Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 21, 1917, Sonntagsblatt, Image 10

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Äuk dem Kam-net
Kirthtag
Von P. R.
W
Die KrameriThreseL das war eine
der achte Seliskeiisen meiner Kind
heit. Sie war ein altes Weib, und
das war ein Glück. denn die jungen
Weiber jener Gegend tragen ihre Se
ligkeiten nicht auf dem Rücken nen
her, wie das die stimmt-Threr tat,
und die jungen Weiber bieten ihre
Schiike nicht an Knaben unter sieb
zehn Jahren aus, wie das die Kra
mersTbresel iai. Sie trug eine
braune Holziraxe auf ihrem krum
men Rücken. in derselben waren der
Schnbladen drei oder vier, und oben
dran lag noch ein großes blaues
Bündel festgebunden
Wenn wir Kinder etwas recht
Brave3, recht unerhört Braves taten.
so sprach aus dem Munde unserer
guten Mutter der Geist der Verhei
Lung. .Kinder,' sprach er, »wer-n
einmal die KramersThreiel kommt,
so will ich euch was tausen.«
Da haben wir denn allemal eit:
Irrudengeichrei an und stampften mit
den Füßen, bis die Mutter wieder
sagte: »Ja, wenn ihr ein solches Ge
töf macht, da werde ich euch nichts
tausenr
Allsogleich waks still, daß man
ein Mäuschen hätte lausen hören
können, wenn eins gelaufen wäre.
Aber die Mäuse kamen nur in der
Mitternacht hervor — und die Kra
meriThresel kam gar nicht.
heißt das, sie lam. Seit unwi
gen Zeiten kam sie des Jahres ein
oder zweimal in unser Haus« wir
selbst hatten das schon erlebt — doch
so unbeschreiblich langsam ging die
Zeit dahin, das uns Kindern zwi
schen Frühjahr und Herbst. und zwi
schen Herbst und Frühjahr eine btaue
Ewigkeit lag, in der die Mythe von
der KramersThresel schwamm und
verschwamm, wie eine Lerche im
himmelsblam
Und einmal mitten im Winter,
an einem ganz gewöhnlichen Tag-.
da der Vater im Stalle die Ochsen
striegelte und die Mutter in der
Stube spann und meine kleineren
Geschwister sich einer zerbrochenes
Spule wegen aus dem Flötz txt-um
balgten und ich Feldriiben in den
Schweinstrog schnitt, im Busen den
tZTrieb» mich an dem Kampfe zu be
teiligen — ging die Tür aus und sie
.dar da.
Die Kramer-Tk:resel. Und als
aus ihrer Kraxe die Schubladen mir
den Taschenveiteln und den Mund
barmoniten, und den Tabakspfeiien
und den hellrot angemalten Spiel
täistleim und den messingenen Hosen
tnöpsen und Hasteln und den bun
ten Zwirnsträhnen nnd Nähzeug, and
den feingeschnitzteu holzlöfseln und
sden Stehausrnandekn und allem, als
lem aus unserem Tische ausgestellt
waren, und wir Kinder mit Poltern
und Stoßen ringsumher die Bänte
besenten und Augen und Mund ans
taten, da sah ich erst ein« was dieser
Tag sur ein grauenhastes Loch ge
habt hätte, wenn die Kramer-Thresel
nicht gekommen wäre·
Mein Sinn stand nach allein, ob
zroar ich mir sofort llarstellter Alles
lannst du nicht haben, den Himmel
kriegst erst, wenn du gestorben bist,
aber aus eins setz' dich sest. —- Mein-.
Hand zuckte nach einem Rößlein, dass
aus einem Bretichen stand, weschez
oier »Radeln« halte. Das Rößleia
war ziegelrot angestrichen und time
an den Weichen weiße Blumen
Und im Sattel s1ß ein blauer Nei
ter, der hatte eine-! großen Schmut
Eart im Gesicht and sogar Aue-m
lind einen wirklichen Federbusch aus
»Laß stehen, Bub, und greis’ nicht
clles an!« verwies mir die Mutter
aber die Kramerszhreseh welche so
gütig und geduldig war wie unsere
liebe Frau, sagte: »Oh, das macht
nichts, in's nur angreisen, das Zeugl,
schau, der Hußar reitet dir schon ent
gegen!« und schupsie das Röslein,
Laß es zu mir über den Tisch hec
rollte.
mhaben ja lein Geld nicht«, be
merkte die Mutter.
