Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 12, 1917, Sonntagsblatt, Image 10

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    -
W 1
, Aal-zwanzig Zahn
Bon J. P. Rylanders
.;--«0»,s;c,sc;:r)OL-Co ooooooooi.
Es liegt mir fern, hier einen alten,
adgetriebenen Drofchkenganl schmä
hen zu wollen, der mit dem besten
Willen nicht imstande war, mehr
als ein steifbeiniges Trotteln fertig
zu bringen, aber ich muß doch ge
stehen, daß diese lange Drofchkens
fahrt vom Zentralbahnhof bis zum
Dampffchiffkontor am Kai van Dyck
und von da zu den Docks hinunter I
mich in Verzweiflung brachte. Hier
darf ich wohl gleich einfchalten. daß
es in Antwerpen war. wo wir,
meine Frau und ich, aus Italien
kommend, eben mit dein Ermess
zuge von Paris anlangten, und daß
das wöchentliche Boot nach Norwe
gen zwei Stunden und dreiund
zwanzig Minuten nach Ankunft deI
Zuges abgehen follte.
Indessen will ich dein freundli
chen Leser all die Unruhe ersparen,
die für uns der Gedanke mit sich
brachte, daß wir zu spat dae
Dampsschiff erreichten und dadurch
gezwungen wären. eine volle Wo
che in Antwerpen zu bleiben oder
taö Geld für die Billetts schwinden
zu lassen. Darum sage ich lieber
gleich, daß das Schiff glücklicher
weise sich verspätete
Aber für den« der dieses nicht in:
voraus wissen kann, sondern mit
der Uhr und dem Stadtplan in de:
Hand jede fünfte Minute wieder
eine Möglichkeiisberechnung macht,
bei der aber die Möglichkeit schließ
lich ver-schwindend klein wird, sü
ihn wird diese lange Fahrt zu
einer tvahrhaften Tortur. Man
vergißt es, sich aus einem der statt
lichsterf Bahnhofsplötze Europas
umzuschw- Kaum beachtet man all
die Statuen und Monumente, ob
wohl man dicht darunter l)erfiil)rt.
Das Gewirr der Straßen, das Kas
seeleden auf den Troltoirs, die
Prachtbauten und Geichästshsiufer,
Kirchen nnd Muse-en, Anlagen nnd
Paris, alles gleitet an einem vor
üzer. ohne dafz man irgendwelche
Tetails auffängt, die machen könn
ten, daß dieErinnerUnS an diese
Stadt sich in irgend einer Weise
isnjerfchiede von der an nnzählize
andere Großstädte, »in den unter
. schiedlichen Weltteilen«, mn mildem
Stavard auf der alten Esrneralda
Jus-reden.
Nicht einmal die Kathedrale ver
mag meine Aufmerksamkeit zu les
skl, obwohl sie ein Meisterwerk der
Vi hauertnnft fein foll. Jch höre
kaijin den Kutscher sagen, daß das
betonndernswerte Glockenfpiel vier
Zissoder sechzig Glocken hat. Selbst
sehe Behauptung, die größte Glocke
des Turmes sei fo groß. daß acht
zehn Mann dazu gehörten. um sie
inijaoegung zu sehen, macht nur
eilten sehr schwachen Eindruck auf
mirs-. Auch nicht seine Mitteilung
daf die Turmspitze 128 Meter hoch
ist, sann mich aus meinem Bemü
h- reißen, die Zeit für unsere end
liQe Ankunft beim Dampfschisf
voraussagen zu wollen. Dieser hohe.
spitze Turm, dem ich unter anderen
Umständen sicherlich gcbiihrende Be
wunderung gezollt haben wär-dadr
geki nnd belästigt mich nur. denn
wie weit wir auch fahren, an jeder
neuen Straßenöffnung taucht er
wieder auf. Es scheint unmöglich,
ihm zu entgehen. immer wieder
blickt er irgendwo hervor zur Rech
ten des Wogeng.
Der Kutscher zeigt mit dem Peit
schenftiel auf das Rathaus-. »War
tnortreppe«, sagte er.
