Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 01, 1917, Sonntagsblatt, Image 11

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    Aug Ringen
werden Ketten
Roman von Insekt heimisch
l
(4. Fortsetzung) ;
»Auf-wag gewiß. Das muß ichs
Ihnen ohne weiteres zugeben, meins
lieber Herr Kommissar-. »Aber nicht«
unbedingt beweistrastig ·Und eineni
bestimmten Beweis mußte man ha
ben, wenn man die Vernastung eines
gebildeten, angesehenen Mannes in
solcher Stellung vor sich selbst recht
fertigen wollte. Nein, ich bin Jhnen
sehr dankbar. baß uns dieser Stan
dol erspart geblieben ist. Unser Ne
gierungspriisrdent ist ein sehr einp
sindlnyer herr, und er würde sicher
einen Mordsspeltatel machen, wenn
wir die Hand auf einen seiner Beam
ten legten, ohne derartige Berdachtss
gründe zu haben, daß jeder Wider
spruch schweigen müßte. Denken Sie
auch an den Jubel der sozialdemotra
tischen Blätter, trenn sie der Welt
vertiinben könnten, ein Regierungsrat
sei unter Mordverdacht veryastet wor
den. Rein, nein, Sie haben völlig
lo:relt gehandelt«.
Das Gesprcich sand in der Frühe
des Wintermorgeiis aus der nassen,
mit weichen Schneesloaeii vestreuten
Straße statt, wahrenv Staatsanwalt
Litdeinann unv Polizeitoinmissar
Brennert unter ausgespannten Regen
schirnien eilig dem Pause zuschreitem
das durch den Mord am vergangenen
Abend plvsslich eine so traurige Be
deutung erlangt hatte. Der Kom
missar hatte dein Bertreter des Ge
setzes bei Morgengrauen Bericht üver
den Borfall erstattet, und sie waren
zusammen jest eilig aus dein Weg,
um an Ort und Stelle eine gemeinsa
me Lotalinipettiort vorzunehmen.
Staatsanwalt Lüdeinann glich lei
neeioegs einein schneidigen Itintltiger
von Berus. Sein volle-, rosiges stin
dergesicht init einem tleinen, vionden,
slautnigen Schnurrvart ließ ihn weit
suiiger scheinen, als er wirklich war.
deine Zuge verrieteti mehr Bonhomie
als juristische Strenge, und sein Lä
cheln war von harmloser Liebenswurs
digteit. Aber hinter dem Kinderges
sicht verbarg sich ein scharser Verstand,
und er tvar alg Beamter ebenso ge
sutchtet wie als heiterer Gesellschasier
beliebt.
tritvaz mißmutig ging der Kom
missar ein paar trugenvlicke schwei
gend neven ihni hin, um«dann das
Gesprach mit einein leichten malitiös
sen Lächeln wieder auszunehmen:
»Rücksichten müssen ja vielleicht ge
nommen werden« obwohl jeder ttriinii
nalist genau weist, daß Bildung und
gesenschastliche Stellung durchaus
nicht immer ein Schuß gegen das
Bervrechen sind«.
»Gewiß nicht. Aber wir kennen
den Fall bisher zu obersliichlich, uin
sichere Schlüsse ziehen zu tönnen. Mir
ist ausgesallem Sie haben vorhin die
Worte »scheinbar« unv «inutmaßlåch'·
gebraucht. Solange wir mit solchen
hatven Sicherheiten zu rechnen ge
zwungen sind, hatten wir den festen
Weg, der zum Ziele führt, noch nicht
gefunden. Den Uluooruet «mutniatzi
lich« gebrauchten Sie hinsichtlich der
Zeit des Mordeö. Haben Sie bereits
ermittelt, wann siiaii die Tote zuletzt
" siedend gesehen hat«-«
.Sobiel ich bis jetzt weiß, hat sie
ba-) Hauo nachinittags nicht iiiehr bir
iussen. Sie hatte morgens iin Thea
ree eine lange Probe zum «Othelto",
der sur heute angesetzt war, und
worin sie die Desdeniona spielen
sollte. Die Probe hat bis gegen zioei
Uhr gedauert«.
»Ein sonderbare-z Zusammentresi
sent Heute hätte sti« sich aus der Lich
n. solten erwurgen lassen, und ge
stern ist sie tatsachlich erwiirisi wor
den. Diese Probe siir das »Trauer
spiel ist allzu realistisch aus-gesal
len«.
