Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 27, 1917, Sonntagsblatt, Image 11

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    Kinder Let Not.
Isaa von — II
—
(6. Fortfesungp
Die ganze Stadt wandelte ch beif
Leu. täglich steigenden Zuzag ließ
lich in ein großes, offenes Feldlagenf
lletiemlL in allen Straßen und Gaf·"
fen fal) man vie Wer-gewordenen grup- »
ornneife zufamnienftehen, ihre Meis«
nisngen austaufchem neue Bekannt
schaften fchließen und alte erneuerifp
Neben dein Greis ten wetfzen Haare,
deffen Augen aber«noch jugendlich
Kisten ftanv der Knabe, lauen den
inderfchuhen entwaehfem neben dem
Ritter von altem Adel der fchlichte
harrt-werten neben den Professoren
von hachfchule nnd Gnrnnasiunr der
einfache Bauerninecht — alle Stan
desunterfchiede, die in diefeen Staate
früher fo-fcheaff zutage getreten und
aufrechterhalten waren, yatten fich
vermischt und waren untergegangen
in dem einzigen großen Gedantem
«Ob hoch kder niedrig —- frei wol
len wir feint« ,
.Frei wollen wir das Vaterland wis
verfeli.t,
cder frei zu den gis-etlichen Vatetn
gehn —
Ja, glücktM und frei find die Totent«
So Hang es damals ringsum
Lieder und Gesänge wuchsen aus der
Erde; niemand tannte ten Dichter,
echte Vollk- und Soldatenlieder. gin
gen sie, tvie vater- und mutterlose
Kinder, von hand zu hand, und
wenn noch bei einem die Melodie fehl
te, schon nach ein paar Tagen toar
sie da, wie vorn himmel gefallen, nie
mand wußte, woher sie kam —- aber
sie war da und flog siegreich von
Mund zu Mund. Jn leinern Früh
ling ist in oreußischen Landen so viel
gesungen worden, wie in diesem. Aber
es war ein heiliger Sang. Alles All
tägliche, alles Kleine, alles Gewöhn
liche war daraus verschwunden; ein
großer Grundatlord tönte durch alle
Lieder: «Vaterland und Freiheit, Sie
gen oder Sterbens« Die Stunde war
zu ernst, zu groß, zu gewaltig siir
nichtige Tändeleien, eine tiese, das
Herz erschütternde Weihe schwebte
über ihr, und in allen Trinistern der
Gebildeten, der Lesekundigen sxmd sich
neben dem einen oder andern weltli
en Dichter das Neue Testament oder
der Thomas a liempie. Und mit dem
Neuen Testament in der Satteltasche
lam auch Konrad von Lossau nach
reslau eingerittm Das hatte er·
itgenomtnen, als er spornstreichs sei
ne heimat verließ. ohne sich überhaupt
tlar darlider zu sein« was er wollte
und wohin er wollte,
Nur eins wußte er: Suchen, su
n, suchen wollte er. Er ntuszte sie
enden, dachte er, und hatte er sie
aesunden, so wollte er sie’deide, und
den .Kameraden·· besonders, nicht
wieder von seiner Seite lassen. Denn
irrer allen Aussahrungem die Kam
sserrnann in seinem Brief gemacht»
hatte, tonte in ihm der Schrei: »Ich
iicbe dich, Kamerad! llnd ohne sdich
kann ich nicht sein!«
Was Kampermann sagte, das wan
die Sprache eines reinen Joeanstein
der sich eine sbonere Welt in sei-’
nenr Jnnern erbaut holte. Niemals
Mirde er sich von dem Mädchen tren
nen, so dachte Konrad, und ob ihr
Vater mehr «an einen Menschen er
sitzossen hätte. Ganz abgesehen da
von, so sagte er sich, daß Knatter
nunn ossenbar in jäher Leidenschasd
gehandelt hatte, anss höchste gereizt
den dein andern und von ihm nsn
sein schönste-, aeiligstes Lebensglück
-betrogen, war der Mann in alt den
Jahren seither durch tiese Buße und
Zertnirschnng gegangen, nnd wenn
et- einen Mann gab, der hoch iiter
allem Gemeinen stand, so war das
sicher Vertbold Kanipermann
Das war Konrad zum Greisen
«fdentlich. Und was tonnte seine Toch
ter oasiir, daß ihr Vater« in dnnts
let Stunde den bübischen Zerstorer
seines Friedens tiber den Hausen ge
ossen hattet Selbst wenn alle
lelt die Wahrheit ersahcen wiirde
— toie lonnte inan ihr einen Vor
nznrs machen, wie lonnte die Verbin
dnng mit ihr ihn in den Abgrund
Felsens
Aber der größere Wett- nnd
Bittenschcnlenner toar doch Kann-er
mann. Welche Sagen hatte doch Kon
:ad, den iiber ihn ergangenen
Spruch des Kriegsgerichte bete-unt
werden zu lassen! Und toeshaldis
Weil er da- Urieil der Welt dariis
Hier tannte nnd sirrchtetel Und knoch
te die stärtste, reinste, größte Liebe
znei Menschenderzen verbinden —
die Welt urleat nicht nach dieser
Liebe, sobald sie einen Flecken arn
I Menschen entdeckt hat. .Es lomnrt
im nicht daraus an, ob einer
ern Unter oder schlechter Kerl ist,
sondern allein daraus, als was er
össentlich beurteilt wird. Und gegen
dieses Urteil ist keine Appellation
möglich.«
So hatte einmal Knmperrnann in
einein Gespräch gesagt. Konrad aber
hatte dieses Wort dergessen oder
wollte sich seiner nicht mehr erin
nern. Er sitblte die Krast in sich,
tie Geliebte« wenn es sein wüßte«
gegen die san-e Welt zu verteidigen.
