«-...».«»»W«--»-« 1 Aus Ringen » werden-Ketten sinnen von seiest koste-Its (12. Fortsetzung) »Verzeih' mir, Hedwig, daß ich sie F genannt habe. Nur damals war e das. was ich rücksichtslos aus prach. Verzeih mir. Jch habe das alles griindlich gebiiszt Schon bald kam ein bitterer Tropfen in meinen Freudendecher. Ein paarmal. wenn ich zu ihr kommen wollte, sagte sie — mir unter einem Borwand ab. Unter den Theaterleuten lam das Gerede von einem neuen Liebhaber der Ku newla ans; ein älterer, sehr vermö endet Herr sollte der Begünstigte ein. Ein Rentier Deininger, den man mir im Theater zeigte. Jedes mal, wenn sie spielte, saß er in der Proszeninmloge nnd von der Bllhne slog mancher versprechende Blick zu ihm hinüber-. Ich wurde sast rasend vor Eifersucht, wenn ich solch einen slick demertte. Unsere Beziehungen tten während meiner herbstserien onnen, seht war es am Weihnach ten. Mein Iernsein in der Zwischen seit hatte sie wohl veranlaßt, einen anderen Freund zu s Jn einer Institan die halb chon Geistes tranlheit war, hatte ich Weihnachten bei meinen Eltern verbracht. Ader nur die beiden Feiertage —- der On tel soederte mich zuriich sagte ich ihnen. Dann gleich wieder nach Nürnberg. Erst nach Hier-saht emp sing sie mich wieder — da sah ich einen Ring an ihrer hand, einen neuen, den sie nie vorher getragen hatte. Er war aus ineinander gewun denen, goldenen Schlangen gebildet. Jch forderte Rechenschas:, von wem sie den Ring habe; sie lachte mich aus, belog mich, wurde zuleht heftig nnd wies mir die Tür. Nun sing ich an, ihr auszulanern in jeder sreien Minute, besonders nach dem Thea ter, weil ich dann srei von Arbeit war- Einrnal sah ich, wie sie mit die sem Deren Deininger am Bühnen ausgang in einen Wagen stieg, und hörte, wie er demftutscher die Adresse von einem eleganten Resiaurant nannte, wo man in ungenierien Ka dinetten miteinander sonpieren konn te.« Düringer schöpfte tief Atem. Es war so still im Zimmer, daß man das Rollen eines Wagens auf der Straße und einzelne Menschenstim men deutlich vernahm. Ein Frauen iachen erltang dort unten, hell, hei ter, grausam in seiner gegensählichen Fröhlichkeit »Ich wußte damals taum, was ich tat. Arn Abend nach jenem, an dem ich die beiden zusammen gesehen hat te, war die Kunewia unbeschiiftigt Jch überraschte meinen Freund mit der Bitte, an diesem Abend wieder meine Rolle in der Bibliothec zu spie len. Das war sonst nur geschehen, wenn die Kunewta zu tun hatte. Mein Zweit war diesmal, zu beobach ten, ob Deininger zu ihr ginge an dem freien Abend. Er — mein soge nannter Freund —- war für seine drei Mart mit Vergnügen bereit, mich wieder zu vertreten. Allzu oft war es nicht geschehen, vielleicht sechs mal im ganzen; ee war doch schließ lich ein gewagtes Spiel. Jeht aber war mir alles gleich; ich wollte dem Rebenbuhler auflauern um jeden Preis. Und ich hatte Gliick —- wenn man dies gute Wort so mißbrauchen will. Jch traf ihn ganz nahe bei der Wohnung der Kunewtm auf einer einsamen Stelle iiber dem Wallgras ben. Als ich ihn tommen sah, trat ich ihm in den Weg. Jch verbot ihm, zu der Kunewta zu gehen, er lachte mich aus« Dies Lachen machte mich oollendi rasend. Jch packte ihn an mit Gewalt, wollte verhindern, daß er den Weg fortfehtr. Da geriet auch er in Wut; er war nicht mehr fung, aber kräftig. Wir kamen ins Ringe-; meine wütende Leidenichaft machte mich ihm iiberlegem Jch drängte ihn vor mir her —- plöhlich sah ich, daß hinter ihm die Tiefe war, der Ad sturz in den Wallgrabem Er