Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 09, 1917, Sonntagsblatt, Image 10

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    Die
Kummer Hut. ;
Eine heitere Geschichte von III-Ernst ;
Mein-e Freunde hoben est-erschal
dct. Sie haben mich so lange ge
reizt. Ebnen-T Du wirst sn stark,
Simode sagten fic täglich zu mik;
die Geszi sagten: »Hu dick«,
die Wehen »Hu fett«. Ich
lengnete M energisch; aber sie
mußten sich heimlich ask-schweren ha
ben; denn fie sagten es alle. »Ein
gewisses Embonpoint ist bei— mit
heteditär, habimeil, gehört sozusa
gen zu meiner Ko.cftitntivn,« be
merkte ich. Dergleichen drückt sich
immer am besten in Frenidwörtern
aus. Ein tiides Gelächter antwor
tete mit. «Tcshqlb,« fuhr ich fort,
»vor-schlagen auch Entseitungsiuren
bei mir nicht das geringste.« »Ja,
weil Du sie nicht ionicqucnt durch
führst!« johlte die Masse in vulgii
ter Einstimmigkeit »Ich —- nicht
durchführeiii«' versetzte ich mit mei
ner überlegen-en Ironie-, »nnn —
das werde ich Euch beweist-M« Und
so ging ich nach Moman
»Sie gehen nach Mariciibad2«
fragte mich ein wohlbeleibter Eisen
bahngefähkte. »Ei, da sind Sie zu
beneiden! Marienbad ist entzückend!
Und fchlcuimcn kann man da,
ichiemmen —i« —
Jch vcnierfte dem Manne mirs
einein sittlichen Ernste, der — ich
fühlte es — niir gut steht-n mußte,
daß ich nicht zu schlennnen gedachte
sondern mich einer seht ernsten Ma
gentur zu unterziehen beabsichtigte
»Ach so, Sie wollen sastenl« ries
er überrascht. »Na sa —- fannnian
da anch," siigte er iiachlässig hinzu.
«Tazu gehört allerdings ein starker
Wlllc;«
»An dein soll es nicht sehlen,«
preßte ich durch die auseinanderge
bis enen Zähne. .
maß niich von eben bis unten
und dann von links nach rechts nnd
sagte nichts, der nnhöiliche Mensch.
Vor dein Tiner nn Speisewagen
sagte ich tnir logischertveise, daß es
erst dann einen Sinn habe, tntt der
Kur zu beginnen, wenn alle Bedin
gungen dieser Kur gegeben seien,
das- systematische Halbheiten in sol«
chetn Falle sogar recht gefährlich
werden können. Andererseits war
mir wohlbekannt, daß bei solchen
Euren ein möglichst großer Gegen
sas Zwischen heut und Morgen nur
Ia empfehlen ist« weil nämlich der
Körper aus solche schrossen Ueber
gänge mit einer beträchtlichen Ge
wichtsadnahnte reagiert. Das Diner
seyte sich sür dieses Prinzip sehr
günstig zusammen; es bestand aus
Bonillon mit Stöße-n Lache niit
Maoonnaise, Mastochsenbraten niit
Moskau-nd Plumpudding und But
ter nnd Käse. llnt den Chor-, den
der Körper morgen erhalten sollte,
gu net-störten, nahm ich dazu eine
Flasche Bier, ein halbe Flasche Cties
aaot und zum Kassee einen Bene
dittiner. Danach legte ich mich in
meinem Abteit schlasen.
Jn Marienbnd angelangt, begann
ich meine Kur auf dem Bahnhoie.
Zwar meinen Hnnplosier überwies
ich einem Träger-; als dieser aber
anch den nicht unbeiriiclnlichen Ne
benlosser an sich nehmen wollte
iagle ich trinmphierend: »Nein, lie
ber Freund, ienl wird ielbil getra
gen,'· nahm meinen Koffer nnd
schritt hinaus-. Tie Zialer vor dem
Bahnhoie machten mir ihre lomiors
tadelslen Gesichter-, nnnnten mich
»Te» Bnron'«, nnd als mir das
nichl zu genügen schien, »Herr
Graf«; ich aber versetzte ohne allen
Abels-stolz: »Nein, meine Herren,
ietzt wird gegangenl«
Wenn ich einmal eine Suche an
greiir. so 1u’ ichs mit Energie-.
