Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 15, 1917, Sonntagsblatt, Image 9
SkaatS -«-««Änzeiger und Wer-old. Sonntag-hinkt de — — Das Smalkti. u Von chniug Begier, Schwebet-L Der Oberlellner des Restanrants ,Fäl)rl)ans" übern-achte selbst das Anrichten des Kassees. Er wischte noch einmal das goldene Sei-vier brett ab, dessen blinende Kreissläs che, von einem wirklich liinssecisch ziselierten Rand eingesaszt, die diins nen, imitiert indischen Täßchen spiegeln sollte. Die großen Schwing gläset siir den linudertiöhrigen Kog nak wurden mit Eis gefüllt nnd die drei Likörflaschen mit weltbe rühmten Etiketten in Reils nnd Glied gestellt. Eine Gesellschaft von sechs »Her ten hatte an diesem Tage im ,,Fäl»irbans'« diniert. Sie waren alte im Alter von nngesähr vierzig Jahren — diesem kostbaren Zeit punkte, tle der Mann am höchsten sieht, wo er versteht, was er siebt, und weis-» was er bekommt, wo er seine Stärke und Begrenzung kennt und nichts von dein vergißt, was er teuer bezahlt bat. Wo er mit einem Wort am besten, aber mich ant gesätsrlichsten ist. Die sechs Herren saszen schwei gend um den Tisch, dessen frisch ausgelegtes Tischtuch wie ein Schnee ield glänzte Ans- secho Tassen stieg ein leichter Dann-i- nnd ansis sechs qlirnmenden Zigarren blaue Rauch spiralen· Es war die Stunde-, wo man aus Instinkt schweigt, aber dennoch jeder aus eine Unterbre chung des Schweigens hofft. Das Klappern eines Teelösiele wirkte ebenso durchdringend wie ein plötz liches Hornsignal Als Benzow ein Likörglas um stieß, snhr Hill zusammen, als ob er von einem Schuß getroffen sei. Zand lachte leise: »Wie stehts mit deinen Nerven, « Hill?« Und Lindberg siel ein: s »Du solltest Dirschwedische Mas sage geben lassen —- ich weiß die Adresse eines Massenrs.« Hill aber veränderte keine Mie ne. Er schüttelte nur den Kopf, ebne zn antworten lind dann wur Y de er wieder still. I - ’.- k- f- -- pruni-, oer oie crine man menr ertragen konnte, naan den ersten besten Gegenstandaus den sein Auge stel, als Verwand, und sagte mit seiner gediimpsten, angenehmen Stimme zu seinem Nachbar-: »Was trägst Du da an der Uhr kette, Brander?« Und er zeigte aus eine Verlocke an dem breiten 1lhrband, das un ter dem Saume der weißen Weste aus die linke Hosentasche siel, wo die Hand ruhte. Brander sal) daraus nieder-. »Das ist ein Aniiilett.« »Ein Amulett?« Hier siel Zand ein: »Was sagt er?« Die übrigen erwachten —- er freut, Stimmen zu hören. Ben zow fragte ,,Weher haft Du dass-« Ruhe, der irob war. eine Unter haltung in Gang gebracht zu ha ben, strich mit seiner seinen, ari siolratischen Hand den dunklen Vollbart, und seine braunen Augen leuchteten hinterm Ameisen »Er soll erzählen,« sagte er Man trägt in unserem Diplocnatens kreise feine geheimnisvolle-n Sinn bolel Wir leimen unsere Tele grannnkoden —- die Uhrkette dars ebenso wenig wie der elektrische Draht eine ungedentete Chissretras gen.