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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (April 26, 1917)
Sonntag-blast de Skaaks —«Anzeiger und Wer-old —-——.-—— —. —-— . zitlk ginxysgånsr. ichs Gsschschke Mk Berlin-) CEine engl Jhr tönnt mich alle miteinander ruhig auslachen: aber es ist mir wirt lich ein wenig schwer ums herz. Seit vierzehn Tagen schon wandelt ein Schatten neben mir, ver sich nicht bannen läßt. Und weil ich doch nicht von den dummen Gedanken loskomme, will ich darüber reden. Will mir vom Herzen schreiben, was mich hedriickt nnd verfolgt. Für mich selbst wird es vielleicht eine Befreiung. nnb der Leser lacht mich am Ende weidlich ans. Dann haben wir alle beide etwas davon. Also: es handelt sich um Sieglinde, Hartmute und Gildrun die Graue. Es handelt sich um meine drei tiriegsgänse Ihre Stunde hat ge schlagen. Ich tann sie nicht mehr ek halten« Als ich sie erwarb, blühten hie Jn nirolen. Als ich sie erwarb, sproßte aller Ecken nnd Enden das Gras, und der sette Löwenzahn wucherte dazwi schen so üppig, das; es zum Ver-zweifeln w.1r. Wenigstens siir Gartenhesitzer. zslcn überhaupt der Garten! Man mertte eH ihm an, daß schon lange Krieg war. Er war ruppig und strap pig geworden; es tonnte ihm wirklich nicht viel schaden, wenn ein paar Gän fe nach Herzenslust darin weideten. Sie empfahlen sich nach Lage ver » Dinge aus wirtschaftlichen Gründen . .. man versteht, ohne daß ich weiter darüber rede. So ein paar gntgemii stete Vögelchen werfen auch über die fettiirmste Zeit noch einen freundlichen, sagen wir: »schmalzigen« Schimmer. Außerdem bin i ein Unruhegeist, der immer etwas eues haben muß. Und ich wickle persönliche Neigungen mit Vorliebe in allgemeine, wirt schaftliche, sittliche oder sonstige geist nnd herzbetvegende Gründe. Es macht sich gut, lostet rein gar nichts und verleiht dem Vergnügen ideelle Un terlagen. Doch ich will nicht abschiöeifen und bei den Gänsen bleiben. Hochgelobt ver Tag, an dem sie erschienen! Etwas mager, zerzanst und kümmerlich wal schelten sie an... bei-armen von der weiten Reise ans Galizien, halb ber durstet und von Zweifeln geplagt, wag das Geschick iiber sie beschlossen hätte. Sie wurden von der ganzen Familie erwartet und feierlich in Empfang genommen. Liebe Güte, seit zwanzig Jahren wohnt man nun in oder bei Berlin; nur als Sehnsucht anb» Sonntagsheimweh lehrt die Erinnerung an die Kleinftadttindheit noch manchmal zurück, und wäre der Krieg nicht getommen, der die ganze Welt auf den Kopf stellt, so hätte ich wahrlich nicht im Traum daran ge dacht, mir jemals Viehzeug zu,halten. Nun aber packte mich doch die Rüh rung. Es schien mir, als läme das Land meiner Kindheit zu mir oder schielte mir seine Boten: eben die drei watschelnden, schnatternden, durstigen Fremdlinge, die in unsere Kultur ihre angestammten Naturlaute brachten. O, sie sollten et- gnt haben! Wir haben sie also zunächst be nannt. Da war eine kleine chnees weiße: die war besonders mager, aber sie hatte gleichzeitig etwas sähe-l und Festes. Jch will hoffen: nur im Cha rakter, nicht im Braten. Sie sollte nach meinem Vorschlag hartmute beißen. Denn, sagte ich, sie soll uns immer daran erinnern, daß wir har ten Mut und die Zähigleit des Durch haltens haben müssen, wenn wir be stehen und das Ziel erreichen wollen. Die zweite war stolzer und schöner. Sie hatte etwas Edieö und Schwa nenlfafieiL Auch sie war schneeweiß, nur unten, vom Beinansac angefan aen bis zum Flügel, zog sich ein schwärzliches, sehr distret wirtendes Band. Sie trug es wie den Hosen dandordem :«Vonny soit