Die KrameriThresel überhisrte zum
Glück das gefährliche Wort, sie machte
einen Deuter aus mich und sagte;
,Das ist gewiß das auzbiiudlge Vil
öel, das lesen und rechnen kann, und
allerhand Gedichteki austiivtelt,
wiss die Leut« derzählen"
«Ja,« antwortete die Mutter, oan
das Spinnrad auch nur einen Au
genblick stehen Zu lassen, Austüvsela
Leser er scheu wag. wenn er nur
Nicht so schlimm tätl«
«’s seld glaub’ ich nicht daß er
schlim- tst,« meinte die Thresel
Juckt was, Waldbiinria das Mit-et
tun-Ist seit leihe-u — Ganz ernster
Vett, Waldbäiuiru Meine Mel-,
Wiss-it bei des WM heimkteiäeä
und Im M es
esse-streitet Kirchtos hell allein
Der Frau-erstand tdte Zamstlmdel
Iß just nich klein, Lesk sind viel nnd
is alle-at elic Gedräng Mk Stau
det Its- M
W
yMutter das Spinnrad stehen ließ,
um Antwort zu geden, war mir. .wie
einer armen Seek deirn jüngsten Ge
richt.«
Die Mutter sagte: »Ja, wenn die
Thresei meint, daß sie ihn brauchen
kann, vielleicht friert ihrs der Uneno
Gierin dabei ein Eichl aus und
Zeit hat er, daß er mitgeht aus den
Rattnet Kirchta.«
Jch bin von der Bank gefloaen,
und ehe noch an den Vater berichtet
werden konnte von meiner unglaudss
lichen Standeserhöhung, war ich!
schon im Sonntagsgewandei.
Meine Geschwister erhielten jedes
ein Holzlösselchen, das glänzend
schwarz lackiert war und in der Höh
lung eiii rotes Blürnlein hatte. Sie
fuhren allsogleich damit in den
Mund und bildetea sich ein, sie iißeci
Kindesbrei.
»Und der Reiter gehört dein,«
sprach die Kramer—Thresel zu mir,
»den hebt dir die Mutter aus, und
morgen, wenn du heimtorn.nst, laßt
Liu ihn recht ausreiten.«
Die Mutter riet, ich sollte ein
Stück Brot mitnehmen, allein die
Thresel sagte, indem sie ihre Waren
tmge wieder zurecht machte: »Das
wär’ nicht schlecht! Verlöstigen
werde ich meinen jungen Kramer
schon selber. Verhoss5, daß wir ein
gutes Geschäft machen werden aus
dem Rattener Kirchtag. Und jeh!
werden wir anruclen müssen, But-AK
«So gehts halt in Gottesnamen!«
sagte die Mutter nnd spann. Meine
Geschwister nßen mit ihren neuen
Löffeln von der Tischplatte weg noch
die leere Luft und wir gingen, wie
es die Mutter gesagt.
Ratten ist ein Dörflein zwischen
den Waldbergen der Ieistritz am
Fuße der Ratteneralpr. Es hat viel:
Bauernhänser ans den Sängen und
in den Schluchten zerstreut. Es hat
einen ausgidigen Darin-oft, nämlich
ein paar stattliche Mietshäuser-, und
es hat eine schöne, geräumige Kirche,
in welcher der heilige Nicplaus als
Pfarrparron wohnt. Diesem Patron
zu Ehren wird alljährlich zu feinem
Namenstag, am d'. Dezember, ein
Kirchtag abgehalten und das war
der Kirchtag, zu dein wir gingen.
Wir hatten drei Stunden dahin
zu gehen, weil wir unterwegs in
einigen Väusern zusprachem verhof
fend, ein paar Kreuzer zu lösen. Die
Leute schaben aber ihre Eintaufe auf
den morgigen Kirchtag. »Macht
nichts«, meinte die Ihre-el, »si- tem
men uns morgen.«
Da im tiefen Schnee der Graben,
lsen wir Pfad nannten, gar schmal
war, so icyritt voran die aheeiel mit
xhrer Kraxn deren ungebundener
Ballen hoch über ilfr Haupt hinaus
ragte; und hintenrrein trippelte ich
und yatte nur selten einen Blick frei
über die Schneetnauer hinaus in die
weite Welt. Tiefe weite Welt dehnte
sich bis zurn Waldhang, der hinter
dem bereisten und versulzten Wasser
aufstieg und an welchem dort und
da ein Muslein klebte oder eine trä
ge rauchende Kohlsiiitte war. Und
endlich sah-ich ülser einer Höhung
s)en roten Riesenzroiebel des- ils-ch
turrnH von Ratten hervorragen. Auf
ter Straße, in die wir nun einbogen,
war es recht lebhaft. Da fuhren
Schlitten, mit einem alten Roß oder
mit einem alten Weib bespannt, os.
