Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 10, 1917, Sonntagsblatt, Image 9

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    Sonntag-hinkt de
Staacs Anzetger und Esset-old
NeDvets enfp
—
sie gkflaLtknk Gm.
Eine lustige Getchictne von Dr. Iris
Wertheimer.
(
Seinen Vatersnacnen wnszte tastI
niemand in der Kompanie. Jeder
mann nannte ihn schlankweg Peter-,
nnd wenn man vom Peter sprach,
to gab es iast keinen in der ganzen
Division, der nicht gewußt hätte,
welcher Peter gemeint war. Jeder
kannte den hohen, gnt qewachsenen
Mann, mit dem Granlept und den
miten, blauen, meist ichalkhaft blit
zenden AugeII.Ma11 wußte, daß
It treu feiner 55 Jahre als Kriegss
freiwilliger mitanston nnd dnrch
Frankreich nnd Nnßland tapfermitsI
marschierte-, bis ihn eines Tages
die Kugel halchte Dann kam er«
zur Sanitätgtompanie, aber als ei
nen Ruhepoften faßte er das nicht
unt. Bald war er die Seele der
ganzen Kompanie «
1
Was er im Zioilliben geweseu,1
war nicht so recht klar, im Kriege!
jedenfalls verstand er alles. Seit;
vielen Monaten lag die Kompauies
im Stelluugslriege in den gleichen;
Dorsauartieren. Da baute Peter;
die besten VirlisuholchiöbeL scrtigteJ
ausk- deu groben Hemden der Pause-!
trauen herrliche Gardiuem bnstelte
Vilderrahmen. Zu Peter brachten
die Vanerbsraneu stets die bestes
Butter, ihm fehlte es nie an Milchj
und Eiern. Er brauchte bloß sei-;
neu Graulops schelmiich nach der:
Seite zu drehen und mit den Angeni
zu zwinlern, und alle-J war da,l
was er nur wollte-. Peter zog Ge
müse und Salat, mehrte das Oith
nervolk und möstete die Schweine-,i
Peter war gewöhltee Vorstand derj(
tleinen Kompaniemarketenderei und
der Geiangstrubpe Neulinge hor
ten mit restsektvolleiu Ernst, selbst(
der beratende Chirurg habe einst»
mit einer Oper-eitlen gewartet, bis»
Peter geholt worden sei. Er war!
bielseitig und unermüdlich, stets«
hilfsbereit und freundlich. Er war.
mutig und tapfer, wie der edelste!
Ritter und hatte riu weiches Herz
wie die mildeste Frau. Kein Sper
ling hiipste im Gärtchen vor seiner
Tür, dem er nicht ein paar Bro-.
iameu hingeworfen hätte. Ja, sogari
der mächtige, schmal-se, llapperdiirrel
stöter, der halbverhungert über die
Felder strich, und nach dem sie alles
mit Steinen warfen, weil er eins
toirllich elelhastes Vieh war, besaß«
in ihm einen Freund und Heller.
Keiner in der Kompanie, so dachte
man, hätte gewagt, einer Blume
die Blüte zu rauben, die Peter lieb
te, leistet ihm Schmerz zu bereiten.
Und doch lam der Tag des Un
glücks über Peter-. Er, der siir alle
sorgte wie ein Vater-, hatte auch eine
Spezialsreude siir sich selbst ans La
ger. Ja einem engen Gatter, aus
dem gerade ihr Hals heraudragtr.
wie ein schlanter weißer Turm über
dem Kirchendach stand aus dem Ge
slügelhos eine Gans-. Die war
sein Eigentum. Martlni ohne Gans
braten war siir Peter ein Begriss
wie eine Sanitätdlompauie ohne
Chesarzt. Für deu Martinin nu
delte er denn seine Gans. mit Ha
sertörneru, die er auslas, wenns
einmal irgendwo etwas verschüttet
ging, mit Meis, den ihm die Bau
ern abgaben« mit Broteestekn die
andere achtlos wegwarfen. Die
Gans schien seine Mühe lohnen zu
wollen« Sie ging auf wie ein Vät
lerbauch und wurde seitleidig nnd
behäbig Peters Blick empfing sie
schon niit steigendem Behagen, seine
Nase genoß schon die Vorsteude des
Brateiidiisteö, er klopfte sich schon
immer schmnnzelnd ans den Magen,
sa oit er die Gan-S nnr ansah.