»Schön, schön. Aber fahren Sie
doch wicht«
Der Peitschenstiel zeigt der Reihe
noth auf die Börse, das königlich-«
Schloß —
.Auzgezeichnetl Aber fahren Sie.
kitzel« ·
Bir trottcln weiter. Ruhms
ists-ius, die Bibliothek, der Justizpas
a —- —
FAber fahren Sie doch! Schnell,
list-IF
sit haben noch eine halbe Stun
de. nls wir endlich an den Hoer
kommen mit seinem »vermickelten
Spitem von Dockbasfing, die durch
schmale Kanäle mit Brücken verbun
den sind. Dampsschiff an Dampf
Wss in endlosen Reihen. Segel
Mfe von aller WeltErdem ganze
xder von Matten. Rasseln und
Klopfen von Dampfwindetn Krä
ngt und Hißwert Ruien und Pfei
tqjx Dröhnde Gestampfe von
tijolen flötnischen Pia-den« die
ise vor Wagen gespannt
» to groß wie Eisenbahntvosgs
. Seeteute aus aller Heeren
PG Brot« und Obsth.
» ehe mit oder ohne M
,e,diefichüberdas W
dei- panolbriicken hängen. M es
M Horte das ganze bunte trei
eiues großem tät-wenden seit
w W Woz
s , en n .
Interess- konzentriert sitt-M
ho- eiue: erreichen reif-for
,.Iit«s nichts —- Rsch M
usik erreichen
i
nich den Weg M der Kette des
Brückenwörtets gesperrt finden, hin-»
ier welcher sich der Abgrund unter
der eben zur M gewande
FDrehhriicke auftut —- da werden
wir is derTat von serzweislung
ergriff-Inder i
« »Wären wir eine Minute sriihcrs
gekommen. so hätten wir nochuder
die Brücke gekonnt,' sagt der Kut-·
scher ruhig und wendet sich unhalt-l
M Pferd vor der Kette plötzlich
anhält. Und, seine Pfeife heraus
zieht-nd fügt er hinzu: »Nun miifs
sen wir vielleicht eine halbe Stun
de warten.«
Jch erwähnte ja schon, daß unferg
Schiff fich zum Glück verfoåietcj
Uebrigens hat das nichts mit dieser
Erzählung zn tun. Ebensowenig
die Kathedrnle oder Riibens’ Hans
oder irgend etwa-I von all dem an
deren, Genau genommen fängt die
Historie erft bei der Drehbriicke an.
und hier schließt sie auch. Es könn
te darum scheinen. daß die Hand
lung — wenn in einer so kleinen
Episode überhaupt von Handlung
die Rede sein kann — streng kon
zentriert sein müßte. Leider muß
ich den Leser dieser Illusion be
rauben. Tatsächlich umfaßt die Er
zählung mehr als zwanzig Jahre.
Und ihre Fäden umfpinncn in ge
wisser Weise »alle die unterschiedli
chen Weltteile«. wenn ich noch ein
mal meinen Freund, den Stett-ord
zittert-n darf. Aber es ist höchste
Zeit, diese Paronthese abzubrechen!
Die Brückc hat sich für einige
tiefgeladene Laftprabrne geöffnet,
und der erste von diesen zeigtschon
sein viereckiges. bunt gemaltes Vor
derteil am Anfang des KanalåDer
Schiffer und zwei frische junge
Frauen, vermutlich feine Töchter.
stoßen geschickt mit langen Boots
baten den großen, schweren Prahm
durch den Kanal weiter. nnd am
Ruder ftebt die Frau des Schiffers
selbst, ruhig und sicher in blauem
Kleide und weißer Jacke. Ein zehn
Jahre altes Bürschschen in weißen
Hosen und enormen Holzschuhen
schießt Gluffchießen heißt ein Tau in
regelmäßigen Windungen aus Text
legen) geschäftig eine Vertäuungss
trosse auf Deck, und zwei kleine
Mädchen stehen, jedes aus einer
Seite, klar mit Korkfendern Dittch
das aus dein Flajütendache hervor
ragende Blechrelir dringt der starke
Geruch von Torsranch, und in
einein weit geöffneten Fenster zei
gen fich zwischen üppigen Topf
pslanzen ein paar strahlend vers
gnügte Kindergesichter, von weißen
Hände-lieu eingerahtnt.
