Image provided by: University of Nebraska-Lincoln Libraries, Lincoln, NE
About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Nov. 15, 1917)
9 Lieb Vaterland. « Roman von Sind-spl- Sterns (2. Forttegungq «hat man ’rnat irgendwo die Spur oon erner Möglichkeit, dann muß Du es doch auch gleich wteoer ver pqnen intt Teiner ewigen Dic fettigteit Da sehnen rnnt durch »u full ein Milttonär in unteren Kreis, ein Mensch. ver vtetteicht Stettungen oder sonst wo- zu vergeben hat« uno ich gebe mir die gräßlichsMiihc nett and freundlich zu ihm zu kein unt Ihn uns warm zu halten — Du weißt: ich bin ionst gar nicht io ikberftrömend liebenswürdig . . »Das hat mich ja gerade geär gert!« ..... uno vn fährst Du dazwi schen und vervirbft »Hei-! Auf Die Messe wird es natürlich nie emqu sntt uns werden« Moritzl Da können Zoir noch zehn Jahre nach einem Pos ften ini zrvttberui für Dich Iuchen2" Sie verstummte betrübt nnd schritt neben Ihtn zum Ausgang, mit ihrem hohen, ichtnnten Wuchs ihm bis über die Schulter reichend. Worin Lune nmnn machte zornig Halt. »Ich tu’ doch, was ich kann, Grete! Ich ichreib’ mir ja doch schon die Finger krumm unI l.1uf’ mir vier-sb säpe ichiet, um Init Anstand wend sW acllcssllkllllllllclli ullll IUUI qllls geholseni Nichts! Die Leute halt ten einen hin. Man ist ja ein Esel. wenn man’ö ernst iiiinitit!" Draußen-« tvar Winteralienv und lichterheIL Sie gingen zu Fuß nach dein Westen zu, wo sie alle wohnten. Moritz Litnetnsints into Margarete allein hinter oen anderen. Da junge Miit-then hatte seinen Arm ge nommen. Sie schmiegt sich irii Da hinichreiten leise an ihn. Jn der Wehmut, in oer sie sich besond, mochte sie gar nicht reden Moris Liiiteiiiiinn aber sagte plötzlich tvie aus ihren Gedanken heraus: »So ein Keil, ioie dieser vater lanvslose Geselle von vorhin, der init Leichtigteii zehn over hundert Familien eriiahreii töiinte. der hat natürlich teitie Frau « .Nein, er trug tetneii Triiuring!'« «llno unsereins wieder, der ums Totschlagen gern heiraten möchte, der hat wieder teiii Geld. Es ist zi dätnlich ini Leben eingerichtet. Das Schicksal hatit tniiner v-.iiiet)en!« .Ja. Wenn tvir ’ne Million hätten pskichiele das junge Mädchen bei. Die Vorstellung siel in ihrer Seele aus fruchtbaren Bo ten. Sie sing an, sich etwas aus zttiiialem wag man wohl iitt Besitz einer Million tun ioitroe. Sie tech nete es sich und oeiii Verlobten vor: Erst gab man natürlich den Eltern gehörig av. Die Geschwister triegi ten auch was, wenn sie nett waren. Den tltesl —- vielleicht drei Vieitel rver zivei Drittel —- behieli niaii siir sich. Es gab so herrliche Sachen aus ver Welt: Tit Trtiuunggseier tin Toni, das Festinahl bei Anton, die Hochzeitsreise nach Paris » Schniuct von Laliqtie —- ttleider von Paquin —- solche Dinge und Adressen ver gaß sie nicht, wenn sie sie eiiiiiial ge hört und gelesen hatte« vie Rinier-i —- ein Auio , Mitten in diese ertrauitiie Seligkeit hinein sagte det Leutnani Liiiiemaiin trocteii, sast Clrriteitok .Wie stellst Tit Tir diig eigentlich vors Lentst Tu denn, d.inn täte rniiii überhaupt nichts iiiet)r, iilg so nts Hoietnmnze da nnd dort zii vege tieieni Nee —- iet bin siir striiiiirne Llrbeitl Dann gerade! Iris bii kein solcher Fiiutpelz« tvie Tu.. " Margarete seufzte. Die Worte ih res Briintizuing einiiititerteii tie schmerzlich. Eine Wotte der Ent tiiuschuiig oerdiisterte ihr Gesicht m tiit ihr Immer ideh niit seinem scho niingstoseti Verstand. Er toiir ein hiirter