i Its-z ahnte ee nicht« daß das tap
ere
iidchen stets allein verteidigen,
sich dllein das Urteil der Welt schaf- ·
reu mai-. nos- vek nagen-ne wakl
nahe, wo es ihrn wie Schuppen von
den An en fallen iolltr.
Langfarn eilt er in Breelau ein,
und so ort umgab ihn due lautefte
Leben. Jn helle-r hausen zogen die
Menschen alle einer bestimmten
Richtung zu —- lamn einer oder der
andere ging den entgegengeiedien
Weg
Konrad hielt sein Pferd on Da
mußte etwas Besonderes vor sieh ge
ben, wohin alle diese Menschen
ieöinten Er wollte ii durch eine
sage Auflliieung veri afien
.Guter Irrund,« redete ee einen
Boriiderqehenden nn. »was gibt es
denn heute Wichtigeii Wohin lau
ien die Menschen allei«
Der andere sah ihn verwundert
an.
«Jn· wissen Sie das denn nicht?
Ath, Sie find wohl fremd in der
Stadt« —
»Ganz fremd!'«
»Dann lönnen Sie freilich nichts
wissen! Der König hält heute eine
Musterung ad iibee die Ireiwilligen,
die bis jeyt gelornsnen sind. Uns dem
Schloßplas werden sie alle an ihm
vorübermarschierrn Beriänmen Sie
ins nicht! Es gibt ein herrliches
Schauspiel. Aber Jhrkaerd müs
ien Sie irgendwo nnterfteilen Denn
damit läßt man Sie nicht durch —
u wird ein großes Gedränge herr
ichen." —
Konrad danlte dem Austunftgeber
und fragte nach einem Gasthof, wo
»cr fiir sich und fein Pferd Quar
tier finden könnte.
.Es ift alles iibersiillt," sagte der
Mann, Jedes Kumnierchen vermie
tei, und Sie würden Mühe haben,
etwas zu finden. Aber Sie haben
Glitt-! Mein Bruder bessht eine tleii
n- Gaftwirtfchaft in der Graupens
fkrafze,. und ieh weiß, daß et noch
Raum fiir einen Gaft und ein Pferd
ritrig hat« —
.Das ist ja vortrefflich!« fagte
Konrad nnd reichte dein freundlichen
Manne dantend die Hand. »Können
Sie mich hinführenisp
«Gerne! Wir haben noch Zeit ge
nügend und werden noch rechtzeitig
zum Schloßplag tot. -n!«
Durch die Straßen, die sich immer
naht mit Menichen füllten, tam
man bald zu dem tleinen, bescheide
rw Wirtshaus in der Graupenftras
ße. Lossau fand bei den biederen
Wirtsleuten ein herzliches Willkom
rngnz ein einfaches, aber freundliches
und fauberes Zimmer nah-a ihn
a f, während fein Brauner einen
Jst-glichen Stall und gutes Futter»
u d. .
Er machte lchnell ein wenig Tot-»
le«te, wusch fich, iäuberte feine Kleiis
bang, und nach wenigen Minuten
war er wieder unten, wo ihn feinx
eo nicht weit zum Schloßpiahk Ins-l
Nr ftärter tou.·oe das Gedränge. an;
einzelnen Stellen gerader lebensgesf
folglich Ader man kam fehon vor-»
würtö, wenn man ein Paar gute
Ellbogen zu gebrauchen oerf.and.
