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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (July 19, 1917)
Mag-Hatt de Staats Art-zeiget und THE-old JM Mit Und Isch- Dom- »Man M. Im —«s-I »»- - », .—..«—..-« .—... M—-» .-- »M» » « -—... —,.» - . - Die eine Schande-. tovclle von Marie von Eimer E sche- Wart-. I-: Die Trauergiifte hatten den Fried hof verlassen, nur ein Geschwister paar, ein stattlicher alter Mann und eine schlanke, viel jüngere, wenn auch längst nicht mehr junge Frau, waren noch an sein mit Blumen geschmückten Grabe ftehengehlieben Der Spätsommerabend begann leiht zu werden, aber ver Mann ließ sein weißhaarigeö haupt unbedettt, hielt feinen hat in den getreuzten Händen und blickte unverwandt zur Erde nieder. Er war groß und breitschuttrig, schon etwas gebeugt, die hohe Stirn von Falten durch furcht. Auf feinem hartlosen ge bräunten und energischen Gesicht lag ein Ausdruck von lächelnver Wehmut, eine Rührung, eine Weichheit, vie ihm beinah etwas Jugenvliches gaben. Seine Schwester betrachtete ihn schweigend. Jst — die da unter Blumen ruht, eine der vielen gewesen, die er einst geliebt hat. eine der vielen, vielen, von denen er geliebt wurde? Es slog ihr nur durch den Sinn, hin terließ nicht die Spur eines Zwei-. seis. Nein, nein, die Versen-ruhe dieser stillen, llaren Frau bar er nie gestört, sie sa auch im Leben ehei ge mieden als ausgesucht. Was bewegt ih: jthi und warum ist er bei der Nachricht ihrer Erkrankung so rasch hierhergeeilti v Sie sprach diese Gedanten nicht aus. sie mahnte nur zum Ausbruch, di es war spät geworden und Zeit, den heimweg anzutretem «Gehen wir," sagte er, blieb aber noch einen Augenblick stehen« schwentte seinen Hut mit einer gro ssen, seierlichen Gebärde grüßend bot dein Grabe und murmelie leise: »Dan» Dann gingen sie lange nebenein ander hin, ilber Jeldi und Wiesen wege, an kleinen, freundlichen Gehöss ten vorbei. oer Straße gu, die. mith lich aufsteigend, durch eine eilten reiche belebte Ortschast gu ihrer Be shausung führte. Sie war Eigentum »der Schwester, ein netter, wohnlicher Bau ohne übersliisstgen Zierat, lag mitten in einem liebevoll gepfleg ten Garten. und hatte eine traum hast schöne Aussicht iiber die Stadt, den Fluß mit seinen Auen, den lan gen, duntlen Zug der bewaldeten Berge. Die Geschwister waren rüstig ge wandert und dennoch erst bei einbre chender Nacht zu Hause angelangt. Sie hatten wenig und nur von gleichgültigen Dingen gesprochen. Nun, nach dein Abendessem saßen sie am Tisch in der oerglasten Veranda, beim sanstgediimdsten Licht der elek tischen Lampe- Beide tauchten; er, zuructgelehnt in seinen Lehnsessel, sie, aufrecht in ihren. Die Zigarre zwi schen den Zähnen, strictte sie mit sei nen, geschickten Fingern emsig an ei ner Kinderjackr. Jhr Bruder unter brach das Schweigen plbhlich Seine klaren, blauen Augen sahen die Schwester fragend an: »Theo, sag' mir, bin ich sentimental?« Sie mußte lachen: »Nein, mein Lieber, wirtlich nicht." »Nun —- uiid doch, und doch —«. wiederholte er mehrmals. »Die Frau, die wir heute begraben haben, ist nie meine Geliebte gewesen, aber das größte Glück, das ich je durch ei n. Iraii erfahren hab’, hat sie mir geschenkt-« Er schwieg wieder, iind sie fragte nicht; sie fragte nie und erfuhr doch alles von ihm, ost inehr als sie zu erfahren wünschte· Sie tauchte und striitte weiter und sann über das Rät sel nach, das er ihr aufgegeben hatte. Das ganze Dasein der Entschlafenen war so ruhig und eieignioooll der laiifen, lag llar vor aller