Mensch. Aus eininiil einpirind sie wieder, wie ni-.inchmiil, die tiese Kluft zwischen ieinein und ihrem Wesen, die nur die Liebe oon beiden Seiten überbriictte. Sie ärgerte sich und wurde besiig. «L5chäjit! Dann reite Du vor Deinen Kanonen herunt, bis Du iilt iind grau lsistl Und ich derhiiszte daheim bei den Eltern sachte initl Das ist eine reizeiide Peispettidet Tu' inir ten einzigen Gesiiliem Mons. und schnu nicht so obteginntilch drein, al-: rb Du Dir ini Lisden ein pinir zi esorieii tiiustest, stott diisi wir iEbee isiiser Lebensglück sprecheii!'· »Du solltest unser Lebensnlijct ron einer ernste-en Seite ansehen, Grete. Weis sollen denn ritt die Kintertitz chens Du bist viel zii ijitsierlick,s... riet zu sehr arise Vergnügen erpicht!« » «Jii· Jch bin nun einmal so! Jch bin siir so ein Leben wie geschnsieiil« Sie ließ ihn nicht zu Worte korn rnen. Sie suhr rasch und trotzig sott: » »Ich glaub« nicht on das Sparta J riertiiin, dei- iiiilereinem in unseren Kreisen von Kind an eingebtiiut trith Dritt mag srtiher so getoeien sein.s noch zu Martia- Zeit —- eiber ietzt. .H Warum sollen es denn andere besseri haben als’ich iind Du —- deis mächt ich bloß wissen! Jhr seid alte oiet sit bescheidenl Das macht mich tm mer so toliteiid. tverm Ihr Euch tin-s see gleich so tin-it Dis liesoiiderst·s ., -- , : , -»- , ! Plötztich kamen ihr die Tränen kSie blieb stehen und weinte Wans. Zum Gliiet war es mitten aus dein ratbduntten Vittoria - Luise » Platz, wo sich niemand in der Nähe des-end fgtl ihre vorausgegangenen Gefähr ten, die umdrehten und zu denr uns Oet einer Laterne stehenden Paar zu rückkehrten Der Gardeteutnant mu sterte seine schöne Schwester landlä tig durch das Monotet. »Na. Du Heuttieset Was ist denn nun wieder los?« »Gott sie hat sich!« sagte Lü neinann ärgerlich. »Gute, sei doch vernünftig! Du blatnierst einen ja Jus ossetier Straße» I Aber sie schluchzte trampshaft weis ter. ( »Ich möcht’ bloß wissen, wozu man« eigentlich aus der Welt ist! Es war's viel besser, man wcire gar nicht ge boren! Dann hätte man nicht die ewi ge Plackerei! Das geht nun so zwei undeinhatb Jahr mit uns! Und Du siihlst Dich, scheints-, ganz wohl das bei!... Du zuctst ja immer blosz die Achseln! Du hast mich ja gar nicht lieb!« Sie schaute blaß und bang, am ganzen Körper zitternd. zu ihre-n Verlobten hinaus, der den Arm um sie legte und nur sagte: »Ich hab’ Dich lieb, Grete!« Das beruhigte sie ein wenig. Sie sing wieder an leise zu weinen und murmelte, während die anderen mei tergingem »Sei nicht bös! Jch vin so ausein ander!... Wie zerpriigelt... Jch bin so mutlos, Macht« »Ach mas!« Er sah sich rasch um, ob jemand fse beobachtete, und gab ihr einen Kuß, sie holte tief Atem, zupfte sich den Schleier zurecht und wurde gefaßter. Beide setzten ihren Weg fort. Der Artillerielsutnant fiihlte, daß er sei ner Verlobten Trost schuldig war. Eigentlich wa« sie noch gar nicht seine Verlobte, es war noch nicht offiziell ausgesprochesi oder gar angezeigt wor den. bei der vorläufigen Aussichts losigteit iqier Lage. Margaretens El tern drückten nur einstweilen die Au gen zu. Alle Welt war nachsichtig, in Erwartung irgendeines Glücksfiilles. Plötzlich ein Jauchzen in ihrer Stim me. »Mo;itt! Jetzt hab’ ich ’ne Jdee2« »Nei?« »Nein. Das sag· ich Dir nicht!... Du machst doch blon wieder flatt! Und dabei ist es das reine Ei des Columbusl Laß mich nur allein ina chen! Am Ende wird nun alles gut!