Jch steige vom Wagen herunter-,
um mir diese Arche mit ihrer ge
miitlichen Bemannung mehr in der
Nähe ansehen zu können. Eine
große Anzahl Menschen, die ebenso
wie wir durch die geöffnete Brücke
aufgehalten sind, hat sich schon aus
beiden Seiten des Kanals angesam
melt und drangt sich hinter den
Ketten. Man ißt, schwatzt, raucht
und liest Zeitungen, und jeder
scheint die Sache mit Ruhe zu
nehmen. Nur ein bissiger Schiffs
Pudel aus dem Rai uns gerade ge
genüber hellt newös aus einen viel
trauriger situierten Bruder ein, der
vor einein schwer beladenen Hand
tarren gerade neben unserem Wa
aen gespannt ist. Ohne auch nur
eine Antwort zu knurren. legt iich
ter Ziehhund ans die Pslastersteine
direkt vor die Füsse unseres Ren
ners nieder, dessen ähnlich unglück
liches Schicksal wahrscheinlich ver
briidernd aus ihn wirkt. Das Pferd
lsengt sich so weit nieder, wie das
unbarnilierziqe Geschirr es gestattet
und seufzt tief.
»Die ganze Reihe muß erst durch
sein," sagt der Kutscher. »Minde
stens eine halbe Stunde müssen mir
hier bleiben.«
»Acht Prahtne, das kann doch
unmöglich so lange Zeit nehmen.
Einer ist sa schon klar," wende iclz
ein nnd versuche mir Hossnung ein
zureden.
Jn dein Augenblicke ertönen
einige kurze, energische Psisse im
Dackbassin.
»Da kommt ja auch ein großes«
Schiss,« sagt meine Frau, die im
Waan sitzen geblieben ist«
Miteinem kleinen tbugsierbout
dicht unter dem Bug zeigt sich ein
altes abgetateltes Segelsahrzena
hinter der Reihe von hellen, blank—
get-unten Prahmen Es ist jämmer
lich treuzlahnn sein Vorderteil so
wohl wie dad- Achterschiss scheint
sast herunter-zubringen Jedenfalls
bat es seinen Tode-stolz bekommen
und sieht aus, ald trauerte es über
sich selbst Alles ist schwarz: der
Nimmt die kurzen Walten, die La
debäume, einige aufgebänqte Per
senningen oder Segelreste, die Se
geltuchsliiael der Windpumpe, alles
eleichmößia schwarz
» ist eine alte Kohlenhelk,
aber sie leer ist, wird sie schnell
du«-geben« lage ich. lebe noch ein
mal aus die Uhr und satte der
Stadtplan zusastmem ehe ich mich
si- WÆZ ANY-W s
n et «
wendelch mich an den Kutscher.
Beicht-re- hausten-ter
«WMULWMICMW
Alten«
W- M.
—Mtssitbtatt-W
W
innerungen, muß aber weit in die
Vergangenheit zurückgehen um den
Namen wiederzufinden
»Heute ist der zehnte.« wende ich
sit-ich endlich an meine Fran. .M
vor Mig Jahren nnd vier Ob
naten, also ain 10. Januar IM,
kam ich hier — gerade bei diesem
Schuppen — an Bord des besten
Fahrzenged, auf das ich je meinen
Fri- eefeet hobe- du entstusft dich
wohl der deutschen Bark, von der;
ich dir so oft erzählt habe.'
»Der zwanzig Jahrenl« ruft sie
ans. »Ach, da fah wohl vieles an-«
Herd aug.«
; »Ja. das war die Zeit der
Sorglosigieit. Alleg, wag ich be
faß. fand Platz in einem soichen
Segeltuchiack,« sage ich nnd zeige
mit meinem Stock aus einen von
den Seernannsiäckem mit denen der
Handlarren beladen war. »Und mit
dem Sack auf dein Rücken sprangl
man an Bord und war froh undj
wohlgemut, ohne etwas von der;
Zukunft zu atmen und ohne mehr-l
von feinem Schiffe zu wissen. til-Si
daß es deutsch ist und iegelklar für
La Plata liegt. Heutzntage out
man mehr Bedürfnisse Hutfchochs
tel, Oandtasche und Plaidriemen.«
fahre ich fort nnd zahle unsre neun
Kolli Reisegepöck über, »wenn man
euch nicht weiter will als nach
Stockholm oder Kovenl1agen. i
Uebrigens war der 10. Januar
ein beißend kalter Tag mit Eis
nadeln in der Luft. Das Wasser
fror, nnd die Vertöutrossen wa
ten wie glatter-L wenn ne durch die
Lippen kamen. Zwei Mann genüg
ten kaum, um sie sestzuhaltem wenn
wir am Gangspill dienten Aber
so etwas fühlt man an seiner Hantl
Das läßt Merkmale fürs Leben,«
sage ich und sübre ihre seinen Fin
ger über die alten Schwielen in
meiner Hand. — »Und als wir
dann endlich herauslamen und das
Bugsierboot verließen, hatten wir
gleich in der ersten Nacht eine-.