«Viell.-icht aber gibt uns das meet
tvitrdige Zusammentreffen einen Fin
geiseig. Othello mordet aus Eiter
sucht, und auch Othello ist ein gebilde
ter Mann«.
«Lieber herr Kommissar, verbeißen
Sie sich nicht aus einen bestimmten
Verdacht, bevor Sie unutnstößtiche
Tatsachen in Händen haben. Tatsa
chen. — Tatsachen, —- Tatsachen, das
ist eit, was wir gebrauchen. Dann
erst tann sich die Phantasie an die Ar
beit machen. Sie haben Phantasie,
unb ich schätze bab besonders an Jhs
nen Aber das ist eine Wasse, die
manchmal zuruapriillt aus den, der sie
gebraucht. Also: Tatsachen!«
«Jch hosse, toir werden sie heute
noch sinden".
«Jch hosse das auch. Und uni da
hin zu toinnien: Sie sprachen vorhin
von der Jungser als von einer schein
bar zuvertiissigen Zeugin. Lassen Sie
uns doch zunächst einmal untersuchen,
ob sie bat wirklich ist. Lassen Sie
uns präsen, ob ihre bisherigen An
gaben auö Wahrheit beruhen. Wann
ist sie ge ern von ihrer herriik beur
laubt worden und site wie lanaei'
»Um drei Uhr nachniittags ihreri
Angabe nach; um dreiein lb ithr ists
sie mit deni Versetzuge ortgesafien»
Bis uin els Uhr abends hat sie ort-l
bleiben dürfen, ist aber schon mit beni(
Zuge um dreiviertel achi Uhr wieder.
von ihrem Heimatborse Degenselb ab-!
gefahren, weit ihre Mutter unwohl»
gewesen ist und sich zeitig hat schla
fen legen wollen. Das hat sie gestern
abend bereits, bevor sie die Wohnung
ber Kunewta betreten hat« einer Kö
chin im dritten Stock erzählt. So
weit erscheint mir die Aussage ein
wanbsrei«.
»Me- «erschei·rt« wollen wir prü
fen. Wir kommen hier gieich an ei
nem Postamt vorbei. Hegenfeld hat
jedenfalls Telephonoerbinbung Haben
Sie die Güte, sosort einmal an die
dortige Genoarmeriestation zu tele
phonieren unb sie mit Recherchen zu
beanstragen« ob die Angabe der
Jangser — wie heißt sie bricht«
»Warte Stubeafbht«.
aGut: ob die Angabe der Marie
Stubensöhr über das Unwohlsein ih
ree Mutter den Tatsachen entspricht.
Da haben wir gleich eine Kontrolle
siir ihre Wahrheitsliebr. Dort ist
schon das Posiamt, —- also seien Sie
»so gut, ich werde hier warten. Aber
sagen Sie den Herren Gendarmen, sie
sogen rasch unb ein wenig vorsichtig
sein, damit uns die Frau Stuben
ssöhr nicht topsicheu wirb«.
! »Ich bin gleich wieder hier«. »
Der Kommissar verschwand im;
Postamt, und der Staatsanwalt ver-?
trieb sich die Zeit damit, in einein!
nebenan gelegenen Kunstlaben die dort s
in großer Zahl ausgestellten Photo-;
graphten der -t!rinoroeten zu betrachss
ten. l
Er sagte, sobald Brennert wieder
an seiner Seite war: »Um dies
Weib, uin die sinnen-tm ist et- wirt-’
lich schade· Ein rassigeo Weit-! lind
wenn man ihr Gesicht steht, lönnte
man wirtlich glauben, daß eine Eifer
suchtstragödie dort gespielt hätte.
Doch das ist nur Vermutung, und
wir gebrauchen Tatsachen. Hier wä
ten wir ja nun auch in der Wurst-ir
sieiistraßk Die Mitbewohner des
Hauses haben Sie doch wohl schon
gestern abend bunt-mitteni«
«Soweit sie zu haben waren, ge
wiss. Eine Frau Kommerzienrat
Weinnianm die das Geschoß über der
Ermordeten bew»hiit, war ini Thea
ter, das hier ja schon um sieben llhr
anfängt, und sie war auch bis drei
riertet zehn Uhr, als ich das Hang
verließ, noch nichi wieder zurtiit. Ein
Jngenieur Dotter-, der tni dritten
Stockwerk wohnt, war gleichfalls deit
ganzen Abend nicht zu Pause. Bei
itnn ist jene Köchin beoiensiei, der die
Stubensohr die Mitteilung tiber die
stranlheit ihrer Mutter inachte«.