qui mal y »t-eiife. Diesen trefflichen Vogel, sprach ich zu den Meinen, wollen wir be sonders ehren. Er soll uns Verhei fnmg des erfehnten Sieges sein. lind im Herbst, wenn Sieg und Frieden ja hoffentlich da sein werden« soll Sieg linde uns den Fest· und Jubeibraten abgeben «Biieb noch die dritte, die Grauet Es machte S wierigieiten, sie tref fend zu benam en. Sie stand abseits von den beiden andern, unbeteiligt, wie das Geschöpf einer anderen Rasse und spähte gleichsam sehnsüchtig in die Ferne, als warte sie auf etwas zeominendet. Da haben wir an Gad run, die einsam harrende, gedacht Auch die Alltteration war hübsch Gudeum die Graue. G war im Ge gensatz zu dartmute und Sieglinde ein mehr neutraier Name. Später stellte sich übrigens heraus dasz Gad run die bissigste war. Es ist ja möglich, daß ein ländli cher Leser diese drei Namen höchst preztöd finden wird. . . wie sagt man auf deutsch? Sagen wir: geschwollen! Aber das liegt in der Zeit; ich lann heilig versicheru, daß die Gänschen, die mit meinen Mädels zusammen in die Töchterschule gehen —- nein doch, ins Lyzeumt —, noch ganz andere Barnamen haben. Man wagt schon gar nicht mehr danach zu sragen; man tammt sich immer halb beschämt dor, wenn an einem semmelblonden Marte chen irgendeine genialsverkiictte Ett lette baumelt. Da bin ich wohl schon wieder ans Ums und Abwegen2 Ach, ich glaube, es geschieht instinktiv, ich möchte das Leben meiner Gänse mit allen Mit jteln derliinderm An Stoss fehlt es lmir nicht; ein ganzes Buch könnte ich mit den Taten, Meinungen und Er ’lel)nissen meiner Kriegsvögel stillen· Ader es fehlt mir an Futter-. Der IFuttermangel beschleunigt das ditiere ?Ende. Und ob ich mit Menschen- nnd mit Engelszungen redete —- einmal musz ich doch den Schlußpuntt machen, und einmal blin das scharse Mes ser. hartmute, du wirst deinen harten Mut bald brauchen; Sieglinde, du wirst den siegreichen Frieden nicht mehr erleben; Gudrun, du wirst bald nicht mehr harrend in die Ferne spähen! » Was Wunder, wenn da noch ein mal die Erinnerungen um die Zeit ’treisen, die wir gemeinsam verlehs ten! Mit welchem Ungestüm habe ich mich daran gemacht, einen Stall fiir die rotbestriimpften Gäste zu bauen! Ein halbes Dutzend alte Biißerliften habe ich im Schweiße meines Ange sichts in ihre einzelnen Bretter zerlegt, um das Gebäude zu errichten. Immer wieder ging die lustige hätte in die Brüche, trotzdem mein Nagelverbraiich ins Ungemessene stieg. Aber als die Glocken Feierabend läuteten, hatte ich eö geschafft. Jch gebe zu, daß ein Tischler verschiedenes daran aus-use ten gehabt hätte. Das ganze Ding Zwar. unter uns gesagt, hervorragend iwindfchief ausgefalleu. Mast begriff nicht recht, nach welchen Gesetzen es sich eigentlich aufrecht hielt. Es ge hörte viel Wohtwollen und Liebe da zu, um es als Gänsestall zu erkennen. Schon hörte ich das Hohngelächter meiner Freunde, als mir ein genia ler Einfall lam. Es war das Ei des stolumbus. Jch dinfelte die Bretter nämlich bunt und fröhlich an und gab den Kindern Auftrag, die Glock chen ihrer abgelegteii Hanipelmänner an allen Winkeln iind Ecken zu befesti gen. Seitdem wirtt der Stall nicht mehr dilettantisch-lomisch, sondern ’verbliiffend. Er ist nicht nur- lustig, Her hat beinah Eigenart und Stil ge wonnen. Weshale Weil ich tiihn mei ne Not zur Tugend und mein Un vermiigen zur Eigenart gestenipelt ha be. Das Rezept dazu gewann ich aus der neueren Literatur. Und unter der Bezeichnung «Gefliigelheim im chine sischen Stil« ist mein Gänseftall nun gerader eine Sehenswiirdigteit. Die hauvisache blieb, daß