Aber auch noch andere Leute sa
hen die Gans. Da lebte in einem
Hause nahe von Peter-s Wohnung
ein Halet-g der Sanitåtskompanir.
den man den Barbierszng nannte,
weil ein kurzer-, dicker, geschäftiger
nnd redegewandter Barbier in ihm
das große Wort führte. Der Bar
bier war ein Freund eines gewis
sen Wohllebens mit nicht gar zu
viel eingestreuter Arbeit. Er nör
« weite nnd neckte gern, nnd in dem
Halbzng verdarb sein Beispiel gute
Sitten. Dieser Barbier ging des
öfteren an Peters Hühner-has vor
bei und sprach dann immer ein we
nig mit dem Besiber. iiber den
Garten, den Gib-rothes die Gans
im besonderen. Ziihanse machte er
den anderen den Mund mässerig
init Peter-s leckercin Martinibrate:i.
Taan beobachtete er so im stillen die
Wirknng der Worte, nnd wurde im
mer zufriedener-. Peter war arglod
und tat seine Arbeit. Als der Bar
bier einmal abends wieder vorbei
kam, ries er ihm wohl zu, na, nun
sei fic fett genug, unter Vriidem
wohl ihre dreißig Mark wert. iiberi
morgen, da niiiffe fie dran glauben.
Beide lachten noch zufaunuein
Ans- nächften Morgen war die
Gans verschwunden Als der Pe
ter auf feinen Hof· laus, fiel ihm
das Fehlen des Gatters zu allererst
auf. Von Schreien nnd Schuatteru
hatte er nicht gehört, alle Türen
waren ordnungsmäßig verschlossen
Peter fiuhte in allen Ecken nnd
Winkeln, kroch zum Hühner-voll nnd
in den Schweineftall, durchfpiirte den
Boden nnd die Wagenremife. Die
Gans fand er nicht. Der erste, der
ihn in feinem llngtiick traf nnd
vorbeitani, war der Barbier, der
heute ausnahmsweife frühen Dienst
hatte. Sein Mitleid war wirklich
rührend Wie er auf den Elende-i
fchicnpfte, der Peter folches autatl
Wie er hilfsbereit wart Sein gan
zer Halbzng folle im Dorfe suchen
helfen, alle dieuftfreien Leute wür
den da mittnn, ihrem Peter feine
Gan-:- wieder zu verichaffeu. Es
werde alle-·- uoch gut werdet-. Und
weg war er· «
Aber auch die Gans ioar nno
blieb weg. Peter ließ den Kops
hängen und hatte jegliche Freude
an der Menschheit und am Martini—
tage verloren. Sein verstörtes We
sen siel aus, die Geschichte von der
gestohlenen TIJlartinigans ging wie
mit Winde-Zeile durch alle Quartiere
und Unterstände.
Auch der Chefath hörte davon.
Dei-I war ein alter, giitiger, welt
tluger Geheimrat, ein Mann unt
Humor und Witz, der ganz elend
saugrob werden konnte, aber immer
rasch wieder gut war-. Der Peter
tat ihm leid, nnd er beschloß, ihm
zu helfen. Eine Ordonnanz er
schien und bestellte den Peter zum
Chesarzt. Peter muszte erzählen.
Wie ein Meisterdetektiv begab sich
der alte Geheimrat ans die Suche
tvie ein Suiirhund schunpperte er
nach jeder Fährte Zuerst hielt er
einen Lotalterntin ab, von dein er
allerdings unausgeklärter als zuvor
zurückkehrte Dann sorschte er nach
der Hertunst der Gans und miter
snchte genau ihren Werdegang Da
kam der Peter denn ins Plaudern.
