Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 27, 1917, Sonntagsblatt, Image 9

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    , Sonntag-blau de
Skaats Anzetger und Esset-old
,Nevr .Donerstug ,nde
Z ie Zinsen
Von Weiter v. Molc
i—«
—
Und fd fchön lft die Welt, fo fchön.:
—- Mnn merlt’s erfi, wenn rnnn ster
ben muß. . .
Götz Bulthnupt, der Ulmer Rats
herr und Groleaufniann, ließ den
matten, trüben Blick feirler blutunters
laufenen Augen in die Weite rinne
um gehen nnd zog mit zitternden
Händen die Enden feines zerfeyten
Warnfes zufammen, in dein noch der
Riß klaffte, durch den des Aggneiner
Knappen lurzej Schwert gefahren
war, als sie ihn niederwerfen auf
flaubiger Straße.
Martin Bulthaupt fier rnit hochge
zogenen linan auf der Ielfenbanl, die
jäh in die fchwindelnde Tiefe fiel und
nieste: »So mögen die alle gesprochen
hoben, Bruder-, die vor uns lamen,
und die uns nun fchiveigende Genofs
fen sind bis ans Ende.«
Er warf ein pnar umherliegende
zermiirbte Rippen, welche die Geier
gelassen halten« hinaus in die blaue
Luft, daß fie in wirbelnden Kreifen
- entschwanden
Als breit silbernes Band lam von
lints die Donau durch die grünen
Wälder gefchlichem tnlnb, längs der
C trnße, die sichere Rettung bot« lagen
nicht Wälder und Schroffen dazwi
schen, wohl an die laufend Fuß.
«llnd ich will nichtl Und, es tann
nicht seinl Wie ein Vieh nui dem
Leben gesperrt ohne Speise und
Tranll'· Glis Bulthannt schlug mit
den geballlen Fäusten ivider die sesten
Ausenmauern tes Aggsteim die jäh
in die hohe stiegen neben dein schma
len «Rosengiirtlein', aus dem der
Raubritter Feinde rin-tliiglich Ende
sonder-, »ich hab« Ihnen doch nichts
getan und du nichts —- EI muß ein
Spukgebilde meiner Sinne sein; gebt
Brot« Leute, hilsel Helstl —"
Martin Bulthaupt umschlang sei
nen Bruder und driiette ihn aus den
verwaichenen Felsen nieder, der taum
drei Schritte in der Breite maß
,.Jch Ioill nicht, daß sie dich jam
mern hören!"
·Mit einem dumpfen Stöhnen glitt
der breitschulterige Mann zu Boden
und umtlammerle den erbarmungslos
sen Fels, »so bleibt nur der Tod! —«
Martin Bulthaupt nickle, er stand
hochausgerichlet, daß sein Mantel un
scharfen Winde slog und seine lange,
hagere Gestalt sich hart vom sonnbe
schiene-ten Grün der Wälder unter
ihnen abhob. Sein liesliegendes Auge
seh-reiste die blaue Ferne ab.
Es Ivar der gleiche tiefsatte, blaue
Himmel, der seinen Bruder im Gllirt
umgeben hatte, der ihrn das ganze
Leben lang treu geblieben war: als
schöner wilder But-, als lebenstoller
Jungling und als reiser Mann. Das
Leben hatte nie oerabsiiuint, nor ihinz
seinen Bliclling zu machen, es hatte:
ihcn Kraft und Gesundheit. ein reis«
ches Erbe und eine schöne Frau arge-i
ben, es hatte ihm in seinem Seinen
und Seidenhandel alles, alles gelinsj
gen lassen, nie ioaren die Versuchun
gen der Unzusriedenheit und der Le
bensangst iiber ihn— getornrnen, er
leise der Stolz seiner Familie undl
seiner Freunde, eine Stilie derl
Stadt und seiner Zunste Und nun —
ein zerbrochener Ungliicllichen dessen
zerrauiler Bart aus der breiten Brust
zitterte, unter dem tränenlosen
Schluchzew das er vergebens zu mei
stern suchte.