steisen Südwest. Jn dieser Nacht
bei meinem Rudertörn erwachte
meine große Liebe zu dem schön
sten« —- ich beeile mich hinzuzufü
gen —- »Fobrzenge der Welt. Jch
merkte sosort, daß ich aus ein selte
nes Fahrzeug gekommen war. Es
war schwer beladen, aber seetiichtig
nnd geschmeidig wie ein Fischerboot
Und wie leicht trug es seine Segel,
wie scharf lag es aus im Winde
nnd vor allem wie ltenerte es!«
»Aber diese Fahrzeuge hier sehen
doch auch sein und prächtig aus. Und
wie wunderbar, daß sie von Frauen
gesteuert werden tönnen,« sagt mei
ne Frau und nickt einem neuen
Prahm zu. der mit einem blühen
den jungen Mädchen am Ruder
durch den Kanal gebracht wird.
»Die sind nichts anderes als
slachgrundige Prahme im Vergleich
mit meinem« scharstieligen Fahrzeu
ge,« erwidere ich. »Einmal sah ich
es im Trockendock, als es in Baltii
more neu mit Kupfer beschlagen
wurde, zwei Jahre, nachdem ich an
Bord kam. Es war sast unmög
lich. den Blick von ihm lossureißetr
Es glich einer Najade, dem Meere
entstiegen. — Eines Abends hatte
endlich das Aiifiiageln ein Ende,i
und ich war- Wachtmann die lange
stille Nacht hindurch. Wir hatte-i
Vollmond, und nie kann ich verges
sen.'wie ek- dastand, als wäre es
ganz in glänzende-Z Gold gekleidet«
und wie es, je länger man hinsah,
gleichsam im Mondeslicht zu schwe
ben schien. Eine Stunde nach der
anderen saß ich wie verzaubert. Nein
Bauwerk kann doch auch so herrliche
Linien nnd Proportionen haben, wie
solch ein vollendeter Schisssrnnips.
»Seitdem habe ich mich nie mit
diesen modernen, viereckigen, rau
chenden Plattladern befreunden kön
nen,« sage ich. und zeige auf die
Dampsbootslotille hinten im Dort
bassin. »Auch bei einer anderen
Gelegenheit entsinne ich mich sein«-»r.
Wir tamen nach Sidney herein in
einen der schönsten Häieih die ich je
gesehen habe. Hunderte von Tief
trsasserschissen aus allen Erdteilen
Selten habe ich mich stolzer gefühlt
als in dem Augenblick. wo wir in
der Gigg uns in die Riemen legten.
um den Schiffer an Land zu rno
dern. Jm ganzen Hafen war nicht
ein Fahrzeug mit schöneren, schlan—
teren Linien. Wie schmale, weiß-.
Rollen lagen die Segel an den Ra
hen. Alles an Bord war so weis-,
als wäre eben Schnee gefallen über
Deckt-auch Boote und Nerli-ra, nnd
darunter der Rumpf dunkelgrün.
Kaum konnte ich meine Augen von
ihm wenden, solange ich im Lai ru
der:e.« «
»Wer Dein Schiff denn so groß,
wie dieies hier?« fragt meine Frau
und zeigt aus die Kohlenhulh die
jetzt näher gekommen ist und nicht
mehr vom Schuppen verdeckt wird
»Diese schwimmt ja so schön aus
dem Besser. wie einer von unseren
schwarzen Schweinen in der Ban
Borghese.«
Vielleicht war es eretwas kleiner,
al- dieser Schwan «antwortete«
ich. Aber indem er«sortsahee, zu
erzählen und mich immer mehr in
die alten crinnerunqen ineinlebr.
