Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 29, 1917, Sonntagsblatt, Image 10

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    ———-—— -—-— «
-Yik Goudkliaytt
Vo on Bonl v Schön nham
Was iiian sehe iii den Schulen
den den Kindern verlangt, ich ver
sichere Sie, uns Erwachsene bringt
es in Verlegenheit — klagte einei
meiiier Freunde-, besonders iiiit dem
deutschen Aussatz treibt mais-Z zu
arg. Hören Sie nur zu: Ich tem
me neulich des Abends nach Hause,
finde Lieschen, mein liebes Tochter
chen — zu Ostern ioird sie zwölf
Jahre alt — in Tranen an ihrem
Mit Schulbiicherii iiiid Schreibereien
beladenen Arbeitsiisch in einem Zu
stand völliger Tesperatioii. »Was
ist gescheheii?" stage ich.
Taf- Kind verbirgt weinend sein
Gesicht und vermag während meine-J
immer dringender werdenden Be
srageiis zwischen seinem tranenreis
chen Geschluchze nur unverständliche
Sude hervorzustoßen, ank- denen ich
einzig die Worte »Teiitscher Aussatz
... Goiidelsahrt" entnehmen kennst-.
Jch setze meine Nachforschuiigen
bei meiner Frau sort und ersah-re
endlich, daß Lieschen bei der Aus
arbeitung ihres am nächsten Tag
abziiliefernden Schulauisatzes aus
unuberivindliche Hindernisse geflossen
sei und die Ausgabe: »Beschreibiiiig
einer Gandelsahrt«, nicht lösen
konnte. Mein Gott« das Kind ist ja
feine Dichte-tin und will beileibe auch
keine werden.
Nachdem et mir gelungen war.
das Kind einigermaßen zu trösten
und ihr von Angst und Scheu zer
niartertes Gemut zu beruhigen,
zeigte sie niir das Brouillon ihres
Aufsatzes Ter Titel: »Die Gan
delsahrt·« war tadellos nnd geläufig
geschrieben, dann kam die erste Zeile:
»Es diinlt mir ein herrliche-i
Vergnügen, so an einem heißen
äbend in einein Boot dahiiizuschaus
in. . .·'
Das kam mir gar nicht so schlecht
k.
Tag Nachfolgende war dick ausge
slrichein dann kam ein unvollendetes
Wort, verworreness Gelt-wel, Stri
che, die Spuren einer sreniden Hund«
ein setter lllecks nnd dass ganze
Blatt war mit eingetrockneten Trä
nen, die teilweise mit der Tinte Ver
bindungen eingegangen waren, ve
deckt·
Lieschens Wangen, die mir blnss
set als sonst vorminen. waren wie
der trocken geworden. aber von Zeit
zu Zeit schlnchzte sie noch, nnd vor
ihrem Geiste stand das yagetc
Fräulein Schntölte, die Schule-or
eherin, mit dein gesiirchteten stren
gen Blieb den Aussatz einsorderndz
ieschen sal) sich vor der ganzen
Klasse beschämt .. Man tnnsz sagen,
es gibt nichts Schrecklichereg siir die
Phantasie eines pslichtgetreuen ehr
geizigen Schnllitide3.