Ach, er iouszte ja so genau Be
scheid, jedes Pfund wöchentlicher
Gewichtignitalnne hatte er im stopf
Welch zahlreiche Freundesschar hat
te uicht Peters- Gnns in der ganzen
Sanitätstompaniet Jeder tannte,
jeder liebte sie. Ter Barbier zum
Beispiel, lvie hatte er sie noch am
Abend vorher begutachtet und wie
rührend benahm er sich ain Morgen,
als er zuerst von dem llngliick er
suhrt
Wie von der Taxantel gestochen
suhr der Ehesarzt aus« Der Bar
hier, ausgerechnet der Barbier? Er
launte doch seine Leute, und ge
rade den Barbier, den mochte er
nicht. Die berühmte innere Stim
me aller Meisterdeteltivs sagte ihm:
Der nnd kein anderer war’s! Von
neuem ging die Untersuchung los,
und langsam hausten sich die Judi
zienbetoeise. Der Peter wurde selbst
ganz stuhig, als er merkte, wo die
Sache hinaustvollte, und als ihm
der Gedanke vertrauter wurde, da
lam ihm die nnd jene Erinnerung,
und aus einmal wußte er eine
Menge Einzelheiten, die ihm frü
her gar nicht so sehr zum Bewußt
ein gekommen waren. Der Bar
bier war's-, darüber bestand alsbald
weder beim Untersuchungerichter
noch beim Zeugen ein Zweifel. Daß
die Gans sutsch und verschwunden,
längst verzehrt nnd verdaut war,
darüber allerdings auch nicht.
Der alte Geheimrat wurde or
dentlich wann. Er dachte schon wei
ter: Wie den Peter rächen, wie den
Barbier strafen? Wie ein Exempel
statuieren ohne die Juristen, die
der alte Qlledizimnann haßte, wie
das böse Gift? Wie dem Peter Ge
nugtuung verschaffen sür die sto
sten nnd den entgangenen Genuss
Mit grossen Schritten ging der alte
Herr in der Stube umher. Peters
Gans war ans einmal seine Gans,
Peters Rache seine Rache. Ganz
plötzlich zuckte es in ihm aus, als
er zum Fenster hinausstarrte Dort
drüben trottete in den Ackersnrchen
der alte, schwarze, diirre Köter her
nm, düster, ungelenl wie ein jun
ges Kalb. Dag war’s, so gingT
Er winkte den Peter heran und re
dete leise aus ihn ein. Der bekam
einen Schreck, als ob ihn der Schlag
gerührt hätte, aber der alte Herr
ließ nicht locker-, redete, bat, wettet
te. Bis sich Peter-s Züge erhelltem
der Schalk aus seinen blauen Augen
blitzte nnd er wacker in die darge
botene Rechte einschlag. Diese Mar
tinsgans sollte fürchterlich gerächt
werden
Am anderen Tage verbreitete sich
seltsame Kunde. Peter hatte als
Ersatz sür die gestohlene Gans von
einer Panjesrau den sast sagenhass
ten Schatz eines Hannnels erstem-»
den. Das war nun siir den Mar·"
tincsschniaus eines einzelnen Man-!
nes etwas viel. und so wollte er
in sreundnachbarlicher Gesinnung
den Barbierszng zum Essen einla
den. Nur müsse jeder ein wenig
zu den Kosten beitragen, drei Mark I
was in Anbetracht dessen,
Peter beim Proviantamt durch sei
ne guten Verbindungen nach ein!
20 Litersiiszchen echten Bier-es be
sorgt hatte, gar nicht viel war. Wer
da nicht zugestiinmt hätte! Jn
Scharen kamen sie von allen Sei
ten. Jeder wollte gern mit von
der Hammelpartie sein. Aber der
Peter beschränkte die Einladung;
streng und nnerbittlich ans den
Barbierszug. Jn dessen großer
Stube sollte ja auch, weil Peterz
Raum zu eng war, der große
Schmaus stattfinden. Wenn der Di
visionsstab selbst ein Fest gegeben
hätte, hätte man kaum mehr davon
sprechen können alsI von Peter-z
Einladung.
