H Äu- Ringen werden-Ketten Roman von Robert Mir-Its (6. Fortsejungy Schrecken und Aufregung waren auch aus dem Gesichte der Eintreten den. Es war Fräulein Hegewisch. Ellis Erzieherlm die atemlos, noch in der Tür, zu sprechen begann. »Oh, gnädige Frau —- daß mir das passieren muß — hier in diesem hause passieren maßl« »Was gibt es? Hat jemand Sie beleidigt?« »Ich weiß nicht —- so lann man "«es eigentlich wohl nicht nennen —, aber ich soll zur Polizei tommen — heute vormittag noch!" .,3ur Polizei?« hedloigg Gesicht wurde noch um einen Schein bleicher, und ihre Hände spannten sich sest um die Lehnen ihres Sessels. »Ja, und ich weiß doch gar nicht. was das bedeuten kann. was man von mir will-« »Es wird sich« — Frau von Dü riager mußte noch einmal Atem schöpfen, bevor sie den Satz vollenden lonnte —- ,,um die unglückliche Assäs re mit der ermordeten Schauspielerin wird sichs wieder handeln.« »Aber ich kenne sie doch nicht, habe sie nie gelannt und nie mit ihr ge i sprachen-» »Ich meine nur, weil doch — weil auch mein Mann in dieser Angele genheit vernommen worden ift.« »Ja, darüber habe ich mich schon sehr gewundert. »Ich auch —- anfiinglich —, aber wo sichs um ein so schweres Verbre chen handelt —, es ist ja die Ausgabe der Polizei, jede Spur zu verfolgen —- so viele Zeugenaussagen als mög lich zu sammeln. Und weil Sie doch ungefähr um die Zeit des Mordes vor dem hause der Schauspielerin voriibeegeiommen sind« — ,.O mein Gott, man wird mich sel ber doch nicht verdächtigeni« «Sicher nicht. Aber man wird Sie befragen wollen« —- Sie brach mitten . im Reden ab; die Worte schienen auf ihren Lippen zu ersticken. »Was ich dort gesehen habe, meinen gnädige Frau? Wen ich dort gesehen habe.«« »Ja —- das — ja, ungefähr das habe ich sagen wollen.« »Lehren herrn Gemahl habe ich ge stern gesehen und habe mit ihm ge sprochen. Sie wissen das ja." »Ich weiß es.« Die Antwort war kaum vernehm lich; ein Schweigen folgte. lastend und tief. Endlich begann Fräulein Hegetoisch wieder zu sprechen. »Wenn Sie mich danach fragen —- auf der Polizei, meine ich —, soll ich es dann sagen?« Hedwigs "nde llammerten sich so fest um die ehnen des Sessels, das ihre Iingernägel sich in den matt schimmernden Damast gruben. Doch war ihre Stimme seht gewaltsam ru hig. »Man muß immer die Wahrheit sagen. Und bei so wichtigen Dingen wächst auch die Verpflichtung dazu.« »Ja, gewiß. Ach, wenn ich den schrecklichen Gang nur erst hinter mir svsf—---f f-. Hauer »Wenn sollen Sie lominen?« »Sei-ali- als möglich.« »Dann eilen Sie sich. Auch in Ih eem eigenen Interesse. Unangenehme Dinge muß mnn so rasch ais mög lich hinier sich zu bringen suchen. Und dann, —- dnnn werden wir ja auch erfahren, um was es sich han delt. Kommen Sie nur schnell zurück und melden Sie wiss-« »Ja, gnädige Frau haben wohl techi, —- ich will mich gleich fertig machen. Ach. wenn ich es nur erst hinter mit häiiei« »Auch dies wird vorübergehen. Al les im Leben iui es, was vielleicht noch das Beste daran ist. Gehen Sie und schicken Sie mit Elli hetein." »Ja, gnädige Frau. Aus Wiederse hen.'