Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 09, 1917, Sonntagsblatt, Image 9

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    Setmtagsblatt des
Staats Anzeiger und Jserold
fGewiss-www-Immersi-ki;
—
Ist-tin kaut
Jszze von Engrn Staunen
«Kotnmst Du denn wirklich nicht
mit, Paul?«
Florchens Stimme klang ganz
schmollend. Florchen hing wirklich
az. ihrem Bruder. Der aber band
sich gelassen den neuen dunkelgrünen
Selbstbinder sorgsam und tunstooll
und sagte breit nnd ruhig: »Nee.«
»Na sdaö weißt Du doch nun
schon, Ilorchen, daß der Prinz im
mer mai Apartes haben muß,« sagte
der guts-tätige, rundliche Gerhard
Schmian mit dem Florchen nun
schon ein Jahr »ging«. »Wer weiß,
in welchen höchsten Kreisen der Prinz
jetzt verlehrt.«
Geehrte-d lachte gemiitlich. »Prin3"
—- ja das blieb nun einmal Paul
Kranolds Spitznamr. Hiibsch und
apart sah er ja auch aus. Und wie
er sich kleidete — tiptop, tadellos.
Gesld hatte er ja auch »wir Mist«,
wie er sich drastisch ausdrückte. Er
war ein so ovrziiglicher Techniter und
Akkordarbeiter, daß ihm so leicht lei
ner gleichtam Dabei sparsam! Die
Stimmchen .us der Spartasse häuf
ten sich recht ansehnlich. Bloß so’n
bischen hoch hinaus stnd ihm der
Sinn. Mit Gerhard nnd Florchen
nach’n Kientop gehen, das war gar
nicht sein Geschmack
Ilorchen aker gab den Kampf noch
nicht aus.
der »Auf nach Liebe« gegeben. Und
Lestn freut sich auch schon darauf,
Les-to rechne. bestimmt auf Dein
Mitlemment«
«Lesla?« fragte Paul Kranold,
als käme der Name-aus einer ihm
ganz fremden Welt.
««·lla, ju, Legt-M lachte Florchen
hall- lomifch berührt, halb geär
gert auf· «Fränlein Volesln Einse,
Die Dich nun einmal dummerweise1
liebt."
»Das tun andere auch,« jagte der!
Prinz überlegen. .Lesln, ach wat
—- die soll sich erst mal richtig um"n
Kopp machen. Die Schleife sitzt ihr
ja ewig fchief." ,
«Du brit fcheußlich,« rief FlorcheH
getrönlt. Aber der Prinz machte tichs
nichts daraus und schritt zum Zim
mer hinaus
An Lesln denten mußte er darucnt
doch, hübsch war sie ja. Lieb, dnsl
schmale feine Gesichtchen mit inmng
ßen braunen Augen und der zierli-;
che. Nase. Aber ihre greuliche Art,
sich im Nacken eine große schwarze
Schlupfenichleife nnzutiertenA Schau-i
derhaftl Die Schlupsen ftnrrten zu;
beiden Seiten dei- Gesichtes wie Efeu-l
j ehren hervor —- und ewig schief. Dnsll
war dem Paul unerträglich. . . Und;
immer diese Schlotterbluien zu deinj
ewigen schwatzen Röckchen —- spie-I
hig! — .
Paul Kranold fühlte sich ganz als!
Prinz, als er den Potsdamer Platzs
betrat. Den liebte es. Die licht-·
schimmernden eleganten Vergnü-;
gungsitätten ringsum gefielen ihm
Ou —- Paul —- qeur wird don
Er kruk In eines ver großen
prunkooiien Anffeehäufer Musik tönsj
te ihm rauschend uns lockend ent e-»
gen. Glanz überall. Man war f
fort in Stimmung. Pauk fah feil
roärts in eine Spiegelfliiche. Wellig
und tadellos lag ihm vie fchwnrze
Tolle etwas feitwörto in die Stirn.