Wenn ich gemußt hätte-, daß der
Bahnhoi io weil vom Orte entfernt
liege nnd daß meine Wohnung dann
auch noch ganz am ungewisse-jeh
len, nördlichften Ende der Stadt
gelegen fei, nnd daß der Weg da
hin nicht allzu ianii ansteige, so
hälle ich vielleicht doch meinen Kof
ier dem Träger übergeben und
wäre til-gefahren Aber während ich
ichwitztr. erhob mich doch das Won
neaeiiihl: «Weniaitens ilini Pfund
ichaiiil du dir durch diesen Leidens
weg vom Leibe. Wenn du das
drei- bis viermal gemacht hast, bist
du dein ilsbkkiewichl los. Aller·
dinas«' —- M Gedanke erleuchte
vte mich blipartic —- »das hättest
du auch zuhanie haben lönnen.«
Meine Minnq lag im stillen
Gloc. Für die Zumutung, den
Hoheitnhl zu beim-sie hatte ich nur
tin-· lykiq til-weisend- Hans-Iso
Æ hs sit-mer kostete ,
is Kronen einichl »
h-.
auch gleich aus einen kleinen Zettel.
Da stand: 94,8 Kilo.
»Sie sind wohl -—i« ries ich un
willkürlich ani· Das Dort »ver
rückt« verschluckte ich ebenso unwill
kürlich wegen der Fesseln-kosten
Der Mann betet-erte, daß sein
spinnt-at vollkommen tadellos snnts
tioniere. Jch wars meine zwanzig
Ver ans den Ladentisch, ließ den«
- el liegen und ging, Verachtung
in den Zügen, hinaus.
Zwanzig Schritte weiter trat ich
in ein anderes Haus mit allein rich
tiger Wage. Der Zettel erschien
und zeigte: 95 Kilo. Diesnial ver
sah eine Dame das Wägeamk ich
konnte also nicht 'mal »Sie sind
wohl —l« rasen.
Latiqu nnd sinnend schob ich
den Zettel in die Westmtasche nnd
verließ das Lokal. Mir war’s, als?
hätte ich Blei in den Gliedern. s
Draußen kam mir die Erleuch«
tnnq. Uh, dacht’ ich, die haben dir
den Neuling angesehen Das sind
Wagen sür Antömmlinget Jedt
willst du schlau sein. Mit clastis
schen Schritten betrat ich ein drittes
Lokal und ries: »So! Zum Ah
schied möcht’ ich nun noch einmal
gewogen seini« Diesmal verzeich
nete der Zettel: 95,1 Kilo.
»Noch mehkl Es hängt Gewicht sich
an Gewicht,
Und ihre Masse zieht mich schwer
hinab.«
Erdriielt von der Wucht meiner
Persönlichkeit, schlich ich zum Arzt.
Er behauptete-, ich müsse morgens
sechs Uhr ausstehen, zum Kreuz
brunnen gehen, dort drei Glas
Brunnen mit Zusatz eines gewissen
Salzes trinken, dann anderthalb
Stunden spazieren geben« danach
dürste ich srühstiicken. Der Mann
hatte eine tnerkwiirdigc Ausdrucks
weise; unter »friihfftirlen« verstand
er: eine Tasse Ter, ein Ei nnd einen
Ztvieback nehmen. »Ohne Butter-»
ries der Herr Doktor begeistert.