f Es sind die ersten ,,Kenlenschliige
des Gesiljirtes«, — sie verwunden
gtnnsnnn
, Jch nahm das Kind ans meine
Inte und iwersclsiittete es nnt dürr
lichleitein ntnnte sogar einen siir sei
ne Jahre nicht cnetir angemessenen
kindlichen Nin nach nnd tat alles-,
unt die Gedanken von der til-schen
llchen Gondelsalirt ndznlenlein alter
Lieschen-s- Geist schwebte iiber den
Wasserih sie hatte snr nichts ande
res Sinn; natürlich, die Sclsiilnrlaeit
mußte jn gemacht werden, da l)a;s
sein Berti-schen
»Was-Will Ulljl Oll lliclsl Lillllllllcljcll
scheu-n, daß ice dir l)eiie".-« fragte
ich in der uoriuiiriluienein ichuneuds
iteu Tonart, nvek Lieschen-J Eric
suug nam- iich nur icheinuar gelegt,
in diesem Augentilut schlugen die
Flammen wieder hervor
»Nimm nat mu« nicht geh-Alten«
sie sagte, iie tei me Goudel geiuys
ren...« weinte das Mädchen laut
ani, und der Schmerz nackte sie
wieder mit aller Macht« Jch iandie
einen Blick des iamien Bornmkis
ani meine qnt Tuch iitzende, durch
diese Vorgänge sichtlich ver-stimme
Frau. »Ein-nich du nun nie gegan
deit?" jagte ich mit dem jin-neuen
Ausdruck- ,.eruiueke dich genau —
Imn vergißt iu etwas leicht·" Sie
verneinte verdrießtich Wenn sie tei
Ic persönlichen Erinnrungen besitzt,
Isckaiin ich es ihr nicht verubelu, daß
sit Lieschen bei dem Illusion ver
, ·seln ließ; außerdem glaube ich,
IX meine Frau me eine net-vorka
eide Schule-tin wen-, ich hin ihr
eulich darauf gekommen, daß ne
ig mit einem ,.ch« am Schlusse
eint Auch nat innn zu ihrer
die Kinder nicht mit üvetipanw
Stilübnngen gequält. Liedchen
fich, nachdem ne sich durch die
e Mutter verraten fang an das
« räulein«, welches ich für- « klei
Jimgen halte, gen-m , eine
sklsche Beim-O die une- » jiich
Opfe- und Neckliedenn Einwu
imd Beichliftianugst gi
, ixstt ist, aber für den Its-Uhu
erwies sie sich als M as
t. Lieschen versicherte es
sit matin sie ichlus ihre
IMM- tkins ab nnd sam
" Js. M Itzt cis-m Stufe-w
aus dem nahen Teiche vertreiben
wollten«
Lieschen, M bei aller Oilskosigs
ieit Gen TM kt bewahrende
Kind, bäte you « ilbelnis« teil
nehme I der Condelsahrt natürlich
nichts wissen wollen nnd sofort ein
geivendet, daß dieser Beginn, der
einer reiieren Anschauung wohl ent
sprechen mag, der Disposition zu
widerlause, in der von einein männ
lichen Begleiter nichts vokionnne
Natürlich, die Banne halte sich diwi
gleich in ihrer Weise zurechtgelth
mit einem galmiten Wilhelm Bill-J
sie damit icht durchdrang, schien sie
verletzt zu sein und verweigerte Iede
weitere Mitwirkung; nun, sie isl Ia
auch nicht dafür engagiert Aber
ich verisple ihr, daß sie In trutzigem
Schweigen verlieren-, als Lieschen
sich ihren Rai iu griiinnniikalischer
Beziehung erhal, nls sie In Zweifel
war, ob «diinkle« mi: dem Minia
iiv oder dein Tativ gebildet wird.
Diese-H Tilentma soll die erfie
größere Katiisirophe lIerbeigesnlIrl
l)i.ben. Lieschen jolI sich non aller
Welt verlassen, einer nnbezivinglscis
ren geistigen Online-Sarden gegen
über-, deren Beendigung immer
dringende. wurde. Sie wars sozu
sagen die zlinic ins Korn nnd soll
sich, wie sie es in Fällen iinszersm
Deipercnion zu tun pflegt, in die
Badestube gefliichlet und in streng
ster Abgeschlossenan vieruierlelsiuns
deulang ihrem Schmerz gelebt ha
ben. Elzkistel, die Köchin, deren
Hauptwng in einem enden-glichen
and treuen Qeniiil beiielsi, lIiitte den
Jammer gar nicht niilansehen kön
nen. Sie hatte Lieschen endlich be
wegen die Badesiubeniiire nnd ihr
.--—-—-—-- ---- W« .-,«— .-».
Herz zu eröffnen.
Leider wußte sie auch nicht, ob es
»mit« oder »mich' diintt heißt, und
die Bo:stelluug einer Gondelsahrt
fehlte ihr gänzlich. Sie vereinigte
ihren Jammer mit der Werzweislung
Lieschen-s nnd li"«« sich sogar zu ei
ner summarischeu Verurteilung der
piioagogischeu Bestrebungen unserer
Zeit hinreißen, deren Spihc gegen
die Persönlichkeit nnd Lie Geistes
versassung der besagten Schuh-erste
hcrin gerichtet war.
