Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 21, 1917, Sonntagsblatt, Image 9

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    Sonntag-Hatt de
Staats Anzeiger und Herold.
. M s W ww« Ja nnd, Mk» Donan den21. Im
Mlicer geldkunnxi
Eine Seegeichichte von F. M. f
.
An einem schönen Herbstobend desj
Jahres 1842 san eine fröhliche Ge
sellschaft vor einem hübschen Lond
hause auf der großen westindifchen
Insel Ruba, vie man mit Recht vie
Königin der Antillen nennt. Das
Lnnohnuz gehörte einem reichen Spo
nier, Deren Armutan Die Gesell
schaft, die am andern Morgen, wenn
Wind uno Wetter günstig waren, mit
rein Schiffe »Neptun« nach der Jn
sel Jornaitn segeln wollte, bestand
aus sechs Personen. Drei von ihnen
waren Kaufleute ans Südnrnerrto.
Ter vierte tvnr Leutnant in ver spa
nischen Ariitlerie, ein Brudersohn des
vorhin genannten Herrn Arguellns.
Ter fünfte Gast war ein junger, rei
cher Gutsbesitzer von ver Insel, ein
Franzofe von Geburt, und hieß Du
pont. Und endlich ver fechfte und
letzte tvnr ver Kupiiän des Schiffes
Neptun, Starken, ein schöner, kräfti
ger Mann von etwa dreißig Jahren,
hochgebilvet und von liebenswürdi
gem Benehmen
Ter Tisch mi dein die sechs Peri«
soiien saßen, war mit Flasche-i und
Gläsern Weines dicht besetzt. Tie
Gäste hatten von dein edlen Trauben
s.-.sie ziemlich viel getriirilen und. wie
es schien, dez Guten wohl zu viel ge-v
tan. Die Unterhaltung, die insuiis
zbsjscher Sprache gefiiiirt wurde, ioxir
Darum euch laut nnd lebhaft, nnd
die Kopfe der ganzen Iischgesellschait
lioils erhitzt. Rapitän Starken er
zählte soeben davon, ivie er sriiher
»Es Saht-est .in Bord eines enzilp
sie-n Schiffe-H gedient hatte, das :in»
der iisrit.inisct;en Kiiste den dort nochs
irniiier sehr lebhaft betriebenen Stia
veiitmndel überiv.ichen und nnterdriits
ten sollte-« tilnf der Jnfel Ruder st.ind.
die Sklaverei d.ini.ils noch mit ihrsins
ganzen Jiiiiiner und Elend in Bliite
Her Inn-Hofe Tupont der auf sei
ixeii reichen Pflanzungen viele Ein-I
vrn besaß nnd hielt, schritt in ziem
!i:t) heftiger Weise liiif die Engliinmz
trei! sie den Verkauf der site-ger, viel
seiner Meinung nach in den lieißeiis
Usnderii sil: ven Arterbciii Hinz i.n-s
entbehrlich iv.ireii, verbieten nnd uns-w
okten ivollteii. Starken verteidigt-l
dniienen die· Gri.«.ids·:sze der eiizzlisitens
Regieriinij mit angemessenen, aber»
dem sehr entschiedenen Worten Dis-I
Zwiegespräch, diici die beiden Miiiiixers
destnilb sehr lebliiift mit einrinders
silliiten, hatte sie mich und iixich im
iiei mehr aufgeregt nnd erbittert.
Ter heißbliitige Franzose liess sich
vcn seiner Leidenschaft endlich so weit
hiiireiszen, daß er ein ganz abscheu
liches Schimpsivort gegen die Lon
l
gin von England ausstieß. Kapi
iiiii Starken, der sein Vaterland von
Herzen liebte, tviirde diirch die
schinnchvolle Beleidigung, die seiner
Königin widerfahr, zii so heftigem
Zorne entbrannt, dnsz er dein jun.
gen Gutsbesitzer augenblicklich eiii
Weingliis mit seinem ganzen Inhalt
izi No Angesicht wars.