kann ich es nicht lassen- Kohlen
W betrachtet-. die fett näher
Wes-impe- sti
Rurnpf über alle Pralnnen den Kai
e«tlang, nnd des stöhnende Bog
sierboot unter seinem Lug gW
einem kleinen Spielzeug Es liegt
Enoch innner ebnes Rajestäiilches
Süder dieser Wmenden Schiffs
tricine Die Kontur vorn Kraut-erl
ken zum Waisen die reizvallfte und
schwierich Linie mit der ein
Schiffsbauer zu ringen hat. ist noch
wunderbar sissicki VI
scharf und klar gegen den Hinter
grnnd eines großen Frachtdsarnpfers
til-zeichnet dessen undesinierbare
Farbe man ans diese Entfernung
hin für ein Gemisch von Erbsen
suppe nnd Schotolade halten könn
te. Jetzt fängt die Kohlenhulk an
zu gieren. Die Bogenlinie wird
verdunkelt Das Majestätifche ist
furt. Man sieht nur noch den kreuzs
lebmen alten Havaristen in feiner
traurigen Gebrechlichkeit und Ver
fallenheit.
Als sie in den Kannl kommt, ist
sie so hoch, daß ihr Teck in gleicher
Höhe mit dem Steinpflafter des
Flais liegt. Vom Roof ist nichts
mehr zu jedem und das ganze Deck
ist aufgebaut-m um Löichen nnd La
den zu erleichtern. Einige breite,
schwarze Planken, über die Deck
balken gelegt. bilden den Uebergang
vem Vorder-· zum Achtekichiff. Ganz
achtet-aus sindet sich noch ein Teil
der früheren Kajüte, verstümmelt
und gestickt, mit einem hoben Ka
ininrohr schräg durch das Skylighr
gesteckt.
»Wir hatten ein unvergleichlich
schönes Teck,'« sage ich, »aber es
war auch keine kleine Arbeit, es
immer in Ordnung zu halten. Je
den Morgen, den Gott werden ließ
ob im Hafen oder auf See, im
Sturm oder bei gutem Wetter,wnrs
de das Deck geftsiilt und einmal auf
jeder weiten Reise mit Steinen ge
scheitert. Ein niedliches Geichäftl
Die ganze Befatzung liegt in einer
Reihe auf den Knien und reibt mit
abgefchliffenein mittelgrofzen Stei
nen hin und her auf den Schiffs
planken. Dabei iit dastDeck mit
feinem Sande bestreut nnd wird
immer naß gehalten. ein ordentlich
feuchter Kram. Schließlich mein-.
man. daß die Schultern aus den
Gelenken gehen und die Kniefchei
ben springen müßten, dabei aber ist
es äußerst ftiirtend besonders für
die Rückennuisleln und gibt außer
dem Appetit und guten Schlaf. Ei
ne volle Woche pflegt dieer Schen
ern zu dauern. Aber wenn dann
schließlich aller Sand weggespiilr
und das Deck, nachdem es wieder
trocken, mehrere Male mit Leinöl
eingerieben ist, bekommen die Plans
ten einen herrlich warmen, gelben
Ton, und jede Ader im Holz kommt
zum Vorschein. Eis ift eine Freude
Zu sehen, und mir ist’s immer vor
gekommen. als würde der Schritt
leichter onf einem solchen Deck.
Sieh nur, wie elend man diesen
hier behandelt!" fage ich, als Der
alte Schiffsrumpi. ohne daß man
auch nur an einen Fender denkt,
irfchend und lnackend in den Kai
biegt.
Ein schwarzer Mann oben uns
dem Vorderteil winkt mit der Hand:
VackbordZ Backbordl —- llnd ein
anderer schwarzer Geselle achterans
am Ruder dreht trage das Rad nach
Vackbord Tie Galle könnte einein
iiberlanien l·ei einer solchen Töloeb
liastigleit. Hier war doch rasche-I
Handeln nötig! Ich hätte nur da
sieben sollen!
Der Meisingbeichlag des Rades
glänzt in der Sonne· Es iit ein
seines Rad. sicherlich ch ein lie
berrest ans besseren sagen. Uebri
gens liegt eine gewisse Vornehmheit
über all dem wenigen, was sich noch
vom Achterdeck sindet mit seinen ge
drechselten Barrierstiitzen nnd hüb
schen Ornanienten Aber es ist Vor
Iselnnhcit unter Kohlenstanb nnd
ausgenagelten Bretterstiickchen.
»Die bat einen gehörigen Scha
den weg,« sage ich. vom Wagen ber
nnterspringend nnd mich zu der
Kette verdrängend.