meine Tdrei Vögel sich darin auch behagten. »Ich behaupte mit Stolz, daß dies der iFall war. Jeden Morgen, wenn ich mich mit dein Futteraan blicken ließ ierhoben sie ihre Stimmen zu einein ’ohrenbetiiubenden Konzert. Jede hat te mir etwas Fu sagen; jede versuchte die andere zu überschreien; jede be mühte sich, ihre seelischen Regungen möglichst vernehmlich auszudrücken Jn die hellen Fansaren von Sieglini de tönte der Paß von Gudrun, wäh rend hartmute sich mit zäher Aus »dauer in einer Mittellage bewegte Nach dieser ftürmischen Begrüßung gab es dann eine kleine Frühstücks paufe, während der ich meinen drei Gesellinnen das. Bad rüstete. Da ich teinen Teich im Garten habe, so pfleg te ich große Abwaschwannen auszu ftellen, nnd es war ein Hochgenuß, mit anzusehen, wie Cieglinde das hosen bandordengefchmüclte Bein hob und über den Rand fort in die gefüllte Wonne glitt. Erst gründelte sie ein wenig, dann bog sie ihren töstlichen Hals zurück und ließ ihn über den Rücken rollen. O, man muß das gese hen haben! Man muß Zeuge dieser natürlichen Windungen und Bewegun gen, Zeuge dieser Anmut der Linien gewesen sein, um meine Begeiftecung zu würdigen! Es ift völlig ausge schlossen, daß wir Menschen jemals etwas Aehnliches zuwege bringen. Der dritte Programmpunkt war ein nemeinsamer Morgenspaziergang. Täglich nach dem Aufstehen pflege ich im Sommer durch meinen Garten zu lustwandeln, die Zigarre im Munde, die Hände auf dem Rücken und das weise haupt in abgrundtiefen Ge danken leicht gebeugt. Schon vom zwei ten Tage an fühlten meine Gänse das «·.—·——I-«-«—».- « , .-—-..--- —.-. ...«,..-- —,.-«..,.·,»·» . Bedürfnis, sich mir anzuschließen. Es war offenbar ein Vertrauensbeivei5, den ich nicht wohl ablehnen konnte Jn der nach ihnen benannten Marsch att wirtschelten sie bedächtig hinter mir her, Sieglinde, Hart-mite, Gad run, eine hinter der Anderen, und ge nossen die Morgensriihe in gleichem Schritt und Tritt. Blieb ich stehen, so hielten sie; ging ich weiter, so folgten sie, und wahrscheinlich um den ten ren Pfad, den sie mit mir wandelten, auch später wiederzufinden, ließen sie in Abständen Merkzeichen fallen. Glückliche Tage! Noch war der herbst weit; noch huschte lein Schat ten iiber die Seele, die sich im Ein klang mit der Natur und allen ihren Geschöpfen befand; noch sproßte rings um das nabrhafte Grün in reicher Fülle. Aber ein iluger Mann baut vor. Und als der Hafer eingefahren wurde, strich ich unter der Miene des lässigen Spaz"ergäitgers die Land straßen entlang nnd sah nach dens töstlichen Aehren empor, die von den? hochgetiirmien Wagen an den Zwei-i gen hängen geblieben waren. Es tams mir zusiatten, dafz ich in verklunge ner Schulzeit ein trefflicher Turnerz gewesen war. Jch darf ohne Ruhm-s sucht sagen, daß meine Leistungeni im Hochsprnng sich auch jetzt noch! sehen lassen können· Die Bäume tön-» nen davon erzählen — die Bäume, an denen ich nach dem hänqenden Hafer eniporbupptr. Ach, wäre ich der einzi-. ge gewesen! Aber der halbe Ort hat te sich Kriegögänse angeschafft, und selbst Geheimrate a. D. singen ver zweifelt zu huppen an. Sie waren schon zu steis; es ging nicht mehr. Da stöckelten sse mit icheuem Seiten blick auf die Stoppel-i und nahmen gleich Ruth, der schönen Ehrenleserin, das wenige mit, was die Hunger-har te übrig gelassen hatte. Ja, wir Städ ter haben die lieben Gottesgaben erst 1916 so recht schätzen gelernt. Mein flügelschwingendes Kleeblatt ahnte nichts von den Anstrengungen, mit denen ich seinen herbstlichen « uts tervorrat einhamsterte. Ich bin an die Dörser gewandert und habe