Er war zufrieden —- er nahm nn
einem Pfeiler Platz. Mollig laß
sichs hier, mit Niickendeekung und
doch mit freiem Blick über den schö
nen ftrablenren Raum und mit vol
lem Aufblick zum-· Orchester-. . .
Jn fein Schauen uns Träumen
klang ein leifes, mobuliertes: »Gewi
tell-«
Eine febe elegante. hellblonde Da
me wollte an feinem Tischchen Plab
nehmen.
»Bitte —- biite fehri« beeilte fich
Paul beflissen zu ingen.
Der Kellner brachte der jungen
Dame Kaffer. Sie wollte gleich be
zahlen, kramte in ihrem Täfchchen
hernm, wurde fehr verlegen —
krnmke eifriger —- und stöhnte end
lich: »Ich hob’ mein Gelb bergef
feni«
Das war etwas fiir Paul, da war
er ganz Kavalier.
«Gefkatten Fräulein, baß i die
Keinigkeit ausleget« Und er war dem
Kellner einen Schein hin.
Die junge hellblonve fah entzückt
zu Paul empor — unb lächelie wie
it wortlofer Ergriffenbeik.
Und als ver siellner gegangen
par, ließ sie fech wie erschöpft zurileks
sinken.
oIlelp — wenn man fp allein in»
Berlin steht —- niemand hnt —
und so kämpfen muß — da wird
man schließlich ganz wirr — er
schöpft.«. . .
»Mein-Indi« Paul erregte sich.
Wenn er dieser eleganten jungen Da
nte Belchitder sein dürfte?
«Kiimpfen?« fragte er, «Fräulein
haben zu tilmpfenf Die Hellblonde
ließ den Pelznmntel von den Schul
tern energisch zuriiclfallem so daß
ihr lchlanler Obertörper in der daf
tigen, durchichimknerndem schwarzen
Tlillverlchleierung wie eine wunder
lchöne Blüte aus der gelblichen Pelz
urnrahcnung wuchs, richtete sich ent
schlossen hoch und rief geradezu: »Ja
—- ich lämpfei Kämpfe um Schloß
Lövinghnufen, das mein rechtmäßiges
Erbe ist, und das mir ein weitläufi
ger Vetter streitig machen will. Hier
—- dag bin ich!« -——
h Sie warf Paul eine Visitentxirte
m. ·
Er laß: »Baroncs3 Olftrid von
Stettin-Löwingl)ansen.«
Seine Erregung wuchs. Jäh rot
und irritiert wurde er. Dann gnv er
sich einen Rud.
»von Kakus-DE stellte er sich vor.
Baroneß A«Orid lächelte, wieder das
Lächeln einer halben Verzückung.
»Ein Edelmnnn —- oh, ich ahnte
.sf«
Und dann fiel lie wieder zurück und
wurde sehr traurig.
»Und jett —- vor dem Ziel —- soll
alles scheitern« —- —
«Warumf« fragte Paul glühend.
»Weil meine Geldmittel erschöpft
find, —- weil ich meinem Rechtsnnwalt
dreihundert Mart einfchicken foll zur
Weiterfiihrung —- wir flehen vor
dem haupttermin« —
Wie ergreifend. rührend, zerbrochen
fie ihn ansah. -
,Iräulein Baroneß,« sagte Paul
—- er wußte wirklich teine andere
Anrede —- »Friiulein Baroneß s-—
wenn ich Ihnen helfen dürfte —- ich
brächte Ihnen morgen das Geld fo
fortl«
»Den von srnnold« —- — war
das Ablehnung, donlbore Annah
me?
«Fr«eiulein Baroneß?!« —
»herr von Kranold« — und sie
nonnte ihm die Adresse, notierte sie
ihm mit einem reisenden goldenen
Stift auf die Visitenlarte —- und(
fah ihn dann fo groß, fo tief, fo tun
ge an, daß ihm briihfiedendheiß wur
de —- «roenn Sie morgen kommen,
zeige ich Ihnen Bilder von Löwingi
haufen, erzähle Jhnen oon dem alten,
herrlichen Besitz-". . .