Einen neuen Beweis siir die auf
bpsernde Ortssbereitschast nnd Gute
dieses einfacher Geschöpfes liesert
iib««iguts die Tatsache. baß sie es
nicht verschmähte, mit dem Panier
aus der Treppe ein Gespräch anzu
tr.iipsen, welches sich, .vie meine
Zran gehört habest will, um das
Vergnügen des Gondelsahrens ge
dreht haben soll. Aber die Mir
Mich - Frage blieb unentschieden,
und der Aussatz riickte nicht vor
wärts. Lieschen hätte sich vielleicht
beruhigt und gelernt, sich in ihr
Schicksal zu siigen, wenn nicht mein
Schivager dazu gekommen und —
isetlig verständnislos siir den Ernst
der Situation —- sv unvorsichtig
,ewesen wäre, die Sache von der
nnpassendsten. das heißt von der hu
ntoristiichen Seite anzusehn-. Jch
bitte Sie, ein Faniiliendrama to
misch zu sindeul Er neckte und ver
folgte in seiner scherzhasten Weise
das Kind mit dein Spottver3:
»Im Sommer eine Goadelsabrt
Jst ein Vergnügen eig’ner Art-«
Wenn er ihr lieber etwas Ver
«i«"- stiges gesagt hättet
Nach diesen Erfahrungen war sie
wohl berechtigt, die Hoffnungen aus
menschliche Hilfe endgültig ans-zu
gebet-. Bei-raten und verlassen bitte
sie sich der Verzweiflung in die Ar
me geworfen, nnd so hatte ich sie
bei meinem Nachhanseivmmen ange
troffen. Das war um acht Uhr
abends.
slnnbp zwölf Stunden trennten
unsi- von der Ablieferungsscist des
Aniiahecy aber die Gondelsahrt
mußte beschrieben werden
»Dein Bater wird deine Ehre
retten, niein Mind, wir werden den
Aussah zusammen nach dem Abend
brot schreiben«, sagte ich, die heiße
Stirne der lieben Kleinen küssend.
Sie beruhigte sich; manchmal tat tie
noch einen trampsartigen, tiesen
Ateinzng bei dem ihr zarter Kör
per erbebte, aber sie aß nnd trant
wenigstens.
Es war neun Uhr, als wir, ich
nnd das Kind, nach der stillsten und
abgeschiedensten Stube unserer Woh
nung ansbrachen — schweigsam und
ernst, eingedenk der Wichtigkeit un
seres Vorhabens —- die Gosidelsahrt
sollte beschrieben werden. Es war
gemessener Befehl erteilt worden
daß niemand berechtigt sei, bis zu
jenem stitlsn Raume vorzudringen?
die Arbeitslast-be war neu gestillt
morden, den Zuriiableibenden mur
de gute Nacht gesagt mit einer ge-;
wissen, dem Moment angemessenen
Feierlichleit Lieschen war ganz ru
hig geworden, sie schmiegte sich ans
n:ich, —- dem sicheren UnteraaigJ
preisgegeben, hatte sie gleichsam die
starke Wurzel einer Eiche erfaßt, sie
war gerettet, und neuer Lebensmut
durchdrang sie. »
Wir setzten nnd an den Tiickh ich
trenzte die Arme iiber die Brust und
blickte-, das Haupt leicht gesenkt
nachdenklich vor mich bin. Sie ten
nen ja das bekannte Bild vin gro
sen Raps-learn— ich brauchte Stim
nng nnd Gewinnung- sber das
M weiches von diesen gehei
mai Vorbereitunnen der Miit
nichts wußte und ihre Augen nicht
von mir wandte, mahnte endlich:
»So fang« doch an, Variat
Leicht gesagt, die Sache war doch
nicht fo einfach. Jch suchte in meinen
Eriiineriingen nach einer Goiidels
fahrt, oder immer wieder kam ich
nnf die Schlittenpartie ini Erwediv
ge, dann fiel iiiir wieder die toinifche
blanke Glatze meines Schwiegerva
ters ein; — ich machte die Entdefs
listig, dafz ich nicht dic niindefle Fa
tngteit zur Schilderung der einfach
fien Begebenheit besitze Gleichzeitig
fiel niir dass Bewußtsein niiis Verz,
daß sich die Eigenschaft, die für
Use-schen io veihtingnisuolt wurde.
eon niir auf dass stind vererlit have.
— Er- ift geradezu lächerlich,’ader
ich loin wahrhaftig nicht weiter.
Lieschen-J Unruhe begann fich wieder
zi« regen, fchaiidernd fah fie, daß ich
iininer wieder aiieftrich was ich
tan vorher gefchriehen, — weil es
lsorer Unsinn war. Die reine Vene
iciseurlieit llin zehn Uhr vrachte ich
dass dlind, deiien Anwesenheit auf
nnch heijngiiigend eintuirtte, zu
Vette; ich gab Lieschen die Hand
darnui, daß fie morgen friih denn
Urwckchen die Arbeit vor ihrem
Bette finden werde. in einer Stunde
könne fie den Aufsatz avgefchrichen
haben und ihre Ehre war gerettet.