· »Auf Wiedersehen." Als die Tür sieh hinter Fräulein Hegewisch geschlossen hatte. tam ein kurzer Augenblick der Verzweiflung und Schwäche über die allein Zurück gebliebenr. Ein Schluchzen brach aus ihrer Brust, ihre Hände stampften sich ineinander, und ihre behenden Lippen fiüstertem »O mein Gott, mein Gott, steh’ uns beil« Gleich aber fand sie die Fassung wieder-, fuhr mit ihrem Taschentuch iiber die Klagen und saß ganz ruhig, als Elli -hereintam. »Du, Mutter, Fräulein ist ausge-» sangen«« J »Ich weiß es.« ; ,.Wohin ist Fräulein gegangen?« ; QSie hat eine Besorgunq in der - adt.« J »Aber wenn sie sonst sortgeht,1 nimmt sie euch doch immer mit-« s »Es wird wohl diesmal nieht an gebracht gewesen sein.« »Warum nicht, Muttert« »Das lann ich dir nicht sagen, Kin?d. Was hast du heute zu arbei-4 ten « ,,Jch bin schon fertig mit meinen Aufgaben.« «Dann hole dir deine Stickerei — diie flir Vater —- und sehe dich In in r.« s »Ja, die fitr Vaters« . Sie sprang fort und tam nach we nigen Augenblicken mit einer Stil terei wieder herein. Auch Frau v. Dtiringer hatte sich eine Handarbeit vorgesu t, und so sehten sie sich« in gleicher eise be chiiftigt, nebeneinan r. Bevor Glli begann, zeigte sie der Mutter datz bereits Geleistete und fraögtu »Du, Mutter, wird es auch hü schi« »Sehr hübsch, gewiß·« »Weil es fiir Vater ist. Und fiir ihn ist nur das Allerallerbeste gut ge nug. Glaubst du, daß er sich darüber freuen wird?« »Ja, das glaube ich.« Nun war Elli zufrieden und arbei tete fiir einige Zeit mit wortlosem Eifer. Dann fiel ihr Blick aus die Mutter und blieb dort haften. »Du, Mutter.« »Was hast du, Kind-« »Mutter, du bist doch nicht lranl?« »Nein; ivarum?« »Weil deine Hand so zittert.« »Ich bin —- ich habe vorhin ein wenig schwer gehoben —- davon mag es wohl kommen." »Gebt-ben? Was denn?« »Ach, laß doch —- es ist nicht der Rede wett. Ein paar schwere Biicher —- die mußten umgeräumt werden« »So —- Bücheri« Elli war sichtlich nicht ganz befrie digt, aber sie fragte vorläufig nicht weiter. Stumm arbeitete sie an ihrer Stickerei, dann jedoch, als eine neue Figur darin vollendet war, hob sie den Oberiörper mit einer energischen Bewegung und sah ihrer Mutter ge rade ins Gesicht: »Du, Mutter, ich muß dich was feagen.'« »Was denn?" »Warum — ihr seid so anders jetzt miteinander ——— du und Vater.« »Das bildest du dir ein.« »O nein! Jch merle das ganz ge nau. Du siehst Vater fast niemals an, siehst immer nur so vor dich hin. lind sprechen tut ihr auch nur ganz wenig miteinander. Warum seid ihr fo? Vater ist doch fo lieb." »Er hat mancherlei zu denken sent —— eine schwierige Arbeit — ich will ihn dabei nicht stören.« »Ach, wenn er hier bei uns ist, »braucht er doch nicht zu arbeiten.'« I »Das verstehst du nicht, Eui. ;Manche Gedanken gehen überallhin - mit.« l »Da muß man immer an dasselbe ;denlen — nicht wahr?" « »Ja, Kind«. »Jmmrrsort muß ich denken, was es jetzt mit euch beiden ist, mit Va ter und dir«, H Hedwig suchte mit unsicher beweg ; ten Lippen vergeblich nach einer Ant ;wort, aber sie blieb ihr erspart. Elli sprang plöhlich auf und rief: »Da . tommt Vaterl« »Wo denn? Jch höre nicht« »Aber ich höre seinen Schritt auf der Straße unten. Sonst höre ich ihn nur im Sommer, wenn die Fenster offen sind, aber heute schallt er ganz deutlich herauf. Er tommt, er V kommu Sie verbarg eilig die Stickerei. dann lief sie zur Tür und hinaus Hedtvig bewegte nachdenklich den Kopf. «Sonberbares Kind!