Paul ging trie auf Wollen heim.
Es war doch gut daf- er feiner
Arbeit wegen noch immer retlnmiertl
war. Jetzt freute ihn das. Freilich
—- wer weiß, wie lange noch. Die
Retlamierten follten ja jeßt alle
fort. Gerhard Schmeling hatte es
besser, der hatte den herztlaps, —
tvar et n., —- tat aber jetzt Zioilsj
dienftpflicht.
Andern Tags ging Paul zur Be-«
roliefz Aftrid. Sie wohnte im Westen, »
in der Anobacher Straße, bei einer;
»orrtoitweten Geheimen Juftizrat«. Es »
war alfo alles richtig. »Wenn ich»
bloß nicht mal ins Berlinifche verfal-;
ik," suchte PUUL I
Die Baroneß oon Sternu--L«ijwing-l
hausen empfing ihn mit wirtlich rüh
render Freude und in einein fchlichs
ten, weißwollenen Teelleide, das
Paul einfach fliß fand. Sie bereitetes
ihm Tee, —- sie zeigte ihm die Bil-»
der oon Löwinghaufen. Welch' ein;
altes, herrliches, romantisches Schloßi
Burg-rriig und efeuummnlt. Feier
liche Söle mit Bogen und Säuleni
und gewölbten Decken. Aftridsj
Stimme tönte dabei moduliert undl
innig: wie sie sich freue, nun endlich
eine Seele zu haben im großen Ver-i
lin —- jemand, mit dem fie dochi
auch mal ausgehen tönnte —- einen
Menschen, der eo ehrlich und gut mit
ihr meinte . . . Bring Paul verlor
ganz die Besinnung und schwamm in«
Wonne. . . i
Ja, sie trafen sich öfters — siel
gingen zufammen aus —- in dies
Oper —- in den Zirlus —- ins CafijJ
Die arme Baroneß geriet freilich wie-I
der und wieder in Geldnote, — der
Prozeß zog sich fo blindfchleichenhaft
in die Länge» .Nun, Paul war Ka
valier —- Freund —- er brachte bald
wieder einen hundertet —- dann zwei;
—- dann drei Hunderten . .
Und wenn die Baroneß von Ster
na dann »Den oon Kronen-" fagte
— dann vergaß Paul alles, auch den
lehten Verm-unrein Und immer
innigen hingebende-: wurde die sa
roneß, bis sie endlich felbftoergefi
fend: «Pnul« rief. Da tiefer »Mir-id«
»und schloß sie in feine Arme. Nun
»wer er verlodtl Mit einer Baronesl
Freilich — die Verlobung mußte
noch geheim bleiben, bis Löwinghaus
sen erstritten war. Dann wollten sie
heiraten, aus Löwinghausen einzie
heni
Jn dieses Glück kam ein jähe-Z Er
schrecken. Astrid mußte hats über
Kopf cis-reisen nach Reichentai zu
ihrem fiiiechtanwait —- es stand alles
aus dem Spiel — sie bedurfte einer
größeren Gelt-samme. . . Mit schwe
ren Versen hob Pan sein Guthaben
ab, — zwei schöne Tausenomark-.
scheine —- sein alles —- uno brachte
sie zu Listen-. Die hatte ihm die Rei
chentaier Adresse schon aufgeschrieben:
»Mit dem Achtuhrzuge muß ich sorti
Aber Du kommst nach sobald Du
kannst! Du schreibst mir! Ich schreibe
Dir!" —
Rrrr —- ging draußen unangenehm
laut die Schelle. Die «vertvitwete Ge
heime Justizmt'« ösfnete — wollte ei
nen Herrn zurückhalten —- nber vie
ser Herr schob die Vertvitwete einfach
beiseite. durchmaß rasch den Korridor,
risk« die Tür aus, trat herein und
ries:
»Sie sind Anna Sternberg?«
Astriv, die zusammengezuckt war,
richtete sich mit Hoheit auf:
»Ich bin die Baroneß von Ster
na-Liitvinghausen —- und hier —
Herr von Kranold — mein Bräuti
gam.«
Derff Kriminalbeumte lächelte, er
trank-te sich an Paul.