»Um welche Zeit ist das gesche
heut«
Kurz vor neun Uhr. Unmittelbar
betsor sie die Wohnung der Kunewta
betrat und die Tote sand. Die Stu
bensohr war zuerst in ihre Kammer
iin Dachgeschosz gegangen und tani
von dort herunter, wobei sie die er
wahnte Kochiii oor der Kotridortitr
tras".
«Aber Sie sagten, sie sei uin drei
viertel acht Uhr oon Hegenseld fortge
sahren. Sie muß also sehn Minuten
noch acht Uhr hier gewesen sein. Vom
Bahnhos zur stutsiirstenstrasze ge
braucht inan fünfzehn Minuten. Sie
muß demnach schon gegen halb neun
Uhr zu Hause gewesen sein. Da ist
eine Lüge, wenn sie den Mord erst
uin neun Uhr entdeckt hat«.
»Ich hatte das auch beinerlt und sie
darum befragt. Aber sie sagt, sie
hätte eigentlich gar nicht mehr in die
Wohnung ihrer Herrin gehen wollen,
weil diese gesagt habe, sie brauche vor
els Uhr nicht zurückzukommen und
könne sich dann gleich schlafen legen«'.
»Diese ganze Beurlanbung sieht
sehr danach aus, als wenn die stu
newta die Jungser nur fortgeschiat
hatte, uin ungestort zu sein«.
i »Ich finde das auch. Aber ich habe
mir nicht erlaubt, es hervorzuheucm
weit sich's hier wieder nur uin eine
Vermutung und nicht um Tatsachen
r,andelt."
Lüdemann lachte: »Sie haben
recht, und ich danke siir die Korrets
tur. Also bleiben wir bei den Tat
suchen«.
»Die ctubenfc hr gibt weiter an,
ssie hatte sich erst oben in ihrer Kain
mer tlargemacht, ihr vorzeitiges
:l:..chhausetoinnie:i könne doch vielleicht
Ihrer Herrin bekannt werden« weil sie
Ists dein Regierungsrat v. Diiringer
Haus der Treppe begegnet sei. Da habe
sie dann zuvortxsmsnen und sich der
Runewta noch am Abend zeigen wol
len« Darum sei sie hinuntergegangen
und habe die lstate gesunden«.
«Das alles ist moglich. Wann will
ne dein Regierungsrat begegnet sein?«'
»Um halb neun Uhr ungesähr'«.
»Und haben Sie bei ihm nicht an
getragt, wo er sich um diese Zeit be
iunden haben willi«
«Jch habe das absichtlich aus heute»
verschoben, Herr Staatsanwalt, weil
er gestern so ganz ablehnend und un
zugiinglich war. Gerade bei gebilde-(
ten Leuten ist ei nach meinen Er
fahrungen oh niiglich, ihnen eine ge
wisse Zeit r stillei Ueberlegen zu
geden, um sich iiber die Bedeutung ih
rer Aal-sagen tlaezuwerdenc
«Mag sein. Und hier wären wir
ja denn auch an Ort und Stelle, wie
die Menschenansammlung vor dem
l
Hause beweist«.
Er hatte recht. Ein paar von den
Morgenzeitungen hatten bereits die
Nachricht von der Mordtat gebracht
und mit ihr eine ungeheure Aufre
gung in der Stadt hervorgerufen.
Eine dichte Menschenmenge stand im
halt-kreis, durch drei Schuhlente vom
Eingang serngehalten, vor dem Hau-·
se; die Leuae starrten, leise miteinan
der sliisteriid oder stumm"oor Ent
seyen, hinaus zu der Wohnung, ioo
so Furchtbareö geschehen war.
Innerhalb des Kreises aber besan
den sich einige Personen, die hier auf
die Kommenden warteten. Es waren
außer dein Reserendar Niemeher, der
telephonisch zur Ausnahme des Pro
totolls herbestellt worden war, und
einem Photograsihem der die Stätte
des Mordes iin Bilde festhalten soll
te, der Kreisphhsikus Dr. Gerdiiig,
der Jiigenieur hinter-, der niit in dein
llngtüclshciuse wohnte, und ein junger
Mensch in der Tracht eines Ausge-l
hers, in kurzen Hosen mit Gamaschen
und einer Mütze, über deren Schild
sich die goldenen Ansangsbuchstaben
einer Geschäftsfirma zeigten
Als Lüdeiniinri und Brennert in
den Kreis eingetreten waren, tani Dr.
