Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 29, 1917, Sonntagsblatt, Image 11

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    . Lieb Vaterland. I
Roman von Rudolf Strap. (
(4. Fortsehung.)
»Ich höre nichts! . . . Hast Du
deren Feddersen »Ja« oder »Nein«
gesagt!«
«Neint. . . Zum Kuckuck. . . das
erzählte ich ja die ganze Zeitl«
»Alle liebst Du mich nichts« sagte
Margarete plöhlich ruhig und
hoffnungslos, liesz die Hände in den
Schoß sinlen und starrte oor sich
hin.
Dann jügte sie mit einem bitte
ren Zacken um bie Mundiointel hin
zu:
»Wenn man jemanden wirklich
liebt, dann oringt man jedes Doseri
Und ist das wirtlzch solch eine furcht
bare Ueberwindung —-’-eine Lebens
stellung. die aian Dir aus dein Prä
sentierbreti anbietetf Aber nicht ein
mal io viel bir. ich Tir wertl Das
ist nun der Dant. . . Zweieinhalb
Jahre hab' ich Dir Treue gehalten!
Jch hatt ein paar-mal heiraten tön
nen in der Zeit. . . einmal sogar
glänzend . . ich hat« Dir nie ge
sagt. . Mama war wütend. . . Pa
i
pa auch! Mir wand egall Jch hab’«
zu Dir gehört!. . . Pati. . . Nun
wirsst Du mich sort. . ."
»Ich Dicht. . . Bist Du denn
wahnsinnig, Gretel-«
Sie sprang aus
»Was glaubst Du denn, was dazu
gehöri, daß ich, ein Mädchen wie ich,
zu einem ioildiremden Herrn hinlaus'
und für Dich drittes . . Was glaubst
Du, was ich hier zu hören gekriegt
hat« , . .Gelacht hab« ich dazu! Jch
hat« ja siir unsere Liebe getan!
Und wie sieh« ich jetzt da?. . . Jch
lann mich ja nicht mehr sehen las
sen. . . ich musz mich ja in die Erde
hinein ·«cinien. . Eine neiie Braut,
die so oon ihrem Verlobten im
Stich gelassen wird!. . . Nächste Wo
che sahre ich zu Tante Aoetheid nach
Austran Ich schreib« ihr gleich.
Dort bleib’ ich bis aus weiteregL . .
Da kennt mich niemand! Da sehe ich
niemand . «
.Und ich?"
,1u’ Du doch, was Du willst!
»Wenn ich rechts geh’, gehst Du ja
doch mater til-ts. Also gehen unsere
Wege even augeinanderl Ahnsi Du
denn. was ich an Opfern siir Dich
gebracht hab' in der ganzen Zeit«i
Glaubst Du denn, irgend jemand
hats es mir leicht gemachit Jm Ge
enleit: Papa hat gepredigt, Mama
gar gepredigt, alle haben gepredigt:
Was willst Du eigentlich mit dem
Lunenmnnt Er hat teinen Namen.
- Ei hat tein Geld. Er hate teine
f Verbindungen Er sieht nicht besser
aull als tausend andere! Ja. . «
hab' immer geantwortet: Mir ist
I sein Name recht! Jch sind’ ihn
schont Jch hab« ihn lieb!. . . So
lieb. . Jch dar stolz aus Dicht Jch
hab' immer gedacht, Du bringst es
noch zu was. Du siehst mich zu Dir
s hinauf"
»dann Bu Grete. . .,« sagte der
Leutnant Liinemann traurig, »Du
dentst immer zu sehr an das Neu-!
ßerel . . Unter »hin-.:us« da verstehst
Dueiice Masse Moneten,Euipage, die;
Crzeueaz aus der Visitentarte —-lau
ter Zeug, das einem doch nicht wie»
die gebratenen Tauben in den Munds
fliegt. .
»Ju. Jch bin ehrgei·zig. Es gest
hört zu mir. Jch hatte auch eink
Recht daraus Denn Du bist ktutH
Du kannst es weit bringen. Das
sagen alle —- auch die, die Dir gar«
nicht grün sind! Aber dazu mußt
Du unbehindert sein. Jch wäre DirI
im Leben nur eine Last! Seit einerk
Stunde ist mir das ganz klar. . .« s
»Grete!« f
Er versuchte es noch einmal mit.
der Liebe: er fah sie innig an. I
»Gute! Wir wollen Geduld und
hosfnung habent Wir können sa«
warten Wir find ja noch jung. . .«i
Sis: lachte aus.