Es wir, als ob ein Blitzstrahl ans
lieiterm Oiinrnel in die eben so fröh
liche Gesellschaft schmetternd einge
schlagen hatte. Ue sechs Personen
toaren alle mit ein.1nder nufgespruni
gen und durch diesen verhängnisvol
len Ausgang des so harmlos begon
nenen Gesprachs so ziemlich oder viel
leicht ganz nüchtern geworden. Ka
pitan Starken hatte sich Durst beson
nen nnd gefaßt. Er war vor Schrei
ten über seine Tat ganz blaß amor
ten und stammelte nur die werthen
Worte: »Ich bitte Sie um Ver
ziehnng, herr Dupont. Ich habe
unrecht getan, nnd bereue das von
Herzen, obwohl Sie micy durch Jbre
Worte dazu gereizt haben«
«Verzeihnng!?« schrie Dur-andrer
in wilder Wut herumsprang und sich
rnit seinem Taschentuche daö«Gesicht
abwischte. »Ja, eine Kugel vor die
Stirn soll Jhnen meine Verzeihung
l»ringen, und sonst weiter nicht«
Leutnant Arguellas eilte sogleich
in das Landbau-l seines Oheims» und
lehrte mit einem Plstolentästchen un
ter dem Arm zurück. »Lassen Sie
uns in jenes Wäldchen gehen und die
Geschichte dort abmachen!" sprach er
Alterns und dringend; »wir werden
dort vor jeder Ueberraschung sicher
fein.«
«Meine herren,« rief Kapitön
Starteh, .ich bin lein Raufbold und
werde mich daher auch tnit herrn
Dupont nicht schlagen.«
»Was sagt eri« rief der Leutnani
und sah sich gans erstaunt tm Kreisel
unr, »er will sich nicht schlagenl«
Auch die andern Mitglieder der
Gesellschaft lonnten ihr Befremden
hierüber nicht derber en. Selbst ei-»
uer der siidaknerilan schen Kaufleules
W
fragte nach einer peinlich langen
Pause mit deutlicher Verwunderung.
und großem Ernste: «Wie? Sie wol
len sich nicht schlagen, Knpitiin Star
teyi Das erklären Sie, dessen Riienes
in den Listen der töniglichen groß-s
britannischen Kriegsslotte verzeichnen
sieht? Sie spaßen sicherlich, obwohll
mir ein Scherz in dieser Stunde und
nach einem solchen Vorfalle sehr un-»
zeitig-erscheinen will.« ’
»Ich rede mit voller Ueberlegung
und ganzem Ernfte,« sagte Starken
ruhig und gelassen; »ich bin aus
Grundfni ein entschiedener Gegner
alles und jedes Ztveitampfes.«
»Aus Grundan eine seige Mem
rne!'« rief Dupont voller hohn und
Wut, indem er ihm zugleich mit der
geballten Faust eine drohende Ge
derde machte
Dai verächtliche Schimpfwort, das
dem Kapitiin e-.tgegengeschleudert
worden war, traf denselben wie der
Biß einer giftigen Schlange. Er
guckte zusammen, und ein Blis des
Hornes schoß aus feinen dunklen Aus
gen. Er ging mit schnellen Schritten
auf seinen Widersacher zu, betrei
sterte sich aber bald wieder und ent
fernte fich icltbliiiig Noch heftigem,
aber nutzlosem Streite trennten sich
auch die übrigen Mitglieder der
TischgesellschafL
Am nächsten Morgen gingen die
Reisenden sämtlich an Bord des Schif
fes Neptun, weil ihnen ehen teine
andere Gelegenheit zu Gebote stand
Rapitän Starteh empfing sie mit ge
messener Höflichkeit Ale aber der
Franzose, während er bei ihm dor
beiging, deutlich genug die verächtli
chen Worte: .Elender Feigling!« vor
sich hin murmelte, hielt ihn der Ka
pitän mit einem eisernen Griffe fest
und sagte: «Mein Herr. es ist mir
persönlich ganz gleichgültig- was Sie
non mir denten und sagen. Ader ich
führe auf diesem Schiife das Kom
mando und werde darum von nie-»
mand und in leiner Weise dulden.
daß man mich vor der Mannfchast
verhöhnt und dadurch mein Anse en
verlegt und schödigt. Wenn Sie ich
noch einmal ein solches oder ein ähn
liches Wort erlauben, so werde ich
Sie einsperren oder in Ketten legen
lassen, biet wir noch Jnmaila kam-J
men.'· Damit schol- er den ganj
verdutzten Franzpfen von sich hinweg
und ging nach dem Vorderteile des»
Schiffe-. s
Wer auch nur wenige Stunden ans
Bord des Neptun verweilte, der über-i
zeugte sich sehr bald dasz Kapitan
Starken ein tüchtiger Seemann war.