schleppten andere an hochgefchichteten
Rückentrngen, Jüolein darunter rni:
ihren Bündeln doch den übrigen
r-orhnstend, on huschten mit ausge
stiilpten Rodträgen Musikanten mit
Vereisten Schnurrbärten, do tmnen
ichon Holztnechte und Tugwerler in
ihrem Sonntagsstaattdnher unt-s
trotteten recht langsam, als wenn eHj
gar nicht eile, nber doch auf tiirzestenx
Wege dem schon durch und durch le-;
lendigen Wirtshause zu
Auf dern Kirchplatz war das Krä
nnervolt schon an seinen »S!Linden«,
deren Bretter noch öde und leer la
gen, deren Wand· und Dachgerippe
noch von letner Plache übersp.:nnt
warsn
Als wir mitten aus den Plat ges
kornmen waren, blieb die Thresel ste-i
her-, starrte gegen das Kirchhosstori
bin und murmeltee »Was ist Inn-H
War der Stank-plus schon verbaut,s
der an der lebhaftest begangenens
Stelle lag, just vosn Kirchentore her,:
und den die The-set von nlterähek
besessen hatte. Der Maische!, ein
wegen seinen spottbilligen Waren be
rüchtigter hauste-einbe, hatte hier
seine Stätte aufgeschlagen
»Ich pack« nit are-L« sagte die
Thresel in einem schönen Ebenrnafz
von Entrüstung und Selbstgesith
und tat just so, als wollte sie aus der
Stelle mutet-ten Stand noch zu
rechter Zeit der e-1:aserner da, der
Kirchen-sitt der die Standpläse zu
vergeben hatte, und der seine hand
lugs damit mtschrelvigte, pas et der
Jhresel zu bedenken gest-, der Jud
boie doppeltet ctandgeld sitt den
Plas. sen strehiotitore geboten.
— Mr einen solchen handel, sagte
ein viel besserer Platz und fär den«
alten Preis zu haben.
Was blieb uns übrig, als anzu
knebrneni Nun gingen wir eine warme
;Suppe essen, dann machten wir uns
Pflint an das Standaufrichten. Die
Tisresel hatte ihr eigenes Zeug dazu,«
welches in einem Gelasse der Taferne
aufbewahrt war und welches wir nun
berbeischlepbten.
Als wir die Bretter beranschleifi
Len, wußte die Thresel ein paarmal
solche Schwentungen zu machen, daß
wir damit scharf an das gegenüber
stebende Judenftiindlein anrannten.
Dieses wackelte, aber der Maischel
stützte es behendig und schmunzelte
dabei. Der Jud Maischel war ein
gar schlichtes, aber rührsames Männ
lein, sein haar und Bart war tobt
schwarz und geträuselt, wie bei neu
geborenen Lammern die Wolle, in
feinem dunlelroten Gesichte lugten
zwei Aeuglein, die einem nie ins
selntlih schauten, sondern allemal,
wenn er sprach, der Gegenperson all
den hats oder an die Achsel guckt-n.
Der Jud Maischel hatte eine gerade
Zu iiderchriftliche Sanftmut. er war
mit nichts zu erziirnen. Tief ent
riistet war er einzig nur, wenn man
ihm siir eine Ware, die er um drei
Gulden schätzte, etwa zwölf Groschen
anbot. Aber voll tiefer Verachtung"
schlug er die Ware um dies schmäh
liche Angebot las und dem Kaufek
wurde angsi und bang.
»Frau Thresel«, sagte ich nun zu
kneiner etwas schwer-nötig geworde
nen Prinzipalin, »die Rattenerleut’
sind Ehrenleut·, die taufen dem Leut
anschmierer nicht-Z ab, die Frau Thre
sel wird's schon sehen«
«Gott geb’s!« seufzte sie auf.
Nun wurde es Abend, und am
Abend wurde es lustig. Beim Ta
serner waren alle Tische beseyt und
auf jedem Tisch stand ein Kerzenlicht
und diriiber war der Weins und
Bratenduft und der blaue Tabak
rauch, daß es eine helle Pracht war.