»Ich werde dreiundzwanzigi. . .
Ich geh« im vierten Winter aus. . .
Bis übernächsteo Jah: bin ich abge
xanzt und ’ne angehende alte Jung-;
erl« «
Rede doch nicht solchen Unsinnl«t
»Ewig tönnen mich Mama und;
Papa nicht In Gesellschaft schicken.l
Denkst Du, es is: dann ein Vergnü
gen bei den Eitern daheim zu hockens
und zu rvarten bis ins Aschgraur. . .!
ganz Ins Ungewisse hinein. . . wäh
rend einem die Sehnsucht nach dem;
Leben aus den Nägeln brennt. . .
Nein verrückt bin ich schon manch-i
mal vor Ungeduld. . . Du bast's’
gut! Du kannst noch in zehn, küns
zehn Jahren« bis hoch in die Vierzig
hinan-, als gemachter Mann heiraten! )
Du wund-re sich niemand. Wenn Du
dann Geld hast, kriegst Du gleich eine.
. . . Soll ich Dir dann ein hochzeitss
bulett schicken? Und Du denkst Dir:
heregott . . die Grete. . . lebt die
auch noch7. . .«
Es war ein leampsbastes Weinen
In ihrer Stimme. Aber sie bezwang
ch
»Ihr habt viel Zeit vor Euch, mein
lieber Morihc Wir müssen die paar
Jahre nützen —- wenigstens, wenns
man weiß, daß man sein bltchenk
Jugend und stibschteit und alle-s
sonst ja doch umsonst opsertt Du haft
offenbar Dinge im Kopf, die Dir
wichtiger sind als Deine künftige
FrauL . Sonst hättest Du mir-nicht
heute alles so mutwillig verdorben!
Guts . . .Jch heiße die Zähne zu
sammen! Jch iomme schon drüber
weg! Aber wenn Du so vernünftig
bist, will ich es auch sein! Also
Adieu, Musik«
»Grete!. . . Sei doch gerecht! Jch
tann ooch nicht mein Vaterland ver
raten: Wir sind doch nun einmal
Deutsche! Wir sind Preußen!«
»Ich pfeife aus Euer Preußentuni,
wenn man nichts davon hat als
Kummer und Not! Jhr kommt mir
einfach tomisch vor mit Eurem Pa
triot·ömus. Jch hab1 längst keinen.
Jch hab' gar keinen Grund, hurra zu
schreien und mit dem Taschentuch zu
wedeln! Mir ist zum Heulen zu
mut!. . Das wird auch nicht besser,
wenn ich mir eine schwarz-rot-weiße
Schleise ins Haar siedel. .
Piih!. . . .«
»Nun ist’s aber genug mit dein
Unfug! Jch höre nicht weiter zu,
Geete!«
»Ja, da stehst Du, stolz wie ein
Märtyrer, und sagst: Jch esse lein
sranzösisches Brot! . Aber deut
scheö kriegst Du auch nicht —- in Dei
ner heiligen Einsali! Ach du lieber
Himmel. . . Jch wiirde gleich Fran
zösin iverden, wenn ich aus keine att
dere Weise was vom Leben haben
tann!. . . Man lebt doch siir sich und
nicht für die anderen·"
»Nein, Gretel Ein Mann hat
Grundsätze, die· . .'«
»Gut! heirat’ Du Deine Grund
sähel Jst mir recht! Verlange nur
nicht« daß ich noch länger miiinach'!
. . .Jch hab' eine zu böse Lehre
empfangen heute mittag! Die ver
gess’ ich nicht wieder-. . Ach. . . bloß
nicht mehr reden . . . nichts mehr
selten. . . .nichtg mehr von Euch ho
renl J vertrag' Euch einsach nicht
ntehrt Zhe sallt mir zu sehr aus
die )?eroen!. . . Jhr steht großar
tig da, und ich muß die Zeche zah
len!. . . Uno Jhr diinlt Euch dann
noch was als Preußen, aus meine
Kosten . ."
»Gute. . . Du mußt gegen diese
Verbiiterung aiitämpsen!«
»Ja, glaubst Du denn, ich säße
setzt nicht auch lieber hier an dein
Tisch als Deine Braut?. . . Und die
Meinen herum, und der Himmel
voller Geigeni Jch hab’ selbst den
Tisch gedrai mit tausend guten Ge
denteri siit Dich und mich!. . . Jch
hab' mir vorgestellt: so ded« ich bald
in unserem eigenen heim, site uns
beider . . . Jch hab mir, wie ich die
Blumengliiser richtet-, im stillen ge
dacht. Ich will Dir eine treue, gute
Frau sein —- eixi rechter ItameradL . .