Durch einen eisernen Bolzen oder
eine scharse Steincante ist die alte
Halt an der Seite zertrayt nnd die
Farbe abgeschabt. Das weiße Holz
scheint durch in einer langen, hand
breiten Schramme. Aber wo die
Stöße leichter gewesen sind, nein die
Farbe nicht gleich in den schwarzen
Kohlenteer über. dort schimmert ein-«
schöne, dnntelgrüne Farbe durch.
Jch bemerke jetzt an den Riistetn
daß die Halt ihrerzeit ein Bart
schifs gewesen ist. Viele vergessene
Tetails tauchen plötzlich vor mir
ans. Die eingebante Kaiiite mit
dem Niedergang an’ Steuerbordk
Der schmale Raum zwischen Rad
nnd Kajiite. Das Komm-Mäuschen
aus dem langen Kajiitendache — ein
Kompaß ist nicht mehr vorhanden,
aber es muß ia einer daaestanden
haben. Aus der Achterselte des Ita
dei das kleine Deckt-ans mit dem
Niedergang zur Segelsoir. Manch
liebes Mal st das ein anter Schutz
Händen wä rend der langen Stun
, die man am Ruder stehen muss
te. Mwiele Stunden mögen es
sein, die ich da verbracht habe? —
Trek Jahre nacheinander in der
Nacht sum 11. Januar schnitt ich
etnMobeninbieWstevom
We- MO- M M Miss
—.-,-,
Welche unzähligen Erinnert-Wen
weckt nicht fschon dieser seine Fleck,
Mermßen das einzige, wes sich
noch von meinem alten Faßt-zequ
finde-il Wie habe ich nicht hier m
Hitze und Ost-im Itliiäen unterm
Uequator. und von der Wu
genden Kälte in den Schneesiiirmen
des Eisdecke-s unterhalb Kapseenl
Aber auch welche stillen. wunderba
ren Nachtstunden mitten zwischen
den Millionen strahlen-setz sich spie
gelnder Sterne habe ich hier ver
träumil
Ja, kein Zweifel, es muß das al
te Schiff meiner fröhlichen Maiw
sentage fein! Und se hehandeli man
dich, seit du dbqemwi biitl Da muß
man erleben. daß der Rudersinann
mit der Pfeife im Munde ficht, ja.
sogar feine Pfeife auf das Maha
qeni der Kajiitenlapve ansleertund
auf Deck fpucktl Nicht einmal dei
nen Namen hat man dir gelassen!
Das Nam nbreit iii abgerissen. und
on feiner Stelle stehen ein paar
fusshohe Buchstaben und einige Zif
fern. —- Ein numerierter Kohlen
prahm von irgendeiner Tampsschiffi
gesellschaft. Welche Erniedrignnas
Jth hat die Kohlenhull uns pas
siert, und die Männer haben fchon
angefangen, die Brücke an ihren
Plan zu winden. Jn einer Minute
ifi die Passe-ge frei. Aber jetzt habe
ich unsere Abgangszeit und alles
um mich vergessen
Jch folge dem alten Fahrzenae
den Kanal entlang.
»Halloh!« rufe ich dem Manne
am Ruder zu. »Hallel)l«
Er sieht mich wohl. bemüht fiii
aber nicht. die Pfeife ans dem Mun
de zu nehmen, nm zu antworten.
»Kapitänl Hallen, Kapitiinl«
Das zieht.
»Was gibt’s? fragte er böslich·
,,Finden fich auf Jlireni Fahl-Fen
ae einige Zeichen unter der Takti
leifte des Teckhauiess gerade iiber
der Radachfe?« rufe ich
Er neigt den Kopf herunter· nnd
scheint lange zn fischen. Dann
nimmt er die Pfeife ans dem Mun
d-- nnd fagt etwas.
»Kann nichts hören!« antwortete
ich mit der Hand hinter dem Lin-.
Da tritt er einen Schritt vom
Rade fort und malt mit feinem Fin
ger in die Rufzfchicht der Wand drei
große-, fchräge license —
»Es ist mein alte-:- Schiff," fein
ich, als ich wieder im Wagen five.
»Alle wirtlichl« ruft meine Zenit
erfreut.