Wir zwei saszen im Ofenwintel,
batten neben uns auf der Bank ein
Glas Obfimofi stehen, in das wir —
einmal ich und einmal die Threfel
·- eine Semrnel tauchten. Die Wir
tin wollte auch uns Licht bringen,
indem sie sagte: »Nicht einmal ein
Toter mag ohne Licht sein«
»Das schon,«' antwortete die Thre
sel, »aber wir zwei find noch lebendig
and zum Tasitzen sehen wir häufig
genug, und daß wir uns für andere
beleuchten lassen wollten, dazu sind
wir zu wenig schön."
Jn Wahrheit wollte sie nur nicht.
daß das übrige Krämern-Ich welches
in der Wirtssiube bochmütigerweife
bei Wein und Schöpfensleisch schwelg
te, unser bescheidenes Nachtmahl se
ben sollte. Sie hatte eine Abnuna
.dadon, was bei einem Kaufmann dek»
äußere Schein bedeuten.
Die Gesellschaft wurde immer lau
ter und unbändiger und etliche Bur
schen buben an zu singen:
»Ja Ratten, da ift’5 lustig,
Ja Ratten, da isfs lustig,
Jn Ratten, da ist alles frei,
Da geht la Polizei!"
«Leidet Gottes!« sagte die Kra
nzes-lensel vor sich hin. »und jetzt
gehen wir schlafen.«
Sie hatte sich eine Kammer be
stellt; ich wurde zum Pferdetnecht
in’s Bett getan. Der Pferdelnecht
halte schon von Natur einen stattli
chen Leib, als er aber fo neben mit
im Bette lag und fchlief —- ek schlief
wie ein Pferdelnechl — floß et so
sehr auseinander, daß ich an dei:
Rand gedrückt wurde und Gefah
lief, auf den Boden zu fallen. Glück
licherweiie war vom Beile etwa nur
einen Fuß entfernt die Stallwand,
an welcher zwar das Wasser des
Stalldunstes niedetlswpfie, an mich-.
Ich niich aber mit dem ansgefleecklen
Am detmaken anstennnen konnte,
Faß ich dein Drucke meines Benge
aoflen die ganze Nacht hindurch
glücklich sinnt-hielt Daß man in
solcher Lage vom Schlafe nicht be
lästigt wird, ist selbstverständlich
nnd so hatte ich denn Zeit, in Ge«
danken den Pierdelnechl zu entschul
digen, det, müde von des Tages Last
und Plage, rechtmäßig« ja iilm das
ganze Bett deriiigen konnte; und imI
Gedanken auch Gebese zu verkichiem l
daß morgen unter meiner Mitwir
kung der Kirchtng für meine Prin I
zipalin doch um Gotteswillen gut
cxusfnllen möge. Ich sann mir Re
Den aus, um die Käufer nnzulocfenl
und die Waren zu preisen, und ich
sah die Leute herbeiftrönsen zu un
«eren töstlichen Sachen. Wir hätten
alles verkauft, auch das leere
..Standl« noch dazu, wenn ich nicht
zu früh von mesnern Traume er
wacht wäre. Und nun gewahrte ich,
Daß sich mein Pferdeknecht mitsamt
Eben Pferden fortgewacht hatte —
«schon fahrend draußen auf den kal
-ten Sirt-Denk Zeit, das war ein
JWohlbehagem wie ich mich nach Ge
ssnllen strecken konnte itn weiten Bette
jund mich einmal gründlich durch
wärmen. Jch bedauerte den Pferde
sinnt-L daß er schon so früh in den
Winter hinaus mußte, aber inr
Grunde war's rnik doch lieber, als
wenn er noch im Bett gelegen wäre
jinit feiner breiten, schlasiruntenen
der dauerte das nicht lange.
Diecdreieiwstchindensiall,4
W
leief meinen Rasen nnd fragte il
ich ausgeschlafen hätte. Ich sprang
sogleich auf. Its wir bei der Frist-r
suppe saßen in de: wohldnrchmärms
Oen Wirtssiube, gab rnir die Thresel
Weisung, wie iey mich am Standl
zu verhalten hätte. Ftirs Erste ein
mal Acht geben. daß nichts »Hüte
triegt«, dann, wenn um den Preis
von etwas gefragt würde, ei ihr —
Lser Thresa — allsogleich mitzutei
len, nach ihrem Ausspruch nachher
aber nicht mehr »denn-ein« zu lassen,
weil sie die Sachen nicht übers-dann
—- Dann gab sie mir zwei Sechser,
damit ich wisse, wofür ich mit am
Standl Finger und Nase erstieren
lasse, dann nahm sie ihre Kraxe und
wir gingen in des lieben Gottes Na
men hinaus auf den Kirchplan.