ahnte wohl die Gefahr, faßte mich an der Kehle und sing an, mich zu würgern Da riß ich mit einer ungeheuren An strengung seine hönde bon meinem hats und gab ihm einen Stoß, daß er hinteniibertaumeind hinab in die Tiefe stürzte-« ( ·O mein Gott, mein Goii!' »Dann-is ries ich auch zu Gott« wie du es heute tust. Einsehen vor mir selbst packte mich nn, Todesangst vor den Menschen. Jch sah mich um« oh niemand uns gesehen hatte — nein« tein Mensch war in der Nähe. Dann stiegichtm aus einein lime hin unter in Ihr-ändern schlich mich rote ein versolqtes ier su der Stelle, too er inq. Jch hosste noch daß er nrn Leben wäre; der aber, den ich dort unten fand, tvnr ein toter Mann. ch histte mich selbst unsrigen und Leu e ur Diise herbe holen vi len, aber i war zu seiqe dazu. einsnmsien Wesen iies ich no gnuse, direkt in den Arbeits-rennt der ib,iiothet wo mein Vertreter saß. In den Wänden waren ein paar Spiexjeh er sah mich in dem einen, und ch sah ihn darin. So sehr ich mit anderen Dingen beschäftigt war, ) so weiß ich doch noch genau, wie das Grausen vor mir selbst immer stär ker wurde, während ich mein eigenes Bild so, tot und lebendig vervielfäl -,tigt, gerade in jenem Augenblicke vor ’mie sah. Mein Stellvertreter besaß eine kalte Ruhe, die mir auch bei ge ringeren Anlassen fehlte. Sobald er mich im Spiegel sah. rief ee, ohne sich nur nach rnir umzuwenden Bleib ruhig an der Tiir dort stehen. Das wäre eine schöne Geschichte, wenn dein Onkel dich hier in zwei Auflagen auf einmal sähe· Was um Teufel ist geschehen, daß du so szriih wiederlornmst und ausstehst wie ein Geist? Jch war troß meiner Ver zweiflung und Angst klug genug, ihm zu gehorchen nnd an der Tür stehen zu bleiben. Von dort aus erzählte ich ihm, was geschehen war, erleichterte mir durch Selbstanklagen das herz. »Ich habe gemordet, gemardeti« rief ich ihm zu; denn ich empfand alt Mord, was in Wirklichkeit ein in sinnloser Leidenschaft begangener Totschlag und halbe Notwehr gewe sen war. Jch beschwor ihn, mir zur Flucht zu verhelfen, rnir eine Verklei dung zu schaffen, in der ich fliehen könnte. «Warum·i« war alles, was er in seiner kiihlen Art antwortete. «Du haft ein Ulibi. Dein Onkel wird beschwören. daß du das Hans nicht verlassen hast. Und ich verrate dich ni t. El wird sich schon ein-nat eine Geogenheit finden. bei der du dich revanchirren kannft.« Jch fing an zu hoffen, dankte ihrn in iiberschwenglii chen Worten. Und es ging wirklich so, wie er ei vorhergesagt hatte. Zur Untersuchung kam es, der Tote selbst hatte durch die Aeußerung auf mich hingewiesen, daß er meine Eifersucht und mein leidenschaftliches Tempera ment fürchtete. Zum Glück fiir mich beschränkte sich das Gericht auf die eine maßgebende Frage, ob ich an dein Abend zu Hause gewesen sei oder nicht. Mein Onkel beschwor, daß ich die Wohnung nicht verlassen hätte, daß ich den ganzen Abend iin Biblio thekzimmer bei der Arbeit gewesen wäre. Das entschied. Man kam zu der Ueberzeugung, daß der Tote ver unglückt wäre, und ich war gerettet.« »Gerettet!