« Alle stimmten ein. Jand sagte: »Meine Regierung hat noch Ue bel-mitbringen fiir Tein Knoplloch, Brander! Erziilzlesp Brander iclnuenlte das Eis in selnem großen Glase. Er lachte mit den anderen. Keiner bemerkte-, dass seine Hand einen Augenblick xske lieblosend iiber dass kleine Me aillon glitt. »Gem,« sagte cr, »es ist nnr eine Vagatelte — eine Lanne." Damit goß er seinen Kognai herunter. »Es war anf meinem ersten Po n in Paris, eine unbedeutende oelretiiritcllung aber ich genoß es sn hören, zu sehen und zn atmen. Jeden Abend· wenn ich in meinem Hotel zu Mittag gegessen hatte, pflegte ich einen langen Spazier gang am Seineauai zu machen. Jch war immer allein, aber ich emp fand die Einsamkeit nicht, ich ge noß, wie gesagt, das Leben, den Lärm nnd die blaue Dämmerung Eva war noch nicht in dem Para dies meiner Träume erschallen wor wsbs kam m nimmt qui unis Me seite, V. sei-. UN. «ren Minister. Jch erhielt den« Austrag, von der Gesandtschast einen heimlicheti Aqenten auszustr chen, der als Knudschaster bei ge wissen Fällen verwandt wurde und Ider außerhalb Paris wohnte. Jch shatte nur einen Brief abzuliefern, Iden unser Gesandter nicht der Post anvertrauen wollte. Jch verließ die Gesandtschast um Isiins Uhr, um den Zug no Meu dou am Gare Moutparn.,e zu nehmen, und berechnete, das- ich ini guter Zeit zu meinem Mittagessen und dein gewohnten Abendspaziersj Igong zurück sein würde. Es war ein milder Frühlingstag, die Ka stanien standen in voller Blüte. Ein wundersomes Licht von Rosa und Gold durchwehte die Luft. und alle Laute waren deutlicher zu hö ren als sonst —- in meinen Ohren klang es wie Glockeitgeläute.« Hier unterbrach Zand ihn: »Ich glaube wahrhaftig, er er zählt uns eine Novelle aus einer Zeitschrift Du wolltest von einem LIlmulett —— —« , Venzont beichtvichtigte ihn mit einein Eckau und einer Zigarette· Ruhe lachte skeptisch in seinen Bart. I Brander fuhr in demselben ein tönigeu Tone sort: »Eure Droschke brachte nnch nach dem häßlichen und schniubigen Balnthose. Als ich ein Billet gelöst,Oe hatte ich noch eine Viertelstunde bis Zum Abgang des Zuges. sch schlenderte vor drin Bahnhose aus und ab. Er war tnenschenleer, und ohne eigentlichen Grund fühlte ich mich zum ersten niale einsam und unbefriedigt. Plötzlich siel mein Blick aus einen tleineu, blitzenden Gegenstand, der aus dem siebhalt lag. Jch nahm ihn aus« es war dieses Medaillon. Wie ihr seht, ist er- eine kleine GoldlabseL in Form einer Tonne. Hier ist ein Deckel ——— dal Als ich ihn ossnete, sah ich, das; der kleine Raum einige Ringel weiches-, blondess Zrauenhaar enthielt. Du brauchst nicht so zhuisch zu lächeln, Zaud: wir alle wissen, daß so et was als ein Anntlett gilt und Gliick bringen soll. Man pslegt es nur dein Geliebten zu schenken.... Hat te er sein Glück verloren? Jch steckte die kleine Reliquie ge dankenvoll in die Tasche und suhr nach Meudou, wo ich meinen Mann trai, meinen Austragausrichtete und sofort zurückzukehren beabsich ingle« Eis war ein ungewöhnlich schöner Abend. Von dem alten Lbfervaio rinnt ans sah ich Paris in einein blauen Slkebelschleier liegen. Ich wurde von Wehmut ergriffen nnd aedachte meiner Heimatstadt, vor allem gedachte ich der Sonnenun tergänge iiberni Meere und meiner kleinen Spielgefiihrtin Olga, die der Tod mir genommen hatte. Jch war auf dem Wege zum Bahnhofe Plötzlich aber bemerkte ich, dasz ich mich verlaufen hatte; denn ich befand mich aus einmal in einem schönen Wald. Jn Gedan ken muszte ich den Weg nach Vas Mendon eingeschlagen haben. Es schadete nicht-, dort konnte ich einen der kleinen Flnfzdampser nehmen und in dass Herz von Paris gelan aen. Jch setzte den einmal einge schlagen-en Wen fort. Als ich. halb in Gedanken, die Hand in die Tasche führte, fand ich das kleine Amnletn das ich be reit-:- vergesseu hatte. Jch blieb iiberrascht stehen. Jn der Abend beleuchtuna schimmerten die Haar ringel wie Mondschein —- sie hat ten