Lungfam zwar, aber doch vorwärle
W währte lange, bis man die turze
Strecke zum Schloßplah zurückgelegt
hatte. und man mußte sieh oft mits.
ieduid woppnen. Aber endlich wass
ten unsere detden Freunde doch da.
Der Schloswlng wnr durch Mititöe
t.tigeiperrt; nur nach der Sei-weid
r:itzer Straße za, von wo der Zug
Zier Freiwittigen ankommen und wo
tnrt ex wieder sit-marschieren sollte,
war eine zu diesem Zweck gelassene,.
besondere nreng ndgesperrte Oesssj
nung Rings um den Platz ,tnnden
die Menschen wie Mauern; es gab
tem Vorwärtö und lein Zurück
mehr — es hieß aushalten
Das mertten auch Konrad und
ie:n Begleiter. Aber sie waren da
n.it einverstanden Beide, von Natur«
hich nnd groß gewachsen, sahen be
quem über den vor ihnen unbeweg
M: stehenden Menschenwnll hinweg,
und nichts aus dem großen, weitenl
tplatze tonnte ihnen entgehen. Alter
Aug-n schauten hinüber zu dein ein-i
tritt-in langgestreckten Schloßhnu,
durch dessen Torweg man jeden
ttsngenbiict den König und sein Ge
trng zu Pferde heraussprengen gn(i
sten erwartete. Eine große Schar
ist-n Ostizieren nller Wassen hielt
nnd stnnd scho« aus und vor der
Mumpe des Schlosses um den sit-nig
sis emvsangen.
Jetzt hörte man ans der Ferne
ranschende Musik Durch die ganze,;
große Menge ging ein Nack.
»Sie tommeni«
Und sosort bei den ersten Män
szei der Musik iissnete sieh der Tor
weg; der König rnit seinen Beglei
tern erschien. Ein brausendes hoch
erschallte, so lnnt, so wuchtig, dnß
dn Lust zitterte; Hüte und Miigenx
wurden geschwentt, und tausend und
ndertnusend hönde streckten sieh geti
bend nnd winke-ed empor.
Konrad erkannte, wie ein helles
Leuchten iidee die ernsten Züge des
Königs flog. Er grisszte und dantte
noch allen Seiten. dann nahm er
genau in der Mitte der Lininpe vor
dieser seine Aattteltnng Und nun
ging ein Geranne und Gesiiistee
durch dte bewegungslose Menge. s
lEr sieht so traurig nut, der Mi
ing. '
»Na in — er tann seine Lntsel
entit» vergessen das wissen wir
»sa, die nttistte t hier sein!
via-, tot- iktnve die iuumt l
uUnd tvie tviirden ihre großenl
Btauaugen suche-M
»Der da neben dem König —- das
rsi Sehnende-tin der hat die Armee
geichaffen.« —- , »
»Und ver andere — das ist Hinei
fenau —- ia wohl, ich ienne ihn! Er
war lange spre Hauptmann in
sauer-, und e mannien ihn den
Hauptmann von Capernauen Aber
sent ist er doch was geworden.« —
»Wer ist denn der da mit dent
l weißen Schwert-arti«
»Das ist Billchee!«
«Schaiskopp- Blllcher ist doch in
Ponnnern." —
«9Za, jetzt ist er aber hier« Schafs
kcip·«
So flogen die Worte hin und her-z
Nun aber verstummte alles. Die
Freisvilligen rückte-r an. Voean eine
Megimentimusih die vor dem König
sit-schwenkte unv zur Seite Stellung
nahm. Und unter Ihren schmettern
den Weisen desilierten die Scharen. «
Konrads herz fchi gewaltig.
Ja, das tvar cvaheha tig ein neues
Preußen. Nicht mehr das Preußen
ven 1806. Der erste Blick verriet
ihm das. Damals alles nugequölte
Schablone, Zopf und Gnmasche, eins
Usechanismui, der ablief, wenn man
ri,n in Bewegung setzte, aber ohne
eigenen Trieb, ohne eigenes Wollen,
en« stummer Autvrnai, der zufam-?
tnengeschiagen wurde, ais er sich dem»
Spiele freier, entfesselter Kräfte geil
giniibersah, die woh« von einem starsi
im übertegenen Willen alle auf ein(
Titel geleitet wurden, denen eiber
filbft freier Wille genug zur Ent
lwietlung und Ausdehnung gelassen
»in-even wars heute hier diefe großen
lMiiffen init ftreihtenden Augen, in
»sicherein Selbstbewußtsein, iin Ge
.f«.itil, daß unübeeiviiidliche Kräfte in
"i:iiien wohnten, wenn inun sie nur
n·.·chrufen, sie frei und machivoll sich
betätigen ließe.