Mittang dürfe ich dann eine Fleisch
ipeiie, ein Gemüse, ein Kompott
und eine halbe Flasche Biliner
Wasser genießen. Und abends tön
ne ich mir eine Meist-speise ein Ge
miise oder ein Krügel Pilsener ge
statten. Für diese Betöitignng
müsse ich aber fiins bis sechs Stun
den täglich marschieren. Jch ver
sicherte dem Arzte, diesen Bericht-is
ten nachznkonimem iei sür einen
Menschen von Willenstrait ein rei
nes Kinderspiel, nnd vollends siir
mich, der ich von jeher mäßig zn
leben gewohnt fei. ·
Morgen, gleich morgen, solle ich
init der Kur beginnen, hatte der
Arzt befohlen. Dieser Abend war
also noch Inein. Jch tras in der
Kaiserftraße einen alten Freund
der mir ein Lokal bezeichnete in
dem er jeden Abend mit einigen
vergnügten Leuten zusammen-treffe
und wo es ein vorzügliches Piliener
Bier gebe. .,Pilsener Bier hat näm
lich eine mild laxierende Wirtung,«
erklärte er mir. llnd in der Tat
Piliener Bier hatte mir ja sogar
mein Arzt gestattet. Außerdem
wäre es mir als unnötige Schrots
heit erschien-ein die Einladung dieses
Lieben Menschen abzulehnen; ich
ging also mit und trank einige Krü
gel. Jch siihlte wirtlich, wie mir
immer leichter wurde, nnd wie aus
Flügeln schwebte ich um Mitternacht
naltibanisr. - «
llm sechs llhr war ich aus den
Beinen, um halb sieben am Brun
nen. Jn langer Prozession wallten
die Knrgiisuh jeder ein Glas in der
Hand, zin- Quelle. Wo eine Lücke
war, wollte irh mich ausprnchslos
nnd unauffällig dem Ganzen einfü
gen; aber sofort bedeutete mir ein
Aussehen daß ich mich ganz am
Ende anschließen miisse. Nach zehn
Minuten tani ich zur Quelle und
erblickte dort eiu niekiniürdiges Na
tursbiet: einen Mann, der sortwähs
reud dumme und dabei untertänig
grüßte-. Die Leute« die but-wen,
griiszen sonst ganz anders. seh er
hielt mein wohlgesiilttes GlasJchiits
tcte das vorgeschriebene Salz hin
ein und setzte es an den Mund. Mit
nngeheurer Spannung kostete ich
das Getränk. Es sanneclte ioie Nie
dertracht und Genieinheit. Es ist
mir immer Grundsatz gewesen, wi
drige Dinge, die geschluat werden
müssen-, mit zum-drückten Augen
und mit einem Schluck nnd Druck
hinunterzusetzeir. Aber das war
hier verboten. Zehn Minuten lang
solle ich an dem Becher trinker hat«
te der Arzt befohlen .Jn solchen
zehn Minuten büßt man vieles ab.
Freilich macht eitle recht gute Kur
kapelle Musik dazu. Aber ei ist
nicht das Wichtige- wenn man Mo
zarts Champagnerlied mit ans die
Weste herabhängenden Mundwiuieln
anhört; es erqibt eine falsche Aus
sassnna, wenn man sich bei dem
Seiefzer
»O-—o-o D—-li—lal«
nach dein Bauche greift. Nach dem
ersten Glase trank ich ein zweites
und ein drittes. Sehr sinnig schließt
das Konzertpregc.:inni regelmäßig
mit einem Galopp-.
Dann kam der anderthalbstsabi
Msmierqanq in unOdie alle-di
Romuald-IN v
»stei- »i
g
»bemessen« bis ich durch ein nahe
IGebiisch das Genoer von Tasien
lund Teelöiseln vernahm. Die lim
qebunq von Marienbod ifi mit ver
iiihekekischen Cnsixs gescknvänqekt;
spitrubi hingezosem trat ich ein
» iellte mein Frühstück Auch
Thier wurde Musik gemacht, gie
’nicht zur Milderuin icndern sitt
Verschärfung der Kur-. R eher
rStil-erst - lasen Tannen- -
sie wollte gerade mein Si nnd
meinen swieback genießen, als ich
inne word- dcs ich is- M W
hätte. M männlich-r Einst-sieden
heii sprang ich ans nnd wanderte
meiner Wohnung zu, M ein senig
zu ruhen, ein wenig an instit-n
Trauerspiel «llgolino" zu arbeiten
und mich qui das kohlensaure Bad
mit kalter Abweichung und Rufs-Zwei
vorzubereiten-.
Beim Mittagessen saß mit i«
über ein Mann. der fede- Wei
siiisls bar ein Menii von sechs Sän-l
gen aß. llm mich zu kaiieiem los
ich das ganze Menü durch, einem
Athleten gleich, bei-, mit Kon und»
Füßen auf zwei Stühlen liegend,:
sich immer neue Zeitineiszzewiiinel
qui vie Brust legt. ucvek deml
Menii stand geschrieben:
»Ohne weitere Auswahl l l l"
Mit sieben Anskninngszeichem ich
habe sie gezählt
,,Kann ich siir den Kalt-Obersten
auch wag nndcres habt-W« fragte
mein Gegenüber.