Jch war es auch geworden! Aber
da kommst Du. . . es ist ja eben Un
sinn, wenn man einen Menschen so
lieb hat, ivie ich Dich gehabt hab’!
Man wird dastir bestraft. . .«
Der Leutnant Lünemann suhr sich
verzweifelt mit der hand durch die
haark.
»Wenn ich nur wüß.e, Grete, was
ich tun kann, um Dich aus dieser
Stimmung zu reißen!«
Sie wurde aus einmal ruhig.
l »Ist Herr Feddersen noch in Bet
in?«
»Er wollte heute abend reisen.«
»Willst du mir zeigen, daß Du
mich lieb hasti«
»Ja- tu- quest«
»Dann geh« seht iioch einmal zu
ihm hin! Sag ihm, es wäre ein
Mißverständnis gewesen! Du hättest
Dich seht anders besonnen. Du seiest
bereit, seine Vorschläge anzuneh
men. . .«
»Gute. . . um Gottes willen. . .«
»Ja den paar Stunden wird die
sStelle noch nicht besetzt worden
ein.«
»Aber er bietet sie mir doch nicht
zum zweitenma. ant«
»Sag’ ihm, ich ließe ihn darum
bitten: dann tut er«s! Er war so
nett und freundlich zu mir. Er ist
ein guter Alte-nicht«
«Dug ist unmöglich, Grete!«
«Warum unmöglich?"
»Ersteng ist die Sache entschiedent
Da lommt nmn unter Männern nicht
wieder daraus zurück. Er würde das
gar nicht verstehen. . .«
»Er versteht viel! Er lommt so
viel herum und mit so vielen Leuten
zusammen· Er tvnndert sich über
nichts-. . . Mus. . lieber Mitg. . .«
Sie saltete flehend die Hände· »Das
ist noch ein Hossnnngsscheim . . .Und
wenn er uns trügen sollte —- Du
hast mir dann doch wenigstens ge
zeigt, dnsz Du mich liebst. . daß
Du Dich überwinden kannst um
meinetwillen. Das ist mir mehr wert «
als alles andere. . . Mut-. . . nimm
Deinen helm. . . rasch. . . geh'. . .
die Minuten sind kostbar-. . . wenn
Du gurücklommst, ist alles gut, und
wir sind glücklich. . .«
Morih Litnemnnn tämpste einen
kurzen, schweren Kampf. Dann schüt
telte er den Kopf.
«Grete. . . das tunn ich nicht. . .«
JDu mußt Deinen Stolz überwin
den «
»Das ist es nicht!. . . Aber Iron
Iose werde ich nicht. . . Das geht mir
zegen die Naturs«
»Auch nicht« wenn Du mich dann
betont-usw«
»Ich hätte nichts mehr davon! Ich
M
wöee dann ein iaputer Menschl. . .
Jnneriich sertigi. . . Deiner gar nicht .
mehr wert!«
Sie nestelte sich mit einer raschen
Bewegung den schmalen goldenen
Reis vom Finger und wars ibn vor
sich aus die Tischplatte. Er rollte bis
vor ihn. Er wäre zu Boden gefallen,
wenn seine band ihn nicht ausgehen
ten hätte
»Da ist Dein Verlobungöring
Moriyi Gib mir meinen auch wiederi
. . Es ist ansi«
»erie!«
»Es ist aus! Lasz es Dir gut ge
hen, Motitzk Vergiß mich!. . . Such’
Dir eine Frau, die Geld hat! Und
laß mich meiner Wege gehen. . .«
»Ich lasse Dich nichi!«
»Du hast mich ja selber von Dir
gestoßen. Jch will nichts von ei
nem Mann wissen, der mich nicht
liebt!. . . Gib mir meinen Ring!«·
»Gute. . . wir wollen nicht wei
ter sprechen. . . Wir wollen wor
ten, bis wir ruhiger sind. Mor
gen. .
»Nein. Jch will jetzt gleich ein
Ende machen. Jch hab’ es satt. Du
bist frei, Mokitz!. . . Gib mir meinen
Ring und grh’!«
Wirst-»
»Geh’. . · ich will nichts mehr hö
ren. . ."
Es war ein Schweigen. Dann
Lüneinanns Stimme:
,,U-berleg’ es Dir noch einmal. . .
zum letztenmal .