Welch ein Unterschied — damals
uisd heute! Dein-als ein Söldnerheer,
auferzogen im Drill und in tteinen
lzlsiriidetuiiftftiickem sich nährend on
ten großenErinneriingen vergiingener
Bitten, die nicht wieder lebendig
.-..rden; heute die Blüte des Volkes,
freiwillig herbeigeeili auf den Ruf
m König-, nur unter einer Erinne
rung ftehend, der Erinnerung iin den
fotyreliingen Druck der Fremdherv
finiift, und von einein Willen er
fullt, diefe Fexnidlierrfchiift zu zer
triiniineen und Freiheit und Größe
iseri Vaterlande-i durch die höchsten
cpfer oon Blut und Leben aufs
neue zuructzuerodern
So fah fie Konrad vorüberziehen,
jauchzenix jubelnd, todeödereit und
l.ts-ensiroh. —
Iung und alt, bunt durcheinan
der, io iniirfchieeten sie einher, brau
Iciide Oochs dein Könige darbrin
g-«d, der nicht iniide wurde, zu dun
teii, zu grüßen, sich zu derneigein
Tichi neuen ihiii hielt Gneifeniiu
und zeigte mit der Hand .iiich den
Scharen, und -eonriid ertiinnte deut
lich, wie Stolz und Genugtuung kit
ten Zweifctnden gegenüber aus fei
uen Mienen sprachen; er hatte er
reicht, ioonoch er ou die Jahre init
heißem, nimmer oerziigendein Herzen
g-ftredt hatte: freiwillig brachte
Pieufzene Bolt feinem- König tOpfer
urp Unser. oeur em- Stunde, s- dar
er später selbst gesagt, sollte ibm
nich kunnten, die sich dieser großen,
resnen, herrlichen Stunde der Ersiils
ltmg an die Seite stellen ließ: das
war die tveltgeschichtliche Stunde, da
ei selbst in der Nacht vom 18. zum
its. Juni 1815 die Verfolgung des
Feindes bis aus den letzten hauch
rsn Mann und Rosz leitete, nachdem
soeben alle Wischt des Welteroberers
uI-ter dem Donner der itanonen von
Welle - Alliance kraftlos zusammen
gebrochen war. —- Ronrads Seele
delte vor Simz und Freude. Aber
n- zuate auch schmerzlich bei der
Frage: »Weshalb dars ich nicht dabei
sem? Nicht ebenso, toie der da und
oor da, und der da — wie der Alte
dort und der Junge hier — wie
der« —- —
Da weiteten sich seine Augen. ast
starr wurde der Blick und batete
undtrwandk aus einem seltenen Pauk.
C in bochgelvirchsener, stattlicher
Mann mit weoendem Bart siihrte
einen jungen an seiner Seite, um
den er wie schützend seinen Ar» ge
legt hatte. Blonde Locken quollen
dem jungen un er der Mühe hervor,
und aus zwei strahlend blauen Au
gen leuchtete und blitzte ein reines
heiliges Feuer. Krastdoll dielt die
hand das Gewebe, und krastboll
schritt die von Jugendschönbeit
strahlende Gestalt neben dem, hoch
gewachsenen Vater-.
«Vater und Sobal« sagte einer,
dicht in der Nähe Konrads. »Ein
königlichei Paar!"
Konrad hörte ei. Kein Auge
wandte er von beiden. Und seht kam
un lauter, stiirmischer Schrei iiber
seine zuckenden Lippen:
««Karneead!«
Aber das C mettern der Musik
verschlang den us. Nur« die näch
sten hörten ihn und sahen Konrad
an
Der aber griss sich mit der Sand
an die Stirne, schwankte einen Au
genblick, und dann sank er seinem
Begleiter bewußtlos in die Arme.
er Sturm in ieinee Seele hatte
die Keiiste seines Körpers niederge
rissen.
i I O
Als Konrad wieder zu sich kam,
Pfand er sich zu feinem Erstaunen int:
lftsett liegen und feine Mietsleute um
lian befchäftigt. Auch der Bruder fei
fnes Wirtes war im Zimmer.