Aber natürlichl« versesie der
Kenner-. l
Da fragte ich mich: Wieviele
Ausrufungszeichen macht man in
diesem Lande hinter einein Gefes,
das wirklich nnumitöleich ists
Den ausfallenden Mittagsschlaf
inufzte ich nach Anordnung des Arg
tes durch eine vierstiindige Fuß
wandernng ersetzen. Sie durfte nn
terbrocheiuverden durch eine Taer
See. »Mit einem Zwieban hatte
der Arzt in einer Anwandlnng von
Schwäche hinzugefügt
Jch wanderte vieren-halb Stun
den, trank ein Glas Kreuzbrnnnen
und genoß zu Abend eine Fleisch
fpeise, ein Geiniiie oder Kompott
und ein Krügei Pilfner. Gehorsam
ist des Christen Schmuck.
Ein unvergleichlicher Trost in fol
chen Zeiten der Depression iit eine
gute Hamburger oder Bremer Zi
garre. Leider hatte ich mir nur
einen winzigen Vorrat mitnehmen
können, weil Zigarren an der öster
reichischen Grenze einen ungeheuren
Zoll kosten.
Wie ein artiges Kind fchliipfte ich
gegen zehn Uhr ins Bett, und diefe
Lebensweise feste ich fünf Tage
lang ohne nennenswerte Schwan
kungen fort. Nur hatte ich mir am
dritten Tage beim Frühstück ge
fagt: »Die paar Tropfen Sohne,
die zum Tee ferviert werden, könn
test dn eigentlich mitnehmen. Zwar:
Sohne macht fett. Aber ich erinnere
mich vollkommen deutlich, daß der
Arzt nicht gesagt hat: »ohne Sah
ne«. Der Mann war sehr genau in
feinen Vorfchrifteiu hatte er die
Sohne verbieten wollen, fo hätte er
es zweifellos getan. Er hat sie al
fo erlaubt, nnd da ich mich streng
fteng nach feinen Vorschriften richten
will, so muß ich sie eigentlich neh
men. Es ist zwgz nur ein Finger
hütchen voll; aber es ift etwas
mehr.« Seit diesem Tage nahm ich
Sohne zum Tre.
Als siins Tage herum waren,sol1
te wieder gewogen werden. Jch habe
in meinem Leben verschiedene Exa
niina durchgemacht; aber mit so sei
erlicher Spannung. mit so srendigs
banger Erregung bin ich keiner
Prüfung entgegengegangen, wie die
ser. Jch schwankte lange-, welcher
Wage ich mich anvertrauen solle;
endlich trat ich in einen Laden, legte
Hut, Ueberzieher. Handschuhe Guin
mignloschen, Porteinonnaie,Taschen
messer, Uhr nnd Schliisselbnnd ai
nnd bestieg den Schicksal-nicht«
»92 Kilo,« sagte die wögende
Themis-. .
»Den Zeiten« stollerte ich.
Da stand es schwarz anf weiß:
»92 Kilo!« Also ein Geivichtgverlust
von 3,l Kilo, von 6,2 Psnnd, von
3100 Guian Die Tugend hatte
ihren Lohn gesunden; Geist und
Wille hatten iiber die Erdenschwcre
gesiegt! »Hm-kal« sliistertc ich ans
der Straße vor mich hin. Hnrrai
Daraus kann ein vergnügter Abend
steheiil«· «
Jch suchte meinen Freund ans
nnd das somose PilsnersLolaL Jch
konnte mein Glück nicht siir mich
behalten; ich ums-te mich mitteilen
nnd noch eh' ich Gut und Mantel
abgelegt hatte, ries ich: Sechs
Psundl Sechs Psund verlorenl Der
ehrliche Finder soll sie behalte-il
Wie sieh« ich nun daf«
»Was-« schrie mein Freund.
«M Psund in sänsTageni Men
setiensfind, sind Sie denn des Den
belsP Rissen Sie auch, dass Sie
sich dabei den schönsten Cerzklapt
holst- M« us » Mk
« i unv
Wis
IMKIM aus lese-sie tust
II Im
inqui- Und III wed, ot- spräche
r—
Manns-« machte mein Freund,
Mniiaronii Sie fiin doch iii
Jtnlien gewesen. Wo sieht ninii
lichlankera Lebnigere Gestalten alt
in Italien Und das lebt den gan
zen Tag U scientes nnd Makka
wniX
Jii M seitdem I- istis eines-I
Inaenblick den Imahm daß mein
Freund mis- vekiiihkkn wen-; abekj
ich We niisi ivivkt dieser hölz
laben M nnd bestellte niir Fi
letbraten rnit Raitaran nnd reich-il
flicht-n Käfe.
fllls ich Mnär.oäich mir eins
Tdkined Glap Piliner bestellen dürfe,
ziraqte mich mein Freund:
»Bist-is bat Ihnen denn Jle
Arzt Mk«
Einen M,« verfeßte ich.