« mur melte sie vor sich bin. Elli hatte sich nicht getäuscht. Ihr seltsam seines Ohr hatte wirklich die Schritte des Vaters gehört, und nun bewillkommnete sie draußen im Kor ridor mit leidenschaftlichen Küssen den Heimgelehrten. Hedwig beugte sich tiefer aus ihre Arbeit. Sie sah auch nicht empor, als ihr Manti, das Iiind an der Hand süh rend, heteintrat. Elli holte auch dar in recht gehabt: Oedioig vermied th res Mannes Blick. Und als er sie freundlich begrüßte. llang ihre Ant wort gepreßt und kühl. Ein Schat ten slog über sein in wenigen Tagen schlusier und nmgerer gewordenes Gesicht. Dann trat er an ein sarbig verglastes Fenster, das einen Erter mit mattern Bunt erhellte. Dort blieb er eine Weile stehen« von Hebtvig ob aenmndt. . Elli hatte sich an ihn angeln-in niert, gnb seine Hund nicht stei. End lich liit er eine Frage, doch ohne sich zu Hedivig unizuiveiideiit »Gibi es etwas Neues?" Mitunter, wenn vor Elliz neugie rigen Ohren etwas verdunkelt wurde, was ihr verborgen bleiben sollte, spra chen die Gatten Jtnlienisch miteinan der, das sie gemeinsam siir eine ita lienische Reise studiert hatten. Tu rnit machte hedwig auch in diesem Augenblick den Anfang. Jhr Gesicht blieb dabei iius die Arbeit geneigt ,,Ja —- Jräuiein ist aus die Polizei zitiert worden«. »Weißt du, iveshnlb?« »Nein, ich weiß nichts Nähere-BE Kurz und leise waren die Reden zwischen ihnen bin unb her geflogen, dann schwiegen wieder beide. Mitin ger blieb noch eine Zeitlang nm Fen stee stehen, um daraus init milden Schritten zu einein kleinen Ditvan in einer Ecke des Risinies zu geben« wo et sich —- zienilich ei:tseriit von seiner Frau —- schtvee niedersinken ließ. Elli ging immer mir ihm, stellte sich nun zwischen seine Knie, schlang ihre Ar me uin seinen« Hals und Jllistertn ukEin-ein ich habe dich so urchtbae l b.« · Er nnhni sie und küßte sie mit lei denschaftlicher Zärtlichteit. Elli wars einen steigenden Blict aus ihre Miit ter, die sonst bei solchen Szenen zwi schen Kind und Vater häusig ein er- " muhnondes Wort spra . Aber heute sagte sie nichts; das bie che Gesicht am Fenster blieb stumm aus die Arbeit gebeugt. . Elli begann ein halt-lautes Ge spräch mit ihrem Vater, eine harm los tindliche Plaudereiz die Fragen, die sie der Mutter gegenüber getan hatte, berührte sie nicht« Mit kargen Worten, aber mit stummen Zärtlich ieitöbeweisen gab Diiringer Antwort. So ging ungefähr eine haibe Stun de hin, ohne das-, die Gatten ein Wort weiter miteinander gewechselt hät ten. Erst ein hereindringender Klang vom Oessnen und Schließen der Kor ridortiir ließ Düringer wieder eine Frage tun: »Ist nicht jemand gekom mens· »Ja, ich glaube«. »Weißt du, wer es ist?« »Es wird Fräulein sein«. Sie schwiegen wieder und warte ten. Aber Fräulein Hegewisch kam nicht herein. Diiringer stand auf und sing an, hin und her zu gehen. End lich hielt er sich nicht länger und fragte: »Warum kommt sie nicht herein? Sie tut es doch sonsi«. »Sol! ich einmal nachsehen?