»Sie machen aber fchöne Geschich
ten!« fagte Meifter Hauern fo hieß
Konrad-It Begleiier. ,Werden da ohn
miichtigt Na fa, es war ja ein heil
lvfes Gedränge, und wenn man da
fo lange ftehen muß und vielleicht
nichts gegessen hat wie Sie. wenn
Sie von weit herkam. da lann fa
was passieren« —
Konrad fühlte nach feiner Stirn
Wachte er denn oder träumte er?
Wie kam er denn hierher?
,Ja, ja,« fudr Hallert fort, »es
war gar nicht leicht, Sie aus dem
Gedränge herauszulriegem Aber die
Leute waren doch vernünftig, und
als sie fahen, daß ei sich um einen
Kranken handle, da machten sie gern
Plan. Aber nun müssen Sie mal vor
allen Dingen etwas essen.«
Schon hatte die Frau Wirtin ei
nen meiß zurechtgefielln »Effen
miiffen Sie!« fagte sie auch.
Ganz mechanifch griff Konrad zu
Noch begriff er das altes gar nicht
Erft allmählich tam ihm die Erin
nerung wieder: Breslau — Schloß
platz —- König —- Gneifenau —
Freiwillige — Kamerad. —
So reihte sich ein Bild an das
andere. Und als er das letzte in aller
Deutlichteit vor sich fah, da sprang
er mit jähem Ruck aus dem Bett
auf.
,,Ader unt Gottes willen!« sagte
Halleet ganz verdutzt. »Sie müssen
liegen bleiben.« —
»Kann ich nicht!' entgegnete Kon
rad.
»Aber sie find doch trinkt«
»Bist ich nicht!«
«Doch essen miiffen Sie wenig
ften8!«
Da- allerdings leuchtete Konrad
ein. Er griff zu, und siehe —- es
schmeckte
«Sehen Sie«, n.einte Hallert er
freut, «da habe ich doch recht gehabt
— es fchmectt.« —
.Ja!« jagte Konrad mechanisch
Seine Gedanten waren ganz wo :n
deks
Ottbers wohin wollen Sie denn?«
fragte hiillert besorgt, cito Konrad
Miene machte, auszugehen
St«uchen
! »Wenn denn?«
i »Ich habe einen Freund unter den
JFreiwilligen gesehen —- den möchte
ich iuchen« —
Haltert schüttelte den Kopf.
»Da werden Sie vergeblich suchen,
wenn Sie nicht qennu wissen, wo er
ift und zu weichem Neginient er ge
hörb«
« «Weiß ich nichts Aber finden muß
ich ihn!«
Wenn Sie da nur Glück hoben!
Wunschen will ichs Jhnen von Her
zen! Ader ich gis-usw nicht!"
Schon ging Konrad, nachdem er
hauert und feinen Wirteieiiten ge
ountt hatte. Am Abend werde er wie
der da fein, feste er hinzu.
Noch war ihm ftau und schwind
lig. Aber es tücnmeite ihn nicht. Das
würde fchon vornhetgehen. Der Kör
per hatte eben mai verfogt —- mehr
nicht. So was heilt nicht an —- wo
fiir war man denn jung? —
Er ging durch die vollsbelebten
Straßen. Tausend Gedanken treuzs
ten sich in seinem ltops, stininiten ei
nander zu, widersprachen sich, stimm
ten wieder zu, ividcisprachen sich aus-i
neue. —
til-as tun? Wie s--llte er die sindeii,
die er suchte? Er iduszte ja nur eins: »
daß sie vorhin tn Breglau geioxsenz
.-aren. Ob jetzt nacht Viele Freiioilsj
lige laan in der lliiigedung, da die
ctadt nicht alle iasseii tonnze, u. viele
yatte er geh-sei, wurden noch yeute, so-;
iort nach der Parade vor dein stö-»
nig, zu ihren chiiiientern idgeisenJ
u. so tsatten Itainperinann .iii Toch
ter vielleicht schon längst die Tore
von Breslau hinter sich.
Er fragte sich nach den Bureaus
durch, in denen die dreitdilligen an-»
genommen wurden. Man wies ihn!
din. Ulder er isatte sich geirrt, wenn
er gesandt, dass ei hier sokort Be
scheid erhalten ioerde. Das sei nicht
indglich, hieß es. ii an sei gar nicht
in der Lage, säiiiliche Listen nach
einein bestimmten Hainen durch-inse
tken. Und viele Freiivillige ständen
uderhaupt gar ntst in den Listen,
da inan sie ohne weiteres einzelnen
tttegiinentern zugewiesen have. Man
share teine Zeit siir diel Schreib
tvert. —
Das war eine traurige Austunst.
selben-Konrad derzeigte nicht« Er ging
zu einein zweiten, zu einein dritten
But-equ: Ueberall dasselbe Schicksal.