Am engoergitlerten Ausschuss
durch den die beiden ihren schrecklichen
Kerker betreten hatten, erschien ein
behelniter Kopf, der Ausgncl, der sel
ne Runde machte, ob die Donau aus
ihrem breiten Rücken tein reichbelades
nes Schiss als wohlgelittene Beute
herbeisllhrte. Martin Bulthaupt blieb
regungslos, bis der Kopf verschwand;
es war sast ein Lächeln, das aus
seinem Untlih war; treten sie ihn
setzt gesehen hätten, die ehrsamen
Bürger von Ulrn, sie hätten wieder
mit den Achseln geguett und einander
zugegiseheltt »Seht doch den Nar
ren·«
hoch llber der Felsenplatte
schwebte ein Geler, ohne lügeb
schwang hing er tm Aether. äglich
kam er dont Zlußtal heraus und sah
nach setner Beute —- sle mußte bald
reisen.
’ Gög Ballhaupt stemmte steh in dle
VII-«
»Sag, sendet, tote soll das en
deut«
.Wle bel den nnderen.« er zeigte
nach den Knochen. «sle lassen leinen
ledig don dannen. der Zeuge sein
könnte wider ihre Ritterschast.«
ste. ein well-wundes Tier sehele
der parte Mann aus
r
«Und mein ganzes Leben umsonstt
Alles vergeben-, was ich getani —
Mein Haus und mein Geld, mein·
Weib und mein Leib, alles hin und·
tot, ohne Gloltenilang und Priester-i
sprach in die Grabes Js« nicht ge
nug, daß sie meine Güter stahlen,
mein Schiff wegnehmen und mein
JGesinde erschugeni — Gdh Bulthaupt
ist kein armer Könners, den man wirst
»und einscharrt, und niemand stagti
’nnch ihm; die Ulmer werden Umschuus
!halten.«
l Martin Bank-must nicht« s
i .Die Ulmer, die du meinst, sindl
Isrdh, wenn du« Dach iiber ihnen sests
siht nnd ihnen der. biegen nicht in
sden Kamin läuft; und die anderen,
»die erst die kommende Zeit verstehen
swird, sehen so aus, wie ich!«
i «Du iannsi den hader nicht las
jsen." Er sormte die Hände hoth
Hund sandte gellende Schreie in denl
:Sonnenglast, der sie umwob, «will
iseben, ob der Herrgott mich der
läßt.« j
Martin Bulthaupt stund aufrecht-;
und wieder ging sein Blick in diej
Weite. derweil die Nase seines Bqul
zderö sich an den Felsen brachen.
s Nun schrie der schöne Göh um;
Jhilse aus tiefster Rot, nnd niemands
:hbrte ihn. wie seinerzeit er selbst;
stumm und untätig geblieben war, als l
jsein Bruder Martin aufs heißer See-s
ilenangsi, gesteht hatte, damle atis
zseines Vaters teosziger Familiensinnl
lihm das Erbe dorenthielt, weil er nachi
ieigenem Sinne gehandelt hatte undl
inicht nach Brauch und herkommen.