die älte sten laut-wirtschaftlichen Verbindun gen ansgesrischt; ich habe mir von heinz eine Tüte voll haser scheuten lassen und Kunz heimtiiclisch durch eine Zigarre bestochen, mir ein Pfund abzulassem Jch habe geschnieichelt und acheuchelt; ich habe ungezählte Meilen aus Schuster-H Rappen gemacht, bis ich mein Ziel erreicht hatte, bis aus dem Päckchen ein Säckchcn, aus dem Säckchen ein praller, stattlicher Sack aeworden war. Dickbäuchig, stramm, altenlos stand er da, meinem Herzen ein Wohlgefallen und allen anderen Tierhaltern des Ortes eine Quelle unendlichen Neide-. Heißt das: wenn sie den Sack gesehm hätten! Aber ich habe ihn schnmhast im verschlossenen Kleiderschrant verborgen. Mit jedem Körnchen geizte ich« nnd erst als der frühe Frost einsetzte, mußte ich wohl oder übel mit meinen Schätzen her ausrüctecr. Ja, es ist Herbst getoorten. Aus den Gartenwegen raschelt das Laub, und wenn Sieglii de, Hartmnte, Gad run mit ausgebreiteten Flügeln von weitem aus mich zufahren, wirbeln im Lustzug ihre Schwingen hunderte von Blättern auf. Der Herbst hat mich immer schon traurig gemacht, aber noch nie so wie in diesem Jahre. Denn mit Riesenschritten naht das unabwendbare Schicksal. Der chinesi sche Stall ist siir die kalten Nächte nicht eingerichtet, selbst die Birnmel aliiclchen können darüber nicht hinweg täuschen. Gudrun hat bereits einen Itatarrh Schlimmer noch ist es, daß der Satt immer saltiger und schlasser wird. Er stritt in sich selbst zusammen. Ich tann mir ausrechnen, wann sein Grund erreicht sein wird. lind dann? Ach, ich wage gar nicht daran zu denlen. Aber es nützt doch alles nichts! Jch fühle, daß in dem rohen Busen der tröchin Mart-gedan ten leimen. Jch selbst habe mit einem Lächeln und einein Scherz eine schüch terne Andeutung gemacht. Es war Galgenhutnor, dirs Lächeln war kränklich. O, ich sehe ja alles ein; ich sehe ein, daß es nicht möglich ist« meine drei Freundinnen durch den Winter zu bringen; ich sehe ein, baß ich ein unbrauchbarer Mensch bin, der es nicht verdient, Gänsebraten zu es sen. Aber man tann sich halt nichtl umtrempeln. Und ich habe einen gross seen Schwur getan, niemals wieder Schlachtvika zu hatten. s Seit Wochen griible ich, wie ichs meine Drei erretten kann. Die Unruhes treibt mich mitten aus der Arbeit auH Phantastische Pläne wurden ges-ists lund verworfen. Jch habe die tägliche; sffuttermenge verkürzt, ukn aus diese« Weise das Leben der Getreuen zu verlängern. Gewiß, sub specie aeterni ist es wohl gleichgültig, ob sie eine Woche länger des Lichtes sich freuen, aber ich halte diesen Standpunkt für falsch. Man muß sich in die Seele der Gänse versetzen. llnd mit dem heiligen Franz von Assisi möchte ich in einein warmen Gefühl die Arme ausbrei ten: »Meine Schwester, die Ganöl« Es ist jaininerschade, daß ich dieses Gefühl nur in Menschenlauten aus drücken tann. Da verstehen es meine Kriegdvögel nicht. lind wenn ich mec ne Liebe ihnen in saßbarer Gestalt zeige, indem id- ihnen ein Uebermasz nabrhaften Haerg verschütte, dann beschleunige ich ihr Ende. Jst das nicht geradezu ein tragischer Konflilt, würdig, von einem Dichter geformt zu werden? Einmal schien ein kurzer Lichtschein in mein Seelendunlel zu fallen. Es waren nämlich Diebe an der Arbeit. Im ganzen Ort wurde darüber ge klagt. Da dachte ich mir heimlich: Wenn nun die Giin e vorher gestohlen würden? Der chinesische Stall wird den Langfingern keinerlei Widerstand entgegensehem Natiirlich würde ich mich auf der einen Seite fchauderhaft ärgern, aber auf der anderen würde ich unfehlbar das Gefühl der Be freiung