»Macht vier," jagte er.
«Wiefof·
»Nun, kenn er Jänen einen Ie
statiet, ia nimmt er an, daß Sie
zwei trinken; ein guter Arzt gestat
tet seinem Patienten aber nur dann
zwei Krüqe Bier, wenn er weiß, daß
ihm auch viere nicht schaden«
»Ja, ein guter M ist er,« tief
ich, «ek hat auf mich den Eindruck
eines iehe intelligenten nnd gewis
senhaften Mannes gemacht·«
»Na alkal« rief mein Freund,
nnd ich bestellte zunächst das dritte
Glas. —
Im nächsten Morgen erschien ich
erst um halb neun am Brunnen,
weil ich erst urn acht Uhr ausge
standen war. Der Morgenspazier
gang siel daher aus; M Gefühl
der Sättigung aber, das mich noch
vom Abend vorher erfüllte, tam
dem Fortgang meines Ugolino«
glänzend znsmtten. Die Zeilen sto
gen nur so anss Papier-.
Das Hochgefiihl gelungener Ar
beit regt wohl bei alten Menschen
den Appetit an. Mein diesmaliges
Gegenüber ani Mittagstisch verzehr
te ein Riesenstiicl von einem Karpsen
ans böhniische Art. Jch fragte den
stell-ser, ob noch ein so gntes Stiiel
da sei, nnd als er es bejahte, be
stellte ich es. Jni übrigen aber
hielt ich mich streng an die Vorschrift
und aß nur noch eine Fleischspeise,
ein Geniiiie und ein Konipott Iiebst
Brot. Ebenso blieb ich atn Abend
streng bei meiner Diöt, nnd wenn
ich mir darüber hinaus eine Por
tion Palatschinlen bewilligte, so
wird nur der etwas darin sinden,
der die Speise nicht kennt.
Palatschinten sind ganz dünne
Psanntnchen, dieniit Kompot oder
Fruchtgelee bestrichen nnd dann aus
gerollt werden« Wenn ich den Er
sinder dieses Gebäcli kennte, so wiirs
de ich ihm ein Denkmal errichten,
nnd wie man Gelehrte-, Dichter nnd
Staatemänner aus ihren Monumen
ten wohl mit einer Perganientrotie
darstellt, so würde ich ihm einen
Palatschinten in die Hand geben.
Außerdem muß man wissen, wie
solche Sachen in Oesterreich bereitet
werden. Ich lobe die österreichischen
Mehlspeisen (die man dort merk
würdigerweise «Miitlspeisen« nennt)
grundsäylich, weil, wer das unter
läßt, beim nächsten Wiederbetreten
des Landes als löstiger Anständer
ausgewiesen wird; aber ich lobe sie
auch aus innerster lieberzengung
Sie werden selbst von den Hambur
ig.er Köche-i nicht erreicht—,sapienti
t«.
So lebte ich abermals sünf Tage
in Fasten und Kaiteiungen dahin,
mir nur hin 'und wieder einen klei
nen Seiteniprnng gestattend, um
das allzu schnelle Entiettungstempo
wohltätig zu ver-langsamem Der
»Ortsstatut-P stand mir als war
nendes Gespenst vor Angen. Dabei
war ich so intensiv mit meiner Ar·
beit beschäftigt, daß ich mir beim
Frühstück ans reiner Zerstrentheit
zwei Eier oder Butter oder Schin
len, einmal sogar alles zugleich toins
men ließ und in Gedanken bei-zehr
te. Am zehnten Tage schritt ich
fröhlich zur Wage. Nach meinem
Spiegelbilde nnd meinem Allge
ineingesülil schätzte ich meine Ge
wichtsabnabnie aus drei Pfund. Das
Resultat lautete: »94«5 Kilo«.
»Sie miissen sich irre-ti« ries ich.