IDas alte PatrigierbluL hatte aufge
schiiumt, als das arme Kind zur Welt
Ilam, das Kind eines Bnlthaupt mit
Ides Scharfrichters Tochter, die drau
ßen vor der Stadt im übelberedetem
hause wohnt-, dicht neben der Richt
’ftötte. Jm Wochenlett starb die Mut
ter, doch Martin Bulthaupt ließ sein
kleind nicht fallen. Er nahm fremden
Dienst in Augsburg und Würzburg
und mied sein Elternhaus, erst nach
des Vaters Tod kam er zurück, als
ihn der jüngere Giih heimberief. weil
die Schreibftuben eine ruhige hand
benötiglen und niemand williger und
billiger ihm Dienste tat. Nie war
Martin in seines Bruders reichen
Hause gewesen« nie seiner stolzen
Schwägerin im Goldfchmuct gegen
iibergefesfen; er wohnte in fremder
Miete und blieb mit feinem Knaben
allein. Er hatte keinen Freund, weil
sie feine stille und doch stolze Art
nicht oerftanten, und es mit feinem
mächtigen Bruder nicht verderben
wollten. Doch Martin war oiel auf
Reisen gewesen und hatte großes
Wissen, da tam der siingere Bruder
oft, sich Rats erholen, wenn es gro
ße Abschlusse auf Waren gab. So
war auch diesmal Martin mit ihm
gezogen, als bezahlter Schreiber und
als enterbter Sohn des reichen lhan
fe-. -
Göh Bulthaupts Stimme oerllang
mit leisem Echo in den fernen Do
nau-Auen. Mit gilternden Gliedern
troch er zum Felsrand oor, der weit
iiberhing. Er deckte, vom Schwindel
ergriffen, die beiden hände über die
Augen«
Niemand hört mich, nun lommt
wieder bald die Nacht mit ihrem
Dunlel« —- er schauderte, und wir im
Fieber schlugen seine Zähne zusam
men — .ich tann vor hunger die
Glieder nimmer rühren, seit drei Ta
gen lassen die hunde uns ohne Nah
rung« — er knirschte mit den Zähnen
und begann am Leder feines Leibriei
met zu lauen, mit einem tierischen
Ausdruck traten seine Augen aus ih
ren höhlen — »wenn doch Regen tä
mr, daß ich den Durst ftillen könnte.
der mich quält·«
«Willft du wirklich warten, bis dick,
Fershunger und die Schwäche wer
en "
Götz warf den iockigen Kopf her
um nnd starrte in seines Bruders ru
hige Augen:
»Was sonst. . .?«
I-«,.Wiire ict allein, ich wäre nimmer
ter.«
,,Wo wärst hat«
.Da druntent«
Mit ruhiger Hand wies Martin
Butthaupt in die gähnende Tiefe unter
ihnen, aus der brodelnd die Abend
nebet entquollen.
»Daß mich nicht allein fletden.«
Giis troch dem Autrechtitehenden nä
her und umfaste dessen Knie; «Ver
laß rnich nicht« ich bin dein Bru
deri«
»Ich weiß es, Göh, und konnte es
nicht oft genug mir widerholen im
Orden, Idnit wäre manches anders ge
worden zwiichen uns beiden.«'
»Jaget-I mir, Martin, alt das Vö
ie, das ich getan, ich had’ es hundert
iach gediißt, hier oben in eiskalter
Nacht. wenn ich vor dem Rachtreit
ichsnderte und wenn Iotgemeintes
aus den Irititen meiner Seele ani
stieg, um mich zu martern. Ich;
fah jedes Unrecht, das ich getan, riess
lengroß wachsen, ich lasse mehr als
du auf Erden, weil ich freudiger
lebte.«
Mit stierem Blicke hing Gift an
feines älteren Bruders Lippen. Es
war die stumme Zwieiprnche zweier
Welten. Mit lnhrigen Händen Her-I
suchte Göß fein Wams, ein Stück«
Pergament war alles, was er fand.