« wiederholte Hedioig leise, doch ohne Befreiungston, wie ein mattes Echo. Jhr Gesicht hatte die Todesangst gleich einein Spiegel wiedergegeben, die bei den furchtba ren Erinnerungen in seinen Zügen wieder ausgelebt war. l Milde schlosz Düringer siir ein paar Selunden die Augen, dann hob er langsam den Kops und sah Hed wig sest ins Gesicht. »Nun ist es her aus. Du weißt nun, was du wissen solltest. Was daraus kommen wird, muß ich tragen — ich hab' es in all den Jahren gelernt, manches zu tra gen-« »so tragen —- was'i« »Er, der mir geholsen hatte, kannte seinen Preis. Anfangs, als ich selbst noch in beschränkten Verhältnissen war, blieb er ziemlich bescheiden. Vor Ostern aber starb mein Großvater, wir wurden vermögender, und nun ging er mich mit Bitten an, ihm die Mittel zu geben« ein Schauspieler zu werden. Jch tat es, toar sroh, mich dankbar zeigen zu können. Darbte lie ber selbst und ließ ihm zukommen, was ich erilbrigen konnte. Das ging eine Zeitlang so hin. Bis er einsah. daß er es als Künstler dognie zum höchsten bringen würde. as musz ihn surchtbar getrossen haben. Seit jener Zeit sing er an zu trinken, zu spielen, verlor und schrieb mir Brie se, baß ich ihm helsen sollte. Mit schweren Opsern hab' ich es immer wieder getan. Als ich ihn endlich ein paarmal abwies, ging er von Bitten zu Drohungen über. Die Kenntniss von meiner Schuld gab ihm Gewalt über mich. So hat sich's immer wei ter hingeg en bis vor kurzer Zeit.« »Ich wei es.« »Du weißti« »Ja —- burch einen Zusall. Jch sand seine Briese unter einer Schub lade in deinem Sekretiir.« »Dort hatte ich ein paar von ihnen versteckt, um im Rotsall eine Waise gegen ihn zu haben. Wenn du sie schon kennst, tann ich es mir ja spa ren, sie dir zu zeigen.« Sie antwortete nicht. Ein Schweiz gen trat ein, so lastend schwer, daß Dliringer es gleich einem aus ihn gelegten Gewicht empsanb. Ein paar mal seite hedwig vergeblich zum Sprechen an; endlich brachte sie eine Frage heraus. »Du willst auch jetzt noch nicht mit l anderen darüber sprecheni« ( Außer mit Riitner — nein. Jch habe geschwiegen und werde schwei gen. Denn ich weiß, wenn diese Schuld bekannt wird —- mog sie ver fährt sein oder nicht —- st meine Stellung dahin, ich bin entehrt in den Augen der Welt. Und wenn ich selbst sür mich allein et tragen woll te, um deinetwillen, urn Eilis wil len dars es nicht geschehen.« Er schien ans ein Wort von tät zu warten, aber sie schwieg. So fu r er spri .Jch denle in dieser Sache hetite wie vorher. Der Welt gegenüber siihle ich teine Pflicht, mich anzukla gen wegen jener alten. verjührten Ju enbschuld. Aber wenn ich gegen alle schwieg, i hätte bir gegenüber nicht schweigen iirsen.'· Er sah sie an und sah, daß ihre Ausmerlsaniteit nur halb seinen Worten gehörte, daß ihre Gedankens bei anderen Dingen weilten, die sie viel mächtiger fesselten. Sie tämpfte mit aller Macht sie nicht laut wer den zu loffenz sie preßte die Hände fest ineinander und beugte sich nieder, ganz tief, als wenn sie eine mächtige Bewegung mit Gewalt unterdriicken wollte. Dann aber brach es do plählich aus ihr hervor mit leiden chaftichen Tränen und leidenschaftlicheren Wor ten. Alles um sie —- alleö um sie! So lange, lange haft du sie gekannt, haft sie geliebt, sie alleini« »Hei-mig! hedwigt" »Ja, ja, ja —- sie nur ist es ge wesen, die du geliebt haft alle die Jahre hindurch. Wenn du mir von Liebe gesprochen hast« wenn ich in deinen Armen gelegen habe —- du hast immer nur an die eine geda t! Sobald sie hierherlam, hat es dch wieder zu ihr getrieben« — «Das hat es. ich gestehe das ein. Aber ei war ganz anders, als du denkst. Meine Liebe zu ihr war auc gelöscht mit meiner furchtbaren Tat. Nur als ich hörte, lie wäre hier« da hat ei mich doch int Gewalt getrie ben, sie wiederzusehen. Aber nicht aus Liebe. Mi trieb eine sonderbare, geheimnisoo e Begierde, zu wissen, ob dieses Weib, um dessentwillen ich so Schreckliches getan hatte, denn wirklich so gefährlich und