»Bitt« schön, schauen dek Herr
selbst nach,'· sagte der Mann und
gab mir den Zettel
»Dann ist Ihre Wage nicht rich
tigl«
«Bitt’ schön, das ist die genaueste
Wage in ganz Marienbad.«
Genie-gen und zu schwer besan
den, ein umgetebrtee Lielsazay ver
ließ ich wankend M Haus« Jch
gin in eine Buchhandlung und
tau e mir das Heft: »Wie werde
ich energischWJ und begann meine
Kur von vorn.
Jch traut Brunner daß ich zeit
weilig an der iiken Idee litt, ich sei
ein siehe der städtischen Wasserleii
tungz ich knabberte mer ens meinen
einsamen Zwieback und rzte
blutenden herze-is mit der «
lichen Kellneeim »ich kroch durch alle
Kritmmen des MERMIS die in der
Umgegend Iarienbadi aufzufinden
« »de- Duest mir stille-ed mit
Gleis-er Milch, die in deuqu
—s——==s
piie ein-e sürhiige Panos-enterbten
Fik Ue endet-m W elfen zu khenz
:benn, weiß der Teufel, obwohl ich
J jeden Tag ander-wo laß, immer
hatte ich zum Gegeniiber einen
Schimmer und Fresser-, der einen
Heim-d brechen zu wollen schier-. ci
ne Tochter-, die mir in diesen Tagen
schrieb, daß man zuhansc eine
gute Aalfnppe mit Schwemmllößen
Messen habe, verstieß ich nnf telesl
Miichem Wege Mein »llgolino«
riäfte natürlich nicht von der Stelle.
Meinem »Gesinde« wich ich, wenn
ich ihn von mileni inh, in größt
niiiqlichem Bogen aud. Ja, dieser
,,Frennd«, er konnte lachen; et
war ein »hegeker Wolliistlisig« wie
Calcagno, »Bildung gefällig und
nnternehmend«, er konnte machen,
was er wollte, er war nnd blieb ge
fehineidig wie ein Rapiek. Manilagt
ein langes und breites über die nn
gleiche Verteilung der Geistesgabem
iibek die ungleiche Verteilung von
Schönheit nnd Körperkraft; aber
gibt es eine schreiendere Ungerech
tigkeit, als baß Menschen jahraus,
jahrein Dis-ers von fünfzehn Gän
gen mit zugehörigen Weinen nnd
Likören vertilgen, ohne anch nnrum
vie Dicke eines Lindenbliittrhens zu
zunehnieni Muß einen nicht ein
darmzeriressender Neid durchwüh
len, wenn man das ansieht nnd inn
jeden elenden Kartoffelirhinarrn ein
Pfund schwerer wird's .
s
Das Traurigfte in diesen dnnklen
Tagen war-, daß meine heimischen
Zigarren alle geworden waren. Jn
Oesterreich werden die Zigarren von
der Regierung gedreht. Sie werden
ans einem tabakähnlichen Stoffe
verfertigt (ich halte es für eine Art
Baumwolle), find nicht billig, bren
nen aber vorzüglich nnd riechen
nicht· Man kann sie Säuglingen
geben, die die Mutter-mich nicht
vertragen. Ter öftereichische Pa
triot pflegt seine Zigarren zn ver
teidigen. indem er sagt: »Ja frei
lich, unsere Zigarren taugen nichts;
aber das ist das Gute am Man-spal:
man kriegt sie in der ganzen Mo
narchie, auch im kleinsten Dorf, in
der staatlichen Qualitötl« Uebri
gens stimmt das nicht einmal; denn
m den kleinen Spezeee iW
ans den Dörfern werden sie ansah-I
lich zwischen Peter-learn nnd Chlor
kalk ausw, und dann riechen
sie. Freilich halten sie auch W
keinen Vergleich and mit den italie
nischen Ismen- klns einer Zi
garre in medig roch ich einmal
Seife- sämt, Gorgonzolm Buch
drurkerschwörzr. ranziges Oel, Rhas
darbertropsen, Kassee nnd mnssig
gewordene Spagdetti heranz. Un
der Schwein Grenze fragte mich
ein Zottbeamter, ob ich anch italie
nische Zigarren im Koffer hätte.