verspüren. Mein Gewissen wäre entlastet; eine Verantwortlich teit tviche von mir. Doch wie das so geht:: links und rechts haben die Herren Einbrecher Gänse gemaust, selbst aus festen Ställen, nur an das Geflügelheim im chinesischen Stil hat sich teiner gewagt. Vielleicht weil sie hinter den Hampelmannglöckchen ir gend welche Tiicke vermutetenl Was weiß ich... kurz und gut, Sieglinde, hartmute, Gudrun sind jeden Mor gen bollzählig. Jhr Schicksal bleibt auf mir sitzen. Und nächster Tage muß es sich voll enden. Schon stößt das Schöpsgesiisz ans den Grund des Sacke-L Heute nnd morgen werden ich den Futter naps noch stillen können. Uebermor gen nicht mehr. Jch werde übermorgen eine dringende Reise nach Leipzig an treten. Man versteht» ., ich muß den vorstehenden Artikel in der Druckerei persönlich torrigieren. Erst am Abend werde ich zurückkehren Jin chinesischen Stall wird es dann still sein. Nie mals mehr wird mich das schmettern de Triumphgeschrei der Rotbestrurnps ten grüßen. Gespenstisch werden die läppischen Glöckchen von dieser Miß geburt aus Kistenbrettern und Dach pappe biinmeln. Aber too sind die Ge treuen, die hier Heimat hatten? Jch werde nicht nach ihran Mörder fra gen; ich will nicht wissen wie sie ge storben sind. Jch will nur wissen, wieviel sie wiegen. Und es bleibt fer ner bei dem, was-« ich gesagt habe: Sieglinde liefert den Festtagsbraten zur Feier des Siege-s- und Friedens! Wir »wecken« sie einsach ein, und trenn die Zeit ersiillt ist, lassen wir sie nuserstehen. Mit einer Träne der Rührung wer de ich mir dann die .steule aneignen, iiver die sie so vornehin einst den Ho senbandorden trug. Ach, der Mensch hat rohe Jnstinite: sic wird mir gut schmecken. Und jedem Leser, der nnd nicht allzusehr auslacht, wünsche ich von Herzen einen ähnlich angenehmen Trommelstocil —-.--— jliie Wer-klomm Ztizzc von Jlsc Oe Tromm. Ueber die sastgriinen Frühlings iviesen tlang vielstimmiges Glocken liiutcn durch die blaue Luft, die so wundersam tlar nnd hell war, dafz Komtesse Graningen mit einem Ge fühl tiefen Behagen-z anf die Schloß lerrasse hinaugtrat und mit glücklich lächelnden Blicken in das Frühlings ivunder hinausträunite. Aus dein Garten ströniten ganze Duftwellen zu ihr hinüber —- blü hender Krotus lugle neugierig aus dein Rasen — und dicht gedrängt standen Veilchen auf gutgepflegten Beeten. Komtesse Beate ging langsam die weißen Sieinstusen hinunter. Jhr Herz war erfüllt von Dankbarkeit und Zuversicht. Wie eine neue trö stende Verheißung war es iiber sie ge kommen. Jhr Vater, den sie seit eini gen Jahren aufopfernd pflegte, fühlte sich heute frischer denn je — und der Arzt, der täglich vorsprach, stellte des Vaters Genesung für die allernächste Zeit in Aussicht. Nun wollte sie ihm einige duftende Ostergrüße auf den Frühstückstisch legen. Er liebte die Blumen unendli —- und hatte sich besonders in diecfem Jahre so sehn süchtig auf den Frühling gefreut. Sie schritt über die hellen Kiesivege — da hörte sie plötzlich ein heftiges Schsuchzem nnd als sie hinter ein Buschtverk spähte« fah sie ihre Jung ser, die ihr Gesicht tief in ihrer Schürze verborgen hielt. ,Aber was machen Sie denn, An na? — Sie weinen? So reden Sie doch! Es muß Ihnen doch etwas pas siert sein.