Der Martiniiiilbend laut. Jn der
Varbiersmbe waren die Wände mit
Tauneureisig sestlich geschmückt, und»
am großen Tisch war man fest bei
der Arbeit. Das war mal keine
öde Feldtiiche, das war Peter-?- Kunst
und eine Prachtleistung des chesärth
lichen Kochs. den der gute Geheim
iat cui-II besonderer Gänuersrhast
seinem Peter znr Verfügung gei]
stellt hatte. Aus einem Liter Viers
siir den Mann wurden zwei nnd
drei, Peters Faß schien immer vol-!
ler statt leerer zu werden. Diese-ZU
Essen und solches Bier siir drei
Mart: der Peter war doch ein
MordslerL und man ließ ihn ein
iiber das andere Mal hochleben. Die
Stimmung wurde behaglich, wie siei
nur sein kann, wenn viel vollge-;
gessene Bäuche sich an gutem Bier;
laben. »
Da tam der Koch mit einein be
sonderen Trnntps. Er hatte die«
Hammelsleber eigens gebraten nnd
brachte sie ans einer von verhei
sznngsvollem Dust umschwebten
Platte herein. Jeder wollte noch
einen Happen haben, aber Peter,
der Festgeber, entschied, daß sie der
Barbier allein verzehren solle, weil
er doch der geistige Fiihrer dess
Halbznges sei. Der Barbier blähte
sich bei der Schmeichelei aus wie
ein Lustballon Einmal, weil er
wirklich schon sehr viel gegessen hat
te, nnd dann auH Freude iiber Pe
ters Anerkennung Die Leber sand
noch ganz guten Platz iu einigen
vergessenen Ecken seines Magens-.
Er laute nnd schmatzte und wußte
nicht genug die sinnst des Kochs zu
rühmen. Dann trank man weiter
und ließ den Koch hochleben. Das
war auch ein Mordsterh der Koch,
wie er sich setzt nach getaner Ar
beit zum Kreise setzte und beim
Bier mithals. Er könne eigentlich
Hanmieldust nicht ertragen, meinte
er, und niiisse jetzt ,,heruuterspiilen«.
Er spiilte tüchtig.
Es wurde allmählich qualmig in
der Stube-, und der Knasterdamps
lag wie ein undurchdringlich dicker
HerbstIIebel im Raum
Da kam der Koch mit einem
glänzenden Einfall: Wo ein Ham
mel sei, müsse doch auch ein Ham
melsell sein! Das sei aber doch
der prächtigste Zinniierschmiick,Betts
vorleger, Wandbehang, Decke. Das
müsse der Peter herausriickeu.
Nein, nicht schenken, iiberschrie der
Koch das allgemeine Hallo, man
werde es anieritauisch bersteigeru.
Das gäbe ein Gaudium. Jeder tön
ne bieten, mindestens 10 Pfennig,
höchstens eine Mart-, jedes Gebot sei
sosort bar zu bezahlt-in also sür zehn
Pfennig könne da einer ein Ham
melsell belonunent Der Koch leier
te seinen Vorschlag herunter, als
ob er ihn answendig gelernt hätte.
Ob ihn die anderen so recht kapier«
ten, schien bei der vorgerückten
Stunde zwar einigermaßen zwei
selhast. Aber nun bewahrte sich die
»geistige Fiihrerschast des Barbier-T
sEr kannte sich aus« Genau das
sgleiche hatten sie einmal beim Feste
sdek Jnnnng gemacht, und das sei
sein Mordsspaß gewesen· Schon war
der Vorschlag allgemein angenom
men. Der Peter wollte erst niit
tsem Fell nicht recht heraus; er
wolle es siir sich behalten. Aber
schliesslich gab er nach. »Nein, nicht
weggeben,« schrie der Koch, ,,znerst
wird ver-steigert und dann zum
Schluß wird das Fell seierlichst
herbeigeholt und dein neuen Besit
ger ningehängt.« Tosender Beifall
nmbrauste den Aoch, der schon aus
einem Stuhle stand und ausbot
»Eure Mark,« sagte schüchtern der
Peter
»Eine Mark zum ersten,« echote
der Koch, und schon kamen neue
Gebote. Es klimperte hell überall
in den Taschen, nnd dess- Kochs Miit-s
ze wurde schwer. Dieser Koch war
ein ganz gewiegter Verfleigerer, er
holte mit seiner Art, den Zuschlag
fchon immer fast zu erteilen, den
Leuten die letzten Nickel ans der
Tafche »Und zehn-« »und fünf-»
zig", so fcholl es in der NundeDers
Barbier hatte den dickslen BauchU
in dem das meiste Bier Platz hatte,l
nnd befon demzufolge noch die inei-!