Sie antwortete nicht. Sie fah
ihn nicht an. Sie hörte ein leises,
feines Klirrm Das war fein Ring,
den er abzog nnd auf den Subpens
teller vor sich legte. Jhr Herz stand
still. Nun war es entschieden. Sie
empfand fernen Schmerz. Nur nach
träglichen Schrecken. Dann bitteren
Zorn. Auf ihn, auf sich, auf die
ganze Welt· Sie rührte sich nicht.
Vor ihr brach sich die Winters-inne
voll bunter Regenbogenlichier in ei
nem leeren Seitglch Das Glas
blieb ungefiillt. Es kam in den
Schrank zurück. Die Farben der
schcvanden. Der Trank des Lebens
blieb ungeirunten Sie weinte heiß
nnd hilflos. Als sie nach einer Weile
aufblaie, war das Zimmer leer. Der
Leutnant Lilncmann war hinausge
gangen. . .
6
Um dieselbe Zeit saß Karl Fed
derken in seinem Hotet beim zweiten
Friihstiick und ärgerte sich,
Er schenkte sich ein Glas Wein
ein. Der alte Bordeaux schmeckte wie
Tinte. Er wollte essen und schob
gelangweilt den Teller von sich und
zündete sich eine Zigarre an. . . Er
nahm seine Kraft zusammen. Diese
Aschermittwochstimmung mußte über
wunden werden. Diese Tage hier
. . . das war wie ein Stück Traum
. . . ein Ende Willenlosigteit. . . nun
war der Augenblick, wo man Schluß
machte —- ein siir allemal! Heute
abend ging es nach Paris. . .
Was inzwischen tun? Es war
erst früher Nachmittag. Kaum drei
Uhr. Plötzlich lain die Versuchung
iiber ihn: Eigentlich schickt es sich
nicht, so wortlds abzureisenL Jch
niiiszte noch einmal Margarete Teuf
sern sehen oder vielmehr ihren El
tern einen Besuch machen. Ich müß
te ihr alles erklären, ihr sagen, daß
ich nichts dasiir kann, daß aus der
Anstellung nichts geworden ist. Jch
bin es niir schuldig. Gott weiß, wie
sonst ihr Berlobter die Sache dar
stellt.
Sein Dei-z hämmerte heftig. Er
stand aus« Er ioat plötzlich ent
schlossen. Er sah unten im Hotel
die Wohnung des Generals nach und
stieg in ein Auto, das ihn in fünf»
Minuten nach dem Westen brachte·
Die weiten Dimensionen des Berliner »
Mietsdalastes, oor dein es hielt, mach
ten aus ihn den Eindruck, wie aus die
meisten Auslönder. Er war jetzt ge
neigt, den Teussernschen Haut-stand
iu überschätzen Es war doch jeden
falls eine gute Familie. Hier in die
ser Stadt sicher unter den ersten. Er
drückte beruhigt aus den Klingeltnops
der Flurtiir.
m rathe ein zweites Mal lauten, ,
ehe geöffnet wurde. Vorher war;
drinnen ein unruhigeg Hin- undl
Hergelaufe gewesen. Jm Innern des s
dunteln Flurs erblickte er grade nochs
Iie Gestalt eines kleinen, alten Herrn, s
der eilig, um nicht gescheit zu wer-s
Jen, verschwand. Irgend etwas wan
Ia nicht in Ordnung. Das tncrttes
er. Auch das Stubenmiidchen, dass
ruf der Schwelle stand, machte einciH
Zerstörten Eindruck. J
»Die Herrschaften empfangen heute J
eider nicht!« meldete sie, nahm die
itarte des Besuchers und schlon
ileich wieder die Tür. Karl Fedder- «
"en stieg kopfschüttelnd die Treppe
sinunter. Es war alles so schnell
legangen. Etgentlich hätte er eg
ich selber sagen tönnen. Eine bit
ere Enttäuschung til-ermannte ihn.
liun war die leyte, allerleyte Ge
egenheit vorüber. Er blieb unten
m Stiegenhaus stehen. . . ärgerlich.
Jn dem Tor vor ihm llirrte ein
Drücker. Es wurde hastig aufgeno
Ien, eine große, schlanke, junge Dame
lob sich mit ihrem weißen Tellerhut
pon der helle des Glassensterd ab
cnd stürmte achtlos mit gesenktem
Xopf an ihm vorbei, so hastig, daß
r das Wehen und Iegen ihres-»v
l,
rasch bewegten Rocksalten, wie einen
Hauch verspürte. Er sah ihr schü
ne5, düsteres Profit. Ein freudiger
Schrecken durchzuckte ihn. Er hatte
gerade noch Zeit, halb vor sie hin
zutreten, ehe sie die erste Treppen
stuse gewann, und seinen Hut zu
lüften.