Ob denn nicht eine Zentralstelle dor
hunden sei, fragte er endlich, bei der
die Namen aller Frueiwilligen vers
zeichnet und geoucht würden Ja, die
sei schon da, lautete die Antwort,
ader die erhielte alle Namen erst
dann mitgeteilt, roenn die Freitvillis
gen in ihre Reginienter eingestellt
lesen; die Regimentstoniniandeure
seien zur Mitteilung verpflichten llnd
wenn Konrad seinen freund erst heu
te entdeckt halte s» ei dieser jeden
falls noch nicht in das Regiment ein
gereiht, das zur Mitteilung des Na
man an die Zentralstelle verpflich
tet sei, und endlich sei diese Zentral
stelle überhaupt gar nicht in Breslau,
sondern in Berlin
sDns war das schlimmste. Nin
glaubte Konrad sich allerdings ank,
oor einer nnlötbaren Ausgabe. Met
yieicht begegneten ihm nbee die beiden
« ciu der Straße. F: lachte bitter.
hin begegnen! Ha ha, eine solche
Lösung der Ausqadei Ein Gtiictsss
tind war et nie gewesen, immer nur
ein Stiestind des Glücks, dein ganz
gewiß iein freundiichet Znsnll lä
cheln würde. —- -
Er stagte nlle Vorübergehenden
»Jst Ihnen A-:)i:-lleicht der Name
Kampekmanns betaniiti Kompet
manni«
lind immer dasselbe Schüttein des
Kopfes:
»Ganz unbekannt!«
Besonders jeden Fieiwilligeii, dem
et begegnete, nayni sich Konrad aus-Z
ftp-rn.
Rennen Sie vielleicht einen oder
zwei Kameraden namens Kompet
mann?"
Ader immer wieder dieselbe Ant
wort: -
.Nein, nicht einen!" »
»Ob« einen ähnlichen Nainen?« i
»Nicht, daß ich iviißtet Aber das«
will gar nichts ,sagen —- wir sind ja
alle erst seit ein paar Tagen beieinani
der, kennen uns gegenseitig taiim
iioch.« —
Jn, jn, der Mann hatte recht«
Konrad seufzte. Das war ein ver
ziveisettes Stint IArbeit. Die alten
Donaideii fielen ihm ein: immer
sehnt-sein schdpseth schöpfen, und doch
kein-Erfolg. So er: tragen, fragen, !
fragen —- alles angeblich· Dein Fassei
sehne der Boden der etwas miten;
s ’.-nnte, hier wie .m. —- (
Block ck Wollte-, kk Mllszcc sie sm
sühlte, es wurde nicht mehr schla
gen, wenn er sie iicht fände. Denn
sie gehörten ziiin schlage seines Her
zeug, wie die Heizllappen selbst.
Fand er sie hier nicht, dann in Ber
lin dei der Zentralstelle dein Kriegs
niinisteriiim oder ivo sie sonst waren
Uiid wenn er inoncitelang ivarieii
sollte, bis die Etaiiien einlieseii —
eininal mußten iie sa einlaiisen, lind
er wollte Geduld hoben. —
Eil sollte Aue-il anders toinmeii.
Er schlenderte weiter durch die
Straßen. Er sog verschiedene Kna
den, die Zettel an die Vorübergehen
den verteiiien oder verlausiem
»Was hndt ilsr da?« fragte er.
»Ein neues Lied!« war die ein
stimmige Antwort. »Ein sehr schönes
Liedihlzion Theodoc Körner!«
»Gebt her!«
Er wars ihnen eine Münze zu
und entsaltete den Zettel. Dann las
er mitten in dein Aufs und Abwu
gen der Menschen stehenbleibend
Kerners stammenden »Ausr«is«:
»Frisch aus, ineiii Voll, die Flam
menzeicheie rauchen,
Hell aus dein Norden bricht der
Freiiseit Licht!
Du sollst den Stiiisl in Feindes
herzeii t.i-lc1;eii!
Frisch aus, mein Bott, die Flam
menzeichrn tauchen —
Die Saat ist reis· ihr Schiiilter
zauderl nicht!