Es war noch nächtig, aber man
lxörte schon das Gesurre der Leute
and die Kirchengloaen läuteten zu
der Rotatr. An den Kramer
standln« war viel Hammern und
Schreien, und auch tvir prüften noch
mals unsere Bude und legten die
Waren aus. Und nun trat rnir die
Größe und Vielfältigkeit der habe
meiner Prinzipalin ganz vor Augen.
Sie hatte alles, denn tan sie nicht
hatte, daran dachte ich nicht, es war
Nebensache. Sie hatte Klein- nnd
Galantertewaren, wie sie der Bauer
braucht, oder wenigstens gerne br
fäße, wenn er sie taufen tönnm aller
lei Messer und Gabeln und ander
Wertzeuge, Geldtischchen, Briestas
schen, Hosentriiger, Uhrschliisseh
Rauchzeug, Sacktachry Oeiligenbilds
.k·sen, Einschreibebiichleim Zwirn,
Bänder-, Kinderspielwarem hand
spiegel, und so weiter über den lan
gen und breiten Tisch hin« und was
an den Stangen und Haken hing,
nnd was noch in den Laden der
Kraxe und in dem unerschöpflichen
Ballen war. .
Ader als nun der Tag graute —7
ein trüber, sachte schneiender Winter
Oag — da mußte ich sehen, daß der
Jude uns gegenüber all dieselben
eachen ausgestellt, daß sie ordentlich
in die Augen schrsen. Und an den
Dachecken seines Standlö prangten
zwei rote Fähnlein, wie bei uns zu
Kriegszeitern wenn die Soldaten
sortzogem oder beim Festscheibenschies
gen am Kaiser-tag, oder wenn sonst
etwas Unerhörtes war. Und zwi
schen den Iadnlein war eine große
Tafel: »Gut und billig, da tauit'«o
ein!'· Und nahm jetzt —- wie die
Leute aus der Kirche strömten — der
Rinier eine Mundharmonita zwi
schen die Zahne und blies daraus lob
und schrie liber die Leute hin, daß er
einen haupttresser gemacht hätte in
der Lotterie, nnd daber heute alles
rerichenieu »Das Stück Silberldssel
Füns Kreuzer, das Dutzend noch billi
ger!« ries et und brachte damit die
Leute in Verwirrung. Dann schwang
er hellrote Seidentiicher über die
Köpfe hin. »für Dirndaln!« ries der
Maische!, konnte aber nicht einmal
rie Worte aussprechen »und wenn
sine das tragt um den Hals, laufen
zlzr alle Buiben nach. Jch get-Y
..ber nicht herl« Und zog es hastig
wieder zurück. Solche Sachen trieb
er und schrie fortwährend: »Da
gehks herbei! da wird gehandelt, ge
ichentt, noch was drausgegeben, da
Ist der Glücksberg!« Und immer
dichter wurde um das Judenstandl
Die Menschenmenge, und uns, dein
ehrbaren Stande der Threseh wende
ten sie den Rücken zu.
Mir wurden in meinem Zorne alle
Schneeslocten griin und gelb vor den
Augen und ich stieß die Thresel: sie
solle doch auch zu schreien unbeden,
daß uns die Leute sähen.
»Du bist nicht gescheit,« sagte sie
zu mir, .wo solche Leuk lärmen, da
sst’«t ein Schand und Spott, das
Maul auszumachen. Da packen wir
lieber z'iam«.«
L
Jeyi hul) weiter unten auf dem
Platz mich noch ein anderer zu
schreien an; das wur ein Zimmer,
.oollte aber gescheiter sein, at: et
Jude und rief: »Duher Beutel, da
her! Bei niir ist die Schö heilt-pfeife
zu haben, die echte, nppro erte und
privilegierte Schönheitsseife! Werden
Alle gnrstigen Dirndln, die sich vo
mit waschen, engelsauber und alle ol
ten Weiber blntjung!«
»Das iit Schwindel vom Krat
ner!« rief der Maiicheh »bei mir zu
bekommen die ganz neu erfundene,
blütelweiße und rosenrote Schön
heit-seist. aber nur fiir vie Jungen
und Schönen zu gebrauchen, daß sie
nicht werden alt. Echt und billig.