« Sie waren jetzt dicht bei den an deren, die vor Matgaretens Eltern hnus standen. Das junge Mädchen ging elastilch auf die Gruppe zu. Sie trug auf einmal den Kopf im Nacken und munerte die anderen belustigt von oben herab. »Ach .. Jhr....« sagte sie. Wei ter nichts. »Was denn?« »Ihr seid dumm! Allesamt!... Aber meinetwegen! Macht nur weiter, trie Jhr’g versieht! Wir fliegen Euch doch eines schönen Tage-«- davonk« »Na... glückliche Reises« meinte der Bruder und öffnete die Tür »Jhr seid furchtbar langtoeilige Leute!... Du auch, Moritzl Aber ich hob’ Dich doch gräßlich liebl« Sie sprach es heiter Inb innig. Er sah den gebeiinnisvollen glückli chen Schein auf ihrem Gesicht und zog sie ein paar Schritte abseits in das HalvdunleL »Erziihl’ doch, was Du vorhast!« bat er. Aber sie schüttel te bartniirtig den Kopi. »Nein! Frag· mich nicht! Tas darf man nicht verufenl" starl Zeddersen hatte inzwischen niit seine-it Bruder ini Hotel Apis-Ins oiiiiert. Alexandre Feddersen ivar blond nnd dlauäugig, von uiidertenn i bar teutonischeni Liipug nne er, aber kleiner iiiid von schniächtiger Ges.talt Paris, sein langjähriger Aufenihalt5 dri, hatte iiin iihgefäidt. Sein Gesicht ivir dtaß und anbot-, er gestitiilieite im Sprechen viel mit den Händen Mit seinem Spiybart und dein sinnt ter var den Augen erinnerte er an ei inen französischen Advotaten Die bei sden redeten miteinander Deutsch. Das ivar Gewohnheit iti der Familie cie · blieben, so wenig sie sich auch ais Deutsche fühlten. Die laufenden Fisi liianzangelegeiiheiten nahmen sie wiih rend der Mahlzeit so in Anspruch, dasz sie rein mechanisch aßen. Kaki iFeddersen meinte: l »Das Baltangeschöst geht über haupt nicht nach Wunsch. Wir find da schlecht verteetent Wir sind eiviq ungenügend insermiertt Dabei gilts unser Moise tiabiljo zum Beispiel da unten als Autorität. Leivy Fresreg iiil Saloniti auch Und trotzdem« i »Weißt Dit, wag der Grund ist«-"' »Da bin ich gespannt!« Alexnndre Ieddersen suchte n·ach gallischer Art die klarste Form siir das, was er sagen wollte »Es tomtnt daher mon anti, diisi das alles Kausleiite sind. Jn diesen halbwilden Gegenden aber -—- sei esi Marotto oder der Baltan — ein-; scheidet immer noch mehr oder nun-; der die Gewalt, die Waise —- die tin-s iitiieische Seite einer Angelegenheit.! Das tönnen wir nun gar nicht be-i urteilen... Wir haben ja selber auch in Ankland nicht gedient! Darin sind uns de Deutschen über. Wir mitktenj unter unsern vielen Leuten enen· i i Sachverständigen dasiir haben — eii nen sixen Kerl — irgendeinen frühe-. ren Ossizier, den man nach Bedarf da und dorthin schickt...« »Ja, gewiß!« sagte Karl Fedderiå sen. Er hatte nur halb zugehört Sei-« ne Augen schweisten durch den Grill room, die Treppenstusen hinab in die jetzt leere Vorhalle. Dann sagte er, mehr sitt sich, als zu seinem Bruder: s »Z» vkpuig vie Gesellschaft min der ich vorhin da unten gesessen hab'!", »Ja, Du has« erzählt!« I »Leute. die huchstäblich von nichts, eine Ahnung haben! Und dabei in« einer Weise von sich überzeugt. .. Ein junges Mädchen war darunter. Die schien ein wenig anders als die« andern!« »Aus das merkwürdige junge Mäd chen tosnmst Du nun schon zum drit tenknal heute abend. Bleih’ doch bei der Sache!