Das hochsie Heil, das letzle, liegt
im Schwerte!
Drück« dir den Speer ins treiic
Herz hinein:
Der Freiheit cnie Gasse: Was-h
die Erde.
Dein oetitiches Land init dein-in
Blute reinl«
Und mit ttopfstsden Puiscti las er
die machivolle Aufforderung:
»Zerbrtch die Pitngichak, laß den
Meißel tiillen,
Die Leier still, ocn Webstuhl tiihig
stehen!
Berlasse oeiiie Höfe, deine Hal
len,
Vor denen Anttig deine Fahnen
solch
Er will iein Xtolt in Wiisseiirii
stung sehnt«
Jhm zitterte otxs Blatt in der
Hand vor tiefer Bewegung, Ja, könn
te er doch nur —- toie gern ioollte er
ieinen Hof verlaiieii, uiii in Wahrn
rtiiiung vor feiner- Koiiig zu treten.
So in sich versunken itand er, oaisi
er gar nicht mertte. ioie ihn ein Ot
figier schon länger beohachtet hatte
und ein Trupp junger Leute sich ueii
ihn sammelte.
Da horie er sich nngeredcl:
»So ganz ins Lesen deisiiniin
mein Frei-not«
Er blickte anf. Der Offizier stand
vor ihm niid Iah ihn iiiit freundli
chem Bachetn an. iiiid iiii Nu erkann
te Konrad, iveii er oor sich hatte; die
ies Gesicht tnitl den hoheitizvollem
sprechenden Zagen vergaiz nian nicht
wieder, toenn man ek ein-nat gesehen:
ed war Gneiienuti.
Konrad verneigte sich iiberraicht
und ehrerbietig nnd reichte dein Ge
nerat das Blatt.
»Ettvas Schonercs kann nicht ge
ichrieven werden!" tagte et.
»Ich tenne er ichoii,« entgegen-te
Gneiietinu dankend. »Es sind herrit
ihe Worte! Und oee Dichter wird sie
vor altem an sich ieivit ioahrtnachen
—- er wird einer dsr Uniern werden!«
»Der Glückliche!« rief Konrad.
Ein forschendec -Btick aus dein
lebhaften Auge Gntisenauö traf ihn.
«Sie scheinen iizn zu -beneiden,
mein Freund! Aber das Gliick tanni
jeder haben! Jeder ist gerufen, ven’
nicht Krankheit oder Siechtum ani
das Lager fesselt. haben Sie noch
nicht das Wort des Dichters an sich
wahr emacht?«
Be tlrzt fah sein-ad den Fragen
den nn.
»Ich — icht' «- stanitnelte er.
i
Lächelnd fiel ihm Gneifenein ins
Wori: s- '
»Was erschrickt Sie fo, mein
Freunds Daß i Sie fragei Dazu
bin ich ja gewi nicht berechtigt
Aber als ich Sie vorhin so periiefi
in Körner-s Berfe ilslzen fah, da much
ien Sie nichi den Eindruck unf- M
als ob Sie sich vor- Kugel cdet ,
beE fürchteten.« —- .
Konrad hob stolz den Kapi. .
,,Fiirchi? Rein« wahrhaftig nichi!«
»Aber doch noch nicht bei der sah-i
ne«i«
Konrad sah vo: sich nieder. Ihm
war, als könne das große, iorschende
Dinge ihm in der Seele lesen
»Noch iiichi!« fagle er langsam.
»Wir können aiie brauchen, mein
junger Freund,« fuhr Gneiienaii
fort. »Alle find uns willkommen,
ivenn beiligeg Feuer in ihnen glüht
und see rechte Zorn ihre Herzen ent
flammi.« —
««illle'i«
»Mei«
Tiefernst llangeii Frage und. Ant
wori
Roch einmal nahm Gneisenau das
Wori:
»Und was iii denn schließlich der
Eiiiiaiji Dieser- -.iisne Lebens Ach, es
ist wenig dran, und iiiir dann »ge
isinni es Wert, oenn wir es für ei
ne große Aufgabe ou optein bereit
sind. »Und ietzei ilzsr nicht das Le
ben ein, nie wie) cicy das Leben ge
wonnen ieini"« Sie kenne-n gewiß Ih
ren Schule-. Jn .«,l,iieii, inein junger
zsreund, liegt »wir-, das intr gestei«
etwa-, das Sie as- Kiiiiipsee verkün
det tinds bezeichnet. ltnd solcher wol
len wir nicht inisssiiiz wir tonnen sie
brauchen. Daiitni kommen Siei
»Br» dessen Antlitz deine Fahnen
walten, er will sein Volt in Massen
rusiung sehen!« Sein Bott, mein
sunger Freund, sein Voltl Nicht bloß
den einen oder arti-ern Stand, son
dern Bott! lind dazu geyoten Sie
nacht ltiid ich sagt zu Hymn: »Aus
Wiedersehen!« Denn ich weiß, wir
seiten uns nicht zum letzten Male,
und inir ist eg, als sehe .-ts icm Ihr ·
Haupt siegreiche Fahnen wein-n! eins
Wiedersetseii!'