fte Befinnnciq. Er hielt sich zurück«
bis der anderen Taschen leer wa
ren, dann bot er plötzlich wie ein
Wink-. endlich kam ve- seikknchel
Zuschlag. . Stolz schioeisten die
feuchten Barbiersänglein iioer den
Zug. i
»Das Fell holen, dass Fell ljoJ
len,« brüllte alles. s
Der Koc? und der Peter gingen
schon zur iir und versprochen, es
gleich zn bringen. Drinnen tobte;
man und sang ein Lied nnd tmnk
weiter vorn Vier-. Transzen scho-«
lsen der Peter und der Koch einen«
schweren Tisch vor die Tiir undrich
teten niit Ballen nnd Umsonme
fern eine feste Borikade her-, dannT
öffneten sie einen schnnilen Spalt
In der Tür nnd fleckten nn einer
Stange das Hntnmelsell hinein.
»Hier ist dass Fell,« liriillte der
Koch, zog die Türe zu, drehte den
Schlüssel um nnd scholl nnt dein Pe
ter die schwere Barrilnde vor.
Als drinnen gespenstisch nnd
furchtbar dass Fell des schwarze-us
Hunde-S erschiennnd der Hun
delops aus der Stange in sei
uer ganzen graue-wollen Scheußs
lichteit austauchte, wurde est- siir et
nen Augenblick mäuschenskilL Dann
brach der Sturm los-. Eis plätscher
te wie ein ausgeregtexs Meer-, esJ
tobte wie wilde Brandng im
Sturm, es brüllte und schrie, wet
ierte und raste. Man hörte jeden
einzelnen Kraterausbruch von drau
ßen. Einer begann deui Hunde zu
ovsern, nnd sein Beispiel wirkte
austekend Es war wie die See
trnnkheit. Einige wenige Tapsere
weht-ten sich wie verzweifelt, bis der
Hammelhnnd auch sie iiberwiiltigtc.
Der Peter nnd der Koch warte
ten, bis das-«- wilde Rasen in ein
stilleres Stöhnen überging. Ein
mal klatschte eis. Da gab einer dem
halbtoten Barbier eine Martiniohrs
seige von seltener Gute. Ter wiirgte
nur leise weiter. Ter Koch und
der Peter eilten zum Chefarzt, der
schon ganz aufgeregt in seiner Stu
eb mit langen Schritten umherging,
und dem nur eine-:- leid tat, daß er
nämlich die Verwirklichung seiner
Idee nicht selbst mit hatte ansehen
können Dem alten Geheimrat ran
nen die Tränen iiber die Backen, so
lachte er. Peter wies den Erlös-.
bor. Sechzig Mark Essenstnsitrag,l
21 Mark von der amerikanische-M
Versteigernng, das deckte die Kosten:
des Bieres und der Zntateu zum!
Braten, namentlich des gekausteir
Hauimelfettes; ja es blieben noch ge-i
rade die Gelder-, den Gausbrateu
dem Peter reell zu bezahlen. ;
Noch iu der Nacht schickte der ge-«
rissene alte Geheimrat dem Barbier-i
zug einen Befehl, morgens um 5J
llhr wollte er den Zug besichtigen.!