dieselbe Farbe wie Olgas Zöp haben2 Welche Gedanken und Wünsche knüpfte-i sich daran? Mir war, als ob das kleine Ding die dustende Wärme einer weichen Haut ausströmtr. Jch iiißte die kleinen Haarlocken und vergaß, dafz sie nicht sür mich bestimmt waren. Da fiel ein Schatten siber den Weg. Als ich aussah, stand die tete Olga vor mir. Sie war es und war es doch wie derum nicht. Schlank und blond stand sie da, vier oder siinf Jahre älter als die Verstorbene, aber wenn nga gelebt hätte, wäre sie wie die se gewesen. Und dann das Haar —- daö Haar l Ich trug genau die selben Loeken an meinem gesunde nen Annilett· Jch stand eine Weile ganz stumm und starrte sie an. Jch dachte, dass das Bild wie eine Vifion verschwin den wiirde. Statt dessen aber fing es an zu lachen. . »Sie sind verkehrt acaanqen," sagte sie, »kommen Sie, ich will Jhs nen den richtigen Weg seiseni·« Zu meinem großen Erstaunen batte das snnae Mädchen mich in meiner eine-en Sprache angeredet Ich fand keine Unte. Sie lachte: »Ich Chöre dort ins Hans, zn se. Wein mochte das Amt-lett gehört dem Manne, bei dem Sie eben wa ren —- ich·bin seine —- seine Schwe ster. Jch sah Sie durch eine halb osfene Tiir und weiß, wer Sie sind Abends pslege ich immer allein in den Wald zn gehen und mich zu seh nen. Ja, ich sehne mich nach Hau se. Jch siihle mich nicht wohl hier, nnd seine Arbeit bedriicit mich.« Jhre Stimme barg alle Töne der Heimat. Jch sehnte mich wie sie. Seht wußte ich, wer sie war, und zum erstenmale erschien auch mir seine —- nnsere Arbeit wider irärtig »Sind Sie es, die die Ueberset znngen macht?« fragte ich. Sie nickte »Wie heißen Ziel-« ,,Olga.« Wie wenig gehört dazu, mn ein Menschenschicksal zn bestimmen! Ein Name nnd blonde Zöpfe in einer Frühlings-nacht die wie das erste Liebeserwachen der Jugend ist« Jch war wie verhext nnd belne vor Aufregung Während mehrerer Stunden wanderte ich durch den verzauberten Wald, wie in den Märchen der Kindheit, mit Olga an meiner Seite. Als wir uns trenn ten, hatte sie mir altes von sich er zählt, nnd ich ihr von mir. Jch war in einem Zustand sieberhafter Erhitzung, denn ach, meine Herren, es war ja meine erste wirkliche Lie be!« Und damit hatten meine einsa men Spaziergänge lang-I der Qnais »in Paris ein Ende. Wenn die Sei ne unter den glühenden Abendwols ken errötete, war ich allerdings am Ufer des Flusses —- aber weit außerhalb der Stadt. nnd wir wa ren zwei. Jeden Abend trafen Ol ga und ich uns in einem Wirtshaus in Vas Mendon, wo wir zusammen sspeisten und uns erst trennten, lusenn ess über die Kronen in Saint lClonds Pack zu diinnnern begann. Jhr Bruder war ans einer langen Illntersnchnngsreise die das halbe Europa umspannte. llnd die Zeit slog. Der Früh ling verging, es wurde Sommer-, und statt in den Ferien nach Hause zu reisen, mieiete ich eine Villa in Sein-ess. Nachts schlang Olgas Goldhaar sich wie ein Netz unt mei nen ilotii. nnd den ganzen Tag shörte ich ihie nielodische Stimme in meiner eigenen Sprache unter dem somiendnrchwebten Gewölbe »der alten Bäume . I Aber der Herbst sank und init ihin der Ernst. Dieser Mann, aus den wir uns verlassen hatten, war von Anfang an ein Abtriinniger. Er verriet nns, das heißt, er war der bezahlte Spion einer anderen Macht. Kurz nnd gut: er wurde ent .larvt und kurzer Prozeß ntit thn gemacht. Sie wissen ja alle, meine Herren, wie schnell solche Parasiten verschwinden Eines Tages sind sie plötzlich fort, als ob der Wind eine Handvoll Staub fortgeblasen hat. Und Olga ! Es war ein schwerer Kampf. Sie’ war ja nicht seine Schwester Sie war seine —- seine sFrau oder etwas andere-I. Aber stlicht ist Pflicht Sie wurde nach lHause geschickt. Jch habe selbst die IPapiere ausgestellt ! Das is tun alle-Z lange, lange Her. Die -ache war übrigen-Z der jtllnfang zu meiner Karriem sie slrachte mir das erste Band fiir mein ’Knopfloch ein. Aus eine Weise hat jdas Anmlett niir also Gliick ge lbrakht Haha!