derfiihres rifch wäre. Und ich wollte vor allem wissen, ob fie selbst einen Verdacht gegen mich hegte wegen der Tat in Nürnberg. Sie sprach nicht mehr da von, das heißt, einmal nur, als ich den Ring an ihrer hand erblickte, den ihr Deintnger geschentt hatte. Weil sie sah, daß der Anblick mir unange nehm war, sagte sie mir, sie wollte ihn nie mehr tragen, und zog ihn vom Finger. Aber ein Verdacht gegen l mich war nicht in ihr· Andere Ge danten und Gefühle beschäftigten sie; denn sie war jeht in mich verliebt wie früher ich in sie. Nur fiir Augenblicke noch übten ihr Wesen und ihre Schönheit einen gewisseni Reiz auf mich aus. Mein Herz wars seit Jahren bei dir; darum bin ich an jenem Abend auch nicht zur Ku-« newta hinaufgegangen, die mich er-: tvartetek i Dittinger hätte nicht sagen können, ob Hedwig seine Worte gehört und verstanden hatte. Sie saß, das Ge-. sicht in den händen verborgen, und schluchzte stumm vor sich hin. Mitleid und Reue slammten heiß in ihm ans. Er trat leise nahe zu ihr heran. »Höre mich, doch. Hedwig, liebe Hedwig, weine nicht so. Nun ist ja nichts Fremde-, Unausgesprocheneö mehrzioischen uns. Kommst sieh mich einmal an, beruhige dich doch. Man-« be mir, daß ich dich unbeschreiblich» lieb habe, hedwig, wenn ich es auchj nicht mehr verdiene, von dir geliebt zu werden.« i Er beugte sich zu ihr nieder, legte die hände an ihre Schläsen, wollte sie liissen. Aber sobald sie seine Bei rührung siihlte, suhr sie zurück, sprang empor und ries: «J kann es nicht« lann ed nicht —- oh, ies alles ist ja surchtbar!« Damit stürzte sie zur Tiir und aus dem Zimmer hinaus. i sei « Es war schon halb neun Uhr mor gens, aber Julius von Nittner lag noch in seinem Bett im Hotel Con tinental. Er hatte am Tag und Abend vorher ansehnliche Dosen oon Aspirin zu sich genommen, hatte vor tresslich es lasen und seine Tätig leit damt egonnen, daß er einen Pittolo zur Apotheke jagte, um Em ser Wasser siir ihn zu tausen. Als er ein paar Gläser davon mit heißer Milch getrunken hatte, war er noch einmal siir ein Stündchen eingeschla sen, fühlte sich nun merlwiirdig wohl und war sehr guter Laune, weil der drohende Katarrh im Abmarsch be grissen schien. Jn diesem angenehmen Gesiihl stand Rittner aus, kleidete sich- eine Melodie aus der »Bohdme« pseisend, mit langsamer Behaglichleit an, gab Austrag, sein Zimmer sosort in Ord nung bringen zu lassen, und begab sich dann hinunter in den Friihstiicks saal, tvo er sich nach englischer Art mit Beessteal, Tee und geröstetern Brot siir den Tag stärltr. Ali er wieder in sein frisch herge richtetes Zimmer lam, war es bereits siins Minuten vor zehn Uhr, und er hatte sich taum eine Zigarre angeztins » det, als ein Klopsen an der Tilr er-: tönte, und Bruno gleich daraus ein-i trat. ! Riltner lud ihn mit groszer Vers-i lichteit zum Siken ein, tvars aber zu gleich einen be orgten Blick aus sein bleiches, umbiistertes Gesicht. » »Nun, alter Junge, bnbt ihr gut; gestieer «Rein. Gar nicht« »Ein nicht? Worumi« »Ich hatte mich in der Hast ent schlossen, meiner Frau von einer Sa che Mitteilung zu machen, von der ich biiber niemals mit ihr gesprochen hatte. Mir war das Bewußtsein ge kommen, daß ich damit ein Unrecht begangen hatte. Meiner Frau gBens über und ebenso bir. Anderen en schen bin ich keine Rechenschaft schul dig, werde sie auch keinem geben. Aber euch beiden bin ich’s.