Sie will noch etwas san-In
schweigt aber, als sie meinem Blick
begegnen —
Dann schmilzt der Kutscher mit
der Zunge, um nnieken Gaul iri
Bewegung zu bringet-, nnd iclnvei
qend fahrt-n wir znin Schiff
III Illusts DUR
Onntoreestc vol Adolf Tit-sie
Ein sreies Leben fuhren wir, ein
Leben voller Wonne! Wein »liegt«
dies Lied mehr als den Handwerks
burschen, die »aus der W.ilze« sinds
Fürwahr, ein sreieg Leben, aber mit
der Wonne ist’5 manchmal doch noch
auszuhalten
Das mußte auch der Schriftseszer
August Kühlemann erfahren. Auch eri
hatte sich, mehr des Spasses halber»
—- denn die Eisenbahn machts ja rsiel «
billiger —- aus die Wanderschast be
geben und »dippelte« nun als »Nun-i
de« schon ein paar Wochen in derj
Welt herum. «
Solange er außer den üblichen in
den Stadien erhaltenen Beruf-unter
stützungen noch ein paar eigene Nit
tel im Beutel hatte, war das Reisen
ja auch eine ganz samose Einrichtung,
zumal wie es durch das schöne Thü
ringerland ging, aber bald tamens
Tage, die Kuhlemann durchaus nichts
gesallen tonnten.
Zum Fechten war der Gutenberg
jünger zu stolz, — nein, das macht
ein reputierlichee .Schwarztiinstler«
nicht, wenigstens nicht gern. Darum
marschierte er eifrig daraus lot-, um
so bald als möglich nach Leipzig und
wieder unter Dach und Iach zu tem
men; hatte er dann doch wenigstens
einmal geschmeckt, wie ed ist« wenn
man sich draußen den Wind um die
Nase pseisen läßt.
Zunächst besand er sich jedoch noch
nicht enn Meißestrantn sondern trot
tete aus der staubigen Landstraße da
hin, so wenig vergnügt, als ein hung
riger und durstiger Mann nur sein
kann.
Fechten — sataler Gedanke, wenn
er nur das nicht brauchte, wenn er
nur noch ein anderes Mittel fände,
seinen Magen, diesen ungestümen
Mal-net zur Ruhe zu bringen.
»Wa, wenn sezt ein hungriger Weils
daher-tönte, der tönnte sich gratulie
ren!" murmelte Küdlemann mit
Galgenhunion indem er sich seuszend
aus einein steindausen niederließ
Er versiel in trübes Sinnen, plötzlich
aber leuchteten seine Augen aus, und
er machte einen der n ten Lust
sprung. Mit frischen es en schritt
er dann dein nächsten Vorsse u und
machte vor dem Wirt-halt e lt.
sald sand er, was er suchte, die
von either dagewesenen »Aus-den«
seen en geheimnisvolle-i M
Oa- tnui ein schöner z eache
seini« brummte er doe ch din, »das
its-determle beenurlosl«
Les Mit et in die Wittisiube ein.
biet is dem großes Zisnnee sali
et W einige Tische redet Gäste;
daß ei wenig beachtet nnd sein Gruß
M erwideki wurde, fpntan hatte
et in der lesten Zeit gewöhnt
» dem Schannisch erblickte ee
ieine ältliche Frau, die den Mutigsten
"tte erschienen können; daß dieser
tache ebenso zsnkisch wie geizig
war, fah man nur zu deutlich.
Die Wirtin hatte lauen unseren
«Kunven« erblickt, als e niit durch
dringendee Stimme tie : «Dier wird
Nichts gegeben!«
s Kühieinann etbebte, dann aber —
»Not bricht Eisen —- nahm et sich zu
lsamrnem ging aus die alte hexe «
Hund sagte baslich und leise: .Ent
jschuldigen Sie, junge Frau, ich will
ja gar nichts aben; «ich wallt Sie
nur fragen. ob Sie etwas von Edel
steinen verstehen.«
»Von Edelsteinen?« fragte die
Wirtin erstaunt
«Na, ja,« fuhr Kühlemann halb
laut satt. Jus-wen Sie mit nichi
vielleicht sagen, was ein Diamant in
der Größe — na, so wie hier meine
Fingetiuppe, lrekt ist?"
Dabei deuten er auf seinen kleinen
Finger.
