Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 03, 1918, Sonntagsblatt, Image 3

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    » Lieb Vaterland s
Roman von sind-ins Strah.
W
(8. FortseßnngJ
Zu Tisch erschien sie in großer·
Stilette —- zart iachssarbem mit wei
sen Perlensransen iiber dir Seide,
die bei seder Bewegung leise. verrate-»
risch llangen und iider ihre s lautes
Gestalt hin im Licht der Silber andrsi
lader geheimnisvoll wie Fischschuppeni
«ausdlisten. Jhre duntlen Augen?
-leuchteten. Jhre Eltern selber waren
hetrossen, wie reizend sie war. Fremd
qrttg. Sie hatte, auch in ihrer ge-;
chmeidigen Art, ihrem ein wenig"
eelenlosen Lächeln etwas von einer»
wunderschönen Rixe. Selbst ihre
Züge schienen dem Vater verwandelt
— nicht nur srauenhast geworden,
gegen die Mädchenzeit —- nein, stren
der, tlassisch, edel. DieMutter mertte
den Grund: Es wär die griechische
Fristen die sie ietzt trug —- dieser
schedere Knoten, der ihr schwarzes
haar aus dem hinterhaupt zusam
mensaszte und den weißen, perleni
schimmernden Nacken srei ließ.
Zwei Diener schlichen geräuschlos
mit den Schüsseln hin und her. Karl
Zeddersen schielte sie durch ein Stirn
cunzeln hinaus. «Man lann dann
bequemer Deutsch redeu!'« erklärte er
seinem Schwiegervater- »Jch tue ·e5
nicht gerne in Gegenwart des Perso
nalg. Man hat so leicht Unannehms
lichteiten davon. . ."
«Dann töt« ich es hier gerade!«
sagte der alte Herr freundlich und
ossenherztg iiber den Tisch hinüber.
Der andere blickte an seiner Israel
tlappe hernieder-. In der schimmerte
ein rotes Streif-lieu wie driiben ein
schwarzweiszee Band.
»Du trägst das Eiseene Kreuz,
Schwiegerpapat Ich den Orden der
Ehrenlegidn. Das ist der Unter
schied. Aus den nimmt jeder in sei
ner Weise Rücksichtik «
»Mit-, jetzt hist Du aus einmal
Franz-usw
«Jch oente start daran, es zu wer
Jch werde ja doch wohl
zeitlebens mein piedstiiterre in Paris
hilieni Da wäre es siir die Geschäfte
von großem Vorteil. . . Besonders
auf dem Vulkan. Von einein titul
sen, der ich jetzt bin, erwarten die
Tiirten nun einmal nichts Gutest«
Der Generalleutnant z. D. oon
Teussern schwieg. Er wollte keinen
Zeinl. An der lühlen Selbstgerech
tigteit dieses Koömopoliten prallte ja
doch altes ab. Man erschien sich oa
förmlich rtietständig als ein Mensch
init Vaterland, als ein ehrlicher
Preuße. Aber als er spät abends In
das Dotel zurückgekehrt init seiner
Frau aus dem Balton ooe ihren siins
Zimmetn stand, versetzte er plötzlich
erbittert
«Meine Tochter Iranzösiiit Hast
Du Dir das je träumen lassen, Mut
tert. . . Dazu ist das Kind nun bei
uns ausgewachsen und. . .«
«Reg’ Dich nicht auf, handl«
sagte seine Frau gottergeben. Auch
sie war traurig. Ueber den beiden;
eilten Leuten stand sunlelnd llar der
Sternenhimmel, um sie spielte wei-»
che, littitenschioere Mainachtlust, vor
ihnen glänzte nah und sern, rnit.
« Tausenden und Zehntausenden von’
Flammenounlien das Lichterineeej
von Parie. Der alte here sah
ins Weite hinaus und schüttelte denl
Kaps
«Das isi eine verfluchte Stadt«
Dildegardi Dreimal sind wir nun
hier eininarschiertl Aber sie steht iini s
iner noch!. . . Und ver Teufel geht
darin herum und schaut, wen er
singtl Und das Schlimmste ist, wenn
einer sein eigener Seelenoertiiuser ist
.ioie die Gretel Jch hab's toininen
sehen. Nun weiß ich s! Wir haben
unser Kind hingegeben, Mutter. Ei
ist fortl«
«,.Ollier . HMann .«
«Still. Mutter! Das weißt Du
nicht! Jst denn das noch die Grete?.