« s »Ja! Wovon sprachen wir doch? Nein, Sascha: was die Antitrust Bewegung hetrisstl Die Stannard Oil ist störten Unsere Petroleumpreises in Balu . « »Das haben wir bereits beim Fisch sestgestelltf sagte der Pariser kalt-s blutig. »Hast Du denn die ganze Zeiti geschlafen? Hör« doch gesälligst zum-« Er wiederholte seinen Vortrag. Karl Feddersen saß ihm zerstreut gei geniiber. Der leere Tisch in der Vor halle ließ ihn nicht los. Wenn er vie Augen halb schloß, nickte da untenl eine große, steife schwarze Sammet-· schleise von einem weißen Teller hut, eine lichte Bluse schimmerte, undl dazwischen war ein lebendiges, schönes Mädchengesich t —- tiesduntleö Haar« —- große duntle Augen« »Ich half in der Sache Briese ais Liverpool!« Er hörte die Stimmel des Bruders wie aus der Ferne. »Es nimmt mit dem BaumwollsCorner in New York noch ein schlimmes Ende!" ,.Recht sol« pslichtete Karl Fedder sen mechanisch hei. Er vernahm iider den Tisch etwas von Digtonterhöhung der Bank von England, von einem halben Prozent.» aber die Versta sung des internationalen Geldmarttes ließ ihn heute kühl, und er brachte in der ersten Pause die Rede wieder aus den Tisch da unten: »Es-irre gute Rasse ist doch noch hier im Lande!" sagte er »Die Gesellschaft, mit der das junge Mädchen vorhin zusammen war . . .« Sein Bruder wars ihm einen mehr als mißtrauischen Blick zu. Er wurde unruhig. Aber er zweifelte noch. Der gute dlonde Charley war so gar nicht der Mann, sich Hals iiber ttops zu verliehen. Er tlopste vorsichtig aus den Busch. »Hör' mal, mon cher... die alte Frage-» Du bist doch nun zweiund dreißig. Warum heiratest Du eigent lich nicht«-« »Gott .. Du weißt doch... Jch bin noch nicht dazu getotnmen .. . Tie ewige Arbeit seit Papa-Z Tod. Aber ich lass’ es mir immer ’mal durch den ttops gehe-m Es wäre anch ganz gut, wenn die Firma mit ihren Gewinn teln etwas liquider würdes« Der dlonde Deutsch-Pariser war sie-J ruhigt. Gott sei Dant: sein Bruder dachte noch an die Mitgistl Er sagte wie deiljiusig: : »Dies« Tage war Mademoiselle Pharagli zum Tee bei meiner Fraul" »So» Die Pharasli.. .!« s Karl Feddersen schnitt eine Gri-« masse. Der andere runzelte die Stirne« »Ei) dien... wag hast Du denn gegen sie-l« ,,Nichts!" i «Tiensl Duc- wijre so eine Partie siir Dich!... Es ist so ziemlich das erste lednntinische Haus an der Bari-; ser Börse. Tabei ist sie hübsch. in ihrer Art. »Ein winziges, schwarzes Püppchen ist fiel« Z »t)errgon... es qeyt doch nicht» nach dein Gardentnfz!« j start Feddersen wurde ohne allen, Grund zornig. d »Doch! Jch bin, nnbernfen, em, stattliches sittl. Das ist ja lächerlichH ich und dieser ttnirpgt Rein... brin ge mir eine« . .. Er brach ab. Er hat te fortfahren wollen: »Die etwa so ansichaut wie da- Mädchen da un ten.'· Sein Herz wurde wieder unru hig. Er schnieg. Der Bruder erriet feinen Gedanken. Er tvnfzte jetzt genug· Es war wirt lich Gefahr im Verzug. Er frng: »Mir scheint, Du dentst schon wie-· der an die junge Dante von vorhin? Wer war denn das eigentlich?« »Das weih ich nicht!« »Wie heißt sie denn-« »Gute. Ein fcheutzticher Name! Nicht?« Dabei sormte sich in seinen Ohren nie ein Kindieeattord das weiche, helle, gallifch tändelnde: Margot. Der andere forschte: »Und ihr Faniiliennatne?« »Den weiß ich nicht!« »Was ist denn der Vater?« »Weiß ich nicht!" »Wo wohnt sie denkt's« »Weiß ich nicht!« »Was treibt sie denn?« »Weiß ich nicht!« Satchr Fedderfen mußte lachen. cer schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. l »Charley!... Chctrley!" sagte er.j »Ich hätte Dich für vernünftiger ge-« halten!... Sieh mir ins Gesicht!« »Du bist ja im Begriff- Dich zu mit-den« Du unglückliche-n . -1 ,Unsmn!« »Und roch dazu in eine Unbekann te..." »Ach, laß mich in Ruhe!