Ue reichte ihm die Hand nnd ging
mit freundliche-n Ging weite-.
Ein orauseiides Preis der llctistehens
den schaute deni tasssern Verteidiger
vssn dtoldeig trats.
diotitao starrte il,ni nach. Als ob
eit! guter weist von ..,iit zage, so
trat itsnt. Sollte ei ein General
nacheilen, ilzni zin Jus-en stillen, sei
n: Hand iitiitluintnern, iisiit tue-i, al
leå·s.igen, was seit sechs schien sein
Herz vedtuclt, siiit Leveti dixriuiistet
hiiilcs
Ader er kam sit gar leinein weite
ren Nachdenken. txt-i Trupp junger
Mannen die sich winkend seit-te Ge
spenin ttiit Gneiseiiau uin ilin ge
suininelt und getauscht hat-en, tiatstn
ihn iii die Mitte.
»Das lassen wir niig gefallen,
Freund, Sie haben Gliiiit Von wneis
senau gewissermaßen selbst geworden
zu weideni. Passiett nicht set-ein«
So sprach matt aus itsn ein
Er aber stand wie ein Betänbtetn
»Was soll ich um's-« kam es- halb
laut iider seine Uipteth incisr zu sich
selbst gesagt, als zsu den andern
«Dag ist doch klar!« eiiigssgisite ei
ner und siißte ihn herzlich I:.-.ter den
Arm. »Sie totnttiut mit unL!«
»Wolsin denn?««
»Dort in das iiachste Haus, ins
Vteioedureau! Lstatitrlich wen ein
Gneiseiiau wirbt, toie lann itei zau
dern't«
»Wie lann der zaudern-« trieb-r
yolte Konrad
.
,,Utuii also, loinnien Sie, Freund! i
Das Vaterland wartet, nnd jeden
einzelnen Arm kann es brauch-kif
Dicht utit ihn georangt stand die
t.eiiie Schar. und setzt setzte sie sich
in Bewegung Hall- wurde er gescho
tseii, halb ging er freiwillig —- er
sal) sich nicht um, itsiii war» als sei
seder titüaweg versperrt. Wenn er
setzt zurüctwtch — sitt- wetch eitlen
elenden Feigliiig tiiitsste niuii ihn tsa ·
tent Und wenn ausi in alle den« kriegt
war als ein dlotser Jitsallt Sprach
dciiii der Himmel nicht est-»ich noch
heute, tote einst zti Mose ans des
zgdreog Hölsttie Hatte er nie-it in er
schitttertider Sprache durch Ins Ge
richt aus Russland-« Eisfelder-n zur
ganzen Welt gesprochent Und sollte
er nicht auch zum einzelne-i Otsrechen
lonnent Wie saqte doch sein großer
Dichter: »Es gibt iiti Menschenleben
Augenblicke, wo er dein Weltgeist nä
tser ist, als sonst, und eine Frag
trei hat an das Schicksal«
tFortseyting tolgt).
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-— D r ii it f e !; ! e r.—-- Versamm
liinnsbeiiciih Der Redner Mist-, seine»
Aus-einmidersegiinjen mit den ener
gischen Worten: »Meine Jnttige
meiner Gegner soll mich bewegen,
meine Emllunq zu verlassen In
ihr hoffe ich einst meine Seele aus
zuhiiuchen!«
—- Modern —- Dnmet »Habt
ich Ihnen nicht Verboten, sich je wie
der bei mit schen zu lassen-«
Bettler: Entschuldigen vie, Getä
digste, dkimu ist mein kelkeiär schuld,
er hnt vergessen, Ihren Namen von
der Miste zn streichen!«
— Vetbr.a;er - Logik.
Richter: ,,siönnen Sie denn nicht ak
Dksiten und ehrlich sein?«
Angelingter: ,Neiii, denn ich hasse
die Arbeit; also märc es nicht e s
o n mir, wenn ich-. :beite.«