,Sieh nach,« leuchte er, .ob du
nichts findest, was unseren Hunger
stillen, Uns Rettung bringen kann?«
»Ein Stück Griffel ist alles, was
see mir gelassen haben; es ist aus
mit-deiner lchiinnen Welt, armer
GEI. Schreib deiner Frau ein paar
Worte der Liebe auf den Fetzen, den
du gefunden, ich will meinem Kinde
einen Gruß hinzutilgem und dann
wollen wir sterbenl"
»Sterben! Sterbenl Nuhig liegen
mit geschlossenen Augen und warten,
bis die Würmer einen zernagen.«
schrie Glis Bulthnupt gellend auf und
schlug mit hiinden und Füßen um
sich. .ich lann es nichtl« Er sprgng
auf und rnnnte mit dem Kopf gegen
die Steinwand, daß er blutend zu
rückfiel, «ich kann nicht sterben in
meinen Sünden, verzeih« mir, Gott,
tot-J ich getanl« Jn tränenloiem
Schluchzen wand lich der starke Mann
m Schutt der zermoderten Knochen,
«ich war ein armer, iiindiger Mensch,
ein Schwächling, der nn keine Vergel
tung glaubte«
»Sei start, Götz, wie du es fonst
,immer warst; das Sterben ist nicht
fchlimm. es. ift die größte Wohltat
fiir uns Menschen, nur die Angst vor
dem Tode macht dich feig!« Er zeigte
mit dem Arme ringsum, »wer tann
sagen, wie lange dies alles noch dau
ert, was und heute ewig diinttt Es
gibt ferne Lande-, in denen feurige
Gluten aus dem Boden quillen und
alles zerstören, ganze Städte liegen
fo unter unferen Füßen in Schutt
und Staub. Alles, was wir alt nen
nen, war einst nen und diintte den
Menschen uniibertrefflich, und das
Beste, das wir haben, wird unseren
Nindestindern ein Lächeln abnötigen
ob unferei Unoermögens. Die fefte
Burg, die uns in den Tod treibt,
wird ein Trümmerhaufen fein, den
unfere Nachkommen mit Mustt und
Lachen auffuchen, um die Aussicht zu
genießen von een dem Felsstiict, das
uns heute derzweifeln läßt." —- —
Ein unftetes, flackerndes Feuer flog
in den finftern Augen auf. «Sie
nerden durch die Luft fliegen und
in die Erde steigen, ste werden den
Blitz bändigen und Meere—oe legen
— und doch wird dies alles ver
gebens fein, ste werden sterben. wie
wir es tun, und nichts wird bleiben
von all’ ihrem Geiste in der Welt.
Nichts! Nichts! Denn nichts ist
ewigl«
Der fchwere Mann an feiner Seite
stöhnte auf, dann tam es röchelnd von
feinem Munde:
»Wenn nichts ist ewig, fagst du? —
Und die Schuld? Die Schuld, ist
sie nicht ew« ? —- Maetin — ver
zeih mir, wa ich tat. und laß mich
leben, leben.« — — Er umfaßte fei
nen Bruder mit zur-enden händem
«ich habe fchlecht an dir gehandelt,
fchlechter als du meinst. — Jch hab'
dich um dein väterliches Erbe betro
gen, um reich zu fein, ich hab’ Va
ters Willen nicht getan, denn er war
auf dem Totenbett anderer Meinung
als damals, da er dich oerstiesz —
— Er schrie jäh aus, seine Augen
starrten in Todesangst iiber die
schwindelnde Weite —- ,,ich seh« die
Augen Vaters wieder-, als er zu spre
chen anbubx »Alles Unrecht ist so llein
vor dem Tod. Zerreisz den Brief, der
dem Martin sein Erbe nimmt, den
ich im sähen Zorn des unvernünftigen
Lebens schrieb Er soll dich, den
jüngeren, gut unterhalten, ich ver
zeih« ihm, er soll es mir auch tun«
— das waren Vaters letzte Worte ge
wesen, und dr. warst fern. Jch aber
schwieg und handelte nicht, so sanden
sie das Schreiben, das mich zum Er
ben sette.« —- -- Er vergrub sein
Antlid in den händem »der-seist mir,
verzeih mir.«
Totenslille ist Am die beiden aus
einsamer Felsplatte in sallender
Nacht. Durch den Nebel leuchten die
Weiter, klingt rein und mild das
Abendläuten von sernen Dörserm
Iom himmel leuchten die ersten Ster
ne. Dann bricht mit ruhiger Stimme
Martin Bultbaupt das Schweigen. er
streckt seinem Bruder die Rechte bin
»Alles Unrecht ist so klein vor dem
Tode, das ist auch meine Ani
toort.«
Mit einein Ausscheei umklammert
Wiss seinen Bruder, sie halten sich
schweigend umschlungen. Dann sucht
rr mit bastigen blinden den seien
Pergament und den Griffel. sein
unsicher-en Licht schreibt er mit siche
ren Zügen:
»Ich, Göiz Bulthaupi, Großtausss
mann und Ratsherr aus Uim, testiereH
bei klaren Sinnen angesichts meines
Todes, dusz mein hanc und Gut vä-»
terlichen Erbej an meines Bruderöl
unmündigeg, anszereheliches Kind!