« Das Mädchen blickte aus. Jhre großen, tränengesüllten Augen mach ten einen todungliicklichen Eindruck. Jhr Mund zuckte so heftig, daß ihr das Sprechen unmöglich war. Erst als die Komtesse ihr gut zuredete, beichtete sie ihren Kummer »Ach— ich bin das unglücklichste Geschöpf der Welt,« hab sie tiestraus rig an. Beate Graningen lachte. »Sie sind nicht klug, Anna. —- Sie haben gar keine Ursache, unglücklich sit-sein. —- Sehen Sie nur, welch’ ein herrlicher Tagi« »Eben weil es heute so schön ist, gnädiges Fräulein, da stillt es einein doppelt schwer aufs Herz, wie einsarnl und verlassen man is. « —- Sie wein te wieder. »Ich verstehe Sie nicht — Anna. — Sie haben keinen Menschen im; Krieg, der Jhnen nahesteht. — Den ten Sie doch nur an alle die ander-is Frauen, die heute in Sorgen um ihre Lieben sind. Das Mädchen war ausges prangen. ! »Ach, du gerechter Gott, gnädiges Fräulein, mein Schatz ist doch sorill Jch habe nur nicht davon gesprochenJ »weil wir uns noch nicht verlobt ha« ben. Jm vorigen Jahre —- es war Ostern — nnd so schön wie heute war es — da hat er mir gesagt, daß er mich lieb hat —- und wenn jetzt der sKrieg nicht gekommen wäre — dann Die Komtesse war aufmerksam ge worden. »So? —- Ja, sagen Sie mal wer ist denn der Glückliche?« Nun lachte die Zofe. »Mein Schatz ist dosh des Herrn Barons Diener —" , Sie wies mit der Hand über die. Erst hinweg, die sich silbern glänzend dahinzog Beate bekam Herzilopsen Drüben wohnte Baron Bensdorf. —- Man sah die Zinnen des Schlosses über die Bäume des Partes binausragen Mehle nicht eine Fahne vom Turms Sie wandte sich ab. Jhre Nerven täuschten sie. Der Baron war in der Front — nnd seither lag das Schloß leer und unbewohnt. —- Sie vergaß, sich weiter um das Mädchen zu küm mern und ging gedankenversnnien vorwärts. Ein Singen und Klingen umgab sie, und Blumendiiste umko sten sie wie mit linden liebenden Händen. Beates Gedanken schweiften zurück. Jm Borjahr war im Pakt von Gra ningen ein Frühlingssest gefeiert wor den. Die Osterglocken hatten damals wie heute so feierlich-selig durch die Lust getönt —- und über die blumi gen Wiesen waren fröhliche junge Menschenkinder geschritten, die sorg los nnd glücklich in den Tag hinein gelebt halten« — Und Baron Betts-. oors hatte mit ihr getanzt nach den süßen, einschmeichelndcn Melodien, die irgendwpher erklangen — und sie( hatte sich restlos dem Zauber des Ostertages erschlossen und war bereit gewesen zu seligem Schenken nnd Nehmen. — - Aber Baron Bensdors hatte nicht gesprochen. Nur seine Augen waren. seltsam tief und leuchtend gewesen; —— so leuchtend, daß sie iinmersortj hatte hineinschauen müssen. l Vor einem Jahr! Wie anders lag» heute die Welt! Fern tobten die! Schlachten —- Leben oerbluteten,i ioanden sich in tausend Qualen —i aber hier lachte die Sonne —- sandte Glanz und Licht und ließ Finsternis und Schatten weichen. Die Blumen; blühten wie einst —- nur schöner noch» —- reicher, so schien es Beate — die Erst plätscherte, als hätte sie ihren grünen Ufern lange Geschichten zu erzählen —- und die Lerchen jubelten hoch im blauen Aether-, als sängen tie ein neues und doch urewiges Lied oon Frühlingshossen und Auferste hung. Die Komtesse trat aus dem Parl heraus ans eine Wiese. Wie ein Mär chenwunder leuchtete es ihr entgegen —- in verschwenderischer Fülle bliihi ten Schlüsselblumen unter ihren Fü ßen· Sie wagte laurn ihren Weg fort zusetzen, bückte sich und pflückte Blu men, soviel ihre Hände sassen konn ten. Sie schwelgte ordentlich in den Blüten. — Wie würde sich der Vater sreuenl Damals hatte sie auch Schlüssel blumen zu einem Kranz gewunden —- und er, Baron Bensdors hatte diesen in ihre haare gedrückt, sie be wundernd angeschaut und sie die Frühlingsgiittin genannt. Wie deutlich jede Einzelheit in ihrer Erinnerung erwachte! — Als sei es gestern gewesen, und doch lag ein Jahr dazwischen —-— ein langes Jahr. Sie schalt sich