« Es war Elli, die sprach. Sie hatte sich um das Heimtommen der Erzieherin taum getiiminert, aber jetzt sah sie des Vaters Unruhe. Mit einer hastigen Bewegun , durch die vorhergegangene statuenhaste Ruhe noch aus"allender1 l gemacht, stand Hedwig aus. »Nein, bleib. Jch will nachsehen«. Sie ging hinaus, rasch, aber mit eigentümlich schleppenden Schritten, und blieb wohl zehn Minuten drau ßen. Dann tam sie wieder und sagte: »Fränlein siihlt sich nicht ganz wohl und hat gebeten, aus ihrem Zimmer essenhu dürfen. Es ist übrigens an gerichtet; wir iönnen hinübergehen". Sie ging voran, Elli folgte mit ih rem Vater. Still und worttarg wie die Zeit vorher war das Mittagessen. der drei. Nur ein paar gleichgültigel Fragen des Kindes, de en veobach-l tende Blicke zwischen den ssltummen El tern hin und her gingen, unterbrachen ein paarmal das düstere Schweigen, das auf dem ganzen Hause zu lasten schien. Als das Essen vorüber war, schickte Hedwig das Kind mit einer Mah nung, rijcksichtsvoll and leise zu sein, zu Fräulein Hegewisch hinüber. »Willst du nicht ein wenig ruhen?« fragte Frau von Düringer ihren Mann. ,,Heute nicht —- nein«. ( Er stand langsam aus, sie folgte Doch ging er nicht in sein Arbeits-( zimtner wie gewöhnlich, sondern wie-s der in das Baudoir seiner Frau, wos jetzt eine zarte Winternachmittagsonne aus dem eatgrauen Damast der Möbel spielte. »Ich möchte dich sprechen«, sagte Düringer, als die Tür sich hinter ih nen geschlossen hatte. »Sprich«. »Zuniichst eine Frage: Was bat man von Fräulein Hegewisch auf ber Polizei gewollt?'« »Man hat sie allerlei gefragt. Ueber dich —- über unser häusliches Leben«. »Was hat sie geaiittvortet?« »Sie hat gesagt, ioir lebten« — anssteigende Tränen wollten Hedwig die Sprache rauben, doch faßte sie sich rasch —- ,,ioir lebten anscheinend sehr gliicllich miteinander«. »Das entspricht ja der Wahrheit, wenigstens bis vo: tutzem«. »Ja, bis vor tueze1n'«. »Und weiter-« ' »Man bat gefragt, ob sie zu Hause ivar an dem Abend, als die lkuiietvta starb«. »Sie war nicht zu Hause —- wenig stens nur einen Teil des Abends.« »Ja, nur bis gegen acht Uhr«. »Hm sie das ausgesagts« »Js1«. »Auch daß ich ihr begegnet bin, daß wir miteinander gesprochen ha ben t« »Ja, auch das·«. »Nun, es ist gut«. «Gut?« »Klarheit ist immer gut und viel leicht kann dies beitragen, Klarheit zu schaffe-IT Sie antwortete nicht. Bis jetzt hatte sie gestanden, aber nun schwankte sie ein wenig und mußte sich niedersetzen. Die Sonne wander te weiter, der sreundliche Glanz ent wich aus dem Zimmer· Nach einer schweren Pause tat Hed wig abermals eine Frage. »Du gibst es zu Brutto, mit Fräu lein Hegewisch dort gesprochen zu haben — warum leugnest du es mir ab auch am Nachmittag dort gewesen zu sein?« Weil ich nicht dort war«. JAber ich bade dich doch gesehen — mit Tmeinen eigenen Augen gesehen!« » Trotzdem — es n: uß ein Irrtum gewesen sein« »Wie wäre das mö lich? Wie könnte solch ein Irrtum ich ertläreni Sage tnir das, ich bitte dich« «Bielleicht« —- er brach ab, er schien das eine Wort schon zu bereuen, »Du weißt nicht, wie michs q«uält, ger«ade dies. Es ist mein Vertrauen ;-.u dir, das davon abhängt. Kannst du mir diesen Jrrtum erklären, Bru spi« Er überlegte noch einen Augenblick, aus den Boden schauend, als wenn er von dort eine Antwort ablesen tönntr. Dann sprach er lang am, in underlin derter Haltung: » ch tönnte viel leicht eine Vermutung aussprechen — —- eine Vermutung, nicht mehr. Aber sie würde dir wenig- helfen, da du nach Gewißheit suchst, und ich darf sie nicht aussprechen«. »Warum darfst du es nichts« Nun trat er plötzlich nahe vor sie hin mit erhobenenc Kopfe; seine Blicke bohrten sich in ihre- Augen: «Deinet wegen darf ich es nicht und unseres Kindes wegen«. »Bruno, Bruno — wie soli ich das verstehen?