Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 07, 1918, Sonntagsblatt, Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Skaats Anzeiger und Merold
Sonntagsblatt de
GndKude-D erfass
-—-—’
. If ·--—f—.- .
Im eiti Hain ;
Novellette voii H. Lende-bergen
Sie spielte toirllich bei-ansehend
El war irgenb ein Ischarbus von
Liszt ober eine Mosztotoetssibe Phan
tasie. Wie tosenbe Zigeuner-inst, tote
glühender Totqyer stronite es unter
diesen weißen Fingern empor. Die
besinnen Gestalten weint-en sich jauch
zend iin trnnteiien Neids-, der schtnnte
Bursch legte seinen Arm um bas»
Mieber der schwarzäiigigen Dirnez
pnb zog sie hinein in ben wirbelnvenj
Kreis-; bat Entnboliiin tlnng, unol
Nie Fibel treischte, tinb ber Bursch
schlang seinen Arm sester um bat
stimme Mitver, rinb vie Blute ber(
beiden begegnetkksi sich feurigen ein
bonnernbee Ellen erschütterte bie
Leist, lind bie roten Tschaptiio slogeu
fröhlich binmis bit zum stammenden
Bleibet des-it —- tnit einemmal —- wie
Spulgestirlien zerstoben bie ausgelas
senen Gebilde, vie roogeiibe, sonn
biirchgliihte Pusztiiheirse oerschtonnb,
unb ein liebliches Zbyll stieg beraus.
Ei war ber griiiie Wald, der grüne
deutsche :-s«.;id)eiiiva!b. ttnb das
Monbiicl,t -.izie barst die schlichen
tert Witw« iiitb trånlte sie in Lin
tereö Silber, itnb ein bliisser Strahl
kutschte hin-to an den Werber zur wei
henlttek jie erbebte im Traum unter
dem trun, unb sie träumte weiter
Vom Atbiibstriibl unt- von ber Liebe,
vorn Lenz unb von ver Nachtigall,
vom Herbst uns von der Entsetzung.
Die les-en Attoroe ver Schick-mitn
scheti isteoerte waren in dein prächti
gen Solon verzittert.
Die Abendsonne schielte ihr- Ab
schiebsgriiße durch bis ossene, vcn
tchioeien Daiimstvorhsiikgen verhüllte
Briltoiisenslrh unb ein leiser Unst
lnntcli durchzog Den Raum.
Der Tottor berbitrrte noch immer
in seiner Sositeele, er hielt bie breite
Stirn in bie Hand gestützt nnb regte
sich nicht, er dachte vielleicht noch ein
riint Monbstrnbl und an vie weiße
Oliv ·
Da tegtr ßch leite eine tchnnte
hanv auf seine Schutter. »Warum
apptaiibieren Sie ni t, Bauch
Er blickte auf und ah in ein Ichös
net rauenanttis, das lächean zu
ihm rat-schaute.
»Sie haben recht, Maria,« sagte
et, »ich bin ein undantbarer, ich
vergaß iiber Jhrein Spiel wieder
einmal die Welt und Sie und mich.«
»Ein unverbeiierlicher Schmeichler
siiv Sie, mein Herr, Sie find nicht
anders wie vie andern, unb zur
Strafe werden Sie mir jest den Aira
sing-M
»Ich bin heut nicht bei Stimme.
Maria«
«Sie sind inet.-cncho«tifch, lieber
Freund! Und weshath
»Ich werde Ihnen noch in dieser
Stunde lebewohl tagen, Marias«
Sie blickte ihn tragend an. »Ich
verstehe Sie nicht-u
»Jch werde Ihnen lebewoht lage-n
Maria, weit ich heut noch diese Stadt
verteilte —- oielteicht auf imaier.«
Es war fast Beitiirzung, was sich
rn vieien schönen Zügen matte.