Mit- einein leichten Seufzer kehrte
sich nach der Arbeitsfiiibe zurück. szch
hing auf und ah, dann fehle ich mich
nieder, ich trank schwarzen steifer-,
ich ranchie, aber ichts vefiirdcrte die
:’lrlieit-.«-ftiiiiiiiiiiig. Ich gestehe, daß
ich fogar fluchte, und ziuifchen den
Wänden verhallte manch kräftige-Z
Wort... Gott, was fiir Jammer
hatte dicfer Schulauffatz iii unter
Hans- gevracht: Ein lehret Verfuch,
dcii ich schließlich mit ein paar Glä
ferii alten Rotweins gemacht hatte,
fchien uon Erfolg begleitet zu fein,
hegen Mitternacht verzagen fich die
Wollen des Unniutesz eine heitere,
oerföhnliche Stimmung laiii zum
Durchbruch, die Feder lief nur
fo iihers Papier, es ging wie —
gefchniiert. Es machte mir ordentlich
Vergnügen, in nächtlicher Stille eine
folche harmlose Falfchiiiiinzerei zu
treiben, und ich glaube, der Stil ge
lcng inir recht gut.
Als ich mit einein iiberzeugungsi
freudigen: «...:Iltte nieine Freun
dinneti, die aii teuer herrlichen Was
serpartie tcitgenoiniiien haben, wird
die Erinnerung an dLesen Abend
iiiich noch in traiirigett Stunden des
Lebens erheben und trösten«, ge
schlossen hatte, staitd ich iiiit eiiieni
Gesuhl der Vesriedigunt auf. T
schlich zu Lieschen-s "ager und legte
die Blatier auf den Stuhl. «Schlafe
ruhig, tleiner eiigel,—-deiiie Schul
lsorfieherin soll sich nur ein Thema
ausdeiiketn das dein Vater nicht
glänzend zu behandeln veriiidchte!«
Arn anderen Tage hoffte ich, die
Angelegenheit werde nun abgetan
sein und Frieden iiiid Ruhe werden
zurückkehren Es kam anders. Das
lange Verbleiben Uteischeiis in der
Schule verfehle alle is eine iigitliehe
Erregung, es wurde halb zwei Uhr,
— zwei Uhr, Lieschen kam nicht;
endlich um ein Viertel drei Uhr er
schien sie, itt welcher Verfassung, das
zu beschreiben erlassen Sie meinem
Vaterherzein Es war eiii Janimerl
Sie weinte, —- ja, sie heulte gera
dezu.
Sie hatte für meinen Aufsatz
iiachsitzen miifsenl Die Lehrerin
hatte sich’ö nicht versagen konnen,
ihn vor der ganzen tilnsse vorzule
sen, mit spanischen Anmerkungen
natürlich, und die ganzt- Klasse er
hob ein jubelndes Hohngeliichler.
wenn sie mich bei einer schwachen
Stelle packte.
Sie werden sagen: der Pein . ..
iiiein Wart, ich war nüchtern, als ich
den Anssan schriebt
s Dafür also hatte ich mich des
sNachto bingesehn — o es ist schänd
)lich, und das arme Kind, war es
inicht berechtigt, tnich iitit Vorwurfen
sgn überhäufem «Du haft es schlecht
;geinacht,-s Papa, du hast eine Menge
Fehler geiiiachtt« —- Sie hatte ja
dafür büßen müssen, hart büßen
müssen.
Bedenken Sie meine Lage, ich,
der ich vierzig Jahre alt geworden
bit- ohne Bestrafung, habe in einer
llltiidchenschule nachsihen müssen- we
gen «mangelhaften schriftlichen
Ausdrucks-, fehlerhafter Orthographie
und Anwendung bereitete-· graut-na
titatischer Formen«, — ich tann es
gar niemand erzählen,. man wird
mich auslachen. Es ist eben uner
hört, was man heutzutage in der
Schule von den Kindern verlangt.
— Nichts Neues. Frau
Herrscht-les ibcim Friihlingsauss
ilug): »Hu-dich, indoct Nun
grün-U und fpricßi’s an allen En
den!«
Herr Herrscht-lege »Geh-irr« Alt
wenn met nicht hätten jedes Jahr
dieselbe Sprießerei!« ,
—- Beim sah-tatst Inn-;
de (det sich eben einem Zahn hats
ziehen lass-Denk »Das ist ja löcheis
.lich, wie Sie sich beim Zahnsichen
anstellen i«
Zacmarzix »Gehst-lich sagen Sie
und doch haben Sie beinahe vor
Schmerz Musik«
geseutratkn
Von Paul von Schönthair.
i
Die Mag gewisser äußerer;
oder psychischer Eigentümlichkeiten,1
die oft Generationen überspringen
und z. B. vom Großvater .nmittel
bar aus den Enkel gelangen, gehört
gewiß zu den rätselhastesien Erschei
nungen des geheimen Naturwirlens.