Da standest sie nuu,-die Jammerges
slalten, bleich wie die schwiiideiide’
Mondsichel, elend, srierend wie die
Hunde. Und wenn einer schon das
Wort ,,Hnnd" nur dachtet Und aus
gerechnet vor Peters Haus mußten
sie unter der Fuchtel eines ob des
Friihansstehens ziemlich grimmigen
Sergeanten zeigen, daß auch Sank
tätssoldateu Grisse llobseu und Pa
rademarsch machen können. Peter
stand lächelnd vor seinem Hause
und sah zu. Er spielte mit einer
Gans, die ihm soeben eine Panie
srau gebracht hatte.
Um s Uhr fanden sich in der Re
eiertrankenstnbe viele Patienten ein·
Als erster tani der dicke kurze Bar
bier-, dessen Bauch eingefallen schien,
wie ein verkegnetes Fahnentuch An
stelle des jungen Assistenzarztes ani
tierte heute der Geheimrat selbst.
Der Barbier erzählte schluckend, er
müsse sich erkaltet haben. Wiirdig
untersuchte der Chefarzt. Dann dik
tiertc er dem Schreiber den Be
snnd: »Schreiben Sie: Magen ver
darben infolge Genusses von alter
Hundeleber.«
Da verlot der Barbier den letzten
Halt. Der Schreiber konnte gerade
noch zur Seite springen. Der alte
Geheimrat zuckte init keiner Wim
per. Von den anderen Patienten
war nichts mehr zn sehen.
Der Peter hatte ohne Gans sein
Martinifest feiern müssen. Aber
von feiner gestohlenen Gans, dem
Feste nnd den Hundesressern sprach
eine ganze Divifion lachend wo
cheiilaiig. Peters Hühnerhos gedieh,
die neue Gans wurde fett. Von
einem Diebstahl hat man nie wieder
gehör-L
Der Ist-kund des
Oberdolttorø.
Von Martin Proslauer.
M
Sergej Pudjnsf, der reiche Bauer,
hielt die Pferde oor der Tür der
Apotheke an nnd kletterte aus dem«
Schlitten. Der Apotheter ging dein
Freunde entgegen, führte ihn in die
Stube hinter dein Leiden und goß
ihm ein Gläschen Schnaps ein. l
»Ich komme um deinen Rat, Weis
sily Petrotoitsch," schnautte der dicke
Bauer, »mein Sohn musz sich im
nächsten Monat nun auch zur Unter
suchung stellen.«
»Aha," nictte der Apotheter ver
ständnisvoll, »du willst ihn frei hin-i
den«-"
»Natürlich, Herzchen,« sagte Pug»
di11ess, «es ist doch mein winzigen
Was braucht er zu dienen und in«
den Krieg zu ziehen! Hast du nicht
so ein Mittelchen, das ihm ein biß-!
chen iräntliches Aussehen gibt?« "
Der Apotheker hob nbwehrend die
Hände: »Was denkst du, Sergej
Gntorilotvitsch — ich bin doch so
zusagen auch ein Beamter, ein stu
dierter Mann wie der Militärdottor
selber, nnd —·« setzte er hinzu, »so
ein Mittel gibt's- nicht. Aber geh
doch zu Rjerchnchs.-fs, der macht dir
deinen Sohn stei wie nichts!«
»Wirllich, lunn er dass-« srngte
Pudajess niißtrauisch
»Wenn ich dir sage, Bruder,« be
krastigte der Apotheter, »das ist der
Mann sin dich! Weißt du, der hat
so geheime Beziehungen zu den Ober
doktoren, der kennt ganz oben im
Gouvernement dic rechten Leute —
wenn einer steiniachen kann, ist es
der Jwant«
»Was inacht er denn?«
«Nichts,« ries Wassily begeistert,
,.eben gar nichts-. Du gibst ihm ein
sach zweihundert Rahel, und er
spricht — na eben dort, ioo er spre
chen musz — und die Sache ist ge
»macht! Und ehrlich ist der Jwan,
grundehrlich, sage ich dir. Siehst
du, manchmal ist der Bengel zu
stearnm und trastig, daß der Zar
ihn durchaus sür seine Garde haben
will — da gibt dir der Jwan Niet
chachoss deine zweihundert Rubel
wieder —- und nicht einer fehlt!«
Der Apotheler sah den Freund
triumphierend an. Das leßte schien
den Bauern zu Leruhigem und er
sachte: »Gut, gut! Wo wohnt der
Mann?«
»Ganz unten in der Vorstadt.