Augen, - ez konnte ein Geheimnis nicht bergen. Sie hatte ihn als den großen Künst ler, der er war, bewundert, siir seine Arbeiten das feinste und tiefste Ver ständnis gehabt —- persönlich nahe schienen sie einander nie getreten zu eng-II XIV begann er wieder: »Ich hätt’ sie so gern noch gesehen vor ihrem Tod, ich hab« ihr was sagen wollen. .. Du warst zu tleiri, dii hast nichts davon gewußt, und später, wie du groß geworden bist, wand lang ver gessen-Sitz ich als teil-zehnjährige Biib verliebt gewesen bin in die schö ne, ältere Kusine.« «Rein, davon hab« ich nicht die ge ringste Ahnung gehabt-« «cetliebt,« fuhr er fort« »und da iex so nnschiild iiiit meinen sech hn abwi, eW heutzutag kein ilsiihrtger niehr it« Und diese I Liebe und diese Unschuld, die haben miteinander eine inbriinsttge Anbe tung zuweg« gebracht. Jch hats mich für ein gutes Wort von ihr schinden, brennen, steinigen lassen. Jch war ein übermütiger Bub, dem die Haut klle Augenblick zu eng geworden ist sie war ruhig. majestiitisch und dabei so lieblich; nnd-sie Hat so schön ge sungen! Und wenn sie gesungen hat, was ich am liebsten gehabt hab’ und heut noch hab’: Lieder oon Schubert, da war manchmal in ihrer Stimme etwas voller Sehnsucht, und da hab' ich Wonnequalen ausgestanden und —- genossen. Gesagt —- nie ein Wort. Aber mein dummes Gesicht hat verraten, was in mir vorgegangen ist, und die Vettern und Basen haben mich mit großer Roheit und Grau samkeit ausgespottet. Manchmal hab’ ich mir’5 gefallen lassen. manchmal nicht, und wenn nicht, dann hab' ich ihnen mit Antworten ausgewartet, die ihnen die Lust genomemn haben, ihre Schnabel an mir zu wegen, Dazu hat dann sie gelächelt und das war bitter für diese Gimpel, die weniger oder mehr alle in sie verlebt gewesen i:no. Er unterbrach sich und fing nach einer Weile wieder lebhaft an: »Er innerst du dich noch der großen Fa milienoerfammlungen, die’s alle Som mer beim Großonlel in Ungarn ge geben hat?« s ,,Freilich7 CI ist lange her, es war immer sehr schön und festlich.« »Allo, noch viel länger her, als wie du dich erinnern, find einmal die Elterndef JohTinna mit ihr zu uns gekommen, damit wir die Fahrt nach Ungarn zusammen unternehmen. Ei fendahneii hakt da hinunter noch nicht gegeben. so sind drei Wägen ein gespannt geworden; ein offener fiir die zwei Väter, zwei Gliiferwiigen, einer siir die Mütter, einer fiir die Johanna, fiir die Zofe und —- fiit mich. Es war hochsommer und sehr heiß. und die Tante hat —- noch im Grab soll sie dafür gesegnet sein — die hige nicht vertragen. So i be ftiiniiit worden, daß wir in der acht fahren, bei Mondenfchein und Ster nenglanz. Alles war prächtig, nur hat mich gewurint, daß der alte Jo hann, bevor er zum Kutscher auf den Bock gestiegen is, eine Pistole zu sich gesteckt hat. Teufel auch! Das hätte mir einfallen lassen, eine Pi stole in meiner Brusttafche hätte sich gut gemacht. Jndeffen —- ich hah’i halt versäumt gehabt, und nachdem der Wagenschlag ins Schloß gefallen war, da hat's in meinem bergen nur noch Platz für eine große Glückselig leit gegeben. O Wonne ohnegleichen! Jetzt werde ich mit ihr sein, eine ganze Nacht, weit fort von der Welt, oon allen andern Menschen· Eine un geheure Lustigkeit hat mich gepackt, das tollste Zeug ist mir eingefallen, ich hab’ drauflos erzählt und ge plauscht, und wenn sie über meine Wiße gelacht hat, war ich betrunten oor Stolz. . Die Kammerjungfer hat im An fang befcheiden mitgetichert, dann ist sie eingeschlossen, die gute Person, und jegt waren wir sozufagen al