Nur sollte man immer wissen. wel
chen-. Vorfahren man diese oder jene
Eigenschaft zu verdanken habe, man
würde unbequeme »Geschente der tota
tur" dann mit einer gewissen pietät
vollen Ergebung ins Unvermeidliche
tragen.
Eine Guriennase ist gewiß nicht
edel, aber wenn sie sozusagen ein
Vermächtniö des seli en Großpavaö
ist« so tann man sie Ich zur Not ge
fallen lassen; auch ein Kropf erscheint
durch die Rücksicht daraus. daß ihn
schon eine liebe Tante getragen, in
einem milderen Lichte. Hier handelt
sich's aber um eine vererbte Jdioshn
trasiec urn eine von dem Großvater
aus mich Liberlommene aucgtsprochene
Abneigung gegen Hasenbraten Diese
Abneiaung beruht nicht etwa saus
einer Laune, wie Eltern in ähnlichen
Fällen so gerne glauben, sondern auf
einem unbesiegbaren Widerwillen, der
wahrscheinlich nicht einmal durch
Hungerqualen zu besiegen wäre. Mein
Großvater, der übrigens Iorstmann
war, hatte als Kind, als Jüngling
und Mann viel zu leiden infolge die
ser Jdiosynlrasie. So erzählte er, daß
er bei Gelegenheit einer Cavatiers
iagd, als blutjunger Forstamtsprats
titant, zur Tafel geladen :!mr, wo
es leider auch wieder —- Hasenbraien
gab. Aus seiner fatalen Lage befreite
ihn aber sein getreuer Reto, der unter
dem Tische herangeschlichen war und
seine Schnauze unter dem Tischtuch
hervorstrecktr. Der junge Weidmann
schob Stück fiir Stück über den Tel
lerrand, bis der ganze Braten durch
den braven fund verzehrt war.
Diese ein ache Geschicht-, die ich,
mit allen dem Leser hier ersparten
Umständlichleiten, wohl hundertmal
zu hören bekam, behandelte der Groß
vater als Geniestreich seines Lebens;
er knüpfte sie an die Erzählung eines
andern, wenn es halbwegs anging,
und stellte den Uebergang gewöhnlich
durch die Bemerkung her: «Der
mach« wie ich und mein Nerol' Da
die meisten wissen wollten, worin
die Tat bestand erlebte die einfache
Geschichte eine ungezählte Reihe von
Wiederholungen
Nachdem ich dies vorausgeschickt,
tann ich in wenig Worten mein Ha
senbrateiiiAbenteuer erzählen. Ich
besaß zwei in einer Provinzialstabi
lebende Tanien, zwei treue Schwe
stern· beide Witwen, Jie isach dein
Tode ihres Gatten zusammen in
ein-m stillen Provinzialwinkel wohn
ten, ihrer gemeinsamen Trauer und
der Erziehung eines etwa dreizehn
jährigen Knaben — dem Sohne der
Tante Marie — lebend. Dieser Ge
org war ein Ausbund aller Untugens
den« und doch konnten sich die beiden
Frauen nicht entschließen, den Fina
ben in eine Pension zu schicken.
Kleine Kinder pflegt man durch die
Erzählung der gottlosen Taten eines
Siruwetpeterg und ähnlicher Taugei
nichtse auf die Bahn der Tugend,
Ordnung und Sitte zu leiten, bis
das negative Erziehung-mitte! umge
lehrt wird, bis man den Verständige
ren das leuchtende Beispiel möglichst
vollkommener Menschen borsiihri, de
ren Ausführung musterhaft ist, die
als Jiikarnaiion sämtlicher Tugenden
gelten und deren Genius herausbe
schworen wird, so ost der Nachstre
bende auf dem Wege zu straucheln be
ginnt. Fast in jedem hause wird sur
die heranwachsenden Kinder ein sol
cher Gähe errichtet; im Hause der
Tante versah ich in absentia dieses
Amt. So ost Georg irgend eine Gott
losigkeit begangen hatte, wurde ihm
vorgehalten, wie stemd meinem her
sen eine solche handlungsweise stets
gewesen sei, wie ganz anders ich mich
in diesem oder jenem Falle benom
men hätte usw. —- Die Tanten hat
ten mich jahrelang nicht ersehen; die
Erinnerung verschönt bekanntlich, die
liebenswürdigen Seiten treten leuch
tend hervor, die Mängel entziehen sich
dem nach rückwärts gerichteten Blick.