Meine Herren und Damen, geht nicht
vorbei an Eurem Glückl«
Selbstverständlich wählte jede die
Seife des Juden.
Nun hub der Maischel an und
schellte mit einein Sack Nummern
nnd ließ ziehen. Er spielte feine
Waren aus; mit einem Groschen
Einsat konnte man goldene Ringe
nnd Uhren, ganze Fläschchen von
Liebestriinlen und die unglaublich
iten Schätze gewinnen.
Die Thresel hatte den liirmenden
Mlet-en lange beobamet — Zeit hatte
,e dazu —- nnd nun sagte sie kopf
schiittelnw »Der ist vom Teufel be
Zelle-B
- Der Markt war f im vollsten
Gange, es wurde g lcht Imb ge
tauft es wurden C he etc-leben
sei-e Oel-Heller und seine Schnup
XM mitten M PM
W
.Jn Ratten, da ist alles srei«
Da gibts ta Polizeik·
Weiber gingen umher von Stand
zu Stand, und silllten ihre hand
biindelchen mit Uepselry Rüssel-,
Lebzelten und Spielwaren sär ihre
Kinder sum «!ltito!o'. Ich hielt die
Hände in den Dosentaschen und zap
pelte mit den Füßen hin und her und
tlöpselte die hartgesrorenen Schuhe
ineinander. Von den sehen wußte
ich ohnehin nichts mehr, sie gaben
tein Lebenszeichen von sich. was
übrigens in jenen Zeiten bei mir
nichts Neues war —- die Zehen hiel
ten ihren Winterschlas und die Kälte
sing mir in ihnen allemal erst an
roeh zu tun, wenn es warm wurde.
Nun so trippelte ich an unserem der
gessenen Standl und toir hatten im
mer noch nicht ein Stück vertaust.
Mir war zum Verziigem H
»Ich möchte zu den Erdboden sink
!en,'· sliisterte ich Ver Threselsz
»Dazu ist er viel zu hart gesto
ren,·« war ihre Antwort, »aber das
muß ich schon sagen, ein solcher
Kirchtag ist mir was Neueö.«
Das Wort hat mich ins Herz ges
trossen. Vielleicht war ich die Schuld!
Ich hatte teinen Schick, gar keinen,
konnte die Sache nicht betreiben,
stand da, »wie der Damerl beim
Tor« und schaute blitzdumm drein-—
Ein solcher Kirchtag ist ihr was
Neues!
Jest sah ich am Rande unseres
Standels einen guten Bekannten von
meiner Gegend, es war des Graben
ssergers Geißbub, das Nah-lein. Das
lugie so aus die bleiernen Taschen
uhren her, und ans die Ludelpseisen
nnd aus vie vlinlenden Federmessepz
lein und aus mich, wohl erwägend,i
koieso ich bei diesen Schätzen stehe,
die er mit gierigen Augen angriss,
nachdem ihm früher die Threset mit
den Worten: »Schau, das gehörtz
nicht dein, das laß stehen!« sein-»
Finger von einem zinnernen Streich-!
holzbiicholein los-gelöst hatte. Zu die
sem Ratzelein strich ich nun hin, und
Ihm heimlich meine zwei Sechser in
tie Hand drückend, flüsteete ich ihm
hastig ins Ohr: Kauf was! staats
Vil« Was!« s
i
i
i
Alsbald siand ich wieder an met-Z
nein Plane und schaute inutiger auf
nie ergebene Thresel hin, mit Herz-J
llopsen die Herrlich-ten erwartend,
da ja jetzt bald ein Aiiuser anriicken
würde. s
Das Nahelein luate in seine bebt-,
Hand und als es sah, es wären zwe s
silberne Sechser drin, machte es ein?
grinsenoes Gesicht zu inir herüber«
rann drehte es sich flugs um, unr
kaufte drüben beini Juden ein Ta
batrauchzeu3. i
Jetzt vergaß ich meiner Wurde,
hin schoß ich zwischen den Beinen der
Leute wie ein gereizter Tiger nus das
Natelein zu und wars es zu Boden
Ein Gebalge entstand daß de:
Schnee stiiubte und die Leute init hel- H
lern Gelächter einen Kreis um uns.