Mein altes, gutes, angezo,1enes, wi
derhaariges Mär-eli. . . Nee. . . nee
. . . nee. . . die haben sie uns hier
vertauscht!«
»Du mußt nicht so streng seini«
»Ich habe gar nichts gegen eine
große Ida-ne!a sagte der alte Gene
ral ruhig· »Auch wenn diese Welt
dame zufällig meine Tochter ist.
Aber meine Tochter selber wäre mir
liebert. . .'
»so-um« sonst Wir wollen schla
ten gebeut«
Er sotgte the zögernd in die Zim
mer. Dieser aufdringliche Luxus war
ihm ein Greuel.
.Eigentlich ist ihr Mann doch
gräßlichi Richt, hildegardk
«Mein Gott —- wie solche Leute
findt«
»Ich hab' immer Angst, ich ver
wechsle ihn «tnal mit seinem
seldschrant in der Ecke. Die beiden
Pakt-en eine verdammte Aehnlich
et.«
crzetlenz von Teusfern lieh die
usieworhiinge herunter, um die
tadt da draußen nicht mehr zu
ich-m ,
Die Generaltn war nicht to un
erdittlich wie er. Oder wenn sie es
I tetn versuchte, toar ihre Natur
» ster. Sie hatte so wenig oom Le
· sen gehabt Sie war nie recht her-l
ousgekornrnern Nun genoß sie, nett et
ner späten, matten, herbstlichen Freu
de. halb iiber sich selber lächelnd, Pa
ris. Mit ihrer schonen Tochter an
der Seite siihlte sie hier eine Art
heimatberechtigung. Zuweilen gin
gen ihr bei der Geldoerschroendung in
den großen Magazinen und in den:
Schaulsden der Rue de la Paix doch
die Augen liber. Margarete gab die
Tausende mit einer so unbefangenen
Selbstverständlichleit aus —- fie frag
te oft goe nicht noch dem Preise ——t
man mertte: sie wollte dadurch nichts
ein-a imponieren — sie war es ein
fach so gewohnt. Der Mutter war
es unheimlich. Sie entschloß sich,
doch einmal mit dem Schwiegersohn,i
als sie unter vie: Augen waren,
zu reden. Aber Karl Feddersen zogi
erstaunt die blaßblonden Brauen
i
doch. · l
»Warum soll sich denn Datsn nicht
laufen, was ihr Spaß macht?«
»Mir chisre marnan —- das spielt
bei mir wirklich teine Rolle!«
Frau von Teuffern zögerte. Dann
meinte fie ernst
.,Und die Rückwirlung auf ihren
«Charatter. . « fiirchtest Du da
nichts«
«Charaiter. . . wieso?«
»Ich meine, das muß doch schließ
lich zur Oberslöchlichieit führen,
wenn eine junge Frau so auf Pud.
und Schmuck aus ist. . .'« (
»Zum Gliiei ist sie’s. Sonst würdel
ich sie darum bitten müssen! JchH
wiinsche eine elegante Iraui« (
Karl Fedderser. begegnete derJ
Schwiegermutter mit einer etwas gesj
langweilten höflichleit Er wußte’
mit ihr nichts anzufangen. Mit dem(
General freilich noch weniger. Ders
war ihm ganz fremd. Da versiegte
binnen kurzem jedes GesprächsthemaJ
Der alte Herr ging auch am liebsteni
seine eigenen Wege. Er pilgerte still;
’in Paris herum. Er stand in dem;
Nondell des Triumphdogens und
äugte hinüber nach dem Monl Va-!
lariem der ihnen Anno siebzig so zul
schaffen gemacht, und sah auf deml
langen schnurgeraden Ausblick due
die Elnsäischen Felder bis zum
Louore die weite Stelle, wo damals
bald nach dem Einmarsch die Trüm
mer der Tuilerien tauchten. nnd sah
den damals gestürzten Napoleon wie
der tlein und schwarz ausrecht aus
der hohen Säule stehen.
Gäste tamen um diese Zeit wenig
in das Ieddersensche Haus. Das
Ehepaar hielt sie sern. Aber der
General merkte doch: Mit dem ei
gentlichen Paris hatte seine Toch
ter wenig Fühlung. Es waren nicht
jene Vollblutsranzosem denen die
Boulevards die Grenzen der Welt be
deuteten, es war eine internationale
Eeldrlique, in der sie verkehrte. Sie
gestand es ihm selbst und lachte und
meinte: «Einmal müssen wir sie Euch
doch vorsetzen! Zum nächsten Don-«
neestag haben wir alles zusammenge-i
teommeltt«
Es waren meist Verwandte,
du Bviö de Bomogne einsanden.