«Jch verstehe Sie wirklich nicht,
Dönning!«
»Jch habe schon seit langer Zeit
hie Absicht, ein botanisches Wert über
unsere Kolonien zu schreiben, ver
legte Bogen meiner pflanzen-physio
logischen Untersuchungen ist gestern
zum Verleger gewannen meinem
tanggehegten Plan steht also nichts
mehr im Wege, und ich gehe nach
Asrila.«
»Und Sie lassen mich alleini«
»Ich lasse Sie nicht allein, Ma
ria!«
Seine Worte llangen seltsam bit-!
ter. «
Die schöne Frau schwieg beirossen
und blickte sast traurig zu ihm herab.
»Sie lieben mich, Danning!« sagte
sie nach einer Pause mit weiche
Stimme.
Der Doltvt antwortete nicht, ei
starrte unter der vorgehaltenen Dank-!
mit eegungsloiecn Auge vor sich hini
»Ich habe es nicht geahnt —- und
es ist ein lingliia — ein Unglück siiri
uns beide, Dönning.« i
Erspannete aus ans schwerer BrusiJ
er ionnle sich nicht mehr beherrschen l
Miit-ak« stdtznte er und presste’
eidtn langen, heißen Kuß aus die
weis- baut-.
« rmee Fee-hi«
»san« Marien bettelarrn!« .
»Und ich iann Ihnen nicht helsen.«
»Ich weiss es, Maria, Sie lieben
rissen andern-«
M liebe ihn.«
Mit sie-« M is
e r. e .
— - i es see-dienen Wa
risk
f «Diinning, Sie wollen iviriiich ge
ihrnk
f »Ich bin ein Egois, nnd ich wiirVeJ
ieinen andern un Jhcer Seite nicht
fertriigenf
; Ei schmerzt mich, von ihnen zu
fcheiven, Dönning.« I
»Sie werden sich nn andre gewöh-?
nen, wie mein sich an einen neiienI
Dut, an eine neiie Tapete gewöhnt.
sie werden mich in einein Jaer
vergessen haben, Moria!«
»Wie-neus, mein Fieiindi Und
wenn mich das Gefiihi ver Dant
beirieit allein an Sie erinnern würde,
zii ver Sie mich durch Jhiie feibftlofe
Aufopferung feit dein Tode meines
Mannes verpflichtet hiiteir. -Wiinn
werden Sie reifeni"
»Dein abend — mit dem Hambur
ger Kurierziig.«
Seine Stimme zitterte, ais er ihr
vie han« reichenv fcigte:
»Bei-en Sie wohl, Miikiii!«
Auch fie war tief bewegt.
»Sei-en Sie wohl,« fiigie fie herz
lich« »Gott befchiise Sie!«
«Seien Sie giiiitlich!«
Er drückte noch einen hiifiigen,
glühenden Ruft auf vie fchliinten
Finger, dann riß er fich los und
ftiirzte hinaus.
»Diinning!«
Sie tat einen fchneiien S:riit zur
Tür, aber sie befiinn fich wieder. Sie
tmt ans Fenster und biiitte ftiimiii
iiiiv riitids deni Davoneilenven nach.
Warum legte es fich ihr fo betieins
mend unis Herz, ais sie feiiie Gestalt
hinter ver Straßeiiecte verschwinden
inh?
--------—-—·
Sie lehnle noch irnlner die schöne
Stirn gegen die Scherben, als one
ltncnrnermadchen eintrat und ihr eine
Visitentarte präsentierte. Sie halte
nur einen Blick aus die linrte gewor
sen. Aber die leis-. Melnncholir.
welche sich ists-er ihre Züge gebrieitet,
verschwund; wie ein Sonnenstrahl
ging es tiber das wunderbare Gesicht,
und sie erwiderte:
«Sngen Sie den- herrm daß er
lnir tpilltommrtt ist."
Ein paar Augenblicke später trat
hinter der Portiere eine hohe, ele
ganie Männergeitrrtt hervor; die
Dämmerung war schen zu weit her
abgesunken, um mehr als die Um
risse erkennen zu lassen.
Sie ging dein Eintretenden entgek
gen.