« H Brander trank seinen Freunden Hu, das Glas in der Rechten; die ’Linke, die die Goldkapsel umschloß bebte so start, dafi die Manschettens knüpfe klapperten Zand warf ihm einen langen Blick zu. »Du erzählst gut,« sagte er. Und alr- Brander nun die Au genbrauen hob, fügte er hinzu: »Aber sage mal, habe ich Dich recht verstanden, hast Du das Ninu lett gesunden?« Brander sah ihni unbekümmert in die Augen und antwortete in leichtem Tone. »Aber natürlich. lieber Freund. Die Aehnlichkeit des Haares ist ja gerade das Mertwiirdiae bei der Geschichte: wie ich erst das Amulett fand und dann das Mädchen-« Ruhe wählte zwischen seinen Zi garetten nnd fliisterte Brander un verinerkt mit seinem sanftesten Ton fall zu: »Gut gelogen, Du«l Benzom der sast die Hälfte der Eckauslasche geleert hatte, bat dar inn, das Aniulett zu sehen. Es herrschte einige Minuten Schweigen, während M goldene Medaillon von Sand zu Hand ging. Der Deckel war geöffnet und » der wars einen sltck anf. die londen Halm-tagel. Ruhe me der letzte, er betrachtete lange den blon-» den Kranz. Von draußen drang dass Tnten der Autoniobilhupen herein, die vor decn Neftaurant verfuhren Ruhe knipste den Deckel des Me daillons su. Mit einer ehrerbie ttgen Bewegung gab er Brander fein Eigentum zurück. Sein Ton war ernst, fast feierlich- als er sagte: »Es sieht ans, als ob ein Bluts steck aus dein Haare makes-« Brander veränderte keine Miene. »Wahrscheinlich ein Rotfleck,« sagte er. »Aber Gold rostet nicht« Brander war erschreckend bleich. Sein Ton aber verriet nicht-j-, als er antwortete: . »Gold nicht —- aber alle-Z ande Der Oberkellner katn mit der Rechnung Sie wurde ans einem silbernen Tablett überreicht. --.—-— kc — Mt Si Mka Von Lindtuig thust Jni Vorraume ertönt heftig eine ausgeregte Stimme; sie zerrt mich gewaltsam wie mit starken Händen aus meinem Halbschliiiiiiiier. Jch habe die Empfindung, das; sich ir gend etwas Ungehenress und Ent scheidendes ereignet haben muß· So grob spricht nur dass Schicksal, sage ich mir, während ich bebend in die Kleider stürze. Ich eile hinaus und sehe gerade die Prachtvoll gebieten sche.Geste eines mir unbekannten Mannes-, der auf ein Fenster mise res Wohnziinmers deutet. Vorsichtig gucle ich aus die Straße nnd er schrecke; eine Menschenmenge wim melt miten, ihre Hände deuten alle hinaus, gerade aus meine Wohnung. Ich erwarte eine Rauchsänle, lodern de Flammen, überlege rasch im Geiste, was ich zuerst retten soll, und beschließe, meine Manuskripte verbrennen zu lassen. Schließlich ist mir dann der Zufall eben zuvor gekommen. . .. Aber nirgends- ist Fener, und nun, Jor einer unbe kannten Gefahr-, beginne ich, iingsts lich zu werden« Jch beuge mich hinaus und höre gerade, wie eine dicke Fran, mit ihrem Ein laufskorbe wie mit einem Spa zierstocke aus mich weisend, ans-ruft: »Dort ist ja das Vieh!