« »Diese Mitteilung hat euch bie Freude gestöer Ja Von Freude war und ist tleiJ ne Rede mehr-« »Sie wird wiederkommen « »Ich fürchte: nein. Aber höre mich an. Jch will dir sagen, wag ich ge-; stern meiner Frau gesagt habe." i Sie setzten sich einander gegenüber-z ans ein paar Klubsesseh und Bruno begann feine Beichte. Rittner hörte still aus seinen Bericht, unterbrach ihn mit keinem Worte; nur aus sei nem lebhaften Gesichte spiegelten sich die Eindrücke von des Freundes Er zählung. Erst als Düringer zu Ende war, sprach er selbst. »Ich brauche dir wohl laum zu sa gen, alter Junge, dasz diese Vergan genheitstragädie an sich mir nicht sehr tragisch erscheint. Jedenfalls höchst verständlich. Um den Herrn Dein-In ger wird es auch kaum schade gesor sen sein. Wichtig ist nur, was daraus siir dich entstanden ist und wie deine Frau die Sache nimmt." »Sie verschließt ihr Gefühl wieder in sich selbst, wie sie es zu tun ge wohnt ist. Ein leidenschaftlicher Aus bruch gestern, heute stumme Ver schlossenheit. Eins fällt mir aus« so weit sie sich überhaupt geäußert hat. Sie scheint unter der auf mir lie genden Schuld weniger zu leiden als darunter, daß ich die Kunewka schon vor Jahren gekannt und in jener Zeit auch wirtlich geliebt habe.'« »Das ist ihr gutes Recht als Frau, nach dem Gefühl zu urteilen. Und es freut mich fiir dich, wenn sie sich nur in ihrer Liebe getränkt fühlt. Solche Wollen der Liebe ziehen vorüber. Aber diese Sache müßt ihr miteinan der abmachen; ihr werdet schon fertig damit werden« Ernsthafter scheint mir die Geschichte mit deinem Erprefs ser Das ift ja ein netter Junge! Frißt Geld wie Heu nicht wahrt Sage mir vor allen Dingen, wie du die Sache nun zu fingern denlsti« »Ich denke zu tun, was ich bisher getan habe: nicht« »Nichts?« Meine Frau hat vermeintliche Schande genug durch mich gehattz wirtliche Schande will ich ihr erspa ren. Der Welt gegenüber bin ich durch deine Hilfe setzt rehabilitiert Ich dente mich versetzen zu lassen und tann dann weiter leben wie bis her, ohne sichtbaren Makel auf mei nem Namen, wie sich auch sonst mein Dasein gestaltet.« »Du willst weiter schweigen, diesen Lumpen weiter füttern mit deinem guten Geldes« »Wenn es nötig ist, ja.« «8eig' ihm die Zähne, schaffe dir ein- für allemal Ruhe vor ihm.« »Er würde mich sofort beim Ge richte denunzieren, wenn ich das ver fuchte.« »Gestatte, daß ich daran sehr leb haft zweiflr. Dieser nachgemachte Student in Nürnberg und dieser nach gemachte Regierungsrat hier sind nach der Logik der Dinge doch zweifellos identisch. Dein Erpresser hat also notwendig auch die arme Person, die Kunewta, ermordet —- nicht wahr?« «Meiner Ueberzeugung nach, ja. Einen positiven Beweis aber haben wir dafiir nicht.« »8weifellos ist er's. Und ein Mörder macht immer einen weiten Bogen um das Gericht. Außerdem sind Erpreffer an sich immer feige Lumpen, ihrer Naturgeschichte nach. Er wird tuschen wie ein Hund, so bald er die Peitsche sieht. Niemals mehr als jetzt war er in deiner Ge walt.« »Vielleicht, — vielleicht auch nicht. Jch will es nicht auf eine Probe wa gen. So lange Jahre hab’ ich ge schwiegen, selbst gegen euch. Das war ein Unrecht, und ich habe seht versucht, es gutzumachen. Aber der Welt gegenüber will ich bleiben, der ich war-« «glso weiter schweigen?" ,, a.«' »Gut; jeder muß wissen, was ihm zuträglich ift.« »Ich hoffe, daß ich es weiß. Dich aber muß ich bitten, die Polizei nicht auf diese Spur zu hegenk »Das will ich dir versprechen,« antwortete Rittner mit besonderer Be tonung und gab ihm die Hand. »Ich dante dir. Es hat mir wohl getan, mich auch dir gegenüber aus zusprechen. Aber seht muß ich gehen. Jch soll um halb zwölf Uhr beim Regierunasvrösidenten fein.