Alexandre Feddersem der Bellt-lut
Pariser, nett-BE mit dlondem Spit
bart und Zwitter, seine Fran, die
Ameritanerin, in extraoaganter Tois
lette, zu schmächtig, um mehr als
hübsch zu sein, mit strahlendem Lö
cheln. Margarete rauschte ihr stür
misch entgegen. Beide lüszten sich so
zärtlich, als hätten sie sich ein Jahr
lang nicht gesehen, während ihnen
die Feindschaft wie den Katzen aus
den Augen blihtr. Dann Nicolai.
der Mostauer Bruder« und seine rus
sisches Gattin, groß, schwer, blond,
mit dem verächtlichen Ausdruck einer
slawischen Schönheit aus dem majes
stätischen, regungslosen Gesicht. Sie
sprach nur Russisch mit den Brü
dern Feddersen und mit Madame
Lisa Samt-dein der an einen Ameri
taner derheirateten kleinen Baltim
Dann Monsieur und Madame Bein
hauee — ein untersetzter Herr mit
weißem Vollbart. Sein deutscher
Name sreute den General von Teuf
sern, er hätte ihn schon beinahe als
as .
i
die?
sich an diesem Abend in der Avenne1
Landtmann angesprochein Aber je
ner tam zuvor: O nein, er war El
sässer. . . Er hatte ftir Frankreich
optiert. Er war Nationatist sans
phrase, txt-kleiner Spinnereien m
Miilhiiusem Und wieder nannte der
Diener an der Tür die Namen:
Monsieur und Madame Cogan, in
Firma Cagan u. Mitchell, russischer
Weizen, erlöuterte sMargarete sitt
sternd den Eltern. Monsieur van
der Muylen, ein Vriisseler Bankier,
in tntimer Beziehung mit der dorti
gen Suerursale des hauses Jwan
Feddersen und Söhne — Monsieur
te Klar-h russische Maschinenindustkie
—- Monsieur und Madame Lesueur,
Pariser Börse. . . Die Gesellschafts
riiutne des Feddersenschen hauses wa
ren tibersiillt. Es war eine ersticken
be Vipe. Ein Geruch wie im Par
sitmladen —- ein Gelächter und Ge
schwiste- aul lmnzölitdr. englisch, tut
sisch, deutsch — zuweilen sprang einer
mitten im Sah in eine andere Spra
che über-, sein-Nachbar antwortete in
einer dritten —- die Worte waren
ihnen wie eine gleichgülttge Scheide
niiinze, die man beliebig bald aus
dieser, bald aus jener Tasche sog.
Und was aus sich aus diese Weise liber
mtttelte: bei den Männern drehte es
sich sasi ausschließlich um Ge chiiste
. . . die Maege site Moskauer um
wolle —- Rachtsrsfie in den slidrussis
schen Weizengouvernements. die deut
sche Konlurrenz aus dein Baltan . .
Dann ein hihiger Wortwechsel Die
drei Brüder eddersen stritten plöt
lich wieder ii er die BirsulckBraues
IiIUttiene a 0 (
Die Damen waren an diese Bör
senstitnmung zwischen Fisch und Brei-i
ten, zwischen Blumenschmuet und
Stlheepruni schon gewöhnt. Sie
schwahten unterdessen lider ihre An
gelegenheiten . . Theater-. . . Moden
. . . ein paar große Hochzeiten . .
Klatsch . . Auch Margaretes Antlitz
war leer und liebenswürdig: das
Konventionelle der Weltdamr. · .
eine rosige Matte, hinter ver der alle
Teussern sein Kind nicht mehr sah.