«.... Jch bin tödlich beleidigt und verlasse entrüstet dass Fenster. Wie ich mich umdrehe, ist der Eindringling auch aus meiner Wohnung verschwunden. Alles wird immer rätselhaster. Un ten wächst das Volk an, schon kann die Trambahn nicht mehr weiter fahren, Nadsahrer springen ab nnd starren wie gebannt heraus, und ich bemerke besonders viele Leute in der Ansammlung, die Palete tragen und es eilig zn haben scheinen. Aber jenes rätselhaie Ereignis hält sie unten sesi. Vorsichtig gucke ich durch die Vor hiiuge nach dein Wunder auss, inein Blick sucht iiberall —- nnd Plötzlich entdecke ich aus dein Fenstersinis ein sreiiidartigeks, betvegiiiigsloses, grü nes Etwas-. Tas betrachte ich ge nauer, und zu meinem Staunen er kenne ich esJ als eineu jener kleinen Papageie, die man in den Volarien der Tiergiirten und deu Ausslageu der Tierhijudler hiiusig sieht. Ein Sittich, glaube ich. Er sin sehr be trübt da oben, hat die Augen sast geschlossen nnd schein von den Hun derten hier der einzige, der seine Ruhe bewahrt hat. Unten werden die Kriegsspliine erörtert und ver worfen, wie er einzusangeu wäre — zuriick in den Käfig, dein er ent sloh: er tut so, alOJ ginge ihn das alles gar nicht au. Es- ehrt mich daß er gerade zu niir das Vertrau en liat, ich wurde seiner Freiheit nicht uachstelleu. Freilich, es ist eine tödliche Freiheit. Der arme Süd landvogel ist wohl wiirinere Lust gewohnt, und ich fürchte, er wird die-I sonderbare Schicksal, das ihn aus seiner iippigeu Tropeusreiheit riß, unt sie ilnu erst hier wiederzu geben, nicht ertragen. Wenn man in Urwiildern herumsliegt und dann plötzlich statt Schlingpilanzen die Drahte der Straszenbalnien und Te legrapben vor sich hatl Vielleicht sehnt er sich auch nach dein Genossen oder der Genossin· Diese kleinen Papogeien leben ja immer bloß paarweise, sterben zusammen, wie sie zusammen lebten. Die »Unser trennlichen" heißen sie. Und jener arme Vogel ist so allein; niemand aus der Welt kann einsamer sein. Alles ist ihm feindlich, die Lust, die Stadt, die sremde Erde- fOit die vielen Menschen« die ihn zu bebau ern glauben und doch nur aus seine Knechtschast sinnen. Weil sie den Glanz seiner Federn als Ergöhnng ihrer Augen begehren, hat man ihm ausgelanert, ihn ank- dem Lichte, der strotzenden Wiirme seiner Heimat herausgerissem ihn hierher gebracht, in den Winter. Er hat rebelliert, hatte Erfolg und hockt nun betrübt ans dem Sims. So sieht das Glück ans, das er im Kerker sich ersehn te.... Jemand klopst mir aui die Schul ter: Wir werden ihn gleich haben! — Es ist wieder einer aus der Menge da unten, ein besonders Tatkrästiger! Er freut sich sehr die ses Begegiiisses, seine graue Prole tenexistenz scheint iiberschiinmert von dem grünen Gefieder des Sittichs, von dem Auszerordentlichem an dem er nun teilhat· Der Mann hat et was Sitgaestives,· keinen Augenblick tonmit mir der Gedanke, dass dies doch eigentlich meine Wohnung ist, er rückt Tische fort, reißt Vorhiiuge herunter-, steigt ans Sessel, und ver Isichert dabei immer gutmütig lä chelnd: »So ein armes Tierchen! Wir werden es gleich haben!«.... » lind gleich daraus: »Gebt-n Sie dann nur acht daraui!