« Hoffen wir, daß er dir ein kleines Pslaster auf deine Wunden legt. So ein »Ob«-" vor den Regierungsrat oder dergleichen. Umsonst braucht man doch nicht unschuldig ein paar Wochen im Loche zu sitzen.« »Das alles tiimmert mich wenig. Wäre nur hedwig —- aber leb’ wohl.'· »Leb’ wohl, altes haus. Und im mer den Kopf hoch, wenn auch der Wind einmal den hat herunterwebt.« Mit einem schwachen Versuche zum Lächeln ging Diiringer binauö. Ritt ner begleitete ihn bis an die Tiir, kam dann zurück, begann eine Me lodie aus der »Bobdme« noch einmal zu pfeier, brach aber mitten darin ab und blieb mitten im Zimmer ste hen, um einen kleinen Monolog zu halten· »Das bab« ich dir mit gutem Ge wissen versprochen, mein guter Brunn, daß ich die Polizei nicht auf diese Föbrte behen will. Aber selber ein wenig Polizei zu spielen, das haft du mir nicht verboten, und ich hab' es dir nicht versprochen So etwas wie W Sicherheitspolizei fiir einen guten Freund. Wer sich nicht selber helfen will, dein rniissen andere helfen-" Sein Kinn mit einer Hand reibend, überlegte Rittner eine kleine Weile stumm; dann gab er seinen Gedanken wieder Worte. »Das wäre doch ein »Testimoniiim paupertatiS«, wenn ichv den Lumpen auf die vorhandenen Jndizien hin nicht herausbrachte. Daß er Schanfpieler ift, wissen wir, daß er Kollege der Toten war, ist höchst wahrscheinlich. Damit ist schon ein enges Netz gezogen, in dein wir den Vogel fangen tonnen Und an ßerdem haben wir die Briefe. Ja, mein lieber Bruno, wenn die nicht wären! Aber sie sind, ich habe sie gelesen, habe die Abschristen dort in der Schublade und ihre Handschrift fest eingegraben in meinem Hirnkai sten. Jch wäre doch ein Esel, wenn ich mit ihrer Hilfe nicht ans Ziel Hörne, nnd ein Esel wiire ich nur nn »gern. Also los!« s Er hiillte sich haftig in seinen Dop pelpelz, ließ durch den Hotelportier ein Anto herbeipfeifen iino gab dem Chaiiffeiir Auftrag« ziiin Stadttheater zu fahren. Ein wenig davon entfernt tieg er aus nnd ging, um lein Auf eheii zu erregen, zu Fuß nach dem Bühneneiiigang, den er frei von Thea terangehiirigen fand; es war offenbar gerade Probe. Den Bühnenportier gewann er sich durch ein reichliches Trinkgeld rasch ziirn Freund nnd er reichte durch ihn sein Ziel, ein Ver zeichnis aller dort engagierten Künst ler einzusehen. Er notierte sich alle . männlichen Personen, deren Bor- oder H Zunanie rnit einem G begann. und bemerkte zu seiner Genugtuung, daß nnr drei von den Herren den ver hängnisvollen Buchstaben in ihrem Namen führten: Hans Gregori, Georg Frank, Wilhelm Giesebrecht« «Eiich wollen wir iins einmal nä her besehen«, murmelte Nitiner und nickte den drei Namen liebevoll zu Sobald er wieder im Hotel ange ioinmen war, ließ er sich iin Schreib zininier nieder und verfaßte drei völ lig gleichlaiitende Briefe an die drei Schauspieler, in denen er anfragte, ob sie die Güte haben mochten, fich an einer Wohltiitigteitsveranftaltung zu beteiligen. Er würde, wenn sie zustimmtem persönlich bei ihnen ver sprechen und biite sie, fiir diesen Ve such eventuell gleich die Zeit anzuge ben, zu der er das Vergniigen haben würde, sie zu Hause anzutreffen. Als er die drei Schriftstiicke dem Ovtelbrieflasten überliefert hatte, ver trieb er sich die Zeit, so gut es ging, im wohlgeheizten Wintergarten seines Hotels. Temperatur und Vegetation befänftigten hier ein wenig die Sehn sucht nach der veriassenen Oase. Am Abend fuhr er ins