«. »Und aar noch in eine Dame, von· der Du selbst vorhin erzähltest, sie sei schon mit einem Osfigier verlobtl . .. Charley... Gib mir mal Deine Hand« .« »Woz«t?« ,,... und versprich mir, daß Du morgen abend mit mir nach Paris fährst!« Eine Pause. Dann sagte Karl Fed dersen zu des anderen Erstaunen mit einem plötzlichen Entschluß und m seinem alten, nüchternen Ton: »Gut! Jch komme mit!« »Parole d’honneur?" »C’est derive!" Aber als am nächsten Abend die« zehnte Stunde sich über Berlin sentte, das Gepäck fertig dastand, die Hom rechnnng quittiert daneben lag, saß Karl Feddersen immer noch untälig in seinem Zimmer. Sein Bruder hat te noch aus dem französischen General tonsnlat zu tun. Es war verabredet, daß sie sich aus dem Bahnhos tref sen sollten. Hinter ihm haftete es dis tret. Sein Kammerdiener mahnte: »Monsieur, es ist höchste Zeit!« »Monsieur können zur Not noch mit dem Handgepäck in einem Auto zurechttommenl'« »Adol«ohe... Sie wissen, daß ich nicht gerne ewig unterbrochen werdet« Die Uhr schlug ein viertel nach zehn. Der Glattrasierte verzog teine Miene. Er begann schweigend das Reisenecessaire wieder auszudeuten Karl Feddersen wandte unwirsch den Kopf. »Was machen Sie denn da, Adol phe?« »Monsieur, der Nord-Expresz ist vor siins Minuten abgegangen!« Sein Herr stand auf. Er mußte lachen, wenn er an das enttäuschte Gesicht seines Bruders dachte, der jetzt allein im Abteil des Luxuszuges saß. Am nächsten Morgen schon kamen ent rüstete Depeschen von Sascha: eine von Hannover, eine ans llöln, eine von der Grenze. Jn allen dasselbe: Ein Kaufmann halte das Worts Auch unter Brüdern! start Feddersen liefz das ganz kühl. Er wars die Tele gramme in den Papierlorb. Nachmit tags sprang er plötzlirh aus, als ob er etwas wichtiges vergessen hätte, sah auf die Uhr und ging hinunter in die große Halle des Vom-. Da war das Treiben des Fide-o’elocl wie gestern. Der blnubesractte Diener hatte ihm einen Platz reserviert, dicht vor je nem runden Tisch. Aber an dem sa ßen heute nur gleichgültige, unbekann te Leute. Fremde Gesichter überall. Karl Feddersen wartete gut zwei Stunden« bis der große Raum sast leer war. Dann zog er seinen Fracl an, dinierte allein, lag dabei gähnend die neuesten blauen Wolffschen Han delgdepetchen und legte sich mit den Hilhnern schlafen. Am nächsten Tage ging das ebenso, am dritten auch. Jeden Nachmittag sah er andere Gestalten an dem run den Tisch. Das junge Mädchen tam nicht wieder. Die Ultillionenstadt hatte sie verschlungen Dabei flogen die Briese des Bruders aus Paris. Jeden Tag einer. Er mußte sie lesen, weil auch Geschöstlicheg darin stand, und dazwischen immer ein wiitendeg »Was soll das?... Wann fährst Dies-« lind endlich eine itnoerhiillte Dro hung: »Wenn Du nicht gleich tommst, erzähle ich überall, daß du Dich hoff nungslos in eine kleine Berlinerin verliebt hast... Alle lachen dich dann hier ausl« Das wirlle am meist-m. tiarl Feddersen war empfindlich. lisr hatte eine starte Meinung von sich und seinem Geldwert. Er war ge wohnt, respektiert zu werden und siihlte selber: er stand im Begriff, sich ein wenig lächerlich zu machen.... auch vor sich selber . .. Er sagte sich: Zascha hat reich ne heirntet --- eine Vunerilaneriik Auch Ucicoll1i5, des Moslnuer Bruders, Frau, eine Kliussiin hatte viel Geld. Er, Charleh, war es- der Fiina schill-» dig, auch eine Liliillionen-’Jllitaist hin-; einzudringen. Er stieg noch einmal: hinunter zu dem