Tante Marie und Tante Agneö hat
ten sich wirklich in eine so unbedingte
Verehrung meiner Charakteranlagen
hineingeredet, daß bei ihnen der Plan
entstanden war, mich, den Ychtzehni
jährigen, siir einige Zeit ins hau
st nehmen, um durch die lebendige
cisiihrung eines so hell strahlenden
Vorbildeö aus Georg, der gerade wie
der durch einen Akt unwissenschastli
cher Tiersolter die tiese Schwärze sei
ner Seele enthüllt hatte, einzuwirken.
i Meine Eltern gaben ihre Sinn-illi
gung; ich reiste zu den Tanten und
zu Cousin Georg, dein ensant terrible.»
OJ derst t sich von selber, daß der
Knabe se ierig war, den Anti
podeii seines sent kennen zu ler
nen. Die Vorliebe, welche seiiie bei
den weiblichen Vändiger sile mich ge
faßt hatte-, ellndete allerdings in
seiner Seele ne wisse Eifersucht,
die tin herein mit ihm angebore
nen Wunsva sittee Sitten ein
aiis schmäler-eng W III-net
.- —---—-—
nhzielenvei Vorurteil erzeugt hohen
mochte.
Also has ist er! dachte sich der
lleine Lümmel, als ich, geradewegs
von her Eisenbahn tommend, ins
Zimmer. trat und aus die sieh mit
entgegensikeetenden hinhe der Jnnten
zueilte, uin sie zu küssen. Der Ein
druc, den ich aus die beiden ernstem
teouerhosten Damen mochte. schien
die vorteilhafte Meinung, vie sie von
mir hegten. zu bestätigen. Sie rich
teten beide gleichzeitig ihee Blicke he
teutungsvoll aus Georg, als wollten
sie sagen: Siehst du, was das siir
ein nettet, ordentlicher Mensch ist!
Georg vriiclte mir stumm Und zö
gernd vie ihm horgebotene Hand. Jn
seinen Augen war der Geoacile: ader
ist nicht von meiner Sorte!" zu lesen.
»Die Tunten ertundigten sich, während
»Georg im Zimmer bleiben mußte, um
die Angelegenheiten meiner Angehö
rigen· Ich heantwortete alles verstän
dig und so nussiihrlich, als sie es
toimschten. Gecrg saß stumm dane
ben, siih mich, wie ich ohne hinzuhlils
ten bemerkte, von der Seite on und
hörte zu. Uns immer wieder nahmen
die Tunten die Gelegenheit wuhk, um
dazwischen Bemerkungen, wie «Siehst
du, Georg! ek ist regelmäßig versetzt
worden« während du non in Unter
auntta sittt.«
«Siehst du, Georg! er hat leinen
Haiislehrer, der ihm hilst...«
,,hörst du«-Z, Georg! er arbeitet
täglich drei Stunden.«
Das ging so sort. Georg nahm
alle diese Vorwürfe anscheinend ruhig
hin; er hatte den Mund überhaupt
noch nicht geöffnet. Die beiden Frau
en schleuderten die schiversten Beschub
diguiigen gegen ihn, er ertrug sie;
wahrscheinlich war es meine Anwe
senheit, die ihn davon abhielt, sich da
gegen auszulehneii. Mir wurde selber
unheimlich zu Mute dabei.
Endlich tam eine erwünschte Un
terbrechung —- es ging zu Tische.
Das Speisezimmer lvar ivie jeder
Raum mit zjerlicher Eleganz einge
richtet, es sah hier so sauber, so aus
geräumt aus, wie ini Reliquienschrein
eines alten Mädchens- Hahlreiche
weibliche Hundarbeiten hingen oder
lagen an underrüitbar bestimmten
Plätzen, alles war bestiät, hübsch be
malt oder in irgend einer anderen
Weise durch geschickte und geduldige
Frauenhand verziert. Die beiden
Frauen suhren sort, mich mit Aus
zeichnung zu behandeln; es tam rnir
our, als wollten sie Georg dadurch
so recht odr Augen rühren, ioie glän
zend Wohlanstöndigteit in der Welt
belohnt wird. Dadurch mußte in der
Seele des tleinen Bengels ein ilus
ruhr hervorgerufen werden. Die fort
währende Zuriiitsehung mußte ihn
tränken; ich glaube, ein anderer hatte
es nicht ertragen, aber er trat feig
und steckte alle Beichömungen ein.