Stadttheater, tveil einer der drei Künstler, denen er ge schrieben hatte, als Rhadanies in der »Aida« auf dem Zettel stand. Aber das ausdruckslose Gesicht eines dicken Tenoristen, den er in diesem Herrn Giefebrecht kennen lernte, war ihm zu wenig interessant, um lange dort aus zu halten. Am andern Morgen — es war ein Freitag —- erhielt Rittner einen ersten Anttvortbrief, in dem Herr Gregori, der Held und Liebhaber am Stadt theater, wegen dienstlicher tleberan strengung seine Mitwirkung bei der Wohltätigkeitsvorstellung lebhaft be dauernd ablehnte. Rittner oersenlte den Brief sofort in den Papierlorb Ein Blick hatte für ihn genügt, um zu ertennen, daß diese Handschrift nicht die entfernteste Aehnlichleit mit der gesuchten zeigte. Nachmittags er folgte die Antwort von herrn Gefe brecht, gleichfalls rasch dem Papier torb überanttvortet, abends die von Georg Frank. Mit einem Tone freu diger Ueberraschung begrüßte Rittner schon die Adresse, und beim Lesen des Briefes rief er: »Du bist es — wahr hastig — du bist es!« Ja, da lag sie vor ihm, die gesuchte Handschrift. Ein wenig zittriger noch in der Linienfiihrung als in dem letz ten der Briefe, die Frau von Diirins ger ihm gezeigt hatte, trotzdem aber unverkennbar in jedem Buchstaben Es war ihm gelungen, eine Brücke zu schlagen in unbelaiintes Land hin über! Der Schauspieler antwortete höf lich, dafz er sich gern an der Wohl tätigkeitsveranstaltnng beteiligen onle und Nittners Besuch um elf Uhr am Sonntag vormittag erwarte, um Nä heres mit ihm zu verabreden. Am Sonnabend set er zu sehr durch Pro ben site eine Novitiit in Anspruch ge nommen. Als Rittner den Brief ein paar mal gelesen hatte, trat er vor den Spiegel über der heizvokrichtung, die wie ein Marmotiamin gestaltet war, winkte seinem lächelnd aus dem alt goldenen Rahmen hervorschauenden Ebenbilde freundlich zu und sagte: »Das haft du gut gemacht, mein lie l7er Julius.« Dann griss er auss neue zu dem Briefe, ging mit ihm in der hand ein paarmal ini Zimmer aus nnd ab, während er die Zeilen wieder und wieder las, und sprach dann ein paar Worte zu seinem Verfasser. »Du hist morgen durch Proben in An spruch genommen, bist also nicht zu hause. Da wollen wir deiner Woh nung einmal einen- Besuch machen Es ist besser, die höhle des Löwen zunächst ohne den Löwen zu besich « tigen.« Als wenn Deutschland seinen Ruf bei Rittner verbessern wollte, ließ es die Sonne heiter von einem blauen, loeißgefleclien Himmel scheinen, ais dieser nächste Morgen hell nnd inilde heraustam. Rinner verzichtete nach sorgfältiger Prüfung des Themis meters ans seine Pelzjaete und hüllte sich fiir die Fahrt nach der Wohnung Franks nur in ten einfachen Pelz Das Hans-, in dem der Schau spieler wohnte, lag an einer stillen altmodischen Seitenstraße des War les, wo noch ioohlseile Wohnungen hinter behaglichen Fachwerisronten zu finden waren. Ehrwiirdigsbehuglich zeigte sich auch das Jnnere des Ge bäudes, als Riituer die schmale, tnarrende Treppe mit sauber ge schenerten Stufen znrn ersten Stock werk hinanstieg Hier gab es noch keine geschlossenen Korridorez die Zimmertiiren mündeten unmittelbar auf einen langen« schmalen Vorsme der von einem winzigen Fenster an der Schmalseite her spärliches Licht empfing. Rittner mußte die Augen erst ein wenig an diese niatte Be leuchtnn gewohnen, bevor er ans ei ner Virtentarte an der mittelsten rer Türen Franks Namen ertennen konnte. Sein Klopfen an der braungestrichenen Tür blieb erwarte termaßen unbeantwortet, an