falle, da ich in sündiger Gier met-l
nes Vaters legten Willen nicht ach-!
tete und dessen Gut widerrechtlich an;
mich brachte. Gott sei meiner Seele
gnädig! —- Mein Weib ist reich von
ihrer Familie aus,«' setzte ekbinzu.—
— Dann reichte er das Schreiben sei- »
nem Bruder.
»Armes Kind,« sagte der, »ohne
Vater und Mutter, und nur reich. « ’
»Sie werden das Schriftstiict bei
uns sinden,« sagt Gön, »und es nich
Utm senden, wir können leicht durch
Felssturz unseren Tod gefunden ba
ben. —- Laß mir das Pergament, ich
trag’ das reichere Kleid, sie toerden bei
mir genauer zusehen· — lFr bindet
mit der Schuhschnalle das Pergament
um seinen hats —- ,,,Bruder ich bin
sertigt«
Noch einmal umschlingen sich bei-’
de, sie ruhen Brust an Brust. —
Vom hohen Turm-Zimmer flutet Licht
ir die Nacht hinaus, ruhe Stimmen
singen ein Lied zum Lärm der Zinn
kannen, die aus den Eichtischen häm
mern. .
»Ich danke dir, Bruder,« sagt
Göt. T
Dann tun sie, eng umschlungen, den
Sprung hinab in die schwindelnde
Tiefe — —- — dumpf kommt der Wis
derball des schmetternd-en Falle-, her-L
aus zur einsamen höhe.
Erinnert-agree un Goethes Geburt
Das Haus in Frankfurt n M»
dem die Wiege des begnadeten Dich-s
tersiirsten stand, ist über der Tür
durch eine weiße Marmortasel be
eichnet mit den einfachen Worten:
«Jn diesem hause wurde Johann
Wolfgang Goethe am 28. August
1749 geboren.« Jn einem Zimmer des
zweiten Stockwerts tum er mittags
mit dem Glockenschlage zwölf zur
Weit. Drei Tage hatte er mit sei
nem Erscheinen gezogert und der
jungen Mutter schwere Stunden de
reitet. Ali er endlich ans Licht des
Tages gelangte, war er scheinbar leb
los und suh recht unansehnlich aus.
Man rieb ihm die Herzgxube mit
Wein ein, an sein-r Lebensiihigieit
zweifelnd. Endlich schlug er doch die
Augen aus und die hinter dem Bette
stehende Großmutter rief der acht
sehnjährigen Mutter zu: »Rätin, er
leb t! «
Daß die schwere Geburt Goethes
übrigens die endliche Anstellung eines
Geburtshelsers in Franlsurt veran
laßte, teilt der Dichter selbg nicht
ohne einiges Behagen mit. s ha
ben sich noch einige wenige vergilbte
Exemplare des »Frants. Intelligenz
blnttes" vom 2. September 1749, da
mals »Ordentliche Wöchentliche Frank
surter Frag- und Anzeigungsnachrichs
ten« betitelt, erhalten. Unter den
.Getausten hier-üben in Frankfurt«
wird darin ausgezahlt: »Freitags,
den 2., ht. Joh Caspar Goethe,
Jhro Röm. KahserL Majestiit wiirts
licher Rat einen cohn Johann Wolf
gnug-«
W
Gemütlich.