Er war schlechter Laune. Jnnerlich
gereizt durch diese Umgebung ver
gniigter Geldmänner und ihrer Frau
en. Zum Unglück meinte eben jth
sein zweiter Nachbar zur Linien«
Monsieur Hean Beinhauer, in der
Absicht zu scherzen
»Herr General, wie siihlen kSie
sich denn so zwischen dem Zwei
hundi«
»Wieso Zweit-undi«
»Nun, ich hier links als Fran
zose und Jhr Schwiegersohn rechts
als Linssr. . .«
»Ich sehe hier drei Leute,« sagte
der alte Herr schross. »Die heißen
Teufsern« Feddersen und. . . und
Bei-chauen wenn ich recht verstan
den habe. Ehrlichere deutsche Namen
tann ich mir nicht denken! Wenn
das Rassen und Franzosen vorstellen
Zotten . . . na . . . ich bin ein Pren
e.«
Und in nachträglichstem Zorn
sügie er hinzu:
»Aber wenn Sie so intirn mit
dem Zweibund sind, dann sagen
Sie ihm bitte, here Beinhauer. . .
in meinem Name-. . . Wir. seien
noch genau dieselben etligen Kerle
wie damals . . .Sie wissen schon,
wann. . .«
»Ich war sogar dahei, mein Ge
neral! Jch war in Koblenz gesan
gen.«
»pra. . . sehen Ore, was daoer
heraustommt!« sagte der alte herr
befriedi t und trank sein Glas aus.
Dann saß er steif und gerade da.
Im ersten günstigen Augenblick gab
er nach Tisch seiner Frau einen
Wint. Es glückte ihnen, sich unbe
mertt zu empfehlen und zu Fuß
durch den lauen Frühlingsabend nach
ihrem Hotel hinüber zu gehen. Herr
von Treuffern sprach unterwegs
nicht oiel. Nur einmal stieß er mit
dem Stock aus das Plaster und sagte
lebhaft:
»Mutter. . . Was ist das siir eine
Menagerie!« ·
»Ja, Ludwig — mir gefallen sie
auch nicht!«
»Und da siihlt sich die Grete nun
lnohl!«
Wenige Tage daraus laut Exzels
Ienz von Teussern zu ungewohntsriis
tfer Stunde in das haus seiner Toch
ter. Er tras sie allein. im weißen
S eniiiorgenrocl, Bibi, den Kläffer-,
au dem Schoß, bei der Frühstücks
schololade. Sie zeigte ihm lachend
eine Stelle in dem Pariser New
York Heraldx »Siehst Du, da stehst
Du drinnen, Papa. Gestern abend
nnter den Gästen int Classe-Eben
».-Zotel: Monsieur le ssöncsral et ma
Same de Teufsern de Berlin....«
»Das sind stinlerlihchem Grete!"
Der alte herr setzte sich. »Spielt Jhr
Euch meinetwegen so’n Zeugs vor.
wenn es Euch amiisiert. Weißt Du,
Kind Mama und ich sind jetzt
einig: Morgen mittag reisen wirt«
»Aber Papa . . .Jl)r seid doch erst
vierzehn Tage...'«
»Es ist genug! Wir haben Dich
gesehen! Wir haben gefunden, daß
is Dir gut geht was sollen wir
noch hier«-l Jch hab' mit Deinen
Leuten nichts zu schaffen und die
nichts rnit mir Wir kosten Dich
ein Heidengeld in dieser Räuberhöhles
da um die lfcle....« , (
»Ich bitte Dich, due bißchen·...«
»Na mir ist's leid um die
schönen Groschen! Also rede nicht
weiter, Gretel Du weißt: wenn ich
in mir einmal etwas festgeseßt habe,·
tann geschieht’s."
Es war eine kurze Pause. Der
»n- Miciiiik sah fein vie schön-J
dunkle, schlagie Frau vor ihm an,
iie aufrichtig betrübt, aber ohne wei
ter dem Vater zuzuredem mit der
weißen. reich beringten band durchl
las Fell des Bolognesen glitt. Er
lemerlte jeden Tag neue Edelsteine
an ihr. Jhr Schmucklasien schien
unerschöpflich. Er fragte unvermit
telt:
»Saq’ mal, Grete: lvie stehst Das
denn nun to eigentlich mit Deiner-H
Mann?"