vildeten. Ich wollte dem Nasielein
sür seinen Vochoerrat die neue Pfeile
entwinden und sie zu Scherben ina
chen, aber der Rattener Gemeinde
diener liess mir tein Zeit dazu. Die
ser faßte mich aus einmal beim Rock-s
tragen an und zog mich hübsch triiss
tig in die höhe; und weil alles ries.
ich hätte ohne allen Anl aß den arg »
tosen Jungen überfallen so war nun
vorn Gemeindelotier vie Rede »
Da lain ich drius, disz der Aus
spruch der Thresel auch aus mich
passe: »Ein solcher Kirchtng ist mir
was Neues.« Aber ich biß in die«
Lippen hinein, und »die sie nnch auch
ver-hörten: warum ich wäre eauienr
worden? Das wäre sauber, wenn e-:
nn Kirchtagen die kleinen Bube-:
ieu Großen nachmachen wolltens —
Ich sagte lein Wort. Jch tonnte
leins sagen und wollte auch nicht«
weil ich mir dachte, sie lönnteu dann
glauben, das was geschah, wäre aus
Geschäft-nnd geschehen. »
So wurde ich nun befragt, ob ich
Der Krarner-Th:esel ein entin sei;
m schrie meine Prinzipatin von:
Standet her, ich ils-re nichts weniger
als ihr Sohn, ich wäre ver Wald
tsauernbub, sonst ein gutes Kind,
aber ich müsse vor Mitte wahnsinnig
geworden sein.
Der Gemeindediener von Ratten
tonnte nichts Besseres tun, a!5 sinkt
in seinen riesigen Schnurrbart hin
rinzupsauchen und mich dann an ver
Hand durch die Leute, vie ganz
arauenhast bereitwillig uns eine
Gasse bildete-n vom Marttptntzewegi
Husühren Vorn Markte weg und
hinaus vor das Ders, wo er mich
snit dein wohlgemeinten Rate, ich
falle schauen, daß ich heimtärne, aus
der steien Straße stehen ließ.
Von rechtswegen hätte ich seht
wimmern selten, allein ich konnte
nicht, meine Entrüstung war zu groß.
Jch beschloß, nicht zu schauen, daß
ich heimtäme, sondern ausder Straße
zu warten, um über den Gras-endet
ger Buben, wenn er des Weges ging-,
ein gerechtes Gericht zu halten, nno
auch die Krametslhresel abzupassen,
um ihr den ganzen Sachverhait mit
zuteitern wie ich dem Rahelein mein
Geld gegeben, daß er ehrenhalber bei
uns was stir, sich tause, and wie
diese falsche Kreatur die Silberiinge
zum lärmenden Juden getragen hab-»
Spät am Racknatttage, als schon
das Beil der ganzen Gegend mit set
sen verschiedenen Wär-sen nnd
Ansehen In Ins nnd gu Schlitten
W
wellherqezogen mat, kam die Thresel
mit ihrer schweren Troge herange-.
schnaust, nnd neben ihr watschelt die
Mut mit verbandenem Kopriebs
reich sen der Alter- on der bund ge
siihrt und gezörtelt, als wollte sie
es gut machen, tvas ihr Bursche an
diesem Naielein verbrochen Unter
solchen Umständen verbarg ich mich
rasch hinter einen Fichtenttamm uns
ließ sie vordeiziehen Und dann ginL
rch ihnen langsam nach, voll der tietq «
sten Betriibnis.
Jch war noch nicht auf halbem
Wege, als eine solche Müdigkeit übe-.
mich kam, daß ich mich an den
; Schnee hinlehnte, um zu tasten. Auf.
diesem Pfade gingen keine Menschen
« mehr. Es war im Hausteiner Wal
x-e, die Häher und Kkähen stänMen
Schnee herritt von den Bäumen. Jst
mußte schon recht gut geschlafen has......«
ben, da wurde ich plötzlich ausge
riittelt, und vor mir in der Abend
diimmerung stand der Hausleret
Maischel mit seinem Bündel.