Die Mannschaft, die ans etwa einem
Dutzend schmucker Burschen beftand,
leistete ihm treuen und willigen Ge
horsam, weil sie ihn ehrte und liebte.
Der Dienst wurde se regelmäßig und
ordentlich, so piinttlich und ruhig
verrichtet, als wenn er qui einem
Krieg-schiffe geschähe. Das miOten
auch die Gegner des Indukan so
sehr sie sieh dagegen sträubten, er
kennen und zugehen.
Die Fahrt war im Laufe des Ja
ged ganz gliicllich bor sich gegangen.
Nun war ed Abend geworden, und
das Schiff fegelte soeben um die Mo
nat-Spitze herum dein erfehnten Ha
fen entgegen, von dein es nur noch
wenige Meilen entfernt war. Die
sämtlichen Reifenden hatten sich be
reits zur Ruhe niedergelegt in der
sichern und süßen Hoffnung, am an
dern Morgen die siiifte von Ja
maita zu erblicken und zu betreten.
Auch Kapitiin Starken war in seine
Kajiite hinab-gegangen Da fchofz
plötzlich eine rote Flammenfäule aus
einer geöffneien Lute des Fahrzeuges
hell und grell leuchtend empor. Der
wild-e Schrei: Feuer! Feuer! — der
entfeszlichfte Ruf, sen man überhaupt
auf der See hören kann --- ertönte,
und fchon int an chften Augenblicke
stürzte der pflichtgetreue Kapitiin die
Knjiitentreppe hinauf und auf das
Verdeck. Die Gefahr war um so
großer und furchtbarer, als das
Schiff oon den siidameritanischen
Kaufleuten eine ganze Ladung von
Pulversässern übernommen hatte, die
dieselben in Kuba nicht hatten ver
tauer können, und für die sie auf
Jamaiia einen günstiger-en Martt zu
sinden gehofft hatten· Der Kapitiin
gebot durch sein Sprachrohr mit laut
fchcillender Stimme der Mannfchaft
Ruhe und Stille und befahl fodann,
die Luie zu schließen, damit das
Feuer nicht mehr heraus und herauf
schlagen könnte. Seine Befehle tout-J
den fofort willig und pünktlich nuI-’
geführt. Dann eilte er selbst hinab:
unter das Borderdech um sich oon’
dem Orte, wo das Feuer ausgebro
chen war, und von der Größe, mit
der es wittete, petfönlich zu über
zeugen. Reich einigen Minuten tarn
er, von der Flora-ne g chroiirzt und
versengt, wieder hinan und trug
einen ganz bewußtlosen Mann in sei
nen Armen, den er auf das Ueedeck
niederlegte. Jeht befahl er, die Rei
senden unverzüglich zu wetten und
ihm seine Pistolen zu bringen. Als
dies geschehen war, ries er die
Schiffsmannschast zusammen und
sprach zu ihnen: ,.Kinder, ihr wißt,j
daß ich euch immer ossen und ehr
lich die ganze und volle Wahrheit.