lein. Da aber hat es mich üoeitoms men: Herr Gott im himmel, wenn ich doch ein Mann wär', der oon ge icheiten Sachen mit ihr spricht, nicht nur ein Junge, ein Bub', per sie la chen macht ..iit seinen Späßen. . . . Aus einmal war es aus mit meiner Irdhlichleit; ich nehm’ mich zusam men, sie soll sehen, daß mir auch ernste Dinge im Kopf herumgehen, und ich frag’ sie, ob sie sich denken kann, saß ich ein Geheimnis hab', das ich mit mir herumtrug', schon lang, ich weiß gar nicht wie lang, und daß ich es ihr anvertrauen will. Jm Anfang hat sie nicht recht ge wußt, was sie aus meinen Reden machen soli, war aber bald gewonnen und hat sich gar nicht sehr gewun dert, wie ich geschworen hab", daß ich -— die Eltern sollen nun und sagen, was ihnen beliebt —- nicht andres werd« ich in der Welt als ein Bild hauer. Zwei Jahre, in Gotiegnai men, biissel ich noch, dann, wenns nicht anders is —- geh’ ich durch, zum großen Meister in Paris. und dort werd« ich ein Liebling, ein Schüler —- ein Können Was ich alle-· zusammenbrainarbasiert hab', weiß ich nicht mehr, aber ich erinner’ mich, daß sie gesagt hat: »Daß ou Talent hast, sehen ja alle.« — »Nur aujbiiden soll ich es nicht«, had’ ich ausgeschrien, »nur als Spielerei soll ich’s betreiben. . . Sie bilden sich ein« mich schon herumgelriegt zu haben, sie irren sich. Wie sie sich irren, is mein Geheimnis, und das hab' ich dir jeßt anvertraut-« Sie hat gemeint, es wird zum Durchgehen nicht kommen, izu ei nen. so verzweifriien Schritt werden mich die Eltern nicht treiben. siie ineine Ierichtoiesenen Qualen var sie voll Teilnahme, hat wissen wollen, wann ich zum erstenmal gefühlt hab' Daö ist mein Beruf; und wie mir war, alt die Flamme zum ersten mal geknistert hat? . . . Ja. wenn ich’ö gewußt hätte —- ob tms je ei ner gewußt hat's Was war mir auch an der Vergangenheit gelegen? All und alles nur an der Zukunft. Von der hab’ ich gesprochen, von meinen großen Plänen, von allem, was ich tun und leisten will· Voll Aufmerk samteit hat sie zugehört, manchmal nur meinem Eifer kleine Dämpfer aufgeseßd ist immer stiller worden und sagt endlich: »Es musz sehr spät sein, ich möchte nicht ganz unausges schlafen ankommen. Laß mich fett schlafen, und schlaf auch but« Und hat sich in die Ecke gelehnt. »Gute Nacht-" Das hat mich furchtbar gekränkt. Jch sag’ ihr alles, was ich von mit nur weiß. Meine ganze Seele is Feuer und Flamme, jeder Nerv, je der Blutsttcpfen hell wach und sie sagt: Schlaf! Na — wenn sie's sa gen tann. . . Also schluck ich meinen Zorn inunter und meinen Schmetj und rg’ heraus: «Gute Macht« Sie muß gemerkt haben, daß sie mir wehgetan hat« und sagt noch ein mal sehr lieb und herzlich: »Gute Nachri Jch hah’ mich in meinen Winkel gedrückt und mich geschämt, weil das Weinen mir nah’ war, und hab’ sie stets angeschaut. Sie tonnt' mich nicht bemerten, aus meiner Seite war’s ganz finster, aus die ihre ist das volle Mondlicht gefallen. herrgott. wie schön war sie in diesem weißen Glanz!. . »Der heilige Ernst aus ihrer Stirn und um den Mund mit den vollen, weichen, sanften Lippen, die sich manchmal ganz leise bewegt haben. —- Jch schau’ und schau« und rühr' mich nicht, aber in mir tobt ein Aufruhr. Ja, ich werd’ es erreichen, ich werde schöne Schöpfungen Gottes nachschassen. . Verworren und nebel haft waren meine Gedanken, aber et was hat werden wollen, und in dieser Nacht is ein Keimlein entstanden. . . dasselbe, aus dem zwanzig Jahre später die Vittoria Colonna heraus gewachsen is, die mir so viel Ehr· eingetragen hat. Also: