadt zu ioiffen, in dieser Riesen
ftadt, in aeren Millionengeivininiel
inan sich doch ferner war als iiber «
Minder nnd Meere hin, ziiin Atome
im Weltall —— ein Zufall, wenn nian
fith einmal begegnete.
Eie fürchtete sich vor diesem Zu «
fall. Aber sie tat nichts« iiin ihm ans
dein Weg zu gehen. Heiinlich pochte
ihr Herz, wenn sie den heißen Stand
der inneren Boulevards einatniete, die
fchattigen siolonnaden der Rue Ri
ooti durchschritt, die Mittagsglut des
Lieiidoiiie«liltitzes, des Tuileriengais
tens lrenzie Das waren die Stadt
teile, iii denen sie ihre Eiiiläitfe in
den Laden machte, und in denen in
gleich Evas-s Freiiideiilebem der Ge
schäftsverlehr der Lliisliinder sich ad- .
spielte. Ziitoeileii, ivenn sie in der
TFerne einen mit breiten Schultern die
sFranzosen iiberragenden Herrn in
tZivil sah, der etwas schwerfällig nnd
saufrecht feines Weges ging, dachte
sie, er wäre es. Aber is war jedes
ftnal irgendein unbekannter deutscher
»Landsmann, der sieh die Beine auf
sParifer Pflafter vertrat und der
fschönen fchiviitziiugiqm, stengen Frau
;—— feiner Meinung nach ein Voll
zblnttyp der Pariserlii —- ebetvundernb
Mchichautr. Allmxi lich-sterbe sie ru
higer· Wahrscheinlich verließ Morisz
»L·iineinann tagilbee sein Zimmer
launt, sondern saß-Uhr einen Alten
und Tabellen im Ddtel der schrieb
an feine Braut. . -. , .
Eine heiße, with-W - kieit zucktk
ihr durch das herzxkheelauben sie
ihm zu heiraten -- seht nach fünf
Jahren —- roo mein Leben verpfuscht
und verloren istl Seines fängt nun
erst recht an. Jch hat-· Hoffnung und
Glück hinter mir. . .
Geistern-te Miti)
—-M
— Zweideutlg. »Ich habe ge
stern meinen Kopf mit Röntgenstmlr
len untersuchen lassen · . ·«
»Nichts drinn' gewesen« Ivie?«« »