sage. Jener betrunlene Mensch dort«l
— er wies mit der Hand nach dem
aus dem Verdeck liegenden Manne —
»der Diener des Leutnants Arguels
las hat mit seinem Lichte den Brannt
wein angeziindet, Den er stehlen woll
te. Der ganze Schiffs-kaum ist von
den Flammen ergrissen und mit einer
solchen Masse Feuer angefüllt, daß
es nur die Zeit verschwenden und
verlieren hieße, wenn wir auch nur
einen einzigen Augenblick die Glut zu
löschen versuchen wollten«
- Die Mannschast stieß einen ein
stimmigen Schrei des Schreckens und
der Wut aus, und alle wollten sosvrt
in eiliger Hast nach den rettener
Booten stürzen. Allein der Kapitän
ries ihnen ein gebieterischeo und dro
hendes halt! nach, und sie standen
gehorsam still. Dann sudr er fort:
»Die geringste Bestiirzung und Ueber
eilung würde uns alle verderben. Mit
Mut und Beharrlichteit aber lann
noch jedes Menschenleben hier an
Bord gerettet werden, ehe die Flam
men Evas Pulver erreichen.« Er
spannte vor aller Augen die beiden
Pistolen in seinen Händen und rief
mit drohender Stimme: »Jeder, der
meinen Befehlen nicht augenblicklich
Folge leistet, erhält eine Kugel vor
seinen Kopf, und ihr wißt. daß ich
sicher treffe und mein Ziel selten
verfehle· Und nun an eure Arbeit,
besonnen, mutig und mit gutem Wil
ten-"
Es war zum Erstaunen, wie das
tapfere Benehmen nnd die entschie
dene Sprache des Kapitäns die noch
lurz oorher so erschrockene Mann
schaft augenblicklich beruhigte. Die
Verzagtheit, die sie noch vor wenigen
Minuten ergriffen hatte, war einer
tatkräftigen Entfchtossenheit gewi
chen, und es dauerte nicht lange, so
waren die Boote losgemacht und in
das Wasser hinabgelassen. »Mehr
so, meine wackern Jungen!« rief nun
der Kapitiin »Verlaßt euch darauf,
wir haben noch Zeit genug. Vier
von euch« —- er nannte sie mit Na
men — »bleiben bei mir an meiner
Seite. Drei andere springen in jedes
der beiden großen Boote, zwei in dar
lleine, und bringen sie unter die
Landseite des Schiffes!"
Die Neisenden waren unterdessen
halb angetleidet auf das Verdeck ge
stürzt und fast alle hatten den Mut
fund die hoffnung verloren, weil sie
Joon den Pulverfiissern wußten. AlsI
Ynun die Boote neben dem Schissel
lanlegtein drängten sich die Männer
zin wilder, wahnsinniger hast durch
Jdie Weiber und Kinder hindurch und
stießen dieselben schonungslos zurück,
um nur das eigene Leben zu retten.
Aber Kapitän Starken trieb sie mit
Jhilse der oier stämmigen Motrosen,
»die er sich zu diesem Dienste auser
sehen hatte, sämtlich zurück und ries
)gebieterisch: »Erst die Frauen nnd
jdie Kinder, und sodann die älteren
iMiiriner!«
i Dupont drängte sich mit der wil
sden Kraft eines Wahnsinnigen bei
iden Matrosen vorbei, um zuerst in»
sdas rettende Boot zu gelangen. »Zu-;
stück, unmännlicher Feigting, zurüctW
donnerte ihm Starken entgegenJ
Dann ergriff er den Franzosen am?
Kragen, zeigte mit der Pistole, die ers
’in der andern Hand hielt, aus dies
Flofsen der haififche, die nur einer
»kleine Strecke vom Schiffe entserntj
sim grellen Flammenscheine sichtbar
Iwurdern und rief: »Sehen Sie ein
imal dorthin, wenn es Jhnen beliebt.
mein Herr! llnd ihr, meine warteten
Jungen, laßt seden,"der sich dor
sdriingh ehe die Reihe an ihn lommt,
unrettbar in das Wasser fallen!«
»Seht wohl, Kapitiin!« lautete die
Antwort der Matrosen.
Jetzt geschah das Einsteigen der
Frauen und der Kinder, und hernach
Eber Männer in völliger Ordnung
und Ruhe. Als die Reisenden sämt
llich in den drei Booten untergebracht
»waren, fragte Stamm »Kann das
Jgrotze Boot noch einen Menschen tra
iaen «
»Wir wollen es versuchen, da Siei
es sind,««ilang die Antwort aus dem
Boote zurück; »aber wir sind als
dann überfällt, und das ist gefähr
lich, da die Haiiiiche von allen Sei
ten uns umichiväenien.«
»So wartet noch einen Augenblickl«
rief der Kapiiän. »Ich kann das
Schiff nicht verlassen, so lange noch
eine einzige lebendige Menschenseele
sich an Bord befindet « -
Er holte nun den noch immer in
seinem Raufche bewußtlos daliegen
den Diener des Leutnanii und Ließ
ihn in das Boot hinanieegleitem
l—
Alle, die darin waren, stießen einen
Schrei der Entriistung aus, weil sie
sich in ihrer Erwartung getäuscht sa
hen. Aber im nächsten Augenblick
hatte der wackere Kapitän das Tau.