-’s··-tnp Sie etwa auch einer oer
Gerupftens Gefiern erft hat die Anna
Sternberg, die wir fehr wohl lennen
und fchon lange suchen, obwohl sie sich
fest das Haar hellblonb gefärbt hat
— einem alten Herrn die Brieftafche
entwendet.'«
Dem Prinzen Paul fiel es jeht wie
Schuppen von den Augen. »Ich hab'
ihr eben zwei Tausendmartfcheine
übergeben," stammelte er.
»So —- na, dann tomrn’ ich ja noch
zurecht,« lachte der Beamte. Und
Paul belam feine Taufender wieder.
Anna Stundeer die ihre Flucht ver
eitelt fah, mußte dem Kriuiinalbeaw
ten folgen. . .
Paul eilte heim. Gottlob, baß nie
mand von feiner Blamage erfuhr,
daß er die Baroneßoerlobung noch
gehetmgehalten hatte.
Flokchen und Gerhard saßen auf
dem Sofa. Glücklicherweife ftörte der
herzllaps den Gerharb in der Liebe
nicht. Er fah ganz urbehaglich
glücklich aus. Unt- zu dritt saß da
ein Möbel in einem schicken, dunkel
blauen faltenweiten Kleide, die Spen
zertaille mit weißem Spiheutuckx —
und keine gräßliche Mozartfchleife
mehr mit efelsohrenhaften und schie
fen Schlupfen — wellig gefcheitelt das
braune haar und hinten in Bieder
meierzöpfchen gelegt. Paul tvar ganz
statt.
»Was hast du denn?« fragte Flor
chen· «
»Na, Prinz!« tief Lesla Einse
,,Nichts mehr von Prinzi« rief
Paul rabiat. »Du, Les-la, ein heu
ochfe bin ich gewesen, blödsinng war
ich, eine Dummheit hab’ ich gemacht.
Aber jeht bin ich vernünftig, und du
bist meine Lesta!«
Ulld ck iijßic die Lcsia lib, daß
ihr Hören und Sehen verging.
.—.-.--—
-—-· Ein Literaturienner.
»Haden Sie Freytags »Soll und Ha
ben« geleieni«
»Warum gerade Freitngöt«
— Sorgen. »Du bist ja so
traurig,· alter Freund; was drückt
Dich denn?«
«Der neue Hut meiner Frank«
— Aus einem Gendarmes
riebericht. Der Jgnnz habet
trug bei der lehten Rnuserei am Hin
tertops eine Beute davon in der Grö
ße eines landläufigen Pfundgewichtes
:- 000 Gramm.
»Nichts drinn' gewesen, Ivie?«'«
—- J e n a ch de m. Bekannten Wo
werden Sie denn nächstes Jahr hin
reisenf
herr: Wenn wir diesen Winter eine
tüchtige Köchin kriegen, nach —- Ma
rtenbadi
e
—- Bewees. Wirtin Czu einer
Freundin): »Ich weiß nicht, ich neh
me jetzt so start ab; nm meisten spüre
ich et an den Fingern» . . erst heut’
hatte ein Gast meinen Ehering im
Smiertrantt«
—- Durch die Blume. »War
um sind Sie denn in letzter Zeit gar
so nachliissin, Einsi«
«O, gnädige Frau dltrsen durch
aus nicht glauben, dasz es deshalb ist,
weit ich zu meinem Namen-ins von
Ihnen nichts bekommen habe-«
—- Druettelsten Sein ganzes
Leben war ein fortwährender
V empi
Lrisskuud Ehr g
-
Siizzc von Eise sit-assi.