»Eigenlich, Baron, sollte ich Sie
cnit einein Vorwurf empfangen-«
Er beugte sich über die Hand, die
sie ihrn gereicht hatte, und sagte:
»Wer allen Dingen gestatten Sie mir,
diese zarten Finger zu tiissrn —- so
und nun ——- ich hnde ein vorlressi
licheö Gewissen-aber schelten Sie!«·
»Ich bewundre ihr Gewissen. hat
es Jhnen teine Vorwürfe gemacht,
daß Sie Jhre Freunde seit acht Ta
gen in der sträflichsten Weise ver
nachlässigen ?«
»Im Gegenteil —- eö hat rnir so
gar gesagt: Mein Sohn, dein Por
trät verdient in der Wettgeschichte
neben das der großen Märtyrer ge
hängt zu werden; es ist sehr löblich,
daß du diese Selbstiiberwindung iibst,
denn du würdest den Ruf einer Frau
tvinpronnttieren, die dir teuer ist«
und dein Freund Schrot-oh der ein
nml einer Triisfelpastete den Rücken
wandte, weil er vier Wochen in Karls
bad gewesen, würde vor diesem he
roitmus den but ziehen."
Sie Lachtr. "
»We) haben Sie während dieser
acht Tage gesteckt?«
»Ich könnte Jhnen der Bequemlich
teit halber sagen, ich bin in der Neiti
bahn gestürzt und habe mir denk Fuss
verstaucht«.
»Das wäre eine sehe ungeschickke
Antwort, denn ich würde sie Jhnens
nicht glauben«.
»Warum?« ;
»Ich sah Sie vorgestern im Zigeiiii
nerbaronT
»Ich nehme die Versiauchung zi
rüct aber ich habe Sie nicht benieett«.
»Das ist möglich. Mein Wagen
suhr zufällig an dem Theater vorbei
Ei war gerade acht Uhr, und ich hatte
die Kaprize, das Finale des erstens
AM, noch einmal zu hören. Jchs
bliesl nsnr bis zur ersten Pause«
»Sie sollten etwas vorsichtiger sein,"
Baroni«
»Wie meinen Sie dasi
«Sie sollten, wenn Sie eine Dame
ins« Theater führen, niemals eine un
besehte Lege nehmen. Sie prosaniei
ren Ihre zartesten Jnterieurs".
«Sie halten die Dame siir meine
Geliebtei«
«Js!"
«Sie täuschen sieh. Es war meine
»in-heiratete Unsinn ihr Gemahl ist
verreist, und sie bat mich um meine
Begleitunga ins Theater« .
« i K li
sre die er eiInsekt-stetsriciechlmehlast.W«:’ephre
Juli-e Wseaa
Jch habe dieses prachtvolle rote haar
bis ietzt nur ans Malartschen Bil
dern gesehen. Aber Sie müssen mir
schwören, daß Sie diese Frau nicht
lieben«.
»Sie sind sonderbar. Maria!'«
.Schwb"ren Sie ei Intel«
»Man beschwört seine Unschuld.
Man schwört, daß man eine Frau
liebt, wie ich Sie zum Beispiel, Ma
ria, aber man schwört nicht, daß man
eine Frau nicht liebt. Sie mihtrauen
mir, Maria. Ader ich danke Ihnen
siir dieses Mißtrauem denn ich weiß
jeht, daß Sie mich lieben«.
«Jhre Logil ist iiihn«.
»Ist sie auch sicher? Antworten Sie
mir, Maria, lieben Sie mich?«
Es llodste an die Tiir.
Er ließ ihre hand los, die er er
griffen hatte.
Sie erhob sich und ries »heeeini«
Das Licht ilutete durch den geöff
neten Rahmen.
Das Mädchens brachte eine große
Bronzeiampe nnd siellte sie auf den
Tisch.
Sle waren wieder allein und stan
den sich nnn gegenüber-. Die Lampe
goß ihren vollen Schein seht iibce
das Paar und beleuchtete das errö
tende Antlitz der schönen Frau.
»Antworten Sie mir, Maria!«
Sie schwieg und schlug die schwar
zen Wimpern noch immer zu Boden;
aber sie ließ ihm ihre Hand.