durch das das kleine Fahrzeug mit
dem Schiffe verbunden war, gelöst
und rief: .Nun rudert mit aller
Kraft davon. wenn euch euer Leben
lieb ist!« Das ließen sich die Leute
nicht zweimal sagen. Die Ruder
schlugen sogleich in das Wasser, und
das Boot entfernte sich langsam von
dem Schiffe. Starken war ganz al
lein an Bord zurückgeblieben Er
deckte die Hand iider seine Augen, um
von den Flammen nicht geblendet zu
werden« blickte scharf und fest nach
der Richtung hinaus, wo die rettende
Miste von Jamaita lag. und rief sei
nen Leuten mit lauter Stimme nacht
»Der Strand kann nicht sehr weit
entfernt sein« Man muß das Feuer
von dort aus gesehen haben.
—s
l
Ich:
denke, ihr werdet einem Lotssenboote
begegnen, obschon ich jetzt noch teins;
erblicken kann. Wenn ihr sie aber
treffet so saget den Leuten,
sich beeilen, dann tann und darf ich
auch noch aus Rettung hoffen«
daß si-«
So eilten denn die drei Boote, don«
schnellen Ruderschlägen getrieben. in
wilder, sehnsuchtsvoller hast dem ret
tenden Lande zu. Kaum waren sc
etwa dreihundert Yards von dem
Schiffe entfernt, als die Flamme
wild und mächtig emporschlug. Das
Feuer hatte nun auch das Talelwert
und die Segel ergriffen Und es
war ein schauerlich schöner Anblick,
das brennende Schiff, das sich in
allen seinen Umrissen deutlich ab
zeichnetr. in der duntlen Nacht auf
der wild bewegten Meeresflut! Fla
pitän Startey ging bis zur äußersten
Spitze des Fahrzeuges, wo er wenig
stenö noch fiir einige Minuten vor
den gierigen Fammen geborgen war.
Dort stand er still, saltete feine Hände
und blickte mutig entschlossen in die
lodernde Feuersglut und durch die
nächtliche Finsternis.
Weiter und immer weiter eilten
die drei Boote dem Lande zu. Nur
der- tnttmößige Ruderfchlag unter
brach die Grabesstillr. die in ihnen
herrschte. Die Flüchtlinge blickten
nur nnch dem brennenden Schiffe
und dachten nur an den edlen und
mutigen Mann, der fein eigenes Le
ben für ihre Rettung auf da- Spiel
gesetzt hatte. Je weiter sie aber auf
der fchnellen Fahrt kamen, defto
ängstlicher fpähten die Mntrofennnd
die Reisenden umher-, ob sie nicht
doch vielleicht ein auslaufendes Lot
fenboot entdecken möchten. Und rich
tig! feht erklang ein lauter Zuruf
der von vielen Kehlen jubelnd be
antwortet wurde. Zwei Boote schos
sen toie auf Flügeln des Sturmwin
des vorbei, nnd eine Stimme rief:
»Was ist das fiir ein Schiff, das
dort brennt?«
»Das ist der Neptun,« war die
Antwort, »und der Mann, der dort
vorn am Bugfpriet fteht, Ist der Ka
pitän Starten.«
Einer der süd.1meritanifchen Kauf
leute, Desmond, sprang vempor nnd
rief mit aller Kraft feiner Stimme:
»Hundett Pfund CZUU Pollan für
das erste Boot, das das Schiff er
reicht und den Kapitijn eettet!«
»Hurm!«' schrieen die fremden See
leute, »und nun drauf und ran, eH
gilt einen fchönen Preis!« Die Män
ner ahnten nicht, welche drohenden»
Gefahren sie in der Nähe des brensl
nenden Schiffes erwarteten. Sie
ftkengten alle Kraft des Leibes nn,f
um das gefährdete TUlenfchenleben zu.