«.... Da ver sichert Jemand neben nni,inan1nnne es doch dem sriihereu Eigentümer zuriictstellen, es werde gewisz schon Ivermisztl —- Der Tatkriiftige ist we igen des Einwandes unwillig, ei er wartet offenbar von Inir siir den sgesangenenSittich irgend eine aben tenerliche Belohnung. Er schwingt sich aufs Fensterbrett, lehnt sich weit vor, ohne sich au«3til)alteti. Jch er starre. ,,Nnr keine Angst! Jch bin ein Fensterpntzerl« Die Leute nn )ten werden still, erschauern, es ist ein erschreckender Augenblick. Und langsam greift der Mann vorniiber gebeugt, frei aus einer Zehenspitze iiber den Abgrund schwebend, nach dein bekünnnerten, kleinen, grünen Vogel. Jch schließe die Augen, weiß nicht, ab sich hier ein Vogels oder ein Menschenschicksal entscheidet. Erst das ungeheure Gelächter da unten weckt mich. »Weg ist erl« rust ganz lustig der Feusterpntzer und springt wieder ins Zimmer. »So ein Mistviehl Wenn er nur eine Se knnde noch gewartet hatte! Jetzt holt ihn keiner!« Der Mann ist gar nicht bösäi dar über, nicht iiber dass Gelächter-, nicht über seine enttiinschte Hoffnung Nein, er strahlt noch non der Bewe gung dieser Augenblicke, non dein Erlebnisse, das ihnt da mitten in den Alltag slog nnd entschwand. Zo siihlen wohl auch die Menschen da unten, die sich nun verlaufen. Ganz unvermittelt wird die Straße wieder gleichgültig, gelangweilt und nüch tern. i Unterdes suche ich mit den Augen den Sittich. Aber er ist verschwun-. den in der weiten seindlichen Welt und stirbt irgendwo einsam, so ein sam int Grauen, ein Opfer seiner Bnntheit. Es gibt so viel Glänzendes nnd Farbiges, dass geheht wird und ver dirbt, damit die Grauen ihre mat ten Angen delettieren können. Mich sröstelt; ach ja, die Fenster sind noch ausgerissen. Es ist so kalt —- nicht wahr, kleinen griiner SittichZ Yie reinste Freude. Hinnoriitisciie EtiUe von Paul Panli. Eines Nachmittags — ich kam eben sang einer Nachtsitzung des literari lschen Vereins »Pegasusdressur, Ver iein zur gegenseitigen Bertieinerung«, sdie sich wegen der eingehenden Beut steilung der abwesenden Mitglieder ein wenig in die Länge gezogen hatte — sdieseg Nachmittags also sah ich einen« 1Herrn vor mir hergehen, der am gan jzen Körper schleuderte, gerade als ob er aus Sülze wäre und ihm jemand seinen Stoß gegeben hätte. Immer swieder und immer wieder wackelte der sganze, schwere Körper, ja, er tam aus den. Scheppern gar nicht her aus, so daß er zuletzt Formen an nahm, als sei er aus Wellblech an gefertigt und dieses sei ins Wellen geraten. Das tam mir unendlich tomisch dor, und ich entschlosz mich, mir den Mann etwas genauer anzu sehen. Ich ging dcsbalb etwas schneller und halte ihn auch bald überholt. Mein Gott, das war ja mein al ter Freund Gotthils Weißsiein, ein bekannter Kritiler —- und er lachte, lachte, daß er sich kaum halten konn te, »Doltor«, sage ich, »was ist pas siert? Schwiegermutter gestorben?« Er schüttelte den Kopf. Der Glückliche hatte weder Frau noch Schwiegermut ter. Jch wurde ungeduldig, besondere weil er so deharrlich fortfuhr, zir la chen. »Nein, nein«, so te er dann mäh sam, sich die Lachtr nen aus den Au gen wischend, »mi: ist —- mir ist s-· mir ist —- etwas furchtbar Spaßhafs tes passiert.« Und er sing wieder an zu schen-ern ,,Na, was denn?-« fragte ich ärger lich, »was isi denn loå?« »Einen Augenblick!