»Maria!«
Lanalam hob sie den Blick.
»Maria!«
Er wollte die schlanke Gestalt in
seine Arme schließen.
»Ah!"
»Was ist Jhnen2«
«Riihren Sie mich nicht anl«
Sie war zwei Schritte zarticlgewii
then-; sie war bleich diss- an die Lip
ven.
»Ich legreife Sie nicht, Mariu!·'
Jhre Augen blitzten.
»Lnssen Sie sich die Vorsicht emp
fehlen, Herr Baron, ivenn Sie wieder
einmal Jhre Fran tinsine besuchen,
erft ihren tiioct sorgfältig alszubiirsten
bevor Sie einer anderen Jhre Liebe
beteuern. Der Zufall lann es wollen,
daß bei einer zärtlichen ilrnarmung
ein rotes Matnrthnar nn Ihren
fchioarzen Rockanfschtiigen h.rften
bleibt, und diefe Jndistretionerr sind
nicht immer erwünscht. Darf ich
llingeln, damit mein tinrntnermädchen
Jhnen eine Blitfte dringli«
«J danke Ihnen, grindige Frau,
ich la e das zu Hause durch meinen
Diener besorgen«.
Er nahm feinen Hirt von dem Ta
bnrett, verneigte sich tief ver ihr und
verließ dns Zimmer
Sie irnr wieder allein
Das ironische Lächeln verschwand
von ihrem Gesicht; sie rreßte die
Hand gegen die weiße Stirn nnd
schloß die Augen.
Und diesen hatte sie geliebt. hatte
sie geglaubt zu lieben. Er hatte ihr
seine Liebe geichivoren —- eö war ein
Meinen-. Warum der Vertilgt War
es ihr Bermogem das ihn geioctt hat
te? Und ein elender zufall nur hatte
sie bewahrt, daß sie feine Lüge durchs
Leben geschleppt O -— der Erbärm
lichel Und ihm hatte sie einen an
deren geopfert — einen anderen, der
ihr vor einer Stunde rnit flammen
den Worten seine Leidenschaft gestan
den und den jetzt die Verzweiflung
hinaus-treibt —- hinnus iiioers Meer
ni eine unbekannte Weit —- unier ei
nen Himmel, wo er Vergessenheit sucht
—- nnd vielleicht sindet! Sie hatte sich
so gewöhnt nn diese Diinnnerstunde,
die ihr den Freund ziisiihrle ——- ein
Herz, das so tren, so aufopferungs
sroh wie lein anderes siir das ihre
schlug, das sich in den Tagen der Pai
sung bewährt —- darnnlz nlo fremde
Hiidgier die Hand nach ihrem Erde
nnsstrectte —- dmnle nlo die Läster
zunge ihren weiblichen Ruf zu begrei
sern tv..gte. Er hatte sich ihr Ver
lknuen mit dein Einan seines Ledenc
verdient. «
Jn, sie wnr ihr zu eineni lebendigen
Bedürfnis geworden — diese Däm
merstunde. Wenn der Freund lam, io
war sie ihrer Sorgen ledig, der gro
ßen und der kleinen, sie durfte ihm in
alles sagen — er wußte siir alles ei
nen Rat —- o, er war so tlngl Sie
lauschte gern seiner verständigen Rede,
seiner dnnllen, sonoren Stimme, wenn
er von seinen Reisen erzählte, von der
Kunst, von den Ereignissen, die dran-«
szen die Welt bewegten, wenn er sie
in seiner tlnren Sprechweise einweihs
te in die Gesetze des ewig schönen
und ihr erst den echten Genuß erschloß
an den unsterblichen Werten der Mei
ster
s Sie wird diese Stimme nicht mehr
hören, die treuen Augen mit ihrem
iernsten Blick werden nicht mehr den
sihren dege nen, die starte Mannes
hond, die e geleitet, die sie vor dem
Andringen der hol-sucht geschildh den
Axnwtlrxen dessslerleumåurætkäen
ld enge e e ten — e,
von einein Sei-n befangen, von M
Das Gewitter
nm Bodensee-.