retten nnd den willtommenen Ptciåi
zu erringen, und sdkon im nächfienf
Augenblicke waren die beiden Boote;
im Dunkel Der Miint verlafwunoenj
Mit atemloser ( Dinnung blickt en
nnd lauschten die klieifenben währmv
der nachfolgenden Minuten, die ib
nen gonz entsetzlich Lingsam verstei-;
chen, noch Der Stelliz wo das bren
nende Schiff von den Meeregtvoqen
hin und her geschulten wurde. Da’
schlug mit einem Male eine gewilii
tige Flarnmensäule aus dem unlerns
Schiffsraunre hinaus und hinauf bis
zur obersten Spitze Des Mastbiirlsns.
Und nun folgte ein schmetternber
Donnerschlag, gleich als ob Himmel
und Erde lrachenb zusammenstürz
ten. Die drei Boote wurden von den
wild ausschäumenden Meeresslutenin
die höhe gehoben und bann, wie von
einem Strudel gefaßt, hin und her
geworfen. Das Feuer war mit einem
Schage erloschen Tiefes Schweigen
aber lag aus dem Wasser-. und stock
sinstre Nacht lagette sich über die
Iliehenben, so baß sich lauen die
nächsten Nachbarn erkennen und un
terscheiden konnten.
Nun aber war die ersehnte Miste»
gliicla erreicht. Die drei Borste
liefen n ben sichern hasen bet Mo
rgen-Bad hinein. Als vie Gerettei
;
ten eben an das Land steigen woll
ten, kam das erste der beiden Lotfens
boote herbei. Ein lauter, fröhlicher
Ruf erscholl aus demfelben Allen
den Reisenden und Matrofen war
diese Stimme wohlbekannt. Und ein
himmelhoch jauchzendes Jubelgeschrei,
das weithin durch die stille Nacht er
klang, verkündete den zahlreichen Zu
schauern, daß jedes Menschenleben
vom Schiffe Neptun geborgen, und
daß auch der edle, der mutige Kapi
tän Starken glücklich gerettet war
Einige Tage später veranstalteten
die dankbaren Reifenden vom Schiffe
Neptun dem wackern Kaprtöm deffen
Besonnenheit nnd Entfchlofsenheit
sie nächft der Hilfe des barmherzigen
Gottes ihr Leben berdankten, ein
glänzendes Feftmahl. Dem Gefeier
ten wurde dabei zugleich in ihrem
Namen ein kostbarer silberner Tafel
aufsatz zum Andenken an die über
standene Schreckensnacht überreicht
Ein Trinkspruch nach dem andern
erklang, um den Edelmut und die
Tapferkeit des Kapitäns zu preisen
Starken dankte mit warmen und
herzlichen Worten fiir die Ehre, die
man ihm gewidmet hatte. Bei dieser
Gelegenheit sprach er sich auch offen
und ehrlich darüber aus, warum er
an jenem verhängnisvollen Abend den
Zweikampf mit Tupont fo eritschiei·
den abgelehnt athte. Er sagte: »Ich
habe in den ersten Jahren meiner
Kindheit die Liebe und Treue eines
braven Vaters und einer zärtlichen
Mutter in reichem Maße genossen."