Aber du hast ja den Schlitten da,
laß uns hinfahren!«
Die beiden erhoben sich und stie
gen in den Schlitten, der rasch durch
die verschneiten Straßen der Vorstadt
glitt.
Vor einem niedrigen Hause hielt
er an, und der Apotheler führte den
Bauern zu Jwan Nierchachoff- ei
nem kleinen stillen Mann mit lan
gem krausem Bart. Der hörte das
Anliegen ruhig an und sagte: Ser
gej Gawrilowitsch, ich will tun, was
ich kann. Aber es kostet zweihundert
Nabel. Wenn dein Sohn doch nicht
frei kommt, weil er dem Bäterchen
zu gut gesällt, belonmrst du das
Geld zurückt« Dann holte er ein
dickes Buch, in das er genau alle
Angaben iiber den kostbaren Sehn
des Sergej Gawrilowitsch Pudajess
eintrug.
Als die beiden zur Apotheke zu
rückfuhrem sagte Wafsilh Petri-«
witsch, der Apotheier, triumphierendc
»Nun, Herzchem was habe ich dir
gesagt? Mein Freund Wanja, dass
ist ein Kerl! Siehst du, der hört
dich an, nur ein Wort da oben an
der rechten Stelle —- schon ists ge
macht. Freilich, wir haben ja noch
andere Freimacher hier; den Juden
ten Jfaack Mendel, und noch ein
paar. Aber die malen dir Krampf
adern und machen Ohrfliisse —- lau
ter dummes Zeug, auf das tvik stu
dierten Leute nicht reinfallen. Mein
Wanja aber, der geht und spricht
sein Wörtchen bei dem Oberdoitor—
da tann der Militiirdoltor einfach
gar nichts mehr sxtachen!«
Der Bauer dankte dem Apotheter
für den guten Rat und versprach,
ihm ein kleines Stierialb zu schen-»
len, wenn fein Junge freitämr. —- j
Der Tag der Untersuchung lanis
heran und brachte eine Anzahl gro
ßer ungeschlachter Bauernliimmel in
die Stadt, die in den Kneipen und
Teeftuben herumliirmten, bis sie vor
dem Arzt aufzumarfchieren hatten.
Der Bauer Sergej Pudajess brachte
seinen Sohn selbst im Schlitten in
die Stadt und fuhr noch einmal bei
Jtvan Njerchachotf vor, der ihn be
ruhigte: »Alles ist eingeleitet, Ser
gej Gawrilowitch außer deinem
Jungen hab' ich allein heute dreißig
andere Söhnchen zu beschützen Gott
wird belient« l
Arn Nachmittag war die Unter
suchung beendet und der Sohn de«.·
Bauern Pudajess als tauglich be
funden und zur Artillerie ausgeha
ben worden. Der Vater war zuerst
ganz bestürzt und raste in die Bor
stadt zu Jwan Njerchachoss, der ihn
zu beruhigen versuchte: »Es ging
eben nicht, Serges Gawrilowitsch,«
redete er dem schimpfenden Bauern
u. »Warum hast du auch so einen
irarnrnen Jungen, er war sa kräfti
ger als alle andern, die da warenl«
Der erzürnte Vater sah ihn halb
zweifelnd, halb geschmeichelt an.
»Na«ja doch,« nickte Njerchachosß
»der Doktor hat mir’s selber gesagt.
Wanja, hat er gesagt, zehn habe ich
dir freigeben können; aber den jun
gen Pudajess rnusk ich nehmen. Das
ist ja ein Riese-rieth das wird ein
Schmuck siir das ganze Regiment.
Es kostet mich den Kragen, wenn
ich den freilasse!«
Und als Nierchachoss die zweihun
dert Nabel aus den Tisch zählte und
eine große Flasche Wodta herbeitrug,
war der Bauer getröstet und sogar
schon ein bißchen stolz aus den Sohn.