Akten und Ehe« lautet das Tibe
mn, das sich die Vortragende gestellt»
Und, da es eine Frau und -chrcsi
steiierin war, die in Schrift und
Wort schon ost site die Grundlagen
menschlichen Glückes und sozialer
Vshekenttvickiung mutig und bahn
brechend gewirkt hatte, war auch zu
demheuttgen Vortrag die Ziht der
siehst-r groß.
Und die Rednerin inm, sprach
und« enttäuschte.
Es tnm nichts, was nun nicht
schon vorher gehört oder gelesen hatte
von dieser Frau. Mit viei Tempera
ment und selbstsicheket Gefälngteit
wurden die sittlichen Rickxtiinien der»
monogamen Ehe gefest. und beson
ders der jungen Generation Ratschlä
ge gegeben, zu einer uiieinseligmwj
chenden Verbindung zwischen Mann.
und Weib zu kommen. Nie-innig diirseJ
dem stärkeren Geschlecht erinudt sein«
was dem schwächeren zur grdszenT
Sünde angerechnet wird, nur die hei
ligsie Reinerhaltung der Ehe von bei-«
den Seiten ist die Grundlage Des
Glückes und einer gesegneten ZutunstJ
sitt Kind — und Kindestinder ..... «
»Jn,« jauchzte es in vielen Frauen-«
seeien wieder, die es hörten, und mit
ihren tiessten Empfindungen vergli
chen, »das ist doch selbstverständlich,
..» das lehrte uns ja schon das
sechste Gebot. wir wissen und wollen!
es längst, tvo aber sind die Wege zu»
jenen glücksoollendeten Höhen?«....
Die Antwort blieb aug, oie nun
heute erwartet hatte. Die vielen
steigendem heißen Mädchenaugen
zwar, bauten ein Brücklein hiniiber
und herüber, so daß der Mund der
Redner-in die brennendste Frage aus-:
sprechen mußte, die aus aller Lippen
lag: »Was aber soll mit jenen
Frauen geschehen, die ihre unver
brauGe Lieber-stille einsam mit sich
tragen, denen Schicksal und Kriegt
Ehe — und Mutterhossen entzwei-;
brach, wie es zehntausendiach geschah
und noch geschehen toird von Tag zu
Tag« Eine atemlose Pause
folgte ......
Die glückliche Frau und Mutter
am Rednerpult löst-eile ein ganz tlein
wenig unfrei vor dieser Atemlosigs
leit.
»Wozu haben wir unsere Loto
nient« sagte sie dann beinahe über
stiirzt hastig. »Unsere Vertreter eu
ropiiischer Kultur hungern da drau
ßen in ihren verantwortungsreicheu
Aetniern nach der weißen Frau,
reiche Arbeit-selber sthen dort auch
siir das weiblicheGeschlecht für Jahr
zehnte ossen, zieht hinaus in die
Fremde, wenn ihr daheim die Man
ner nicht findet, die euch ein ljhegliictl
geben und eine Mutterhossnung.«. . «
Langsam, tote widerwillig, leert
sich der große Saal.
»Das hätte nicht lommtn diirsen,«
sagte eine alte Dame laut und weh
mütig, indem sie mit behenden Fin
gern ihre Garderobentnarle in der
schwarzen handtasche suchte. »Un-·
fere Lolonien ..... unsere lieben
Schnierzenstinder jetzt im Kriege....
srei voin Feind nnd srei von Blut
müssen sie erst werden, und dann...
dann, ob mit ooer ohne Mann, wird
unser Vaterland sicher noch Raum
genug bergen, um Glückeöheimstätten
darauf neu erstehen zu lassen.«....
Lore Hansen suhr mit energischer
Arinbetvegung in ihren weiten, un
mobernen Ulster hinein und fühlte
dabei einen Widerstand An dem
obersten Haken saß etwas sest, das
nicht zu ihr gehörte.
«Hoppla,« sagte sie, »gehört der
Pelzlragen Ihnen, gnädige Frau?«
Die Angerebete nickte und griff
scheu zu.