»ideal« rief ich außer mir. »Wie
kommen Sie dazu, mir Perversitäs
ten zrtzniiititesi?l«
Warum ich mir keine sigarren
von Deutschland hereingeschmuggell
hatte?. Ossen gestanden, hatt« ich's
vergessen.
An einem dieser Tage, von denen
schon die floheleth sehr richtig be
merkt, dass sie uns nicht gefallen,
stand ich gedankenvoll var dem
Stadt- und Posthause-, noch beschäf
tigt mit einem Briefe, in dem mir
Weib nnd Kinder ihre Verlassenlpeit
klagten Wie gern wäre ich zu ih
nen geeilt, wenn nicht Pflichten ge
aen das schnöde Fleiich mich an die
sen Marterort gebannt hatten. Da
siel eine Hand ans meine Schulter,
und neben rnir stand mein Freund
Ealcagno.
,,Famos, daß ich Sie trelsel« ries
er, »gerade wollt« ich Jhnen schrei
ben. Also morgen nni drei llhr
kommen ein paar nettc Kerle zu
mir zn einem einsachen Mittages
ten. Tun Sie mir die Liebe, mit
von der Partie zn sein!«
Ich kannte ieine »einiachen Mit
tagessen«; Lnrnllns war Laternen
kiiche dagegen. Jch lehnte ab un
ter Hinweis ans meine Flur-.
»Aber, Teueriter. Ihre Knr soll
nicht das geringste darunter leidenl
Lauter leichte Sachenl Schließlich
brauchen Sie ia nur zn eisen, was
iich mit Jhrer Nur verträgll llnd
wenn Sie nicht wollen, essen Sie
gar nicht-Tit Wenn Sie nnr dabei
iindl" ,
Jch bemerkte noch einmal mit vor
Entschloismbeit liebender Stimme-,
daß ich ieit bleiben müsse.
»Aber jeder vernünftige Arzt ge
stattet doch Ansaalnnetaqez er
schreibt sie sogar vor. »Meide die
Gewohnheit-« sagt Sei-Muhmen
ein Mann, der Bis-knarrt entiettetel
Wenn Sie sich an diese Lebensweise
gewöhnen, werden Sie dick statt
mager-. Es ist eine bekannte Ve
obachtuiiq, daß Sträslinge sogar bei
der Zuchtbauemenage sett werden».«
»Sie haben rechtl« rief ich im
frohen Gefühl, eine nene Wahrheit
gefunden In haben »Ich komme;
ich komme bestinnntl«
Es gab Mit-tar- aetriisselte Gän
leleber, srüiseler Ponlarde, Lan n
iten,« sunqenraaont, Sorbet u w.
nis. Dazu sser Stettin-bera, 93er
Wust Bildstock, Wer Laiitte
Mus, 47er Haue-m ganz
alten Deidsieckz kurz- Weine von
einein unglaublichen Junenleden
ten-d von einein Alter-, daß man bei
jede-i M nnwitltiirlich nach dem
M , tmt ehrerbietic den
Hut nbznneljmein Und zu jedem
Gericht nnd jedem Wein gab des
sitt nicht okne Wortsinn eisse
sit-Wende Miit-uns warum
und inwiefern sie knkgemäß wären.
Von dem alten Wyiseec in trinken,
Mr mir meisan meine Selbst
O
»Auf M kais ich denn doch lie
ber verzichtet-X erklärte ich nnd hielt
Idie Hand übers the.
»Warum denn gerade nnf Sekt7«
rief Calmgno mit grenzenlofern Ek
stanncn. »Alle Rennpierdc kriegen
Sekii Haben Sie schon ein-nat ein
korpulentes Rennpierd gewinnt-«
Anderen Mittags, als ich anf
gefianden sum-, schlenderte ich über
die Kreuzbknnncnpromennde nn
entdeckte dort eine anwnmtisckse Wo
ge mit der lieberschrist: »Wikvicl
wiegen Sies» Jch fand diese Im
ge zwar etwas dnnnndreisi; aber its
konnte ihr doch nicht wide-sichern
stieg anf, steckte 20 Heiles in den
Schiiy und fonfiaiiertc 94 Mit-.