»Mein gnädiges Fräulein. . .«
Sie schaute aus. Nun erkannte sie
ihn. Sie wurde noch bleicher, als sie
schon war. Jn ihre duntlen Augen
kam ein seindseliger, kalter Schim
mer. Sie maß ibn kurz, beinahe
;verächtlich, neigte hochmütig das
Haupt und wollte weiter·
. »Bleiben Sie doch einen Augen
blick stehen, gnädiges Fräuleint«
i Sie hemmte zögernd den Fuß. Er
s fuhr fort:
»Und geben Sie mir wenigstens die
Himb. . .««
Sie tat es mechanisch. Er sah
sdurch den Schleier ihre vom Wei
jnen getöteten Augen. Er empfand
;durch tdie Hätte des Handschuhs
Idas Zittern ihrer Finger. Er ver
ssetztu
; »Und schauen Sie mich nicht so
;böse an, Fräulein von Teuffern!
TEI tut mir weht . . . Jch verdiene
has nichts . . .Jch kann doch nichts
sdafiirt Jch habe mein Bestes getan
! . Sie ja auch. .
E »Ja, geivißt Berzeihen Sie. . .
sSie sagte es mühsam, mit abgewand
!tem Gesicht. »Ich bin heute so außer
ImirL . . Jch bin überhaupt so dumm.
’. . .Jch danke Ihnen nochmals. . .
Leben Sie wohl. .
Er stand so, daß sie nicht gut an
ihm vorbei konnte.
»Nein. Noch nicht! Jch möchte
mich doch vor Ihnen rechtfertigen.
Jch weiß nicht, was der Herr Leut
nant Lünemann hier im Hause er
zählt hat! Jch kann Ihnen nur ver
sichern, ich habe mir jede Mühe ge
geben! Jch habe ihm zugeredet wie
einem Freund, nicht wie einem künf
tigen Angestellten. Es ist sonst nicht
mein Brauch. Jwan Fedoersen und
Söhne laufen niemandem nach. Jch
tat es wegen Jhnenl Aber que faire?
Er wollte nun einmal nicht. Jhr
Herr Bräutigam mus; ja wissen, was
er tut. . .«
«
Sie wars den Kopf zurück.
»Bitte, nennen Sie ihn nicht mehr
meinen Bräutigam!«
Sein Stutzer beniertend, fügte sie
hinzu;
»Ich habe vorhin die Verlobung
gelöst. Es ist aus zwischen ihm und
mir. . .'«
»Aber, mein gnädiges Fräu
lein· . .'«
»Aus für iminer!. . . Sie ahnen
nicht, welche Ueberwindung mich das
kostet hier zu stehen und noch ein
mal mit Jhnen zu sprechen, nachdem
ich mich so weit vergessen hab'. . .
; . . Aber Sie sollen es wissen, daß
lich mir nicht alles gefallen lasse!
Diesen oergebiichen Gang nnch dem
Tattersall verzeihe ich ihm nie. Er
.wollte Jhre dargebotene Hand nicht
.haben. Dann braucht er meine auch
nicht! Wir haben uns vorhin fiir alle
Zeit getrennt. . ·«
Sie nickte ihm traurig zum Ab
schied zu.
»Und seien Sie nicht böse, daß wir
Sie mit unseren kleinen Sorgen be
lästigt haben. Jhnen mögen sie to
rnisch erschienen sein. Jn unseren
Verhaltnissen bedeuten sie das Le
ben selber. Oder haben es bedeu
tet.«
Sie wollte gehen. Karl Feddersen
war so betroffen, das; er kaum die
Worte sand.
»Ja. . . und was wird denn nun,
gnädiges Fräulein?«
Margarete von Teufsern zuctte die
Achscin.
»Was soll denn jetzt werden?«
Dann setzte sie hinzu:
,.Nächste Woche sahre ich zu mei
ner Tante nach Kiistrin. Jch tomme
eben vom Ielegraphenamt. Jch habe
ihr eine Depesche geschickt, um mich
anzunielden!«
»Und was tun Sie in Küstrin?«
«Nichts·"
»Warum gehen Sie denn dann erst
bin?"