»Dante,« sagte eine weiche, junge,
traurige Stimme.
Lore hausen blickte überrascht hoch.
Der Ton in dem einen Wort riß an
ihrem Wesens
So ein Kindergesicht unter dein
Witwenschleier. So ein abgrundtie
seö Leid in den blauen Augen
Menschlein du, wag hast du dir wohl
erhofst von dem heutigen Vortrag
iiber Kiieg und Ebe? Da die
schlanten Finger hatten taum die
Krust, den Schleier um den Hut sests
zustecken.
»Gesiatten Sie,« sagte das alternbe
Mädchen etlich, indem sie die Nabel
über dem kleinen Krepphut besestigtr.
»Dante,« sagte die junge Ihrem da
noch einmal. Nun lächelte e aber
babec »Es es ist so unge
wohnt, wenn sich mal jemand wieder
um mich bemüht.«.... Unwilltiirlich
schritten beide nebeneinander dem
IAusgang zu, durch den ein kalter
»Wind weht-.
I »Das tut gut nach dem heißen
lSturzbnd da drinnen. Solches An
’den-Kops-Psesfern von Worten tann
ich nur vertragen, wenn man sich
wehren kann mit einem freien Wort
der Gegenrede. Das war uns heute
versagt. Und so viele Vorträge
auch in Berlin und itberall im Reiche
gehalten werden, es ist und bleibt
immer dieselbe Geschichte von Theorie
und Praxis, diese beiden harten Geg
ner einigen sich nie."
»Nie,« wiederholte die junge Wit
we herb, nnschlüssig vor der Halte
stelle der Straßenbahn stehenbleibend.
»Die Wagen sind üderfiillt, man
kommt selten mit um diese Zeit in
dieser Gegend. Nachts allein aber durch
Berlin zu gehen ach, das ist
schrecklich!«
Da lachte Lore Hausen, ein herz
hostes, llingendeåz Lachen war es voll
Kraft und Frische
»O weh, kleine Frau, ..... das
wäre schliln"t siir unser Geschlecht!
Du hätten ja die Männer rerht mit
ihren überlegenen Blicken, wenn wir
uns so ein Zeugnis der Unselbstän
digkeit augstclleuk Falls Sie auch
im Westen wohnen« begleite ich Sie
gern, ich bin ganz- ohne Furcht und
Schrecken« zu jede-f Tag- und Nacht
zeit.«
Die junge Frau war schon weiter
geschritten. Nun sah sie forschend
in das schmale, kluge Gesicht neben
sich, und ihre Stimme war dunkel
vor Schmerz und dem Bedürfnis,
davon abzugeben.
»Ach ja, Sie mögen recht haben!
Und der Krieg zwingt uns ja direkt
zur Selbständigkeit. Jch kann mich
nur nicht so schnell daran gewöhnen
die ..... die Wunde ist noch zu
frisch. Und Heilung oder Hilfe
findet man nicht, soviel man auch
grübelt nnd sucht.«
»Ihr Gatte ist gefallen?«
»Ja,« flüsterte die junge Frau.
»Wir wurden lriegsgetraut vor zwei
Jahren, .. .. Als mein Kind ins Le
ben wollte, ging sein Vater in glei
cher Stunde aus ihrn fort.«
»Aber sein Kind lebt?'«
Eine ganze Weile blieb es stumm
zwischen den beiden Frauen. Sie
schritten die Linden entlang, den ein
samen Mittelweg, der zum Branden
burger Tor führte.
»Es muß etwas sehr Gutes sein
um so eine erfüllte Muttersehnsucht,
die uns gesunden Frauen ja mehr
oder weniger allen im Blute sitzt.