Fide-o’cloct. Hundertei von Menschen waren da. Das einzi ge Gesicht, das er suchte, nicht. irr faßte einen letzten Entschluß. Er winkte dem liellnet Wer das neulich wohl alles an dem runden Tisch ge wesen sei? Aber der Blnubeskactle entsnnn sich nur noch dunkel. tsr tannte die Herrschaften nicht. Die ta inen sonst isicht hierher. Nun gab Karl Feddersen es ans. lsigentlich fiihlte er sich erleichtert durch den Entschluß, noch diesen Abend nbzureisem Es war das einzig Vernünstigr. Er war mit sich zufrie den, während sein Adolphe aus dein Boden des Hotelzimmerg kniete und wieder die stosfer packte. Dann ver-· schlos; er seine Geschäftsbriese in einer Wappe, dn klopfte es. Der Kellner brachte eine Karte. Der Rittmeisier Baron Elendt wünschte seinen Besuch zu ninchen. Er stnnd draußen im Vorraum des Hotelzimmerg, trat sä beltlirrend ein, schüttelte ihm die Hand und nahm Platz »Entschuldigen Sie, daß ich Sie des Abends überfalle, Herr Fedderseiu Aber bei Tag hab’ ich höllischen Dienst! Ich komme nämlich mit et nee Bitte —- nicht siir mich, sondern file jemand anderen . . . oder eigentlich f mehr mit einer Anfrage... ganz im Vertrauen . . .'« »Und womit kann ich dienen?« frug Karl Fedderfen kühl. Er, der reiche Mann, war viefe Einleitungen schon gewcohnt. Sein Besuche-: sah sich in dem Ge mach um und pfiff durch die Zähne »O weh!« verletzte er. »Mir scheint, ich komme zu spät gerade vor Toresfchlnfn Sie sind im Begriff abzureifen?« »Ja. Um sehnl« »Gott wie schade!... Hals ich nur vorher gewußt. Da hat es eigent lich kaum mehr Zweck, daß ich mich meines Auftrages entledige!... Aber schließlich, ich habe es nun einmal übernommen, es auszurichten: Fräu lein von Teuffern hätte Sie fiir ihrv Leben gerne noch einmal gesprocheni«j Der Millioan hatte zerstreut zu-« gehört. Solche Bittaesuche waren sein« tögliches Brot. Er wiederholte gedan-» lenlos: « »Fräulein von Teuffern?« ,,Erin1eri. Sie sich nicht, neulich hier unten... die Dame, die Jhnen gerade gegenübersaß? Sie sprachen noch so viel mit ihr...« diarl Feddersen wandte dem Uhlass ’nen den Kopf zu. Er hatte Mühe, sich zu beherrschen. »Die rcl;lanle, dunkle Dame...? Der Bruder war auch dabei . . .« »Ja. Eben vie!« »Das ist ein Fräulein ron Teuf ferns« »Der Ecke lsl hycllcllllicllllltllll z«I D. Sie wohnen draußen in Charlot-« tenburg. Eine sehr gute Familie. Jch komme manchmal Sonntags hin. Ei-« gentlich wollte Jhnen Fräulein von Teuffern schreiben. Aber oann fürch tete fie, das käme am Ende nur in die Hände Jhres Setretärs und von ba in den Papiertorb Sie kriegen doch gewiß täglich niassenhast aller-J haiid Wische. Da entschloß sie sich lie ber, mich zu schicken. l »Ich stehe zur Versuguiig!« sagte Karl Feddetsen. Seine Stimme schwankt-. vor Erreguiig. Der Ritt meister achtete nicht daraus. Er spielte niit seinem Säbel, den er zwischen den Knien hielt. »Sie möchte Sie nämlich etwas fragen!« sagt« er. ,,-·llur ein paar Mi nuten, aber möglichst ungestört. Das ginge nun zum Beispiel bei dein Zwe o’clock da unten nicht· Da tetzen sich gleich zehn, zivols Betannte von uns ungebeieki mit an den Tisch. Aber im Tattersall in der Luisensiraße etiva . . . es kommen da vormit tags viele Damen hin, um zu reiten . da geht man ganz uiigeniert aus und nieder... Es ioar naiuslich ooii Haus aus unbescheiden, Ihnen den tleinen Weg zuzumuten! Und nun, ioo es der Uniicrn will, daß Sie in coe nigeii Stunden schon aboampsen. »Eiiien Augenblick, bitte’« unter brach Karl Feddersen und griff hef tig, um seine Verwirrung zu verber gen, nach einigen Depeschen, die ihiii der Diener hingelegt hatte. Er rifz sie aus. Zioei enthielten gleichgültige Ge schäfte. Die drittes war aus Paris: »Du bist ein Deserteurl Wenn Du nicht kommst, hole ich Dich iiberniorgeii persönlich. Sascha!