»Jin»endtvo muß man doch,sein. . .
lks ist ja ganz gleich wo· . . Denn
hier hab’ ich alles so diä bis an den
Hals. . . aber auch alles. . . Gott
verzeih’ mir die Sünde. . .«
Sie stand jetzt schon aus der Mitte
des ersten Stiegenausgangs, drei Stu
sen hisher als er. Er konnte ihr nicht
aut iriiter solgen. Sie sah mit ihrem»
schönen blassen Gesicht auf ihn hin-.
unter und neigte noch einmal leicht?
das Haupt
»Also gute Reise, Herr Feldber
sen. Und tragen Sie mir nichts
tmch!«
Ohne seine Antwort abzuwarten,
stieg sie die Treppe hinaus. Rasch
und elastisch, die rechte Hand lässig
aus dem Geländer, mit der Linken
ihr dunkles Kleid russend. Dann
war sie verschwunden Karl Fehl-er
sen sah ihr immer noch nach. Er kam
nur langsam wie aus einein Traum
zu sich, trat aus die Straße hinaus
wintte der nächsten Droschle und
suhr ins HoteL
Sein reiches Zimmer dort schien
ihm tahl und öde, die Straßen drau
ßen grau, ihn selber seöstelte. Er
war in einein Zwiespalt von Unge
duld, wegzutommem unv- Unent
schlossenheit, zu bleiben, von Galgen
humor, sich und die ganze Sache lä
cherlich zu nehmen« und wieder von
einem so trostlosen Weltschmerz, daß
er am liebsten an seinem Schreibtisch,
vor dem er saß, in helle Tränen aus
gebrochen wäre. Er haßte die
Schriftstiicle, die da lagen —- diese
Depeschen —- die Firmenausdrucle —
diese Zahlenreihen . . . immer die
gleiche Tretmiihlr. . . man war eine
Recheiimaschine. . . man hatte nichts
vom Leben. Mit stillem Jngrimm
musterte er einen dicken, eben aus
Paris eingetroffenen Brief. Da
schrien der Bruder Sascha schon wie
der. Er schrieb jeden Tag, den Gott
werde-; ließ. Ober vielmehr: die
Firma ries: Ewig die Firma: Die
alte Leier. . . Geschäfte. . . Geschäfte
hier. . . Geschäfte dort· . . Geschäfte
überall. . .
Karl Feddersen stand heftig auf
und stampste mit dem Fuß. Herrgott,
wenn man es bei rechtem Licht be
trachtete: das war ja nur Dummheit
—- Gewohnheit —- Gedankenlosigteit:
diese ewige Rücksichtnehmerei aus die
Firma und die Brüder. Er war
mündig. Er tonnte tun und lassen,
was Ihm beliebte. Niemand hatte ihm
Vorschriften zu machen. Niemand.
Aber auch niemand.
Dann sagte er sich: »Nur laltes
Blut! Es tut Dir ja auch keiner et
was! Halte Du Dich nur selbst im
Zaum!« Und im selben Augenblick
stand schon wieder Margarete von
Teufferns Bild vor ihm. Und mit
ihm ein Ioundezoolter, atemloser
Schreiten: »Nun ist sie ja frei. . .!
Du hast es aus ihrem eigenen Mund
gehörtL . . Du könntest Dein Glück
probieren. .
Es durchzuckte ihn: »Wenn Du
ihr nun fchriebst?. . .« Aber was?
Doch nur das eine, ob sie Deine
Frau werden will. . . Er zitterte. Auf
einmal war das alles in greifbare
Nähe gerückt! Ach, Unsinn. . .ihr
schreiben . . in der Verfassung, in
der sie war. . . gedemiitigt, wie sie sich
durch ihn fühlte. . . ein Fremder wie
er. . . Sie antwortete ihm womöglich
gar4 nicht: . ».
uno uoeryuuph . . dazu dachte c-.
zu sehr als Dreiviertel-Parifer, der
er war: in solchen Dingen wandte
man fich nach französischer Sitte zu
erst an die Eltern und liefz das
Mädchen aus dem Spiel. Vater und
Mutter kannte er nicht. . . nein. . .
er rief den Diener und ließ ihn fiir
die Reise weiter packen. Er war jetzt
ruhig. Er fühlte es mit Trauer.
Er hatte es hinter sich Er war ver
nünftiger, als er gedacht und gehofft.
Morgen war er in Paris. Er raffte
die letzten Schriftftüae, auf feinem
Schreivtifch zufammen, um sie in die
Geschiftsmappe zu stecken. Da war
der Zufall wieder. Da lag ein wei
ßer Bogen.
»Adolphe!'
»Monsieur. .
»Ist mein Conle fiir den Nord
Expreß referriert?«
»Noch nicht, Monsieur!"