Als ich mein zwölftes Lebensjahr
eben vollendet hatte, brach das Un
gliick mit einem einzigen Schlage
plötzlich alles zerfchmetternd über uns
herein. Mein Vater war Major in
der englischen Armee und von allen
seinen Kameraden wie von seinen
Untergebenen geachtet und geliebt. Er
hatte einen Herzensfreund, der mit
ihm gleichfalls als Major bei dem
selben Regimente stand, und mit dem
er durch das Band warmer und in
niger Zuneigung verbunden war. Bei
einem Jefte, das die Offiziere des
Regimentes feierten, als der Wein
fchan die Köpfe erhitzt halte, fiel eine
beleidigende Aeufzerung zwischen bei
den Freunden Die Kameraden. die den
Vorgang mit angesehen und gehört hat
’ten, wußten, daß die Beleidigung nur
durch einen Zweikampf gesithnt wer
den könnte. Die beiden Freunde, fo
schwer und schmerzlich eå ihnen auch
bei ruhiger Ueberlegung fiel, mußten
sich dem Ausfpruche des Ehren-Je
richtes unterwerfen. Das Duell fand
ftatt —- und mein armer Vater fiel
in demselben, von der Kugel feines
Freundes durchbohrt. Jch gedenke
heute noch an die Verzweiflung der
Mutter, als die Leiche des innig ge
liebten Gatten in unfer Haus ge
bracht wurde. Mit namenlofem
Schmerze warf sie sich iiber die ta!te,
bleiche hülle des teuren Mannes der
noch dor wenigen Stunden in Krjft
und Frische der Gesundheit sie ver
laffen hatte. Jhre herzzerreifzenden
Klagen tönen heute noch in meinen
Ohren. Ich erinnere mich heute noch
an die diiftere und überaus traut-ge
Zeit, die jenem Ungliickstage folgte
Das Heiligtum eines friedlichen Hau
fes und einer unbefchreiblich glückli
chen Ehe war durch eine einzige Pi
ftolentugel vernichtet und zerstört
worden. Meine Herren· ich weiß,
wie der arme Freund meines nngliicts
lichen Vaters-, von den Vorwürfen
und Anllagen feines eigenen Gewis
sens zu Boden gedrückt, feit jenem
unfeligen Zweitampfe alle Lebensluft
verloren hat. Ein gebrochener Mann
so wankte uno smnch oer Oeoauerngs
werte, der den harten Forderungen
eines falschen Ehraesiihlö nicht zu
widerstehen gewaat und die todbrin
aende Waffe mit unwilliger Hand
aus seinen Herzenssteund gerichtet
hatte, jahrelang unter uns umher,
di-: das; er endlich unter der schweren
Last seiner Schuld zusammenbrach
nnd im tfriisti..1rci Mannesalter in
das Grab sank. Ich schweige Von ol
len den trauriaen Sorgen und Ent
dehrungen, die durch den sriikien Tod
ihres Vaters den betlagenstverten
Kindern beider tHäuser ausgeleut wor
den sind. Ader eins, meine Herren,
tann ich bis an meinen eigenen Tod
nie und nimmer vergessen. Das ist
der stille, stumme und doch derzeit-e
chende Gram, unter dem-meine ac
liebte Mutter sich langsam und un
rettbar verzehrte Sie hat noch aus
ihrem Sterbebette das seierliche Ges
lübde von mir gefordert, daß ich nie
malö und unter keinen Umständen
einen Zweikampf annehmen und aus
sechten wollte. Aber wenn ich es ihr
auch nicht versprochen hätte, die
schmerzlichen Erinnerungen meiner
Kindheit sind in mir mächtig genug.
daß ich einer so barbarischen und un
christlichen Unsitte gegenüber stets
meinen Abscheu aussprechen und mich
ihren Forderungen mit allem Nach
druck widersenen werde. Jch be
dauere noch einmal von ganzem Her-.
zeu, daß ich in der Uebereilung Herrn
Duponi beleidigt habe und bitte ihn
hierdurch vor dieser ganzen ehrenwer
ten Gesellschaft abermals um Ver
zeihung. Den Dank aber, den Sie,
meine Herren, -mir abgestattet, und
die Lobspriiche, die Sie mir erteilt
haben, lann ich nur mit Rührung
und Beschämung entgegennehmen. Jch
habe weiter nichts als meine einfache
Pflicht und Schuldigkeit getan, in
dem ich für die Rettung der mir an
vertrauten Reisenden und der mir
nntergebenen Schiffsmannschaft mein
eigenes Leben eingefetzt und, wie es
jedem braven Kapitän geziemt, als
der allerletzte mein Schiff aufgegeben
und verlassen habe.««
Die anwesenden Gäste hatten die
Rede des wackern Starley mit gro
ßer Spannung und tiefer Bewegung
angehört· Nun drängten sie sich alle
zu ihm heran, um ihm die Hand zu
schütteln und mit ihrem herzlichen
Dante Zugleich ihre volle Uebetein
ftimmung mit seinen Warten auszu
sprechen. Dupont aber —- und das
war das Allerbeste und Allerschönfie
— umarmte den trefflichen Kapitän
mit Tränen in den Augen und rief
begeistert: »Sie sind ein rechter und
echter Held, ein wirklicher Ehren
mann! Verzeihen Sie mik, und
schenken Sie mir JhresFreundfchaftY
Geräncherte Frauen.