Nur einmal zuckte ei um seine Lip
pen, als Tante Marie, zu ihrer
Schwester zervrndeh sagte: »Ich hosse
das Beste von dem Cinslusse unseres
junaen Gaste-« der Georg nach allen
Richtungen hin überlegen ist, auch in
Beziehung aus Körperträste!« — Ge
org stieß bei diesen Worten seine Ga
bet hestig isi ein Stück Fleisch, daß
sie treischend abglitt. Die beiden
Frauen prallten zurück.
»Georg!« —- schrieen sie gleichzeitig
—- ·sieh doch, wie dein Cousin ißt,
gib doch Acht!« und Tante Agnes sey
te hinzu: «Gestern hast du übrigens
eine Damastseroiette mit der Gabel
durchstochen · . .'
,Von den neuen?« srug seine Mut
ter ängstlich, die Schwester niatr. Ge
ora blieb stumm. Er mußte mich ver
wünschen. Wollte er nach einem
Za stocher greifen, wurde es ihm
ver agt, ioeil ich nicht stocherte,
sträubte er sich gegen die Kartosselm
so sührte man ihm meine Vorliebe
für diese Knollensrucht zu Gemüte.
Jib bemerkte, dasz Georg einen ver
ächtlichen Blia aus meinen Teller
wars, während er den seinigen mit
dem Ausdruck des Wider-willens zur
Seite schob. Bei dieser Gelegenheit
legte er die Gabel so, daß die Schwe
ster seiner Mutter, die sich ihm gegen
iiber am surchtlosesten benahm, bei
einer zufälligen Bewegung der hand
damit in Kollision kommen mußte, —
der heimtiictische Bengel, die Gase
tochte über in ihm, aber er sprach
keine Silbe.
Noch dem Fisch inm —- fast-thro
ien. Ja wohl, leider: Hambrntem
»Nimm doch, ach sons- «)ll das hei
ßen . . .«
s ,Er ist aber auch zu bescheiden!«
» «So, da, noch ein Stückchen . . .«
s Kiatsch, da lagen zwei große Schei
sben Hasenbroten nui meinem Teilen
» und ich tonnte nicht eine Fuser davon
genießen. Sollte ich mir und »den
Frauen fett die Beschömunq bereiten,
zu ertlärem Mit meiner musterhnsten
Ausführung ist es zu Ende, ich tann
Euer Essen nicht genießen! Georg
hätte triumphiert.
Während ich in dieser grenzenlosen
Verlegenheit verstohlen, als erwarte
ich fremde Hilfe oon weiß Gott wo,
nach links und rechts blickte, demertte
ich seitlich hinter meinem Stuhl, zwi
s n Kamin und Klavier, einen hüb
s weißen Miso-, der wohlanstän
dig und artig (tvie alles ir. diesem
hause, bis aus Georg) besaß und
daraus dressiert zu sein schien, die
am Tisch i enden nicht durch Bet
tein Du beii iqen. Do der Hasen
beaten und der hund gegeben war
stellte steh in der nattfrlichen Ideen
W
verbinbung sofort vie Erinnerung an
Großvaters berühmten Streich ein
äch beschloß, dieselbe Geschichte in
zene zu sehen und zerschnitt zu
nächst meinen Braten, um ihn in ge
eigneten Momenten dem Mops zuzu
wersen. Es ging vortrefflich; die
Tanten hatten sich nämlich gerade
wieder vereinigt, um den unglückli
chen Georg mit Vorwütsen zu über
schütten, wodurch mir Gelegenheit ge
boten war. unbemerkt Bissen siir
Bissen in die Ecke zu eötamotierem
wo der Retter in der Not saß Auf
diese Weise hatte ich den Schicksals
teller glücklich leergemacht. L, guter
Großvater, hätte ich doch nimmer ge
glaubt, daß dein genialer Streich
mich einmal aus einer so satalen Lage
befreien werdet-»
Plößlich fuhr Georg hastig empor,
sein Mund öffnete sich weit, um ein
übermütiges, lautes »hat)aha, seht
nur!!" auszustoßem dabei stampste er
mit dem Fuß vor Vergnügen und
mit ber Hand wies e- in vie Ecke,
wo der Hund saß.
Das schneeige Fell des Mopses
zeigte überall Spuren von Braten
sauce, die Stücke hasenbtaten tagen
auf dem Teppich umher und leider
auch auf dem blauen Atlastissem auf
welchem das Tier saß, welches meinen
Hasenbraten verschmäht hatte.