»Warum denn?«
Der Beamte unten meint, Mon
sieur bestellten ja doch im letzten Au
genblick immer wieder ab. Er wolle
lieber noch warten. .
Karl Feddersen wurde zornig.
»Der Herr unten hat gar nichts zu
meinen! Gehen Sie fofort und bele
gen Sie die Plätze. Diesmal reife ich
bestinimt!«
Er sah dabei gereizt, sich eine Zi
garettc anzündend, in das glattrafier
te Lataiengefrcht ihm gegenüber. Es
.ging ihm durch den Sinn: Ob der
Kerl wohl etwas ahnt? Anmerten
tonntc man seiner stoischen Ruhe
nichts. Man hörte es kaum, wenn
«er, wie seht, die Tiir hinter sich
schlon. Karl chderfen sah um sich.
Er war allein. Drüben lag der Bo
gen. . .
Und gleich darauf setzte er sich an
den Tisch, warf feine Papi)ros fort
und begann mit vorgebeugtem Kopf,
hastig, in feiner fließenden Kauf
mannshand, wie um ein wichtiges
versäumte-Z Geschäft nachzuholen, zu
schreiben:
«
»Eu« Exzellean
Es ist mir nicht vergönnt, Euer
Exzellenz persönlich bekannt zu sein«
Trotzdem wage ich es, inich an Sie zu
wenden. Jch hege einen Wunsch, des
sen Unbescheidenheit niemand besser
kennt, als ich selbst. Ich mochte Sie
bitten, mir Gelegenheit zu geben, wäh
rend der Zeit, die ich noch in Berlin
zu bleiben gedenke, in Jhrem Hause
verkehren zu dürfen.
Diese Bitte —- ich gebe es zu —
hai etwas Befrenidendes für einen
Jhnen Unbekannten, einen Ausläiider,
der nur dadurch mit Jhrer Familie
in slüchtige Berührung gekommen ist«
daß er sich nach Kräften, aber ohne
seine Schuld vergeblich beiniiht hat,
einen ihm von Jhrem Fräulein Toch
ter ausgesprochenen Wunsch zu erfül
len.
Jch bin untröstlich, dasz gerade
durch diesen an meine Person ge
tnilpsten Zwischeusall Jhr Fräulein
Tochter« wie sie rnir selbst vorhin bei
einer zufälligen Begegnung aus der
Treppe Jhres Hauses sagte, veran
.aßt worden ist, sich wieder als völ
lig srei zu betrachten. Anderseits
würde ich ohne diese Weudung nie
den Mut und das Recht zu der Bitte
haben, daß Sie und Ihre verehrte
Frau Gemahlin mir Jhr Hang öff
nen, urn mich kennen zu lernen. Und
in dieser Andeutung ist wohl auch der»
W
tät-keck meines Briefes tlar genug ent
« t. ..«
Es räusperte sich immer jemand
hinter ihm. Adolvhe stand da.
»Hier die Billette, Monsieur! Ich
habe sie gleich bezahlt!«
»Seht gut! Geben Sie beri« sagte
Karl Feddersem zerriß sie geschäftsq
mäßig, warf sie in den Papiertorb,
winkte dem Diener. der keine Miene
verzog· wieder zu gehen, nnd— fuhr
eilig mit dem Schreiben fort:
»Zu meiner Einführung bemerke
ich, daß ich Mitteilhaber einer in meh
reren Staaten Europas doinizilierens
den Weltsirma, des Hauses Iwan,
Feddersen und Söhne, bin. Jch selbst
wohne für gewöhnlich in Paris. Jch
bin ein reicher Mann. Jch glaube
nicht, daß meine tiinstige Frau sich
je irgendeinen Wunsch würde verfa
aen müssen...
! Mein seliger Vater war in Nuß
iland Kaufmann erster Gilde, Korn
scnerzialrat und erblicher Ehrenbiirger.
sJch gehöre mithin einer hochnngesehe
nen Familie an. Inwieweit nun, was
swichtiger ist, meine Persönlichkeit fiir
Imich spricht, das erproben zu sdiirfem
list die Bitte dieser Zeilen, die ich in
»der Hoffnung, hierdurch ganz korrekt
zu verfahren, nur an Eure issz,
nicht an Jhr Fraulein Tochter Licht-,
deren augenblicklichen, beliimtnerten
Geniutszustand niemand mehr-Theban
Iern und ehren lann als ich. Ich wür
de auch mit meinem Ansuchen ai- Sie
l
noch eine tattvolle Frist gewartet ha
ben. Aber die vielen Geschäfte mei
nes Hauses, deren Sklave i mehr
bin als ihr Herr und die mich von
einer Stadt zur andern treiben, r u
ben mir die Möglichkeit, hier ruhi ere
Tage abzuwarten.