Man hat einen Nichttveg im Leben.
ein Ziel, unverbrauchte Liebe zu be
tätigen. Jch beneide Mutter, die das
begreifen und so ein tleineH Anfer
stehungöwunder in sich erstehen sahen
mit dem Bewußtsein, es als solche-«
zu betrachten und zu Bollmensehen
zu erziehen. Aber nur solche Miitter
beneide ich! Unsere Rednerin
heute ist in vieler Hinsicht ein famo
ser Mensch, hat wohl auch in ihren
Worten nnd Ansichten haufig sehr
wunde Pitnste berührt, bloßgelegt
und zu heilen versucht sie bleibt
aber oft vollständig einseitig. Wenn
man bedenkt, daß viele tausend Mäd
chen jede Aussicht ans ein Ehe- und
Muttecgliick ausgeben iniissen,s ist es
zwealos, iniiiier iriieder oie iuorzuge
einer alleinseligmachendeii Verbin
dung zwischen Mann und Weib her
vorzuheben Damit ist den ratlos
im Dunkel tastenden jungen Tin
gern wenig geholfen na, und
wir Alten lachen dariiber.«
»Wir Alteii?« wiederholte die jun
ge Frau lächelnd und weinend. »Als
bSie schon dazu zählteni Jm Ge
genteil, diese nette, selbstver
ständi. che Art, mit der Sie iiiir heute
halfen, und mich nun durch das
nächtliche Berlin begleiten, gibt mir
eigentlich eine Art junger Kraft, Ih
nen gleich zu tun Jch bin ost so
einsam nienschenscheu und ver
lassen. Die Freude an meinem Kin
de hemmt das Leid, daß niemand
daran teilnimmt, vor allen der
nicht, dem sie am meisten gehörte!
Der Vortrag heute lockte mich.
Meine junge, zerbrochene Ehe kißaii
mir, hundert Fragen quälten mich,
die man vor andern nicht auszuspre
chen wagt, iiiii die man verspottet
wird, und doch meine ich.inimer, ivir
sind doch alles Menschen, Gott gab
uns gleiche Gefühle-, Instinkt-,
warum nur sind Menschen unterein
ander so grausam in ihrem Urteil
und Nichtsverstehenioollen?«
Lore Hausen blickte warm in das
zerquälte Gesicht.
»Weil sie sich ost selbst belugen,
meine liebe, gnädige Frau, aus
urcht vor diesem Urteil der Menge
ch bin keine Rednerin und keine
berühmte Schüststellertm aus deren
Stimme die Menschen hören, son
dern nur ein alterndesMädchem das
nicht aus den Mann als Erlöser ge
wartet hat« sondern sich durch eigenen
Willen und viel Arbeit und Kampf
selbst befreite und das eigene Ehrge- "
siihl höher einschäitzL als die Mei
nung der Leute« Könnte ich aber re
den und hätte die Berechtigung da
zu, dann würde ich alle Menschennot
und Einsamkeitsp Sehnsucht und Bit
terkeiten nur durch eine gemeinsam-:
Menschenliebe heilen mögen, die sich «
weder an Geschlecht noch Normen
bindet, sondern nur liebt, versteht
nnd gibts Denn das Geben ist dabei
die Hauptsache Nicht von der Ehe,
nicht von dem Manne das Heil er
hoffen und aus ihn warten. Gewiß,
Ehe und Liebe nnd Menschwerdung
durch beide Faktoren ist und bleibt
Naturgesetz und heilig jeder Bund
zwischen Mann nnd Weib, der in
reinen Bahnen geschlossen und ge
halten wird, auf dasz eine gesunde
und glückliche Generation aus ihm
ersteht· Wo das aber nicht erreicht
werden tannf wie es jetzt nach dem
Kriege der Fall zum großen Teil
sein wird, da sollten wir Frauen
uns um so stärker zusammentun, zu
sammenhalten, die eine der andern
Hin verstehender Liebe helfend, jede