Kühlemann hatte alles dies so leise
-geingi, das vie Gaste ihn nicht hoeen
konnten, aber trokbem siel ihnen der
wunderliche Mann aus« der vor der
Wirtin gestitulierte und sich dabei
einige Male scheu umsah.
Der Wirtin, vie ihn mit einer hab
gierigen Miene durchdringend an
vliette, schien diese Aufmerksamkeit
unangenehm zu sein. Erst war sie
anscheinend unschliissig, dann sliisterte
sie: »Sagen Sie keinem was davon!
Die brauchen es nicht zu wissen,« und
siigte laut hinzu: »Sie wallen essen,
na, was wallen Sie denn essen? Jch
bade Rindsleisch und Gemüse, es ist
mich noch Sclnveinernes da und But
ter und Käse«
»Ich danie, ich habe keinen Hun
ger,'« sagte Küylemann bescheiden,
aber vernebmlich.
»Na- sesen Sie sich nur!«' forderte
die Wirtin ihn aus und brachte ihm
ein Glas Bier.
»Ich banke« ich bin gar nicht dur
stig." wehrte der Gast ab.
«Trinten Sie nur,« sagte vie gü
tige Spenderin und ging in die Kü
che; bald daraus erschien sie mit einer
tüchtigen Partien Rindsleisch und
Gemiiie.
»Aber ich bin ganz satt.« sagte der
Wandersmann was ihn jedoch nicht
hinderte, wie ein Wols iiber das Essen
herzufallen, ebenso wie iiber das
Schweinerne nnd schließlich nach iiber
Butter und Mise, wobei noch zwei
weitere Glas Bier in seinem unersätt
lich scheinenden Magen verschwanden.
»Die schlaue Hexe," murmelle Kiibs
lemann. »Die weiß ganz gut, daß mit
einem satten Menschen besser handeln
ist als mit einem hungrigen." «
»Sie tauchen doch auch?« Mit die
sen Worten bot die Wirtin dem Gaste
eine Zigarre an.
»Nicht viel, aber anen zu Gesal
len!« erwiederte der Gutenbergjiinger
mit dankendee Verneiauna.
Die Wirtin setzte sich nun zu ihm.
»Na," sagte sie mit teuflichem
Grinsen, »wie isi es denn mit dem
Diamanten?«
HAch so, mit »dem Diamantenk Den
habe ich ganz vergessen.'«
»Wir haben Sie ihn drnn?« fragte
die Alte gespannt
»Hat2en?« erwiederte Kühlernann
ruhig. »hiiben tue ich trinen, ich habe
nur vor ein paar Tagen in Erfurt
einen im Schauieniter gesehen, und
da war ich neugierig, was er wohl
tosten tönnte.«
Die Wirtin starrte ihn sprachlos
an. —
Kühlemann erhob sich, nahm Dut,
Bündel und Wanderstab und tagte
mit lauter Stimme: «Leben Sie
wohl, Frau Wirtin, und besten Dant
für die freundliche Bewirtung!«
.Sie zahlen mir die Zeche!« tauchte
ihn die hexe an.
«Bitte,« suhr Kühlemann fort, avie
Herren haben alle hier gesehen und
gehört, daß ich nicht essen und trinlen
wollte, und daß Sie mich dazu genö
tigt haben.«
»he! Sie ver Jenseit« treischte die
re.
»Bitte, nach. Jhnenl« sagte stähle
ntann freundlich, sd dann ging es
ins Freie, roo die Sonne viel heller
schien als vor einer Stunde, lustis
Ieiter auf die Watze.
—- Entriistung. Frau (die
eine Aasfeegesellschast gibt, zu einer
intinten Ireundin): Schauen Sie nur
die unverschämte Person« die Mehr
nininit nun schon das lech,te Stück
Sorte und hat eine einzige lumpige
Reuigteit gebracht! .
— Ge enseitiger Vor
wurf. er Zug varnpste gerade
aus der halle, als ganz außer Atem
ein Ehepaar ven Bahnfleig betrat.
Der Mann rnachte seiner au varii
ber heftige Vorwllrsr. « tehst vu,«
sagte er. «hättest du nicht so furcht
bar lange stir deine Ioitette braucht,
so hätten tvir auch diesen ug nicht
verpast.« -
»Und hättest du', gal- die Frau
zurtta .tn unterwqu nicht immer
so arisetr n, so brauchten totr
nicht so lange aus den nächsten sit
wievi·