Sie war erstaunt. Die blauen
Augen des Vaters ruhten fo freund-,
lich und offen auf ihr, daß sie lachte
sind unbefangen erwiderte:
»Seht gut, das siehst Du dochi«
»Du meinst damit: Jhr streitet
Euch nichti«
»Nein, wir vertragen uns.«
»Aber wie ist denn das mit Eurer
geistigen Gemeinschaftli Er ift doch
io ein ganz anderer Mentcht Seid
Jhr Euch denn auch seelil nahef«t
«Seelitch nahe? ....« weder-holte
sie. Es war ein ichwaches Lächeln
auf ihren Zügen, dessen Oberfläch-«
lichteit ihn verdroß. Er betonte
ernst:
Wind das ist doch die Grund
sedingung Man muß wissen,
wer der andere ist und was man an
ihm hatt«
Glaubst Du, daß an Charley so
viel zu ergründen isti i«
Nun war ein Zacken um ihre Lip
pen, so harmlos, als belustigte sie
die Vorstellung, in Karl Feddersens
Seelentiese aui Entdeckungssahrten
auszugehen Sie meinte: s
«Charley verdient Geld, Papal«
lind das tüchtigt .. .. Weitere Sei-l
ten wirst Du ihm schwer abgewin
uenl«
Und das genüat Diri'«
»Ich tann ihn doch nicht anders
machen, als er istl Er läßt mitt
aurh treiben, was ich willi« s
,,Eben, mein Kind! Jhr geht nei-l
beneinander her« Und immer unter
anderen Menschen Jch habe Euch
beobachtet: Jht habt ja eine wahre
Scheu, einmal einen Abend allein
miteinander daheim zu feint« i
»Das ist doch auch gräßlich langU
:veilig!« (
i
»Wieso denn Grete? Du bist
doch-zum Beispiel miisilalisch!«
»Aber er schliist dabei ein!«
»Oder man liest zusammen ein gu
»g« Buche-«
Nun mußte sie lachen, trotz des
Respelig vor dem Vater. »Ja
den Kurszettel, Papa Weiter
langH nicht ....«
»Das ist aber sehr traurig.«
»Ja, Gott Charleh hat nun
einmal seinen Beruf«
« »Schön. Und Du, Grete .....
sWas machst Du den ganzen Tag?. .
»Mir scheint: nichts!«
i Margarete Feddersen gab ihren
Zügen absichtlich einen etwas leicht
sinnigen Ausdruck
! »Ich amiisiere mich! Man lebt
hier nicht so schwer und bieder wie
bei Euch Jch amüsiere mich könig
lich, Papa .. Paris ist doch eine
shimmlische Stadt Gestelf es
nur ’mal selbst...«
»Und das soll immer so weiter
geheni«
»Ja, wenigstens solang’ man noch
jung und hübsch ist-«
»Na, viel Glück, mein gutes Mä
del!« sagte der General. »Aber ich
.ate Dir doch: suche Deinen Mann’
Du bist allein hier in fremdem Land.
lDu hast niemanden als ihn!«
»Nun —- er läuft mir ja auch nicht
davonl« versetzte Margarete leichtbin,
’.3riss nach einem silbernen Döschen
Find zündete sich eine Zigarette an,
anit der Ruhe einer Frau, die ihres
IBesitzes völlig sicher ist. Sie wußt-«
wie verliebt ihr Mann immer noch
vn sie war. Der alte herr schüttelte
den Kons.
»3wischen Mama und mir hat’s,
wie wir jung waren, so anches
Donnerwetter gegeben, Grete. Das
war notwendig, damit wir den Weg
izueinander sankti. Wir haben
Imanche Not und Sorge zusammen
qurchgemachtl Wir haben-Euch sechs
TVälge großgezogen Deine Mutter
!bat’s ost nicht leicht gehabt! Aber
isie hat sich aus mich stützen tönnen.
sDas war meine Pflicht Der
-Mann soll in der Ehe der Freund
sein der Führer Vergiß
Zins nicht, mein Kindl«
i Der General hatte-sich erhoben
ISeine Tochter saß, die Hände im
;Schoß, und schaute verblüfft zu ihm
Hins. Bisher hatte sie leichthin ge
plaudert, in der hoffnung, so dies
Gespriich. in dein wieder die Nüch
ternheit des Elteriihsruses, die Lan
geweile ihrer Mädchenjahre nach
llang, mit guter Miene loszuwep
’-en. Jetzt siihlte sie sich aus eininai
anstlich nnd unsicher. Der Vater
sah so besorgt darein! Was war
Denn passiert? Nichts! Gar nichts·
.. . . Es tonnte auch nichts geschehen·
Man gönnte ihr nur wieder einmal
ihre Freiheit nicht Das war
wieder ein Hauch von einst von»
i-riiben, wo es ais ein Verdienst galt-»
sich und andern immer die Hälfte(
aller Dinge im Leben abzuinapseni
ssnd daraus stolz zu sein« daß mar.
auch mit dem Rest noch sein Begnü
sen sand. Die bloße Erinnerung
machte« sie ungeduldig. Sie unter-I
Isrücktk einen nervösen Aerger.