nach ihrer Veranlagung und ihrem
Löwen«
»Ich wunichie, ich harre eine
Freundin, die so spricht, wie Sie,«
sagte da die junge Frau leidenschaft
iich und laut, »ich hasse meine näch
sten Angehörigen, weil sie von einer
neuen Ehe sprechen, wenn sie mich
trösten wollen, so sung und hübsch
sagen sie, eine Marter ist dieses Trö
sten ohne Ende! Es gab nur einen
Mann siir mich, und wird nur einen
siir mich geben, solange ich atmen
kann. Eine Freundin aber brauchse
ich, ja, Frauen haben seelisch oft
mehr zu vergeben als Männer, und
meine Seele trantt aii Einsamkeit
und Sehnsucht nach der verstehenden
Schwester im Leide.«
»Schwestet im Leide,« wiederholte
Lore Hausen, blieb stehen, und
streute narl und roarni ihre Hand
der andern entgegen
,,Ein gutes Wort ist das, gerade
jetzt in dieser Zeit, wo gleiches Erle
lben uns Frauen auch innerlich gleich
macht. Wenn ich Ihnen helfen kann,
sest stehe ich Gott sei Dant, was vie
len noch schwer stillt. Sie find ge
segneter als ich, Sie durften Mutter
werden, ich kanns nur nachempsini
den, das Muttergesiihl, und, wenn
ich mir mal Jhr kleines Auferste
huiigsiounder ansehen dürfte, teilha
lseu an dem Freuen über das neue,
junge Leben, ich täte es gerne-«
»Und mir vielleicht dann und wann
helfen, es zu einem ganzen Menschen
zu erziehen, ja?"
»Ja,« sagte Hausen. »Heler, in
dein einen Wort liegt der Jnhall un
seres ganzen Lebens-, liegt die Biäiele
von Mensch zu Mensch, welchen We
schlechis er auch sei. Etwas bat je
der zu vergeben, was dem andern
fehlt, seine Ergänzung suchen, sinden,
und austeilen dasiir von eigenen
Schätzen, die Gott uns gab. Hier
wird eine Ehe daraus, und dii eine
Freundschaft, immer aber Liebe.««
,,Jiuiuer ..... aber ..... Liebe«
wiederholte die iunkie Frau erschüt
lerl, als sie neben der neuen Kamera
din weiterschritt, den Kopf zu den
Sternen, als ersasse sie zun- ersten
nial ihr wahres Licht.
—---—.--.-——
—- Et hat Befähigung. Ein
Vater hat sein Söhnlein in die Resi
denz gegeben, damit er Kelluer lerne.
Nach einem Vierteljahre erkundigt et
sich bei dem Wirt, ob sein Pepi auch
zu diesem Berufe befähigt sei.
—- ,,O ja,« schmuuzell der Wirt.
,,er hat gestern schon einem Fremden
zwei Mart mehr gerechnet.«
-—Olciniitlicl). Bismntirz Was
fiir iine Beschäftian hat denn Mk
lswisilf iiulctir Eulin geneniuiiitin
Witwe: Leider Wotlisk linlt nie
leine, — er verkauft ein Ziiiisclz it
non feinen Lliöbcln nach dem nn
disni, nnd davon lclzt cr.
BisamikiIGuL —- filircibisn mir
;nlfo: Liliisbisllfändlisri
—- Beeuhigung. — Bäuerin
ins-sich- Miich in ver Stadt den«-km
HDn drin niuszle ich einen förmlichen
Schwur ablegen, daß ich la Wasser
in die Milch geben hol-, aber ich
lonnts ja mil gutem Gewissen tut-«
denn bös besorgt fii mei Alter!
— Der Billige. —- Bnuet lin
der Buchhiindliinn): Jch möcht’ en
iKntechismus siir min Jungen.
; Buchhiindlet: Einen evangelischen
oder einen katholischen?
Bann- Wnt soll er kosten?
f Buchhändlen Der evangelifche 40
fPfennig, der katholische 45 Pfennig.
Bauer: Dann gebt en evangeli
schen.
—— Zweideuiig. »Ich habe ge
stern meinen Kopf mit Röntgenstmhs
len untersuchen lassen . . .«