«' »Daß ich fiir dich und Elli meine Position in der Welt und meinen un besleclten Namen bewahren muß«. »Um Gottes willen stoße mich nicht in immer tiefere Duntelheit. Jch suche nach Aufklärung, nach Licht, und was ich finde, bringt mir noch größere Verwirrung«. »Ich hilfe dir gern, Hedwig. Bei Gott, mein Schweigen wird mir schwer! Aber es gibt Geheimnifse, die der Mensch allein mit sich herum tragen muß, die vor dem Lichte des Tages, vor dem Klange der Worte ge hiitet werden Inuffen«. »Was fiir Geheimnisse, Brunn? Soll ich sie niemals erfahren?« »Spiiter vielleicht. Es hiingt von mir nicht ab, wenn ich sprechen darf-« »Aber ich lann in solcher Ungewiß heit nicht leben — kann so nicht wei ter neben dir hergehen und immer wieder, stündlich aufs neue an dir zweifeln. Ja, Brunn, ich muß es dir sagen: ich zweifle an dikt« «Seltfam«. »Was?« »Wie du beredt wirst in dieser Not und Angst. Ich habe dich oft getadelt wegen deines liihlrn Schtveigens. Du weißt es. Deine norddeutsche Mitgift war es. Nun ist es gebrochen —- du hast reden gelernt. Es ist, als wenn eine Statue zum Leben erwacht wäre. Du bist jetzt erst ganz geworden, was du sein lanns«. »Ach, das alles ift ja gleichgültig in diesem Augenblick. Jch suche nach Wahrheit — gib sie mir, Brunn. Jch will dir ja tragen helfen, was zu tra gen.ift, aber sag’ mir die Wahr heit.« — »Ich kann es nicht, Hedwig«. l »Doch, du kannst es. Beantworte rnir eine Frage wenigstens-C ,Welche?« »Bist du srei oou Schuld oder nicht?« Er kämpfte mit sich, er atmete so tief, daß der Kopf sich zurück und vorwärts bewegte« um dann mit ei ner einzigen Silbe zu erwidern. »Nein«, hießt die Antwort, die von seinen Lippen karn. »Nein?« Hedwig stieß das Wort in einein turzen, raschen, gedarnpsten Tone her vor. der eindringlicher war als ein lauter Schrei. Sie hatte die Hände wie zur Abwehr ausgestreckt, und eine Zeit verging, bis wenigstens ihre Lip pen sich wieder bewegten. »Es ist ja nicht möglich, Bruno, es ist ja nicht möglich! Wie soll ich es denken lernen, daß du — du diese surchtbare Tat« — Nun hob auch er die Hand mit ru higer Abwehrbewegung: »Du miß verstehst mich, Hedwig. Jch habe diese Tat nicht getan· Jch bin jenen Abend nicht im Hause der Kunewka gewe sen« habe sie nicht gesehen und nicht gesprochen, habe keinen Teil an ihrem Tode. Dar- kann ich dir schwören, Hedwig — du weißt, wie lieb ich Elli habe —- bei dem Leben unseres guten Kindes kann ich ei- dit schwören«. »Oh, ich danke dir, Bruno — dir und Gott! Es ist, als wäre niir ein schwerer Stein von der Brust genom men worden. Jetzt will ich vertrauen und hoffen«. »Freue dich nicht zu sehr, hosse noch nicht zu viel. Du hast mich gefragt, ob ich srei wäre von Schuld, und ich habe taraus mit ,,nein« geantwortet Dies Nein bleibt bestehen, aber fragen darfst du mich jetzt nicht mehr. Viel leicht kommt schon eher, als ich selber es hasse, der Tag, an dem ich spre chen tann. Wenn er kommt, wird er Klarheit bringen — ob er auch Freude bringen wird, weiß ich nicht Wir müssen warten —- habe Geduld«. Jch will sie haben. Und was auch kommen