ich druck« mich in meinen Wintel und schau'. . . und rühr« mich immer nicht. Und jeht seh’ ich, daß sie die Händ hebt und ganz langsam ihren dünnen Schleier zum Hutrand hinaufschiebt, sich zu mir beugt immer näher. . · Jch sühl’ ihr Gesicht nah an meinem, und —- mir vergeht der Atem — ihre Lippen lie gen aus meinen Lippen, einen wun derbaren, kleinen, kurzen Augenblick. Dann richtet sie sich wieder leise aus, lehnt sich zurück und macht die Augen zu. . Jch war tot —- gesiorben vor Gluck. hoch turggifissckk Eber Die Welt. Jch war wie einer, an dem ein himmlisches Wunder geschehen ist. Was soll der noch auf Erden? wag tann ich noch erleben, was will ich noch erlebent Jn, ja, liebe Theo, es gibt in der Welt der Vergänglich teit Dinge. die nicht vergehen. Der Augenbliet is in meinem Leben das, was nicht vergeht An Glück in der Liebe hat es mir nicht gefehlt. Edle, stolze Frauen, so manche, die heute noch für unnahbar gelten, haben mir schöne Stunden und Tage geschenkt Jch bleid’ ihnen dankbar, aber manch mal« wenn ich nachdent’, geschieht mir’i·i doch, daß ich mich frag: »War’i die oder dies Mars stu her oder später, da oder dort?«. . . Der Augenblick, die eine einzige Se tunde steht immer da in meiner Er innerung, immer gleich groß und einzig und funtelt wie ein Stern, in den alle andern ihr Licht ergossen Die Kannnerjnngfer ig aufgewacht, hat sich entschuldigt, daß sie geschla fen hat: »Mir weiter, ich leiste sh nen Gesetlschaft", sagt vie Herrin, und bald inerl’ ich an ihren teilen, regelmäßigen Ateinzügem sie schläft sanft und tief. Ich hab' sie nicht mehr deutlich sehen können, denn ver Mond war schon blaß geworden, und der Morgen hat gegraut, aber ihren Kuß hab' ich immer noch auf mei nem Mund gefühlt und die Wonne ihrer Nähe itill und lautlos genos sen. Wir sind im Schritt und lang sam einen Berg hinaufgefahren. Der Weg war gut, der Berg war nicht steil, der Wagen wie eine Mliege.l Manchmal hat ein Rad gelnarrtH manchmal hat ein Pferd geichnaubt.i . . . Nach allen den ausgestandenen Gemütsbeivegungen haben meine ge sunden sechzehn Jahre ihr Recht ge fordert —- ich hab' nicht mehr viel von mit gewußt, bis mir zuleht give noch geträumt hat, daß ich wach n. Wirklich bin ich’s worden iiber viel Lärm und Geschrei, das sich uin un sere Wägen herum erhoben hat. Wir waren angekommen, und so ftiih am Tag es noch gewesen is, alle Haus leute, alle Gäste waren aus und ha ben uns willkommen geheißen. Man kennt die ungrische Gastsreundschafi. Was das Haus vermocht hat — und es hat viel vermocht — is zu Un terhaltung der Gesellschaft geschehen Alle waren hochzusrieden, lustig und vergnügt, nur ich der unglücklichste Mensch, denn ich hab’ zusehen müssen, wie die Johanna umringt und gefei ert worden is, wie alle Herren, die jungen und die alten, ihr gehuldigt haben, indessen ich zu den Adoleszeni ten gesteckt worden bin. Jch war in dein Gewühl ganz getrennt von ihr, hab’ mich auch sern gehalten, war wütend iiber sie, weil sie den Leuten so gut gefallen hat, bin ihr ausgem chen in meiner Eifersucht, ich dum mer Bub’, während mein ganzer Mensch mit Leib und Seel' nur eine Sehnsucht nach ihr war. Einigemnl hat sie mich gefragt !,,Was ist dir denn?«, und ich hab’ strohig geantwortet: »Nichts«· Sie hat mich verwundert angesehen, nicht ltraurig nicht vorwurssvoll, nur — Ickwllllcccb Die Eltern haben’s in dem Ge treib nicht lang ausgehaltem wir sind nach Saus gefahren. die andern find geblieben, auch nach den Fest lichleiten, weil die Tante trank ge worden is. Jm Herbst hat man sie dann nach dem Süden geschickt. Sie hat sich nicht mehr erholt; das weißts du ja.