Von Max Bitte-ich.
Ueber den Bodensee sogen seit Wo
chen an jedem Morgen leichte weiße
WAle aber das große himmelsi
seuer wurde schnell mit ihnen fertig
scrugie sie schon in den ersten Mor
genslunden nus und bescherte dann
allemal einen von jedem llntdtchen
gereinigten tiesblnuen himmel, ani
Abend mit gelben und roten Konnt
ren über den Bergen.
Die Fische zogen sich in dein
seichter werdenden Wasser in die tie
sen Gründe des Sees zurück und die
Fischer warfen so vergevlich ihre Rie
sens-se nach den Felchm und Forel-»
ten aus, wie die Sommersrischler ihre«
Angel. ;
CI wollte nichts beißen s
Jn hitze und Mißgnnst dieser Zeit
wurde denn auch der Wunsch nach
einein lustreinigenden Gewitter und(
nach neuer, die Fische zum Beiszen
nnregender seiihle taglich allgemeiner
Unter den Anglern war einer, der
hatte eine mit alten Chilnnen ausge
riisteie Patentiingeh wie er selber seyr
patent aussah: du war ein langer
blendet Schnurrbnkh indem das
kleinste Härchen jeden Tag dieselbe
wohlvereclsnete Lage einnahnu im siß
ein auserwählte-H dictgesloelitenes
Strohiiutchen auf dem diinnen Ost-it
und beschatten ein blasses-«- ichsmleszs
Gesicht, und da war auch eine zu
der ganzen mit sclniecivciszcin Feld
lnell reliridetrn Gestalt pissuioe
sStinnne:
s »Deinen nicht, beißen nie-ist! Fio
sliissiile OfszeI Huilezttlikti tcsnknt
sinnt litewitierx Gewitter Von ists-enI'
s Dieser Herr nmr im Hutel Die
antnnier Zä, nnd iin Freinrsenonch
stand er als Herr von Brillnnt «an
Geni.
! Nun war im gleichen yotel auch
Hein ehemaliger haherer Wurme in
»Zivil mit emer viutjungen Tochter.
HDasz auch sie auf die besondere weib
jliche Art sollte angeln lönnen am
;See, angeln wie einige andere Das
Jmen, konnte ich mir nicht denken
Wenigstens saß sie fast stets an
einsamen Plätzrhen im Watv und im
Stadtgarten, ein Buch in der Hand.
diese tchlante, halb kindliche, iauter
Lebensluft, Zufrieoenheit und Ber
lrauen ntmende Gestalt mit dem edig
ausgeschnittenen dünnen Kleidchem
auf dessen Halsöfskrung nur immer
ein kleines goldene-H Herr aufs nnd
niederwogte. -
Dafz der stets neben ihr toeiieude
große alte herr der geisissenhafte und
väterliche Lenker ihrer Geschicke sei,
war seinem festen und geraden Blicke
anzumertem jede Bewegung seiner
Hand war Bestimmtheit und jeder
Schritt Sicherheit
Da war nun, dachte ich mir, Star
tes und Milves in hotvem Verein,
tindliches Schutzhediirfnis und väter-»
tiche Kraft, neugieriqer unsicherer
Blick in die Welt und ersaheene Fiih
runa nach sicherern Port.
Allein einmal, es war an einem
Sonntag, hörte ich meinen Zimmer
Hmchbarm eben den alten Herrn.
schon am frühesten Morgen in seiner
mehrere Räume umfassenden Wot
»nunq. Verfügung treffen wie im
Reinmandotom
gestoßen. sie hat sie zum litztennul sie-U
driictt —- zum letztenmal — niii ci
snes Elende-i willen
Sie starrte mit leerem Auge in «d-:i
erloscheren tiaitiin. Es llang so son
«derl)ar, so feierlich. dieses »zum les
«teninal« —- ivie der ditiiiisfe Ausschlag
dei- Erdschollen, wenn das fiisit,e
Grab eines geliebte-i Wesens sich
schließt. . .