mag —- du hast mir heute so Großes gesagt, hast mir damit eine solche Wohltat erwiesen — ich danke dir dasiir vonganzem Herzen«. . H Vor dem Kriminaltommissar Bren nert stand in seinem Bureau der Po lizeidirettion ein junger Bursche. Von der nahen, gegeniiberliegenden Haus wand aus der anderen Seite der Straße tam das niatte Winter-licht mit grauem Reslex durch das eine große Fenster des tllaumes herein und liesz die Gesichter der darin befind lichen Personen blaß erscheinen. So gar die gesunden, lustgeröteten Züge des festen Schutzicianns, der nahe hin ter dein Burschen stand Brennert besaß eine besondere Art, mit seinen Klienten aus dem weiten Reich der Entgleisten zu verhandeln. Er sprach scheinbar sehr gemütlich mit ihnen, manchmal Tiber ganz gleichgül tige Dinge, um dann plötzlich mit einer Frage dazwischen zu fahren, die s"«.e verwirrte und in Widersprüche ver wickelte. Auch durch lange Pausen unsicher zu mache-, war einer seiner Tricks Hin-der Verbrecherwelt hatte man ihn darum den «Fallensteller« getauft. Im Augenblick war wieder die Tat tit der großen Pause on der Reihe. Scheinbar ganz in ein Aktenstück ver tieft, das vor ihm aus dem braunen tintebesprihten Tische lag, las er mit Eifer, Laßte das Kinn überlegend mit einer »und, las wieder, machte sich Notizi . aus einen: geiblichiveißen Zet tel und hatte dexi vor ihm stehenden Burschen anscheinend ganz vergessen. Dem wurde sichtlich immer unbehaglis cher zumute. Er trat ungeduldig von einem Fuß aus den anderen und rieb sich die Handslächen an seinem faden scheinigen Rocke. Sein Gesicht sprach von Intelligenz, aber gleichzeitig von großer Vertoniinenheii. Es hatte hübsch sein tönnen, wenn ein merk loiirdigeo Mißverhältnis es nicht ent stellt hätte; die Pariie von der Nase bis zum Kinn war genau so lang ivie die bis zum Ansatz des unordentli chen,trausen Haares-. Der Icon er schien Lang auseinandergezerrt Jn dein verhältnislosen Gesicht aber brannten ein paar funlelnde. dunkel brnune Augen. Plötzlich blickte der Kommissar em por, so rasch, daß der andere förm lich zusammenfuhr und sich auf eine ganz wichtige Frage vorbereitete. Statt dessen sagie Brennert sehr ge niiitlich: ,,Neustijtier, warum heißen Sie eigentlich der Schiller- - Hang?« »Der wissen der Herr Kriminal ooch schon?2' .Na natürlich«. »Ja, so mer« iii jenanut.« »Aber warum"s« »Na, ick bin doch än jute Eltern. Sojar ufs’5 Jyrnnasiuni oin icl jewe sen — freilich man kurz. Aber da is doch so allerlei hängen ;eblieben. un besonders die Liebe vor die Klassiker«. »Gratnliere«· »Un iveil ici nu den Schiller so stückweise nustvenoig lann un manch mal ooch davon Jebrnuch mache bei meine Freunde, da nennen sie mir den Schiller - Hans-. Wenn ick dein Herrn Krinnnal vielleicht niit det Lied von die Jlorie usswarten dürs te« — »Nein, danle, das ist mir zu ans gedehnt. Sagen Sie nur lief:«er, Ren stiitter, schämen Sie sich denn eigent lich gar nicht?« »Warum denn, Herr Kriminal?« »Weil Sie, ein Sohn aus gutem Haus« Ihr Leben so verlnnnuieln and vergeuden· Warum arbeiten Sie H Reichs-« »Oh, ick habe ;och schon jearbeitet«. »Aber nur sehr stellenweis e«. »Ja, Herr KriiniiiaL wenii det Ar beiten so jut schmeclte wiesg Schweig teinten, denn wär’ icl ooch nicht so dasejen«. Nun er sprechen durfte, wa ren ihin Frechheit und Laune zurück gewannen ,,Sagen Sie mal, Neustätter, woher leimen Sie den lsjchlosser Wildführ?