Und er rühmte jedem Vater eines
militärpslichtigen Sohnes, wie tüch
tig und besonders — wie ehrlich
Jwan Njerchachoff, der Freund des
-Oberdoltors, in der Stadt sei. So
blühte das Geschäft des braven
Jivan weiter, sobald ein neuer Ge
stellungstermin herankiieite.
Da kam eines Tages Potschta die
rundliche Ehesrau Njcrchachosz in
sein »Kontor« und sagte: ,,Wanja,«
du mußt jetzt auch bald etwas für
unsern Pawel tun, du weißt, er muß
sich nächstens stellen. Geh, sprich
rechtzeitig rnit deinen Freunden!«
»Potschta, meine Knospe,« sagte
Nierchachoss sanst, »setz’ dich dort
auf den Stuhl und hör’ zu!« ,
Frau Potschka hob rasch den Kopf
»Wozu soll ich mich setzen?« sragte
sie inißtrauisch, »mach, daß du dich
um Patoel betiitntnerst.«
l »Ich kümmere mich,« murmelte
Nierchachoss, »ich beliimmere Inirhsoiv
gar! Gott wird schon helfen, daß nn
ser Paschta nicht Soldat toird!'«
) »Gott-e — Gotte-« sagte Potschtm
Her sei gelobt in alle Ewigkeit! Aber
das kannst du doch allein?«
I Njerchachofs schüttelte den Kopr
i»Nein!« «
i »Nein? Du kannst nicht?« rief sie«
»aber Wanja, du bist krank! Hast
»du nicht Hunderte von proszigen
sBauernsöhnchen steibetocnmen und
schöne Rubelchen verdient?«
Jtvan drückte seine Frau in einen
Stuhl.
»Potschta, hör zu,«« sagte er. »Ich
will dir was sagen. Bisher ging es
dich ja nichts an. Aber jetzt, wo
funser guter Patvel dran ist, muß ich
dir's sagen. Jch kann —- ich kann
iuusekn Paschra nicht skcimachenrs
i Die Frau starrte ihren Mann mit
josfenern Munde an, als ob er ver-.
rückt geworden wäre. ,
»Ich kann nicht," wiederholte er,
,,hab’s nie gekonntl«
»Aber Wania,« weinte Frau
Potschka aus, »hast du nicht erst im
vorigen Monat den Sergej und den
Jwan und den Gawrila — und wie
sie alle heißen — beschützt? hast du
nicht jedesmal zweihundert Rubel be
kommen?«
»Das stimmt schon. Wenn einer
sreitam, habe ich das Geld gekriegt.
Aber es war Gottes Wille. Siehst
du, Potschta,« suhr er sort, »es ist
ja so ein schönes Geschäft. Die
dummen Bauern tomnieu und zahlen
— nun, und die Söhnchen gehen
zum Dottor. Mancher ist unten-g
lich, dann jagt ihn der Dottor fort,
und der Bauer denkt, daß ich ihn
sreigeiuacht habe uud freut sich. Und
kommt der Junge nicht stei, so gebe
ich das Geld zuriick und sage, daß
er zu stramm war!«
Die Frau trocknete sich die Augen:
»Du kennst also da oben -—« sie
machte eine unbestimmte Bewegung
mit der Hand —- »nie:nanden? Der
Oberdottot ist gar nicht dein
Freund?«
»Leidek uicht,« bestätigte Jivan
Njeechachoss traurig, »ich tcnne tei
nen Doktor und niemanden. Wenn
Gott wollte, hab’ ich das viele schöne
Geld verdient. Gott wird auch un
serm Patvel helfen!«
Aber Frau Potschta schlug die ge
blümte Schürze vor das Gesicht und
sing bittetlich zu heulen au.
—-.-——« IF
—- Erhöhte Ansprüche. —
Musitenthusiast (icn Theater-, als der
Tengr ein Lied hetauöschmettert,
ganz begeistert zu seinem Nachbar):
Horen Sie doch nur! Hören Sie doch
diese ·tvunderbare Höhe!
Nachbar: Jck weesz nich —- Höhe
imponieet mir nu ja nicht Komme
allerdings i’eade aus den Alpent