« Er salieie das Blatt zusammen und sagte mit ertiin: stelter Ruhe: »Das trisst sich merkwürdig, Herr Baron! Jn diesem Moment bitiet mich ein Geschästgsreuiid dringend, nicht abzureisen Er sei iiii Begriff, iiiich hier auszusuchen. Jch inusz wohl oder iibel tleibeii!« »Ah sainog!.. . Mir fällt förmlich sein Stein ooin Herzen!... Die Sa Tche ist natürlich siir Sie nicht ioichtig,! iber siir die anderen sehr Haben Sie denn auch ivirllich morgen ein paar Minuten Zeits« l »Viel nicht!« start Feddersen gab sich den Anschein eines von Arbeits iilserhiiusteii Miiiineg.»31ber es- läszt sich schon machen. Wurde es wohl iiiii elf Uhr passen-« s »Waim die lsestiininenl Also nin elf im TattersalL Und inzwischen herzliche-i Dank!« Der Uhlan tlirrte händeschiittelnd hinaus· Der andere schloß die»Tiire hinter ihm, setzte sich an den Schreib tisch und drahtete an seinen Bruder. «Bin mündig. Bleibe Du in Paris. Gruft. Charleh.« Voll Unruhe nnd Ungeduld, eine unbestimmte, lächerliche Hoffnung im Herzen, fuhr er am nächsten Vormit tag die Linden entlang und iiber die Spree nach dem TattersalL Am Ein gang stand schon der Rittineister und wartete. Er führte ihn geschäftig auf die hölzerne Estrade, die die Stirn-« seite der Reitbahn aLschkoß. Da blieb Karl Feddersen stehen. Es waren we nig Pferde in der Bahn. Nur ein pa1r. Zuschauer auf den Tribiinen Gegen iiber auf der anderen Schmalseite des Rechtect5, wo links der Eingang zu den Ställen war, tauchte ein Mntzi chen aus billigem weißen Möwengefie-. der ·nuf· Dann ein ebensolcher kleiner weißer Schulterkragen. Er erkannte mit einem jähen freudigen Schreiken das lebhafte Mädchengesicht, die dunk len Haar-, die dunklen Angen, Siei schien ihm noch schöner, als er sie in der Erinnerung gehabt. Sie trug eine einfache Jacke, einen kurzen grauen? Rock und lenkte doch one Blick- auf sich,s während sie leichtsiiszig und schlank den Gang herunterkain. start Feldber sen sagte sich, während er ihr entge genging: Wenn die ein Pariser Schneider, eine Pariser Hutkiinstlerins anziigen, was gäbe das fiir eine Er Meinung-. Margarete von Teuffern streckte ihm unbefangen die Hand hin. Sie lächelte Sie unterdrückte ihre Aufre gung. Sie war durchaus ein Mädchen von Welt. Das sah er gleich. Das ge fiel ihm. ·»Jch danke Jhnen von herzus- Herr FeddersenS Es ist fo furchtbar nett von Ihnen, daß Sie gekommen findt Jch habe mir eigentlich hinterher . schreckliche Vorwürfe gemacht, Jhnen das zuzumutan Aber ich weiß fattiich nicht mehr wo mir der Kot-i fteht .. " »Wenn ich Jhnen irgendwie nützlich sein kann, mein gnädigeg Fräulein, fo ift es mir eine Freude!« Karl Fedderfen sagte das höflich und ruhig und riictte sich dei- fpieae:- « glatten Zylinder, den Her zur Begrü ßung abgenommen, auf dem blonden Haupt zurecht. Sie schwieg. Es war eine Pause. Dann fagte sie stockend: »Ich weiß gar nicht« wie ich anfangen fall, Herr Fedderienl Bisher war ich ganz guten Muts. Ader nun, wo’8 drauf antommt, fällt mir direkt das Herz in die Schuhe!.. Jch hin Ih nen doch fo ganz fremdl. « Karl Fedderfen tain unwillkürlich auf die rechte Antwort. »Sie müssen sich denken, daß sieh fehr oft Menschen an mich wenden! Das ift jemandem wie mir nichts Neues!