»Was ist denn mit dir, Würm
lrin," sagte er, »das Erfrieren ist 1a
nicht gesund! Da müssen wir noch
beizeiten einheizen!« Er hielt mir
ein Holzpliiszerchen an den Mund,
und als ich daran-z ein paar Schluck
tat, dn wurde mir so warm inwen
dig, so warm ums Herz, daß es mir
zu Sinn kam: der Maischel ist doch
tein schlechter Mensch. Da er sond,
daß es nicht ratsam sei, mich allein
zu lassen, so ging er mit mit bis
zum Hause meines Vaters. Also ist
es geschehen, daß ich mit der Thresel
ausging und mit dem Maischel heim
Zum
Der blank Geburtdsleck der Estiinom
Die Kinder der Esliinos bringen
einen blauen Flecken in der Große
eines Quarters mit zur Welt
der in der haut der Kreuzgegenv
sitzt. Er breitet sitt, später ost über
den ganzen »Mir-per aus und mag
wohl auch Ursache sein, daß die
Hautsarhe der Eetin.os.duntter als
die unserige ist. Bei manchen sein
dern verschwindet er jedoch schon ei
nige Monate nach ver Geburt. Auch vie
Kinder der Japaner sollen einen ahn
lichen Flecken haben, und es ist auch
die Vermutung ausgestellt worden,
daß die ostasiatischen Völkerschasteii
von den Estiinos abstammen. Dr.
Trebitsch hat auf einer Reise durch
Grönland dem blauen Geburtssleck ,.
glgchfalls Beachtung geschenkt und ;
er ätt ihii als ein atapistisches Ru- !
viment, dao aus eine Abstammung )
der Estinios von einer schwarzen
Rasse hindeute« zumal es iii West
grönlanv Leute gibt, die eine sust
schwarze Hautsarde besitzen. Er un
tersuchxe das eigenartige Gebilde vei ’k
mehreren tiinvern unv Erwachsenen s
und sand es verschieden geformt, vers -
schieden groß und an den Rändern
bei-waschen Ein sieben Jahre altes
ätnatsr. dessen Vater ein echter EIN-·
eno, dessen Mutter adee iiiischrassig
war, hatte einen blaues Fleck in der I
Form eines Schmetterlings, ebenso j
ein sast vierzigsähriger Mann von
reiner Rasse. Dr· Lreditsch gelangt
zu dem Ergebnis-« daß die Farbe des
zjleets vom mattesten Blau dis zum
tiefsten Schwarz wechselt, und daß er
nicht als ein Kennzeichen sür vie tlteins
heit der Rasse angesehen weiden kann. F
Mitroftopische Untersuchungen waren i
nicht möglich, deshalb bleibt die Er· s
scheinung noch unerklärt. l
i
Zahniirtte nor 2300 Jahren.
-..—,-«—-— E
Jn einer italienischen Zeitschrift i
fur Zahnifeiltnnrse beschäftigt sich O
Professor G. tvaui mit tunftlichen
» M» .
Jahnarbeitem die im 4. Jahrhundert
o. Chr. hergestellt wurden. Der Ge
lehrte grundet seine Studien aus ei
nen Schädel, der in der Yietropolis
der etruetischen Stadt Ialerii auf
gefunden wurdr. Die Zahnurbett «
ruhet nach Galli ohne Frage von ei
nein Etruster her. Sie besteht aus
vier goldenen rtapselm von denen
zwei natürliche Zähne oedecken und
ihnen als'Sttjsze dienen, während die s
anderen zwei att- tiinstliche Zähne
verwendet sind —- also eine kunstgei ·
rechte Brückenarheit Es scheint daher, »
daß die Etrueter, gerade so wie die s
heutigen Ameritaner, es nicht ver
schmähten, ihre Zähne in Goldeinfasi
sung zu zeigen. Dieses Volt muß auch
den Mastix gekannt haben, urn die
höhlen der tiinftliehen Zähne zu stiller-.
Und daß sieh das alles durch ungefähr
len. Und sich das alles durch ungefähr i·
2300 Jahre volltotnnten erhalten hat, s
zeugt gewiß von einer guten Arbeiu .
Gan schließt feine Arbeit, tut-km err
. seststellt,-dafz die Technik der Zahnars
veit in den Einzelheiten wohl die
größten Fortschritte zu verzeichnen
hat« daß aber die Grundlagen schon
stängst gelegt wurden: due modernfte
IBrtdge Wort unserer heutigen Zahn
särzte ist somit eine Neuheit, —x «e
400 bis 600 Jahre vor Christi
den Etrustern bekannt war.
—- Aueh ein zweites Ge
sicht’. U.: «Olauben Sie an das
,zweite Gesicht’f«
s.: Man- feftl Sehen Sie ’rnal
meine Frau in Gesellschaft und zu
Hause!«
— Betrachtung sonstersgnti
ttn (-in ihrem muctaften with
tend): »Me- habe eh genug, nur sie
wenig —- t«