Schon in den ältesten Zeiten ehrte
man Lebende und Tote durchRiiuches
rungen und Salbungen, doch schon
im grauen Altertum artete der Ge
brauch wohriechender Stoffe in Ver
schwendung aus, sodaß Gesetze dage
gen erlassen werden mußten. Der
großartigste Luxus wurde damit zur
Zeit Ludwig XV. in Frankreich ge
trieben. Wohl ist in der Gegenwart
der Verbrauch ein größerer und hat
zur Gründung bedeutender Indu
strien-geführt, er hat sich jedoch fest
iiber fast alle Volksschichten ausge
dehnt, während es damals nur in den
höchsten Kreisen Mode war, sich zu
darfiimieren.
Auch die Parfums unterliegen der
Mode; Mille Fleurs, Patschuli, Eß
bouquet, Veilchen, Reseda, Flieder,
Jasmin usw. waren nach einander
bevorzugt, selbst Heu- und suchten
Parfum dominierten eine Zeit lang.
Aber alle Parfumerietiinste der mo
dernen Salondamen sind gar nichts
im Vergleiche mit den Wohlgeriichen
der Frauen in dem so viel umstritte
nen ägyptischen Sudan. Die dortigen
Frauen räuchern sich ein« und da sie
kräftige Nerven haben, wählen sie so
ausgiebige Mittel. daß sich die An
wesenheit einer Gruppe frisch geölter,
gesalbter und geräucherter Weiber auf
hundert Schritte dem Geruchssinn
verrät.
Das Räuchern erfolgt mit beson
derer Sorgsalt. Die Frauen im unbi
fchen Niltale, im dstlichen und westli
chen Sudan, die Bewohnerinnen der
Halbinsel Sennar sowohl als die von
Kordofam wie auch die Schönen in
Bat-For widmen allwöchentlich min
destens einige Stunden dem Räu
chern. Jm Hofe jeder Hütte, unter fast
allen Zeiten, kann man im Boden eine
tleine Grube finden, einen Fuß tief,
drei Viertel Fuß im Durchmesser, die
entweder mit hartem Ton ausgesät
tert, oder in die ein Topf eingesetzt
ist. Darin wird ein langsam brennen
des Holziohlenfeuer unterhalten und
mit Spezereien, wie Retter-» JnJroer,
,3imt, Weihrauch, Sandelbolz, Myr
the, wozu Späne der Thalba-Ata3ie
hinzutefügt werden« bestreut. Ueber
diese-J Feuer setzt sich die möglichst
leicht bekleidete Frau und bedeckt sich
mit dem mantelartig ausgebreiteteu
Töl (Heindentuch) so sorgfältig, daß
nichts von dem kostbaren Rauch unbe
niitzt in die Lust entweicht. Sie gerät
dabei allmählich in ausgiebigen
Schweiß und nimmt ein sörmliches
Dampfbad. Am Ende der Sitzung,
nach 15 bis 20 Minuten, ist die
Frau derart eingeräuchert, daß sich
der Geruch aus weite Strecken bemerts
but Macht
-——Li-in Ziel, nufg innigsie
zu wünschen. -— Mann lzu sei
ner launifchen Frnu): »Weißt Du,
Frau, ich hätte den Himmel auf Er
den, wenn Deine Laune sich so ewig
gleich bliebe, wie Dein Küchenzeitel,
und Dein Küchenzeltel so viel Ab
wechslung böte,.wie Deine Laune.«
» —- Ungünstigek Zeit
punkt. — Nachbarin (veriraulich
Tzum hausherrm als dieser sehr ver
spätei vom Frühfchoppen heimlehryc
»Herr Mein-, gehen Sie lieber noch
mal zurück; Jhre Frau klopft gerade
die Teppiche aus«-si«