« sagte er, Atem . schöpfend, und blieb stehen. »Also«, sing er seinen Bericht an, indem er die Pause benutzte, seinen von Lachen aus die Seite gerutschten Bauch wie der an die richtige Stelle zu schieben, »also, es ist etwa zwei Stunden her-, seit ich diesen« — er hob mit einer bezeichnenden Gebärde den Finger bis zu dem Rand seines Haus« eines im pertinent weißen Panamas —- »ge tauft habe- und ich ging nach abge schlossenem Handel, der sich etwas in die Länge gezogen hatte, weil der Ver täuser schwerhötig war und ich doch mit dem Munde nicht so gut weg tam" — mein Freund stotterte etwas -— »zu Achinger, in die Filiale der Alexanderstrasze, um ein Glas Bier zu trinken. Jch hänge meinen Hut an einen Haken, setze mich hin und bestelle ein Glas Bier. Gleich nach mir kommt ein junger Mann in das Lokal, der hängt seinen Hut an den Nebenha ken, setzt sich ebenfalls nieder und bestellt sich ein Glas Bier, oder holte es sich selber-, ich weiß nicht mehr. Sein Hut war auch von Stroh, aber es mußte nicht neu gewesen sein als man den Hut daraus flocht. Viel leicht war es schon einmal als Stall ftroh benutzt worden — so sah der Hut wenigstens aus. Jch achtete aber nicht weiter auf ihn. Was ging mich der fremde Mensch an, und es war ein Zufall, daß ich aufsah, wie er sich erhebt, sich umwendet, meinen Hut vom Haken nimmt und fortgeht.« . ,,Seinen Hutt« »Nein, meinen Hutt« »Aha, fo, deinen Hut! Also ein Hutmarderi Na, was hast du denn di. gemacht?« »Was sollte ich denn machen? Ru fen konnte ich nicht —- eh’ ich das rausgebracht hätte, wäre er längst über alle Berge gewesen. Also ich nahm eben seinen Hut vom holen, fet te ihn auf und ging ihm nach. Jch wollte ihn einholen und ihm einfach meinen Hut wieder wegnehmen, und wenn er frech geworden wäre, ihn einfach einsperrcn lassen. Aber ich überlegte mir das. Jch hatte fa gar keine Zeugen, daß sein Hut mein Hut und dafz mein Hut sein Hut war. Jch ging also hinter ihm her und grübelte, wag zu tun sei. Der Vorfall ereignete sich in der Nähe des Polizeipräsidiums. Er geht die Alexanderftraße herauf — ich nach. Er geht über den Alexander platz —- ich nach. Er geht die Kö nigsftraßc hinunter — ich ihm nach. Er eilt über die Schloßbriicke — ich eile nach. Er biegt in die Charlotten straße ein —- ich biege mit. Er wendet sich, wendet sich der Friedrich ftrafze zu —- ich wende mit. Er tritt in ein kleines Reftaurant —- ich trete ebenfalls ein· Er hängt meinen Hut an einen Daten —- ich den feinen dicht neben seinen — meinen. Er setzte sich — - ich setze mich mit. Er bestellt ein Glas Bier -- ich befielle auch ein Glas Bier. Er setzt sich mit dem Riicken gegen die Türe —- ich setze mich mit dem Gesicht gegen sie. Er trinkt sein Bier aus und bestellt sich ein neues- — ich trinke mein Bier aus und bestelle kein neues, bezahle, stehe auf, gehe zum Kleiderhalen, setze mei nen Hut auf und gehe. Und jetzt muß ich halt lachen, wenn ich an das Ge sicht dente, was der machen wird, wenn er seinen alten Hut wieder an dem Haken findet.« Aus der Reduktion. Redakteur (;,um Dichter): »Ouier Sie mir Jhre Manustripte nu: hier; ich werde Jhre Splitter jedenfalls im Augen behalten!« Ist Redakteur eines Witzblnttes zu ei nein Mitarbeit-n »Jhre Witze wer den einseitig. -— Sie miissen sich nicht Io oft auf den Kindermund den Deckel und auf das Theater legen-« —J-n Sicherheit Juncie Frau (in dem höchftgelegenen Badehw tel der Schweiz): ,,Llch, Männchen, wie weltentriickt ist man hier oben! Weißt du, von hier aus möchte ich unserm Dienstmädchen tiindigen!« —- Naiv. Bartfifch (im ländli chen Knrort): »Sieh doch, Martin, die beiden dünnen Schweinchen . .Die sind gewiß auch zur Kur hieri« — Ei n guter Mensch. Sie: »Wenn Du fo unsinnig Geld hinaus wiefft mit vollen Händen werde ich noch Gütertrennung von Dir bean tragen!« » Er: «J·fi recht —- das Klavier darfst Du behalten!«