Eine Träne glanzte in ihrem Auge
»Nein«, schrie sie mis, »nem —- iii.«l,t
»
i« »
zum letztenmal. »ie stiiizte nn den
Schreibtisch, iisz aus der MapPe ein
weißes Blatt und warf in fliegend-r
hast ein paar Zeilen auf das Ist-i
pier. Dann schelite fie, tuoeitieite diis
Billet und befahl dem eintretenden
Kammermädcheiix
Nehmen Sie einen Wagen mid be
sorgen Sie diesen Brief an feine
Adresse. Wenn Sie den herrn Doltor
nicht mehr zu lhause antreffen, so fah
ren Sie nach dein Hamburger Bahn
hof, er wollte mit dein tinrierzug an
reisen. Sie nisten niir fiir die Be
stelliing. Ellen Siet"
Das Mädchen gehorchte.
Als der Doktor ani anderen Tage
in stiller Seligkeit die Hand der ge
liebten Frau ln der seinen hielt, uin
sie fürs Leben nicht mehr zu lassen,
fragte er auch endlich einmal:
»Und worin hing diese Entdeckung
Marias«
Stes lii lte und sagte inlt geheim
nisvoller manns- -
»Ja einein dankt«
Lisolott, Liselott, bist du schon
wieder ans dem Bett?«
»Ja, Papachen!«
»Weöhalb?«
»Ach Popnchem die Morgenluft ist
doch so gnt."
»Scheint dir ja hier seit acht Ta
gen besonders gut zu bekommen, die
Morgenlnft —- wns? Scheint dir be
sonders gut zu betomnien!«
Man hörte, wie nian'in so einem
Sommerhotel nach einiger Tagen je
des Geräusch richtig zu deuten weiß,
eine Tür öffnen und Stiefelchen und
Stiefel ins Zimmer nehmen Einige
HMinuten dek« Ruhe folgten nnd der
.alte Heu sagte:
»Na ja —- geh nur ;.)eg, du Ruder,
—- du Katze! Du mit deiner Küsse
rei — um den Finger wickelst du ei
nen noch mit deiner Küsseteit Doch
hinnntergehen wirst du noch nicht al
lein. —- veiftundemt Geschichte mit
Morgenlnft ist mir doch bischen der
dächtig!«
»Aber Pnpnchen!« Und ein he.les,
helles Lachen erklang »Was denkst
auch dict«
»Geh nur fort, laß mich nur, du
Schlange: Werden vielleicht noch dur
iiber sprech.n —- —'«
Aehnliche Gespkiiche wiederholten
sich an mehreren Zagen Also
mußte Lifelotte eine der begeistert
ften Verehrer-innen der Morgenluft
fein.
Dann kam ein Ing, an dem diesegz
Morgen-Ereignis umgekehrt vor sichi
ging. Der alte Herr mußte Lust be
toinmen haben, die Morgenlust ein
mal zuerst zu mitterm sein Töchter
lein fragte, weshalb et schon gar so
stiih gestieselt nnd gespornt sei.
Er redete von Schidiile und Hitze,
in der es aus dem Lager lau-n aus
zuhalten sei, marschierte jedoch dabei
sehr schnell zehn, zwanig mal im
Zimmer aus nnd ad nnd ging plötz
lich hinunter an den Kasse-Nisch, sei
nem Töchterchen voraus.
Als ich l;innntertam, war er mit
der Morgentaset schon scrtink er
stand am See nnd schaute in den
Dunst über den Bergen. Zur Rech
ten war heut eine wie Gebirgsmasscn
zusammengeballte Wolkenwand aus
getiirmt und die Lust war schwerer
als sonst, so dass die Brust nur müh
sam atmete.