« » »Gewiß«, sagte die Schwester. »Es; war so traurig, ihr langes Siechtum« und daß sie in der Fremde hat ster-i den müssen und daß fie die Verheira tung Johannat nicht mehr erlebt hat. Du warst damals in Paris, zwei Jahre schon." »Ja, ja. Die ersten Lehrjahre in der Schule bei meinem großen Mei ster waren schon durchgemacht, und auch, was man fo das Leben nennt, hatt« ich lennengelernt. Und mir eingebildet: Das is, das is das wah re, das reiche, das unerschöpfliche Le ben. Damals aber, wie ich den Brief bekommen hab', in dem du mir ge schrieben hast, daß die Johanna Braut is, hat’s mir doch einen starken Ruck gegeben, und an dem Abend hab' ich mich gelangweilt in der heitersten and der hübschesten Gesellschaft. Die Nacht im Reisewagen is vor mir aus gestiegen in ihrer Glorie und hat das Geflimmer und Gesiimmsel um mich her jämmerlich verdunkelt. . . Nicht für lang, es hat wieder Feuer ge fangen. . . Feuer — in jener Na i war’s eine Flamme, die ihr himmli sches Licht in meine Seele ergossen hat. Und ich hab’ gewußt, und ich hab’ mir gemerkt: Vergleiche nie. . . Das wirst du nie wieder empfinden, ebensowenig wie du je wieder sech zehn Jahre jung werden kannst, eben sowenig wie eine zweite Johanna ge boren werden lann.« »Sie war sehr lieb«, sagte die die Schwester, »aber du derllärst ste. sJch habe nicht gewußt, daß mein sBruder ein Dichter ist.« s »Ach was!« das is jeder echte dil Idende Künstler. Die Athamaan der insej, die Sixtinische Madonna sind gedichtet gewesen, bevor sie erbaut, ge meiszelt, gemntt worden sind. Doch das gehört auf ein anderes Blatt. Ich hab' sagen wollen: Eines hab' ich mir vorgenommen. Wenn ich sie wie derseh’, frag' ich sie: »Warum hast du mich damals geküßt? Aus Mit leid? Aus Reue, weil du gemerkt hast, daß ich getränkt bin? . . . Aus Liebe? Aus einein Plötzlichen, vor übergehenden Gefühl von Liebes Sag« mir, warum!« Ja, ja, fest und oft hab’ ich’s mir vorgenommen Aber wie ich sie zum erstenmal wiederge sehen hab’, da war sie eine junge Frau nnd eine junge Mutter und so voll Hoheit in dieser Doppelten Würde, das; ich meine Frass nicht herausgebracht t)ab’, wie heiß sie mir nuch nuf den Lippen gebrannt hat. Auch später is eg mir so gegangen. Eine Art Rechenschaft verlangen von ibr —- von dieser Frau -—— dhs geht nicht. Auch lind ich gewußt: Nach der Frag’ kämen andre, die ich nicht stellen darf. Also: schweigen — meiden. Meiden, das besonders wichtig. Hals mich denn ferngehal ten, mich nur nndändig gefreut, wenn ich gehört hab’, dass sie in Begeiste rang geraten is über eine oder die andere meiner Arbeiten. Oder wenn sie mir's geschrieben hat« So ge wußt wie sie, was ich in meine Kunst gewollt hol-C hat niemand,-niemand, niemand! Dabei bin ich durchs Le be.: spaziert mit meiner irr-beant worteten Frag’. Dab’ zulegt auch gar nicht mehr fragen wollen. Nur wie sie schwer krank geworden ts, da mass bald bei mir ausgemacht: Sie soll nicht sterben, bevor ich, der Greis, ihr, der Greisin, gesagt hab’: Du hast mich einmal, vor lan get Zeit, über alle Begriff glücklich gemacht. Na —- ich bin zu spät ge tommen.« Er biß sich auf die Lippen, eine Röte überslog sein energische-I Gesicht, seine Stimme war rauh. »Daß mir’s so leid tut, is sentimenial. Volks der Kuckuck, ja, ich bin ein alter Narr, ich bin sentimental." Die Augen der Schwester ruhten nachdenklich aus seinen bewegten Zü gen. Sie legte die Zigarre weg und reichte ihm über den Tisch ihre Hand: »So sei in Gottes Namen sentimen tal.