Jn einein Restanrant bei-sagt siir
einige Minuten das eiestrische Licht.
Ein Gast, der gerade ini Begriff
war, eine Wurst zu verzehren, hört
während dieser Zeit piöylich ein
verdächtiges Geräusch an seinem
Teller, und als eiJ wieder bsll wird,
sieht er, dasz eben auch sin Bier
von dein ihni gegenüber sit-enden
Herrn zum Munde geführt wird:
»O, bitte, trinken Sie nnr ansi«
sagt er joviaL ais der Ertappte
mit einer Entschuldigung aus den
Lippen dass Glas bis-seyen will...
»Die Wurst ist ein bischen stark ge
würzt-" »
W
—Diskant und Baß. Tante
lins Zimmer trete-id, wo die Nichte
mit ihre-n Nessen vierhiindig Ma
bier spielt): »Natürlich, wenn man
so nahe zusamiiienriickh muß man
ia »auseinanderkonnnen«l«
- Spaßvoqei. «Wa» Du
innnsi Dir ein Spanserkei leisten bei
Diesen teseren Zeitens«
—- «Ja, mein Lieber, mach halt
strick-« a paar Wiß« riber d' Fleisch
Ic.
— Zwei Mutiqe Frau (zu
einem zubringiichen Hansierer):
»sehr machen Sie aber, daß Sie
fortkommen; sonst ruse ich meinen
Manni«
causierer Cgemiitlichfi ",.Be«i · Zeus «
war ich schon-» Der bat mir mit
Ihrer werten Person qedrohil«
Yu spät.
Von Hermann von der Lang.
Zum Oktoberseft war er in Mün
Die Stadt war ihm lied, wie-hun
"dert andere, durch die er gekommen,
Aber hier pflegte er flch vorzubereiten
für das ewig-brausende Menschen
meet im Binnenlande vor das sich
München wie eine Düne hincagerte.
Hier fallt die letzte Welle von dir ad,
und netzt die erste gierige Woge dei
nen Fuß, denn in den weiten, stillen
Alpensrieden folgt dir nichts, als die
paar Tropfen, mit denen du dir die
Gemeinschaft mit der Unrast des Le
bens wahren willst. Das Meer trat
zurück, um dich erst wieder aufzuneh
men, wenn «-u der Ruhe miide bist.
—- Bleigrau ist der Himmel zu dem
Feft und sieht trübselig und talt dar
ein, wie das Voll sich in den Straßen
drängt und schiebt.
Den Künstler fröstelts fiir die die
len, vielen Menfchen in dein bunten,
leichten Festgewande; er zieht den
Lodenrock fester um sich zufammen,
und läßt sich ntitziehen und sstreben
nach der Budenfladt auf der Wiese,
wo das Vergnügen feine zahllofen
Stätten aufgebaut hat.
Schon von weitem empfing ihn das
chaotische Getöse des bunten Durch
einander eines Voltsfestes —- das
Brüllen wilder Tiere, die fragwiirs
dige Blechmustt an den Eingängen
der Gaullerbuden, das Geleier Dut
zeuder von Drehorgeln, verbunden mit
dem marttschteierifchen Gebaren der
Ausrufen Dann überschritt er die
Rennbahn und wurdeoon der Men
ge, der er bis hier sast ohne eigenes
Mittun gefolgt war und die nun in
Gruppen auseinanderging, abseits
ausgelöst.
Er ging lächelnd weiter.
ten, dummen Menschenl Woran sie
sich nicht satt sehen tonnten,»ergötzte
ihn nicht einmal. Er empfand es
peinlich, daß so viele namenlose Exi
stenzen in einer noch nainei.loferen
Beschäftigung volle Befriedigung san
den. Weiter und weiter tauchte er
in das tausendftimige Konzert dieses
Hexensabbaths hinein, und bemühte
sich, diefe Gedanten und Empfindun
gen los zu werden,
mit der lunstsinnigen gutlebigen
Stadt München nichts gemein hatten,
um zu der harmlosen Anschauung der
unbefangenen Naturtinder zu gelan
gen.