»Jetzt lann man noch nicht mit
Dir darüber reden!« fuhr ihr Vater
Fort. »Jetzt tanzesi Du noch wie die
Mücke im Sonnenschein. Biber es
aibt auch andere Tage! Das geht
doch nicht für ewia. sich Paris um
sie Ohren schlagen, bei einem halb-i
wegs ernsthaften Menschen....« l
»Ja, Jhr denkt immer-, alle Welt«
soll ernsthaft sein . . .
Margarete schwieg. Jhre Stirne
soar traus. Der General zog seine
Tochter zu sich empor und küßte ste.
»Suche Deinen Mann, Grete!
Such ihn beizeiten! Glaube mir,
es tonant die Zeit für jede Frau,
wo sie ihn braucht! . Weh’, wenn«
eibann zu spät ist So! Und
nun ...." Er wurde ganz der Alte.
Er fuhr ihr liebkofenb mit der Hand
ciber den Scheitel. »Nimm mir bie
Standpauie nicht übel! Jch hab'
mein setz einmal erleichtern mässeni
Jch bin doch solch ein alter Pflichten
menich!«
»Aber ich bitte Dich, Papal Ich.
bin Dir ja nur dankbar-i« Mar a-»
rete Fedbersen sagte es mechansch
und zerstreut. Sie war froh, daß«
die Geschichte voriiber war. Sie
baßte Szenen. Daheim hatte es
ewig welche gegeben Strafpredig-·
ten von der Baelsischzeit an. Man
machte es den Eltern ja nie recht.l
Auch jetzt noch nicht. Sie lenkte
rveltliiusig ab:
»Im Herbst, wenn Charley nach
Macedonien muß, dann besuch
Euch, Papa.s Aus einmal steh’ ich
eines schönen Abends in der Tiir!«
Der alte Herr nicite. Vorläufig
war er froh, selber oon Paris weg
zulommen. Am nächsten Mittag
reiste er mit seiner Frau ab. Mar
aarete stand aus dem Bahnhof unter
dem Fenster seines Abteils. Sie
stellte sich aus die Fußspigen uncs
reichte den Eltern die hör-de und
sah noch einmal die lieben alten Ge
s·«-.,chter während der Zug sich lang
sam in Bewegung sente. Jhre Au
gen waren ein wenig feucht, als sie
dem Ausgang zuschritt. Ader da
transzen, vor dem diisteren Gewölbe
des Ostbahnhofs,. lag das Sonnen
gold des Frühlingstages, da grünte-!
die Bäume, da lachte Paris....
10.
Es war zu Anfang Juli -—· Som
merglut, weißer Staub aus den
Bäumen der Adenue du Boig de
Boulogne —- schwiile Nächte, man
schlief schlecht, trog der offenen Fen
ster — Margarete Feddersen lag
lange mit offenen Augen da. Es
war noch ganz früh. Draußen san
gen die Vögel. Sie war allein
Das Schlaszimmer ihres Mannes
nebenan leer. Karl Iedderien weilt
seit drei Tagen in Brüssel zur Fi
nanzierung seines großen Baltan
projeiis. Den Kon voll Zahlen.
eine dicke Mappe unter dem Aren.
war er mit· einem flüchtigen Kuß
abgereist.
Der Pförtner machte große Au
gen« als er Madame um sechs Uhr
morgens zu Fuß das Haus verlas
sen sah. Er schaute der schlanten
Gestalt nach, die in dem lichten
Sommerlleid dem nahen Gehölz zit
schritt. Margarete hatte aus einmal
eine Sehnsucht nach Lust, nach Wal
desgriin, nach Stille. Es war-hier
alles so anders wie sonst die
gewohnten Gesichter fehlten nir
eertds hing, in oer Lust verloren,
der durchdringende Benzingeruch det
Jlutomobile keine Kindermäds
chen mit ihren Psleglingen aus den
Bänken keine Spaziergänger
Selbst das Schntuben der Pferde
aus den Reitwegen tlang nur in lan
Igen Zwischenraumen Die junge
Frau fühlte sich allein. Und nicht
nur diesen Morgen, überhaupt in
sPariL Fast niemand oon ihren
Bekannten war da. Man war aui
rem Lande, an der See. Die Ely
säischen Felder hinunter zeigten die
Häuser geschlossene Lädenreihem Auf
tsen inneren Boulevards hörte man
snehr Deutsch und Englisch ais
Französisch. Die Stadt gehörte den
Fremden und der Provinz. Alexan
":-re Feddersen und seine Frau saßen
längst mit einem ersten Schuh aus
New York gelandeter ameritanischer
Baumwollverwandter in der Eleganz
von Pan —- gestern war auch Ma
dame Lisa Campbelt. die Deutsch
Russin —- eigentlich die einzig-«
Freundin, die Margarete hier besaß,
.nit ihrem Mann und ihren Kinder«
nach Biarritz abgereist. Nur das
Ehepaar Karl Feddersen hatte blei
ben müssen, um im Dienst der Fir
ma das Vierteljahr Hochzeitsreise
vom Jahr zuvor nachzuholen Mar
gareieö Gotte war viel zu sehr Ge
schästsmanm um das nicht völlig
selbst in der Ordnung zu finden.