plötzlich, ioeil sie die sen Gedanlen nachhing. Unwillliirs lich trat eine heiße Blutwelle in ihr Gesicht. — Wie töricht sie war! Ba ron Beusdors war in den ersten Kriegstagen zum leßtenmol sür einen Augenblick aus Graningen gewesen, um Abschied von ihrem Vater und von ihr zu nehmen. —- Seine Augen hatten in heller Begeisterun gestrahlt, als er voller Zuversicht gesagt hatte ,,Wir werden siegen — und ich weiß, daß ich wiederkommen werde. — Ich muß kommen -—«' Jhr Vater hatte freudig gelächell. »Das ist recht! So geziemt es sich einem Soldaten. Wenn jeder mit dem unerschiitterlichen Willen zum Sieg auszieht, dann kann Deutschland nicht unterliegen.« — Und sie, Beute, hatte mit zittern dem Herzen dagestanden und in ihrer törichten Mädchenhosfnung erwartet, daß er jetzt von seiner Liebe sprechen würde. — Noch sah sie im Geist sein letztes Winken s-— seine leuchtenden Augen — Aber ihr Herz war still geworden. Die Pflege des tranken Vaters hatte ihr keine Zeit zum Grübeln gelassen — und nur der unvergleichlich herr liche Ostermorgen erweckte diese Erin nerungen. Sie schrak heftig zusammen. Das Wiehern eines Pserdez hatte ihr Ohr erreicht. Am Parkrand stand ein Reiter, der unverwandt zu ihr herüberschaute. Ihr Herzschlag setzte einen Augen blick aus. War das nicht Bensdors —- an den sie dachte? — Es mußte eine Holla zination sie narren. Wie sollte er hierher kommen? Unmöglich war-T Aber winkte er nicht? Saß er nicht ab vom Pferde, und band er es nicht an einen Baum? — Kein Zweifel. Durch den sonnengoldenen Tag kam Bensdorf. »Meine Ahnung betrog mich also doch nicht. Jch hatte das ganz be stimmte GefiishL daß ich Sie gerade hier an dieser Stelle tressen mußte,«' sagte er nach der Begriißung Komtesse Beate war über und über erglüht. Sie fand keine Worte. Die Verwirklichung ihres Traumes war zu iiberraschend gekommen, als daß sie sich so schnell hineinfand. »Ich habe einen ganz kurzen Ur laub, Komtesse, den ich in der Hei cnat verbringen darf.« »O —- ich —- ich freue mich so schr, Sie gesund zu sehen — »Wirklich? Haben Sie an mich ge dacht?« Sie nickte. »Ich habe mir Jhketwrgen soviel Sorge gemacht,« sagte sie ehrlich. Er führte ihre Hand an seine Lip pen. »Komtesse —« Da schaute sie frei miitig zu ihm auf. »Ja —- besonders heute, vorhin-— waren meine Gedanken ganz bei Jhneu. — Wissen Sie noch —- vor einein Jahr?« ,,—- Da fühlte ich zum erstenmal —- dasz ich Sie liebe, Komtesse — aber ich hatte nicht den Mut, es Ihnen zu sagen. — Hab’ mir da mals, als ich in den Krieg zog, ge schworen, erst Ihrer würdig zu wer den. — Und wenn ich heute fragen dars: — Beate —- willst du mein ge liebtes Weib werden?« — Sie schloß die Augen und lehnte sich in einer Schwächeantvandlnng ge gen ihn. —- Endlich blickte sie auf »Dann antworte ich —- dasz ich durch dich das seligste Weib aus Er den bin!« — Baron Bensdors zog sie innig an sich und küßte sie aus die Stirn. »Mein Lieb — nun erst ist mir mein schönster Lohn zuteil geworden. —- Zwei Kreuze half ich mir errun gen — jetzt dich!« — Beate betrachtete erfurchtsvoll die schlichten Ehrenzeichim die ihn schiniickten. Nun wanderten sie über die blu mige Wiese zurück. Der Baron band Isar- Pserd ab und führte es neben sich her. Der Waldboden war iibersät mit zartglockigen Anemonen und Veilchen —- und töstlicher Dust stieg von ihnen aus. —- Sichereö Zeichen-»Ich bin glücklich, Emma liebt mich!« »Hm sie Dir’8 gestanden?« »Nein, aber als wir gestern im Hause ihrer Eltern beisammen sa ßen, zog ein Regiment mit klingen dem Spiel vorbei, und sie ist — »nicht ans Fenster gelaufen!« «