Eine breite Fläche des Feftplaszes
nahm ein Geister- und Zaubertheater
ein, vor dem er schließlich stehen bleib,
diesen Versuch recht gründlich zu ma
chen. Eine kurze Holztreppe führte
zu dem erhöhten Eintrittsraum,
eine grobgezimmerte Balustradc von
der gassenden Menge trennte. Ein
iirpiges Weib, mit gemeinen Zügen,
handhabte in der phantastifchm
Tracht der Märchenprinzen eifrig den
Schlegel einer großen Pauke, deren
lärmendeö Tantam das ganze ohren
zerreißende Kreischen der gemischten
Blechmusit übertöntr. Und zu diesen
Klängen tanzte ein junge-, kaum
sechzehnjährigeo Mädchen im Ge
wande einer maurischen Prinzess1n,
einen Messingreif in dem fliegenden,
schwarzen Haar, unermüdlich auf ei
nem Bein, während ein Clown aller
hand tollen Blödsinn trieb. . «
Der Professor wollte sich angewi
dert abwenden, verschiedene Male
schickte er sich an, seinen Weg fortzu
setzen.
den «
Die gu-.
die ohnedies ;
Doch immer wieder hielt ihn ein
letzter Blick aus das kalte, nicht un
schöne, von aller Jugend nur wert
würdig verlassene Antlitz dieses Mäd
chens zurück. hier, siihrte er, prägte
sich eine Geschichte aus, die des An
hörens wohl tvert war. Der Gedanke
zu einein neuen Bilde durchflog ihn,
das diese zum Gegenstand hatte, und
kurz entschlossen zog er die Geldbörse,
sich die Gelegenheit zu weiterem Stu
dium nicht entgehen zu lassen.
Ein Mädchen mit den Trümmern
ehemaliger Schönheit in den dreisten
Zügen-geleitete ihn zu einer Art Eh
renplaß im Bordergrunde des Thea
ters und blieb bei ihm stehen, als
müsse es so sein —- ihre Gegen
wart vielleicht eine besondere Auf
merksamteit für den vornehmen Be
sucher.
Der Professor wandte sich an sie:
»Woh» kommt Jhre Gesellschaft?«
»Von « II «." Sie nannte eine
norddeutsche größere Stadt.
»Sind Sie da zu hause?«
«Zu Hausei Wer von uns etn zu
Hause hättet Doch gebürtig bin ich
von da.'«
Der Künstler blickte aus, ihr Ge
sicht hatte ietzt einen harten. sinsteren
Ausdruck angenommen, wie wenn
diese Erinnerung ihr nicht gerade lieb
wäre. Schon ihre Weise zn sprechen,
hatte eine andere Gewohnheit des
Daseins angedeutet, und ein Denlen,
das nicht, wie bei den anderen, an der
Oberfläche lag.
»Wie lamen Sie nnter die
Bande?«
Der Professor erhielt keine Ant
wort auf seine Frage·
»Das sind Geschichten, die man
nicht gern erzählt, die mit den Tagen
begraben sind, denen man mit dem
Eintritt in das hier«, sie machte eine
wegwerfende Kreisbewegnng mit den
entblößten Armen iiber den Raum
hin, »den Rücken lehtre. Sehen Sie
dort draußen steht ein junges Ge
schöpf, das fiir sein ganzes Leben
verloren ist. Es hat nie eine Jugend
gehabt nnd«w»ird teine mehr haben,
ihr Dasein gehört dem nlnherzieheni
den Gantlertum an, denn ihre Mut
ter gebietet hier-«
Der Künstler fühlte sich seltsam
hingezogen. Das Mädchen vor ihm
erhielt ein eigentümliches Relief durch
;die Art, wie es sich gab.