Zu jeder weiteren Auskunft finden
mich Eure Exzellens stets willig be
reit. Jch bitte, Jhrer Frau Gemahlin
meinen Respekt zu Füßen legen Zu
durfen und sich der vollkommenen
Hochachtung versichert halten zu wol
len mit der ich bin
Euer Exzellenz ergebenster Diener
ttarl Feddersen.'
Der junge Millionär schloß das
Schreiben, adressierte es und trug es
selbst hinunter. Vor dem hotel gatz er
eg eigenhändig einem Radfahrdjmsis
trat mit bloßem Kopf unter die über
ivölbte Vorfahrt und sah durch die
Laternenhelle des Pariser Platzes die
rote Mütze deg Boten, den weißen
Schein des Briefes nach dem Duntel
des Tiergarteng zu entschwinden. Ein
Stein fiel ihm vom Herzen. Er war
aus einmal ganz klar mit sich. Ei be
qriff nicht, warum er diese Zeilen
nicht gleich schon heute nachmittag
geschrieben hatte. Das alles mußte is
so sein . . .
snann zur sofortigen Besorgung. Erl
7.
Der Genernlleutnant z. D. von
Teufsern, ein kleiner-, alter Herr mit
weißem Schnutrbart, saß atn nächsten
Mittag in seiner Wohnung, die Zi
gnrre in der einen, den Briqi Kost
Fedderseng in der anderen hand. Gt
wog ihn zweifelnd und mißttauifch,
wie eine Bombe. die ein friedlicher
Spaziergänger unterwegs gesundem
schütterte den Graun-pf. rücle den
goldenen Zwitter auf der schweigst-i
aenen Nase zurecht, prüfte noch ein
mal die Unterschrift und murmelt-:
f ,,Feddersen . . . hin . . . Feldber
en . . -
Dann wandte er sich zu seiner
Frau, die neben ihm saß:
,,Vok allem, Mutter, sag’ ver Gxete
rein Sterbenswort!.·. Wo steckt sie
denn2«
»Sie liegt immer noch im Bis-til
Sie macht mir auch nicht aus« wen-II
ich tiopse.«
»So geht das heutzutage!« Der
General wurde in seiner Ratlostgslekk"
plötzlich streng. »Wenn ich denle, wie
wir verlobt waren, Hildegnrd: nicht
fünf Minuten saßen wir aus dem
Sofn in der guten Stube, da streit
ichon die olle Spinntwnchtel, die
Tnnte Minnn, ihre schiefe Nase durch
die Türe. .. dn lonrde nufgepnßt · .
vn kam nicht so jeder Hinz und Kunz
mir nichts» dir nichts. l Fes
dersen... l)m... Feddersen... wenn
das nun etwa ein stellenloser Ober
tellner ist, Hildegnrd .. hei« «
»wer ich onn- Dian«
»Und überhaupt: Da schneis ein
Auslönder nach Berlin, will-Uber
mokgen weiter und unter anderem
Hundgepäck meine Tochter mitnehmen
jn... ich tounoere mich ja nicht«
daß die Leute auf solche Gedanken
tonnnen, wenn meine Tochter i m
mit ihrem Anliegen bis in dir Uc
hatm nuchtiiuft.. « « ««
,,Oerrn Fedderjen trifft dabei doch
keine Schutt-!«
»Nee! Das ist ja die Geschichte. , .«,
sagte Exzellenz von Teuffemssisiifkstsi
-t)nglich und steckt-· den Brief zu
»Aber Hildegnrd, man kann » - « - ,»
rorsichtig genug sein! Wer wesk « ·«
der Mann fiir Geschäfte fres- zss f sit f
»O In
H «- f«
Man liest immer von HeirnthV si·
lern . . — -
»Du bist grotesk, Hans!« s«·««« v
»Ich bin Vater, meine Be«·»«.-k
Jch lasse mir keinen Sand inxffsttlfe
Augen streuen . . .« ».« s
»«2lntworten mußt Du iedensnlls!«
»Aber zum Kuckuck. was?« It - « v
Heu und Frau von Teustttp ak»..»«·
fzen betreten du. Der Getietcis««««·.e "ks«,
spkate sich zi; mäs
« CFortseyung solgt.)
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