« . W Zier Wolltichlåsiei. Von Mustan Osdsstmcxx »Ich bin tein Schlemmer,« sagte ich zu meiner Frau, »aber —« »Aha!« unterbrach sie mich ah nungsvoll, Jetzt tommt wieder einer von deinen ganz raffinierten Ansprü chen an das Itiichenbudget!« »Ich bin iein Schlemmer,« beharrte ich unbeirrt, »aber es paßt mir durch aus nicht, bei jeder Mahlzeit den Mostrich mit einem Kaffeelöffel aus dem Moftrichnäpschen herauszuneh men...« »Du kannst ihn ja auch seit der Gabel herausnehmen, oder mit dem Messer —" versuchte mich meine eFrau zu beruhigen. Aber ich hatte es mir einmal vor genommen, heute den Antrag be ftimmt durchzusegem diesen Antrag, den ich schon seit Wochen tagtäglich vergebens vorbrachte. Den Antrag auf Beschaffung eines richtiggehenden Moftrichlöffels. « Den Glasnapf, der zur Aufnahme des Moftrichs bestimmt war, hielt ich vor das hübsche Antlitz meiner besse ren Hälfte. »Siehft du,'« dozierte ich, hier ist in das Glas ein Einfchnitt eingeterbt, und in diesen Einschnitc gehört ein aus gelblichem Horn gefchnitzter Mo ftrichlöffel hinein.« »Weiß ich,« sagte meine Frau, »aber wenn du wüßteft, wie schwer das ist, so etwas zu finden...« »Es dürfte trotz aller Schwierigkeit dir im Bunde mit der Köchin und den Kindern gelingen, bis morgen mittag solch einen Löffel auszutrei ben,« versetzte ich drohenden Tones. Und ich fügte noch drohender hinzu: »Sonft —-!« Mehr fügte ich nicht hin zu. Weder in Worten noch in Ge danken. Wenn man mich fragt, ob nun beim nächsten Mittagessen ein Mo strichlöffel vorhanden war, so ist das eine Frage-, die ich weder mit Ja noch mit Nein beantworten kann; denn ne ben dem Mostrichnapf lag ein Instru ment, das zwar Vielleicht einen Mo strichlöffel vorstellen sollte, das aber dann seinen Beruf nach jeder Hinsicht verfehlt hatte. Das Instrument war nicht aus gelbem, durchsichtigen Horn gefertigt, sondern ans hartem, elfen beinioeiszem Knochen; das Instrument war so winzig, daß man es mit blo ßem Auge nur sehr undeutlich wahr nehmen tonnte; das Instrument mag von seinem Erzeuger alö Ohrlössel chen fiir Säuglinge gedacht gewesen sein oder als Psesserlöffel fiir Ma genleidende. Auf den Ehrentitel eines Mosteichlöffeis fiir Erwachsene hatte es keinesfalls irgendwelchen Anspruch. Jch will nicht in Abrede stellen: wäre der Mostrichnapf bis zum Rande ge füllt gewesen, so bestand die Möglich keit, mit diesem Säuglingsohrlöffel ein Paar Mostrichtröpschen herauszu besördern. Da aber an diesem Tage der Mostrichborrat nnr bis zur Mitte des Napfeg hinanfreichte, so hätte mit diesem Instrument der gerissenste Zchlangenmensch nicht einen einzigen Mostrichtropsen aus dem Behälter hernusbeiommen können. Und: bin ich denn ein Schlangenmensch? Jch sprach während der Mahlzeit kein Wort; innerlich tat ich ein schwe res Gelübde; ich gelobte mir feierlich, sofort nach dein Dessert das Haus zu verlassen und persönlich die Jagd ans einen Mostrichlösfel zn betreiben nnd nicht eher wieder heimzukehren, als bis ich einen — tot oder lebendig — erwischt hatte! Da stand ich nun auf der Straße nnd überlegte: wo sauft man einen MostrichlöffeR Will man eine Uhr, so geht man in einen Uhrladen. Will man einen Hut, so geht man in einen hutladem Aber einen Mostrichlöffelladen gibt ed nicht. Jch ging in ein Seisengeschäft; die Leute hatten Kämme, Bürsten, höl zerne Kochlöffel». aber keinen Mo strichlöffei. Ich ging in einen Haushaltungsi basar; da waren Teller, Bestecke, Kannen und alles Tischgeschirr.» aber kein