Also das war nnn der qunze Er
folg mä drei Mit des Darin-nd
Kurier-en- und Kasteicnzt Ein ga: I
ze- Mienen-mai
HEXE-s
»Es-;
U
Dan —- an dem umamaten be
sand sich auch eine Tabelle-, nach der
man genau seststeiten tauml-, wieviel
man wiegen dürfe. Ich sand, daß
meiner Hört-erlange ein Gewicht von
65 Nile angemessen wäre. Also hät
te ich 30 Kilo tu viel, nnd sie zu
beseitigen, forderte W Wachen Ma
rienbadi Es war doch geradezu
»liicherlich, solch einen Ort site Ent
ssettnngötnren zu enipsehlenl
s Oartiiäckig, wie ich In der Verfol
gung eines einmal gesieckten Zinsz
bin- leiste ich bis znxn Ende meint-v
Aufenthalte meine Knr ohne lin
terbrechnng satt. Tab ieh mich siir
das Diner meines Freunde-L re
vanchieke, ist setbsivcrsiiinblich. sch.
tannte mich unmöglich einluden las
sen, ohne wieder einzuladen. Unt.
Erzesscn vorzubeugen- gad ich in
dessen kein Dipter, sondern nur ein
Frühstück ; daß meine Gäste erst nach
Mitternacht ausbrach-im ist nicht
meine Schuld; ich konnte sie dein
nicht sortschiklen
So hatte ich denn nnter den Mit
kgiiedern dieses Kreises ein höchster
jsteuiiches Verhältnis herausgebil
det, mid dieses harmonische Einver
nehmen sand in einem Abschiedbesi
sen, das die Herren mir am Abend
ver meiner Abreise gaben, seinen
natürlichen Itnsdrmt Die Herren
iiberhönsten mich mit sinsmerksanis
seiten jeglicher Hirt: sie hatten ein
Nenii zusammengestellt, das ans
schtießlich ans meinen Lieblingsspeis
sen bestand, nnd wallten es sich nicht
nehmen lassen, mich von der Festta
sel direkt an den Zug zu begleiten.
Ich nahm dies Anerbieten mit Ver
gniigen an, liest mich aber selbst
verständlich dnrch allen anel nnd
Trnbel in ineineniPslichtgesiihl nicht
nicht beirren. llnter dem Verwan
de, daß ich mir noch Handschuhe
kansen müsse-, trat ich ans dem Wege
zum Bahnhose in ein Oandsiixnnacs
schäst mit allein richtiger Personen
waae.. Ich legte altes ab: Hin,
Mantel, Taschemnesser usw« nnr
nicht das Portemannaie — es war
von keinem Belang mehr- setzte
mich in den Stuhl nnd machte mich
so leicht niie möglich.
!
Its
»95,3 Nil-IF
Das »nieitbeschrente« nitberiihnite
Marienbnd hatte inir also nicht nur
nichts gehoisenz es hatte inir zi
meiner Fiille noch ist«-Wo Grannn
hiikziigebürdcti
Tniieini ichilderte ich meinen
Freunden bis ins Einzelne hinein
die Meirienbnder Kur nnd ihre Vor
schritten.
»Und das haft du vier Wochen
lang befolgt?« riefen sie wie ans
einein Munde.
»Im großen nnd ganzen —- nnd
im wesentlichen in!« versetzte ich
Init einer großen nnd runden Arm
bewegung.
Warum die Kerle sich in die-Rip
pen fließen nnd mein heiter-, treue
fter Freund sonnt tout heraus-pru
stete, ist mir noch heute ein Rätsel.
— Unter hansfrnuecn
»Gelegeniieit macht Diebe, fast man-,
das stimmt. habe ich da einige Male
den Speisetnninierschiiissel stecken inf
fen —- gieich hat sich mein Dienst
mädchen einen Schon angeschnssii«
— Bifs ig. Schwiegermutter
(an Besuch bei ihrer Tochter, am
Morgen des Tages der Abreise): »So
eine Abreise ist eine wahre Qual!
Dieses dumme Reifefieber. diese ewige
Angst, daß man den Zugeersiiuinen
tönntei«
Schwiegersodm »Aber Minnen nnm
mertt bei Dir gar nichts davon!«
Schwiegermutter: »Bei mir nichi;«
aber bei Dir!«
—- Lieben-würdigteiten
Eine hausfran Our andern aus dem
MIchesTrockenpinhy »Sie hätten
Jbre Wicht fester tin-innern in en,
dann wäre fie nicht herunter-se est
werden von der seine. Sehen C e
mai meine d«iiini i« m, Jovis !
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