Ein Nachbar des alten Herrn sagte
vertraulich, wie Vadegiste nach eini
gem Nebeneinanderheelausen der
traulich sagen:
»Deine gibts ein Wetterl«
Der alte Herr blickte uns der
Reihe nach scharf an, betrachtete die
Woltenwand, als tönne er mit ma
thematischer Sicherheit das Losgehen
eines Donnerwetters nsie das Plat
zen einer Granate berechnen, nnd
tat mit militärischer Bestimmtheit
kund:
,,Jatooht, meine Herren· heut
oder morgen haben wir ein Gewit
ter!«
Es griiszte und schritt dem Angel
strand za.
Und er hatte recht grophezeit
Der Himmel vermrchte lseut die
am sriihen Morgen herausgestiezrenen
Wollen nicht zn dannen. Tit Lust
wurde dirter bis zum Abend. Der
See lag ruhig wie eine actdöldte
Scheibe ariinm Glases-«- thte Stren
tur und alle Natur idar Erwar
tisn.1.
JJer ntte fLierr ssisz srns einer Bank
nin Strande und nor dein Unter
leimte Die Joitjter mn Netiindet Der
»Bitte blisjte aller niin sie oder Den See
nn, sondern starrte iiLver Die Lebne
hinweg in ten warten nnd richtete
sein Ging- sriinrs aus Herrn ecsn Brit
lat ans Geni.
Wegen zehn lltsr ries er zum Ge
länder unt Strand l)iniil·er:
»Lisetott! Wir du«-ten hinaufge
hen! Es ist Zeit!«
,,.5iomint bus- Gcivitter nicht, Papa
chan«
,.’LLiat«,rsei-,einlictt erst nach Stun
den!«
Sie hatte eine eigene Art, ihr keckes
Gesiiinchen allen Leuten, n·it denen
sie sprach, Dicht vor rsie Nase zu hat
ten wie ein Teufetchen und dabei so
heiter zu tichern wie ein Friihtingsi
entgel.
So stand sie nnn ihrem Vater ge
geniiber.
,,G:ite Nacht, Puprichen!"
»Gute Ruck-L TIitgetiichts!«
Ein Ausz, und .s"ie huschte hinauf.
I i
Bald begann der Wind iibek den
See zu fegen nnd der Gatten nnirde
leer.
Jm Zimmer hörte ich die Glocke
elf Uhr schlagen.
Draußen vor den Fenstern. in den
Bäumen des Badegarteiis, war ein
Rauschen, nls riittle der Herbststutm
an den Zweigen. Der feuchte Segen
der Wollen entlud sich, gretleö Licht
zuckte und in ver Ferne war ein tie
fes Grollen. Es blieb ein seknes
Grollen und war nach all den Tagen
des Sonnenbkandes wie ein seith
linslsewittet voll lautet Bisen
Und doch hörte ich naxy Sei-»n
Schkiithn nuf dem knisteXnVJi its-Im
bot eine plötzliche ilnrulsse im sit-Im
gemnche. Die Tiir wurde tsott r,.1.·t-a
ausgerissen nnd eine ntilitiirinr tm
tige Stimme fragte:
»So, so ·- — also noch Eie. wer
ter Herr von Brillat? So nxnnscn
Sie ich ja wohl? Nat-J, den-ten Sie
nur nicht —- nu zucken Sie nn: nint
gleich zufammen!"
»Herr —- Herr — mit Der Waffe
in ver Hand —- — ?"
»O bitte, das hni nicht-— zn tagt-tu
seien Sie ohne Beforgnisl Ich woll
te nur sehen, ob Sie wennstens
standhalten wie ein Mann; aber tei
der sind Sie keiner, wie tel) sehe. Der
SchießpriigeL die alte Knarre, I.«cießt
gar nicht mehr! Altes Andenken
unseres Wirtes nus dem dreißigjäh
rigen Kriege oder noch älter — wer
ter Herr! Ich will nichts von Ihnen
als den Stiefel meiner Tochter. den
Sie in der Hand halten, hinter dein
Rück-ni«
»Herr ——— —
»Sie werden mir den Stiefel ge
ben, — sofort fo geben, tvie Sie ihn
"da haben! Andernfalls —- so,
sehen Sis, wenn man nur den guten
Willen hat, gest alles. Von sehnen
lann ich nichts verlangen als mein
Eigentum. Wir sind fertig miteinan
der. Und morgen geben Sie niik wohl
möglichst wenig dnH Vergnügen« Ek
zu bewundern Schlaf-en Sie wohl
nnd berntngen Sie Jbre sinnen tue
gen der alten Knarr-! Wie ges-rat:
die schießt nicht Inehr." —
Zwei Tiiren gingen. Der Alte öff
nete dns Fenster und lief; frisxte
Luft hereinnrbfen, Die mich schon ei,
nige Zeit ernnictljch ninfiicheltr. Jch
schaute in den Garten Hinunter nnd
iiber den See nnd hörte-, wie a-»
nächsten Fenster jeman tief nnnete
und f.sate:
«
»Die Kröte — diese kleine Kröte-!