Mostrichlöffel. Jch ging zu einem Juwelier; der hatte Eßlössel, Teelöffel, Zuckerlössel, Gemüselössel, Sappenlöffel, Bot-alm löfsel... aber keinen MostrichlöffeL Da ging ich in ein Warenhaus. Jch ließ mich über alle Treppen, durch alle Rayonö jagen und landete gegen acht Uhr abends im »Mitt schaftslager« bei einem Verkaufeh der legte mir ein Ding vor, das schien mir fast genau so winzig zu sein, wie das Säuglingslöfselchen von heute Mittag. Aber was war dieser Berläufrr tüchtig! Obwohl das Lösfelchen nur sieb zehn Pfennig kosten sollte, redete er sich die Zunge aus dem Leibe, und während er redete und redete, wuchs das Lösselchen vor meinen Augen und wuchs, bis es mir als Mosttichlöffel groß genug, ja beinahe zu groß vor lam Jch kaufte es und ging nach Hause. Aber in demselben Maße, wie ich meiner Wohnung immer näher kam, schrumpste das Ding zusammen, schrumpste und schrumpste —- und als ich es zu Hause aus den Tisch legte, war es genau so winzig wie das Säuglingsohrlösselchem Das verdroß mich tief. Kaum einen Bissen brachte ich beim Abendbrot iiber die Lippen. Ich schlief miserabel, hatte am Morgen keine Lust zum Frühstück, verspürte einen satalen Druck im Magen und ging zu unserem Haus arzt. ,,Haben Sie in der letzten Zeit be sonders viel Aerger gehabt?« fragte mich dieser verständige Mann· Jch bejahte aus herzensgrund. »Nun, das werden toir bald ha ben. Leben Sie nur immer recht diiit, da legt sich das oon selbst. Keine Me dikamente. Nur Miit Keine Kartof feln, kein Fett, nichts Saureö· Viel junges Gemüse, nur weißes Fleisch. Und vor allen Dingen: nichts Schar scs, keine pikanten Saaten. Und ums Himmels willen: keinen Mostrich!« Erlösi seufzte ich auf. Wenn mir der Arzt den Mostrich verboten hatte, brauchte ich ja keinen Mostrichlöffel mehr! Endlich war die Frage erledigt. Leuchtenden Auges kam ich zu Mit tag nach Hause, und die Helle meines Blickes spiegelte sich in den Pupillen meiner Gattin. Oder was hat sie denn sonst? Sie strahlt ja förmlich? Während wir die Suppe löfselten, erzählte ich ihr: »Weißt du, was mir unser lieber, guter Hausarzt verboten hat, Schatz? Den Mo —« Mir bleibt das Wort im Halse stecken. Denn jetzt sehe ich, was ihr leuch tender Blick mir zeigen will: in der Kerbe des Glasnapfs steckt —- aus Horn, gelb, in richtiger Größe — er. den ich jetzt nicht mehr benutzen daer der Mostrichlösfel. —- Trost. Einbrecher (der vom Prkkzisten überrascht wird, resigniert): ,,Vier Stunden hat man an dem komplizierten Schloß herumgearbei tea, und jetzt wird man festgenom men!« Polizist: »Na, Sie haben aber et was gelernt dabei.« —- Kindliche Rache. Bräuti gam (zur tleinen Schwester seiner Braut): »Höre mal, Lieschen, braucht denn Erna immer soviel Zeit zum Anileiden? Das währt ja außer geivöhnlich lange. Wir kommen ja viel zu spät in das Theater!« Lieschen: »Ach nein, Onkel, ich will es Dir sagen, warum es heut so lange dauert. Erim hat mich heute morgen tüchtig gehauen, und dasür habe ich ihr die Zähne versteckt, die sie jetzt wie dumm sucht.« —- Auch ein Vorzug. Ge schäftsfreund: »Warum engagieren Sie Herrn Schutze nicht als Aussie ter?« Chef: »Hm, der ist ein zu großer Altoholsreund.« Geschäftssteund: »Aber bedenken Sie —- dann ist er doch auch wasser scheu.« — Nicht möglich. Hausfrau (zu einem sie besuchenden Herrn): Jch siihle mich heute recht angegrif sen, — ich habe die ganze Nacht Zahnweh gehabt. Töchtetchem Aber, Mama, wie kannst du denn in der Nacht Zahn weh haben? Da stehen doch alle deine Zähne in einem Glase aus deinem Totlettentischt