« Da war die Falle, die Frage aus dein Hinterhalt. Neustätter war aus alles :.i«dgliche gefaßt gewesen« aber nicht hieraus. Sein Gesicht wurde noch länger, alv es schon war, und er stotterte mühsam: »Wildsiiht — Wildfiihr, daß ick nich wüßte.« .,3ieren Sie sich nicht. Er ist mit Jhnen bekannt, ich weiß es.« »Wil·sisiihr — jawoli, jetzt besinne ick mir. Der hab' iit Ufs sehr an ständige Art kennen jclernt ·—- dazu mal hab ict nämlich jearbeitet.« »liönnie stimmen Jch will Jhnen auch sagen, ivo es gewesen ist. Jn der ltunstschlosserei von Mathias hier in der Odchstraße.« ,,:liee, wie der Herr Kriininal je scheit siiid!« »Sie haben es dort natürlich auch wieder nur vierzehn Tage auf-gehal ten. Wildfiihr arbeitet aber noch in der Fabrit.« »Dariiber lanii ick iin nischt sa gen.« »Das ist ja sehr merkwürdig Nen stiitier. Worüber haben Sie sich denii mit ihm so lebhaft unterhalten vor zehn Tagen in der Gastivirt schast zum »Gr-ldenen Löiven«, wo Sie mit Wildsiihi und Jhreni Freunde Hoser —- deni langen Höger —- iiber eine Stunde beisammen sa ßen?« »Na, nu schlag« aber einer lang hin! Dei jrenzi ja aii Jedaiileiiiiberi is :.«gung ,,Mochien Sie mir vielleicht mittei len, worüber Sie damals im ,Golde neii Löwen« so lebhaft unterhandelt haben?« »Ja, det is schon lange net. Ja jloobe, wir haben über Politit seie det. Wildführ, der hats nämlich mit die Politit Er jeht doch in Ver sammlungen und hält Reden.« »Ist richtig. Aber Sie haben es nicht mit der Politik —- wie Sie sich ausdrücken. Sie hichen Interesse sür ganz andere Dinge.« »Ja, vor die Klassiker.« »Es wäre gut, wenn Sie sich dar ous beschränkten Aber mit Ein briichen, Taschendiebstählen und ähnlichen Sacher haben sich die Klas Yter meines Wissens nicht abgege ein« »Der Herr Kriminnl tennen woll die »Minder« von Friedrich Schiller nich?« « Brennert mußte lächeln. Aber mit ten nuö dem Lächeln heraus tat er wieder eine seiner überraschenden Fragen: »Und jetzt erzählen Sie mir einmal wahrheitsgemäß, wo Sie den Ring der Schiiuspielerin Kunewta gelassen haben.« 'N Ring? Von ’ni Ring weeß iep nu. aber nack- jar nischt.« »Besten-sen Sie sich nur. Vielleicht itärtt es Jhr Gedächtnis wenn icks Ihnen audkute, daß die Polizei de« reiis iitec alles genau unterrichtet ifs und Jimm jemand gegenüberstehen könnte, der den Ring in Ihren hän den gese hen heit. Was wurden Siq dazu sagen's« »Ich wurde sagen, Herr Kriminalri Es lieb: die Welt, det Strahlende zu schwärzen un det Erhabene in n Dreck zu ziehn' »Man-en Sie nicht frech Neustäts te." »Nee, aber wahrhaftiger Juli doii’in Ringe weeß ich nu wirllig ianz un iar niiclit. Dadruss lann Ihnen mein Ehrenwort jehen.« »Das würde inir nicht allziidiec Eindruck machen. Aber wenn eile die Austriae verweigern, miissui sein-; even jeher-, auf anderem Wege zqu Ziele zu kommen. Leugnen »si xielleirkit auch, am Nachmittage »so-I 19. Februar mit Ihrem Fi-.u;.r» d ger our der Wohnungsliii »e ejchauspielerin Kiinewta gewesen sie sein«-« »Me, Herr KrirninaL Warum fouie ick dinn noch so ’ne unschuldige dache lezigrien?« »Unsd,u1vig?