« Das gad ihr wieder Mut. Die ent schloß sich, ihm ins Gesicht zu sehen »Es handelt sich um eine Bitte, Herr Fedderfen!« sagte sie-freimiiiig. »Ich hoffte ja auch, daß Sie sich bis schon von selber denten würden! . Sonst iviirde ich nie . . . Jch babe auch meinen Eltern nichts davon erzählt! Ueberhauvt keiner Menschenseele, außer Elendil Jch tue es ganz auf eigene Faust! Schließlich langt man nach einein Strohhalm... wenn ihm so gar keinen Rat mehr weiß... nicht wahr?« »Es wird schon nicht so schlimm fein!.. . Erzählen Sie einmal recht ruhig und der Reihe nach mein gnä digeg Fräulein!« Sie beugte den schlanten Obertsr per iiber die Holzivandung der Reit bahn, stützte sich den Ellbogen darauf und miifterte die Pferde. Er fah: sie war bemüht, ihrem Beisammeniein vor den anderen den Charakter eiiser zufälligen Begegnung, eines gleichgülti gen Geplauderg zwischen zwei Be kannten zu geben. »Es hat mir so imponiert, was Sie mir neulich über den Umfang Ihrer Geschäfte erzählten, Herr Fed dericnl Jch verstehe nichts dad«;i!. Aber die müssen ja riesenhaft fein!«« »Es gibt noch viel größere, Fräu lein von Leusfernl« »Jinmerhin!.. Jedenfalls haben Sie Verbindungen mit allen reichen. Leuten in Europa. Er niufzte lachen «Wenigsiens mit einer Anzahl!« »Und darum dreht sich eben mein Aiiliegeii!« Sie sprach stouend, aberv entschlofien »Es handelt sich um ei iien jungen Offizier Sie kennen ihn Er fafz neulich auch mit am Tisch Leider txdtteg hat er sich unfreundlich und heraussorderiid gegen Sie benom nien!« ».lch, der mit dein schwarzen stra gen « »Ha. Der Feldartilleriftl Ein Leut iiant Liiiieinaiin. Er ift so ein schreck licher Diitlopf Ich habg ihm nach her gesagt. Jch hoffe, er bereut’s! Das ist bei ans so Model» Lin meinem Elternhaus auch· Wer da nicht mit iiiail)t... Aber ich bin nicht fo. Was hat nian denn davon?« Sie furchte trotzig die Stirne. Dann fuhr sie fort: i - l ,,Duinin ist Liinemann nicht. Er sucht sich nur einen anderen Wir tungotreiex Die eIstiedensztarriere ist tsei uns ja trostlos Er möchte bei der Industrie untertoinmen. Er hnt ganz nette Vortenntnisse. Er hat sich schon an Gott und die Welt gewandt. Aber es wird nichts Jch glaube, es liegt rein nur an ihm. Er tommt immer schon so herein, als ob er die Leute fressen wollte, von denen er etwas tsaben möchte. Da natiirlich... Ach hab mir in der Verzweiflung gedacht: jetzt nehme iWB mal in die Hand « »Wir möchten uns nämlich dann heiraten!· sagte sie nach einst kurzen , , Pause heftig, den Blick am Boden. Es tlang toie seindselig gegen start Fed dersen, dnsz er ihr dies Geständnis erpreszte Ein leises Rot überzog ihre Wangen. Er sah von der Seite ihr zartes Protii. Er mußte sich nieder bengen, um besser u hören. Sie mur niclte beinahe nur noch, immer die Aug-n trotzig von ihm abgewandt »Sie haben doch geiin auch in Deutschland Vetannte, die eine Stel lung zu vergeben haben« Können Sie Lünemnnn nicht irgendeine iserschaså sen? Nur siir den Anfang! Wir wol len ja nichts Grosiest Wir sind ja mit allem zutricisen... Nur, daß wir le ben töntan Sie tun ein gutes Werts Jch ·orge dafür, das; Liinenmnn Ihrer Empfehlung teine Schandei macht! Das schwöre ich Jhnent Jcls Lin der ein-ig. Mensch aus der Welt, dor den: er tslngst hat...« diarl Feddersen schwieg. Sie harrte bctiiinniert und unsicher Eie vers-and sein Stusninblcite nicht. Dann seufzte sie aus« CForisehung folgt s ..· .- —-.- -