Der Hand war ausgesto,jt!
Geoeg brüllte vor Lachen und
tanzte auf einem Bein; der Jubel der
Schadenfreube hatte ihm die Augen
mit Tränen gefüllt. Jch blickte zu
Boden und erwartete, daß er sich tits
nen werde, um mich und meine
Scham auszunehmen.
Die Tanten bedauerten, baß ich
mir diese Blöße gegeben, Georg tri
umphierte, am nächsten Tage reiste
ich ab.
Ju Istesäasstem
Professor Grauen grundgescheih
War Ioeit betannt ins sehr setstreuiz
Halt mich sein Wissen unermeßlich.
To war er dennoch ost vergeblich.
Sein Etsch-ein die Liselott',
War gistia ost in ihrem Spott:
Und hatte er den Schirm vergesse-«
Ward ihm ’ne »Ladung« zugetnesjeik
Dtnni sinteinni nn«« audieweil
Uns Scheiien solqee hnnsig Heils
Bat ek niit niienerinuter Seele:
.Erinn·re mich nn meine zehlest
Und ais nnn tnin der Senseninnnm
Hub- der Prosenor bittend an:
»Gut acht, mein »ei« und hab Jn
fresse
Dass —- ich —— das —- cåierben —- nies
- oerqesse«.
Der heimgeschiktte Ersinder.
Dein Herzog von Wellington stellte
sich ein Mann vor mit dein Bemer
ten, er habe die Ehre, dein Herzog
ein tugetsestes Oknnnsol zu iiverteis
chen. »Gut«, versetzte Weltington,.
»wir werdens gleich sehen. ziehen
Sie es einmal nn«. Der Mann ge
horchte. .Schieten Sie mir jemand
mit einein scharf geliidenen Gewehr«,
ries der Herzog« daraus seinem Se
tretiir zu. lVer Erfinder erbleichie,
und ehe noch das Gewehr gebracht
worden, war er schon tnit seinem »ti
gelsesten Kannst-P verschwunden.
OOQ
cui-up sinnoeeie
Ein Wein tnnn mild oder kann auch
herv sein,
Aber der Mensch mnn ’nen Tresser
machen nnd es tann sein
Werde-ev sein.
Cis-. Pelz tann ocsni Hund oder vom
Hesnelin sein,«
Aber der Mensch tnnsin Butterlsiindlek
und doch mehr sur
Moments-. sein«
Ein Gaul kann get-mit oder innn nnch
ges-Heim iein,
sit-er der Meiste-. nun-. ein Freier und
doch sehr beschränkt sent
Zin Prozes-, kann tiar oder kann nnch
vers-If sen-,
Aber ein Mens( inni- iejiaustrutnps nnd
doch nicht bestrickt sein
Ein Saiten tanzt oisen oder sann auch
verschiicibnr sein,
Aber der Mensch sann Vetckiiisch und
doch ··naenieissak sein«
—-...—
— E- prIV-" «
-»- --
»w
— Probat. A.: Eint-en Sie
nicht auch, daß es hier siehst-"
B.: »Ja, —- wcht nusr aber
gleich haben. Un icincr dicken Frei-J
Lief, Mk dich daher und holt den
Wind auf!«
—- Ochiilcrhunsotx EinLcljs
icsldatcti eine-I Elmncnlnriiiiiiich
nachdem er ihm da Spielen mit
denselben schon wiederholt vorvo
tcn, weg und wirft iie kurz ent
schlossen in das helle Feuer des
Die-Is. Als es lmid darauf im
Ofen itsistcki, stößt der feine-i Ober
beichls entier Schüler sein«-»Noch
bnr in die Seins und iliiiusrt ihm
zu:"»-Oörit du iic ichicsxenP Jetzt
stehen fie ins Zeiten«
»Ein Schluck-cuiit». Ta
mm »Na, IociH haben Sc iich go
dachi, Herr Mrim nic- Sic mich io
den Berg hemuikommcst Inhen'·’«
Use-m »Somicuanigang, Unädiqe
JZMIM
» —- V o s h o it. PensionatsiVoks
»sich-tin (bci Tische vorlriciid): »Da
lcic ich ein-m dass in Hamburg eine
Frau icchzig Tage ohne Nahrung
gelebt hat«
Pestiionöcim «Wm: die nicht fri
hek auch bei Ihnen in Pensioni·
rek nimmt einr- Tumss du« Blei- «
ff«