So war seine Frau aus einmal
rus sich geste! it, dem Wirbel entriictt
Seltsam: sie verntisz.e den geschästi
gen Müßiggang nicht; sie merkte
nachträglich, daß er sie doch erschöpf
iatte. Sie hatte in der letzten Zeit
rieles nur mitgemacht, um es eben
mitzumachen, aus Gewohnheit Nun
tat ihr die Ruhe wohl. Und doch
lag etwas Vedriiekeudes in diesem
Wehen der Einsamkeit um sie« als:
sie längs des blauen Spiegels de
Seine dahinging, blauen Himme:
iiber sich, Tauglanz aus den Wiese-s
um sie, aus den Viischen und Bäu
men. Wie war das alles verfloaen«
Es hinterließ teinen Rest. Nur
Leere....
Zum erstenmal, seitdem Margarete
Feddersen in Paris weilte, war sie
traurig. Worum nur? Sie blieb
itehen. Sie spürte einen Aerger ge
gen sich- daß sie sich selber wieder
solche Ueberraschungen bereitete. Sie
hatte doch allen Anlaß, zufrieden zu
sein, wollte es auch sein und es der
Welt zeigen. Was war denn das
nur sitt eine alte ilnruhei Darüber
sollte sie nun doch wirklich hinaus
sein....
Sie setzte ihren Weg tork.
und zu begegneten ihr Menschen.
Sie hörte stanzösische Laute. Sie
fühlte neugierige Blicke· Man er
kannte an ihrem hohen Wuchs, ihrer
strassen Haltung die Auslöndetin
Zum ersten Male hatte sie selbst das
Bewußtsein, daß sie in der Fremd
war. Allein. Was sie hieß und
war, was sie besas: und bedeutete,
cerdanlte sie einem anderen, ver
dantte sie ihrem Mann Die
Stimme ihres Vaters klang in ihr:
»Geh! Suche Deisen Mann!».«
Sonderbar: Aus einmal hatte sie
Sehnsucht nach ihm. Ein Bangen
oor dem Allelnsein. Eine AM
Sie hatte bisher alle seine Gaben
nnd Wohltaten als ethas Selbstver
ständliches hingenommem nicht ein
-nal Danke! dazu gesagt. Und er
war doch so mild und riicksichtsvokh
Er hatte sich noch nie beklagt, dass
sie auch siir ihn nur die kühle Lie
benstviirdigteit iibrig hatte, die sie
rllen Menschen gegenüber desaß; Sie
hatte sich selbst darüber gewundertl
wohin bei ihr eigentlich das Tempe
rament ihrer Mädchenjahre verslogen
war. Sie hatte das wohl überschötzt·
Aber nrsn larn da etwas .. .leise,«
aus einem gepreßte-n Herzen sp,
rslg ob sie träume .. . so wie ,vor
einein großen Wunder: Sie siihlte
tsie erste erwachende Liebe zu ihrem
Mann .....
Und dabei waren sie schon so lang
Mann und Frau. Sie wurde
nachträglich einer schweren Qui
bewußt. Einer Wandlung iska
gut, daß nun ein neuer Lebensabs
schnitt begann. Es war hohe Zeit.
Wie hatte sie bisher die Tier vers-.
kracht, alles von ihm genommes —
und ohne Liebe .Er hatte I MTH
nie siihlen lassen Er hatte tschi
gewartet. Er kannte sie We
sie selbst. Er wußte: die Sinn-H
kam....