Auf die Stiefelsohlcn Liebesliriese
schreiben lassen und aus dem Stiefel
schaclit Liebesgedichte ziehen, —- man
sollte es nicht meinen von dieser klei
nen Kröte! Nu wurtel«
Am Morgen begann vie Komödie
tm Nebenzimmer wie sonst:
«Liselott, Liselott, — bist du schon
wieder aus dem Bett? Hast du
denn bei dem Gewitter schlafen tön
nen?«
.,Gewitter, Pupachen?«
»Das hast du nicht gehört?«
f Meinen Ton! Prachtooll geschlu
ent«
»Du kannst du eigentlich lachen!
Ziemlich starles Gewitter gewesen!
Na, da hole nur deine Schuhe her
ein!«
Sie ichliipfte hinaus und ging nn
oag Fenster,
Totenstillel —
Ein lautes Schluchzen war die
Antwort.
»Papa, lieber Papa!«
»Du, heut geh mir mit deiner
Echmatzetei vorn Halse, verstehst
out Heut kommst du damit nicht
durch."
«Papachen «- —«
»Hast Du den heutigen Liebesbrief
gelesent Was klingt ein bischen
anders als sonst!«
,,"Ja!« —- uud ein neues Dei-zure
rhenoes Ethluchzen folgte.
»Also du hast gelesen und wirst
Ort-re parieren. «.)1nttvort!«
»Papachen!«
»Tritt zu mir her snit Uem Stie
fel. Ganz dicht zu mir herl«
»Lieb« —— —
»Nan Dichter heran! —- so —- und
ietzt - was-«- steht aus der Sohle des
ledernen Liebesbriisegk Borlesen,
laut vorlesen! Ja, lies itir, lieg! Jch
will Ojetrsisitieit haben, ob du auch
ciicsnial alles entziftcrt hast. Meint
Handschrist solltest du lrnnen. Also
loet Lesen! —- — Jch male —-«
»Ich werde —- nie mehr —- mei
nen Papa —— hintergehen. Lise
lott.«
»Richtig --- das steht jetzt da ulio
Dalsei l)lei!oi’g! Abt Av! Unterstette
dich noch einmal! Da täme ein an
Deres Geivitter!«
An diesem Morgen erschien Herr
von Vritlat nicht im Kasfcezinsiiter.
uitd tnittaqg hörte man: Nr. Ex- sei
plötzlich avgereist.
Zwei Tage später schritt ich bei
einem mehrere Stu«den entfernten
Orte das Seeiifer ab. Jetzt sasz hier
auch ein Analer, der hatte die mit al
leri Chikaiieii auggeriitiete Patentsslns
gel, wie er selber sehr rsiterit aus
sah: da war ein langer blonder
Schtiurbart; da saß ein tvohl»1en1ähls
tes strohhiitchen aus dem Kopf und
beschatten ein blasses schmales Ge
Pcht, und da war auch wieder die mit
Eneetveißem Flattell beileidete ljszc
statt und warf die setnget aus.
»Ah —- guteri ;.Jiorgen!« sagte
ich. »Jetzt hier das Glück versit
cheni Nach dem Regen wohl mehr
AussichtW
»Allerdisgs, allerdings! Denke.
nach Gewitter wird seht h«et was ein
beihenk X