der Wand nahebei zeigte sich aber der blanke Messinggrifs einer KlingeL Ein weißes Porzellanfehitd neben ihr verkündete, daß Frau Beeter mit ih rer Hilfe zu erreichen sei. Ritiner zog die Klingel, und auf ihr merkwürdig helles-, vergnügtes Läuten hin öffnete sich rie neben dem Korridorfenfter gelegene letzte Tur. Eine saubere, noch junge Frau in hänslicher Arbeitstleirung mit einem Kinde auf dem Arm erschien, uns nach seinem Begehren zu fragen· Er zeigte auf die Mitteilung, daß Herr Franc nicht zu hause sei, lebhaftes Erstau nen und Mißbehagen. »Das ist ja mertwiirdig Er hat mir geschrieben, daß ich ihn heute zu Hause treffen lviirde.« »Heute? Nein, das muß ein Irr tnin sein. Er hat ja doch Probe.·« »Hm er das ausdrücklich gesagt«i. Könnten Sie sich nicht irren, Frau Beckeri Was haben Sie slir ein rei zendes Kind! Jst es ein Mädchen?« Die Mutter-, deren von Anfang an freundliches Gesicht sich noch mehr. aushellte, bestätigte, daß es tatsächlich ein Mädchen sei, daß es Anna heiße wie sie selbst und eine Menge von Tugenden besitze, die sie anszählte. Rittner bewies die sreundlichste Teil nahme, tätschelte das Kind, ließ es mit seiner Taschenuhr spielen und lachte ihm zu, so daß er im Laufe von siins Minuten die Herzen der großen und kleinen Anna Vetter im Sturm gewonnen hatte. Sobald er seinen Sieg sur gewiß hielt, sing er wieder an, von Frank zu sprechen. ,,Glauben Sie wirklich, daß er heute Probe hat's Seinem Brieie nach, meine ich, muß er jeden Augenblick zurückkominen. Wenn ich hier nur irgendwo aus ihn warten könnte!« »Ja, wenn der Herr zu mir here?n kommen möchten«, sagte Frau Vetter ein wenig zögernd. »Nein, nein, Sie will ich nicht stö ren. Sie sind gewiß bei häuslicher Arbeit. Jch rieche so etwas wie Seifengeruch von Wäsche oder derglei chen —- da kommt man einer Haus srau so ungelegen wie möglich. Nein, wenn ich nicht etwa irn Zimmer von Herrn Frank warten dars." »Aber gewiß,« entgegnete Frau Becker mit einem vertrauensvollen Blick aus seinen eleganten Pelz. »Daß ich daraus auch nicht gekommen hin. Ausgeriiumt ist es schon und auch noch » ganz gut warm, weil ich morgens im - mer gleich Feuer mache. Nur einen Augenblick, ich hole den Schliissel." Sie verschwand in ihrem Zimmer, nnd Rittner vernahm durch die ossenc Tür ein paar Ermahnungen an Klein Annchen, ganz artig ein wenig allein zn bleiben. Dann erschien die Frau wieder, ohne Kind, aber mit einein Schlüssel in der Hand. Sie össnete — Rittner trat ein in das Zimmer des Mannes, von dem er Schlimmes wußte und Schlimme res vermutete· Troß des Pelzes lies ein leichter Schauder über seinen Kör per, obwohl der vor ihm ausgelane Raum nichts llnheirnliches oder Ah sonderliches an sieh hatte. Das Mor genlicht kam sreundlich durch zwei Fenster herein nnd beleuchtete die be scheidene Einrichtung. Aus den Berus der Bewohner wies außer ein paar Schanspielerbildern an den Wänden lediglich ein vergilbter Lorbeerkranz hin. Rittnee setzte sich auf einen mit bil ligem Kuttun überzogenen Stuhl nnd sagte: »So, hier will ich warten. Ge nieren Sie sich meinetwegen gut nicht, Frau Ver-tm Sie haben sicher viel Arbeit.'« Sein Versuch, sie irözuwerdem scheitekte jedoch zunächst. Sie zögerte und überlegte einen Augenblick, um dann zu sagen: »Stat) der gnädige Herr vielleicht ein Freund von dem hetrn Franl?« »Da ich ihn erst heute lennen lernen soll, wäre das zu viel gesagt· Aber wenn Sie mir etwas über ihn mitzu teilen hätten — ich interessiere mich fehk dnfiir.« Gortiednng folgt).