. Gegen Mittag liei sie da tue M
das Telephon und ließ sich m Brit
sel verbinden Karl Fedder s»
fast erschrocken, als er die
seiner Frau im Apparat W
Er fürchtete, es sei etwas · «
»Was gibt s denn, um
ten, Margot«i«
»Nichts Besonderes Charlersi J
wollte Dir nur rasch sagen: Jch ha
Dich so liebt«
Er hob erstaunt die Atlgenbmrters.
»Wie, Da sn?«
»Ich hab Dich so furchtbar lieb
Ch.1rley!«
Er mußte lachen, dat- Hörst-Mär
der Linten,-ein Bündel Hätt erten srsr
Schienenlieierungen der driabalsn
in der rechten Hand. Er hörte wei
ter:
"»Laß doch Deine dummen Ge-·
tchäste! Komm recht bald nach Per
nriicki Zu mirs Hiirsr DU?«·;
« o rasch ich lann"·
«Wann d-: nn? Ich sehne mich so
nach Ditt«
,«.,-»- .»tet»4 ,...L
JLUII lUUL II IUIIIIIUJ skcusks Ussu
gefchmeichelt. Das rvat lkg anri
neu. Er überlegiex :
»Morgen abend uin sieber »Das-W
sts Dir recht?«
»Ja, ja, ich ho!’ Dich ass
Er glaubte zu hören, wie sie be
Hliiclt aufntmete Sie stand nuf dem
Bahnhof, als der Zug einlief. Das
war der erite erfreuliche Ein-III ck
für Karl Feddetfen Und wie«" e
reizend und blühend augfnhi Sie
hatte fich ihm zu Ehren fchöngbs
macht. Sie war noch eleganter wie
gewöhnlich, weil sie wußte, daß« er
das liebte. Sie eilte ihm göttlich
cnit offenen Armen entgegen. Eis
schickte sich eigentlich nicht, dass-man
sich fo leidenschaftlich begrüVe Aber
er war froh. Er fah die licke der
llmfiehenden und fiihlte einen Sto I.
Er nahm ihren Arm und geleitete fie
zum Autornobil nnd weilt-, daß sie
sich enger als fonft an this
Er begriff das alles noch« " .."«Ibes:
er war zufrieden. Er f »
and geniiitlich neben Mq m Fa
riem offenen Gefährt und" elt shse
Hand in der feinen, und He liicheite
hn aus ihren schönen, blinle Alv
.1en nn. So fuhren sie Was n
7n die Dämmerung hinein nnd n eh
Hause . · . . ,
»Was hast Du nur?« frggte Kost
Fedderfen acht Tage ist-M hiklb
vergniigt, halb verwuidesk fe ne
Frau. »Seit ich aus Brilffei Weins
bin, bift Du tvie nusgewechfelt
Sie antwortete nicht.gleich, tfon-«
dern lachle und fchnellle imiilber
den Tisch hin ein paar Brol EINka
ins Gesicht. Naß Du gich mir»
vergnügt fei«n!« fagte sie. L» ei DUT
.1uch! Sei froh, daß ich so jin
»Na ja Aber Jdeen haft Du
Er blickte sich in toniifcher Ver
zweiflung in der Weinlanbe des
ländlichen Gafthaufes um« in er« fie
beim Efer saßen. »Da helf lenpr
Du einen ftundenwelt non spart-i
hinaus in die Einöde, wo mlm feinen
Menschen sieht... «
»Bist Du kein Menfchi«"
»Auch hast Du doch Macht«
«Neinl thier hab’ ich Eis AGanz
O · , l Sic
für mich. Das will
fireelte bie. Hände plus und mahn
spielend seine große fchmte Rechte
an der der breite Eherfng kaute-lic
zwifchen ihre schmalen Finger. »Du
bift mein Manns .. Alles andere
ift langweilig Hörst Qui
Jch bin überhaupt viel zu gut zu
Dir Aber ich muß. Jch bin
ietzt in so einer Stimmung ..«·«
(Fortfehung MAY , If
— --.———s---ssi-d
— Gedunfenipcjjietd —
ILiebe macht blind —- vimzss wujdert
man sich später oft, wsmaw die
Wagen gehabt «
— Feine Manch-. —- sahn
(zum Rosenblüh): Du, istki Naht-,
deine junge Frau soll fo« Ihr cis-«
»süchtig sein? Wie mochss ich »dem
da, wenn du mal all-i Histsmhn
willst? «
Rosenblüh: Ae Spielerei, ich fng’,
ich geh badenl «
. sk,
.MI Wuls