« »Na, natürlich. Dei war die reene Kuiisiveieijtcrung weshalb wir am Besuch bei die arme Person sei-acht Linden-« »Nun hören Sie aber »Juki« »New i:ee! Der war wirklich fo Wenn ick '::ial irade Jeld hat«-, l- :.ie 1eh’ ict doch jerne noch ·iiial us Theater. Un in vor drei Li« .it ungefähr, da half ir! ihr spie-en c yeii, die Amalia in die «Rauur«· Jütteriveiu, Herr KriminaL Un- gie is det ewig schade. Und da liab« ick denn zu meinem Freunde .,"·« zee kesagk ,Du, Lügen die müssen ««.r mal iii die Jiälie sehen. Wir »sei riien uns «n Ull und jeheii zu iyii un sagen, wir wären Ardeeter -- .u«t wir ja iieIenweiie noch sind — un Härten wat nachzuieheri an die Was i«erl(iiuiig·« »Na, jefagt, jctaii. Un zu Jesiclne haben wir ihr ja wirklichf noch jetriegi, aber wenn mir icivußt hatten« —- . »Hören Sie auf, Neuikätten DieLe Wiederei nat keinen Zweck Ueverlegn Sie sich die Such noch einmal. In d-r Untersuchungs aft haben Sie ««r gute Mus c dazu. Mich einiger Zeit wollen icir darin wieder einmal mit einander sprechen« Brenners gno dem Schntzinann ei nen Wint« Rensiätter adzusuyrem der sich nicht versagen konnte, beim Hen auggehen dein Kommissar noch eine kleine Leltion im Schiller zu gehe ,« indem er ihm zuries: »Herr Kri nal, det is bei mir ganz wie bei M riechen Stuart — ooch ich kann fis-I gen, bin besser als mein Rus.« . . Brennert war allein. Sein Gä s cht verfinsterte sich Er schauteo sich hin und dliitterte in den Akt doch ohne wirklich zu lesen. Till und grau lag das leere Zimmer U ihn her. I Nach einiger Zeit erst hob er die .- csand, um ans eine eleltrische Glorie zu drücken. die in der Form einer braunen Birne von der Decke herab über de.n Tische hing. Ein Schus cnann — der vorige war braun gr mesen, dieser war blond —- iata her ein, uno Brennert sagte: »Lassen Sie den Höger jetzt eintreten.· , Gleich darauf betrat, ein unge wöhnlich langer und niagerer Menlch das Lamm vom Schutzmann ge folgt. Ader oie lange Figur des Freundes vom Schiller-Hans war zusanimengetriimnit, und er drehte die rechte, flache Hand sest aus die Augenschein Sein geblich- bleiche-Dl bartlvseis und noch nicht alten Ge slcht iålscr den: aber doch schon cine bi unle Glatze ohne Heimat-gren jung emporstieg verzog sich . der Mundpasiic häufig wie eng Schmerz. -· 4s. Jst-rennen austete daraus jedoch vor tiiusig ebensowenig svie aus die hei stre, klägtiche Stimme, die aus seen Fragen uber die Personalien teuer Bescheid gab Als er aber dann ein se« .nek Km stpansen eintreten ließ stns Höaer an zu jammern und sagte »Ach, wenn ict bitten dürfte et Krnnina’., lassen Sie mir nicht s lanae stehen Mi r is heute san hundssön »ich zumute. Meine Magen so metzen, wo ick häufig dran leide End heute jradezu doll.« »Magens chmerzen? Ja, mein liebe Höget, die tonunen vom sortgeseste Lebenswandel."' »Ach nee, nee, det ist immer tna bloß die iifresung. Wenn ick stm ussreje sind se da wie beim BMF die Seins-um« I - »Wenn Sie wirliich Schmerzen lden, dann wird es wohl am bests sein. Sie gehen bald wieder und t· gen sich ausg Bett« i. ’. »Ach Ic, Herr Kriniinal, W möchte ick odch iebeten haben.« «;» »Das hängt ganz von Jhney ii Wenn Sie mit schnell und turb worten und alles augiagen wa nen bekannt ist, werden wir in oeit fertig sein. Uebrigen-Z hat « J Freund Neustätter das Wiithigs ebereits erzählt.« -..-t M Entsetzung sokgt). ««,«