J »Und der Vater?« fragte er weni
;ger ans Neugier, als mechanisch, nur
um sie weiter sprechen zu öhren.
. »Der lebt lange von ihr getrennt,
irgendwo in der Welt, als ein großer
nnd wohl auch begabter Maler nnd
hat sein Kind lanni gelannt.«
»Woher wissen Sie dass-«
Des Künstlers Antlitz drückte blöd
liche eine tödliche Spannung aus, als
sehe er etwa-I Fürchterliches vor sich
heranssteigen — —
It It s
Höher nnd höher schwellt die Flut
der Neugierde vor dem Geister- und
Zaubertheater, je weiter die Nachmit
tagsstunde vortückt.
Keiner beachtet den Fremden, der
mit tief in die Stirn gezogenem Hut
an dem äußersten Rande des weiten
Halbkreises sich hält. .
Dort oben tanzt ja sein Kind vor
der gaffenden Menge, und er kämpft
schwer mit dem polizeilichen Gefühl
des Mutes, ir. jene Flitterwelt eine
Wahrheit hineinzutragem die dort
keinen Wert hat
»Ihr Leben gehört dem umher-zie
henden Gatlertum an« — —
sEr hatte darin nichts mehr zu
suchen.
Die mißliclten Sporen.
Der Generalfeldmarschall Graf
Wrangel, der ,,alte Wrangel«, wie er
bei den Berlinetn allgemein hieß, sah
als alter Soldat scharf auf Vor
schriftsmäßigteit im Anzug, beson
ders bei seinen Offiziereu. " «
Eines Tages begegnete ihm aus der
Straße ein Jnfanterieleuinant mit
Sporen an den Stiefeln. Er rief ihn
sofort an und stellte ihn wegen des
unerlaubten Sporentragens zur Rede,
wobei er auch im allgemeinen jede
Vorschristswidcigleit tilgte nnd sich
mit den Worten: »Wenn Sie jemals
an mir etwas Reglementswidriges
entdecken, so tönnen Sie mich dreist
darauf aufmerksam machen«, als
Muster hinstellte. Zur Verrästigung
der Mahnung seitens seines Kom
mandeurs erhielt der sporentragende
Jnfanterielentnant acht Tage Ac
rest.
Wochen waren vergangen. Da
tritt eines Tages auf der St:aße der
Lentnant an den General heran,
grüßt und sagt: »Exzelleuz -- haben
mir befohlen, Sie beim Betreten mit
einer Ordonnanzwidrigteit im An
zuge darauf aufmerlsam zu machen.
Exzellenz tragen nämlich leine Spo
ren«.
»Leider wahr-. Nun, ich danke Ih
nenL entgegnete freundlich der Er
tappte, «jn, dann muß ich mir eben
selber acht Tage Arrest diktieren.
Aber — Sie wissen, ich bin eben doch
schon ein alter und lränliicher Mann,
da erweisen Sie mir wohl den ka
meradfchaftlichen Freundschnstsdienst
und —- sitzen die acht Tage fiir mich
ab, und snmr gleich. Mel-Sen Sie
fich nlfo sofort auf der Haiiptioache«.
Sprachs und ging fchniunzelnd
weiter.
O-—
Sein Anfttnq.
Jn einem französischen annrett
liegt ein verwundeter Engländcr, der
die Oberwätterin um Erlaubnis er
sucht, nach dem nahegelegenen Dorfe
gehen zu dürfen. Die Oberwsjtterin
hielt es nicht für geraten, ihm diefe
Erlanan zu bewilligen, und fragte
ihn, was er in dem Dorfe wolle
»J«ch möchte mir in elnrm Laden
etwas besorgen« «
«Wenn’s weiter nichts ift... ich
gehe morgen ohnehin nach dem Dorf,
da kann ich’s Jhnen ia mitbringen.
Was wünschen Sie dennf«
«.daarfchneiden und Reste-ein«