Gerding ihnen entgegen, begrüßte sie
und sagte: »Hier der Herr Jngrnieur
Höcker und dieser junge Mann, der im
Delitateßgeschäst von Wolf ckc Bader
Auggeber ist, haben Aussiigen zu inn
chen, die von Wichtigkeit zu sein schei
nen«.
»Das freut mich. Gehen wir hin
etn«.
Sie stiegen die Treppe zum erstens
Geschoß hinaus; Brennert präste dass
von ihm an der Tür angebrachtes
Siegel, um es alsdann zu lösen undz
mit einem Schlüssel, den er aus der;
Tasche zog, die Tür der von einem?
Schuhmana bewachten Wohnung zu
Jssnew Sie war elegant eingerichtet,«
aber nur tlein und bestand aus einem»
Boudoir, einem Speisezimmer, einem
Schlasgemach, Toilettezimmer, Küche
nnd Bad. Eine trübe, lastende Däm
merung war an dem umwöllten
Wintertage darin, und Brennert ent
zündete zunächst in allen Räumen
das elektrische Licht.
»Wo liegt die Tote?« fragte der
Staatsanwalt.
- »Im Speisezimmer, in dem ja,
wie ich Jhnen berichtete, ein Souper
siir zwei Personen hergerichtet war.«
? »So muß ich Sie bitten, Herr Jn
genieur, noch ein wenig in dem an
deren Zimmer hier zu warten. Und
zSie, —- wie heißen Sie denn, jun
ger Manni«
»Christian Winter.·«
»Gut. Gehen Sie mit in dies Zim
;mer. Christian Winter, und warten
TSie dort mit dem Herrn Jngenieur
"zusammen. Jch werde bald bei Jhnen
» sein.«
; Brennert hatte die Tiir zum Bon
Jdoir geöffnet, in dem die beiden
’Zeugen verschwanden. Der Staats
anwalt aber betrat nun mit dem
Kreisphysitus, dem Kommissar und
dem Reserenrar das hellerleuchtete
Speisezimmer, das ein so trauriges
sGeheimnis barg. Es war hergerichtet
Iwie siir ein kleines Fest. Ein runoer
iTisch, eben groß genug für zwei
Personen, stand weißgedrctt vor einein
Eckdiwan und war mit goldrandigen
Tellern und Schüsseln besetzt, aus
denen Austern, eine Gänseleberpastete
und hummer in Aspit zierlich ausge
baut waren. Zwei slarhe Champag
nergliiser standen daneben, ein hohes
Kelchglas war mit schönen gelben
Marechal Nielrosen gefüllt. Weder
Gläser noch Teller aber waren benutzt
worden. Ein Sessel war an den Tisch
herangeschoben worden, ein silberner
Champagnerliihler, auH dem die mit
Stanniol umwundenen Hälse von
zwei noch nicht geöffneten Flafchen
hervorbtictten. stand am Boden zwi
schen Diwan und Sessel.
Das alles wäre festlich und heiter
gewesen, aber da war etwas, das
den Blick mit Gewalt von ihm ab
und auf sich herzog, das alle Le
bensluft mit feinem Anblick tötete
unv iiber Licht unv Glanz mit lal
tem Grausen fiegte. Dieser weibliche
Körper dort am Boveu, auch er m
seinem Gewande von weißer Seide
wie zum Feste geschmückt, aber nur
an den Sessel hingesunten mit auf
gelöftem Haar, das aufgeschwollene,
blau angelaufene Gesicht mit einem
Ausdruck unsagoaren Schreckens und
Entfeyens nach oben gerichtet, als
wenn von dort Hilfe kommen tönns
te, die starren. weit offenen Augen
mit matten Spiegelbildern ver elec
trifchen Flammen schrecklich erhellt.
An grausenoolle Schauspiele ge-»
Ioöhnt, oersant vor diesem Anblicks
doch au ver Staatsanwalt fijr einen’
Augenblick in ein Sei-weisen tiefer
Ergriffenheit. Und feine Stimme
war ein wenig belegt, als er vann
fragte: »Es ift hier nichts verändert
worden? So hat man sse gefttnden?«
»Ja, Herr Staatsamvalt,« ant
wortete Biennert. »Bielceict;t ist fei
tenö ver Jungfer bei ven Wiederbele
bungsoersuchen die Stellung ver To
ten ein wenig verändert worden. Im
übrigen ist alles belassen worden,
wie es war.«
Liidemann wandte sich an den Nio
tographem »Gut, fo machen Sie,
bitte, gleich ein paar Aufnahmetu
Eine von hier, — eine von hier —
und eine vielleicht von dort.«
Mit ftummer Verbeugung machte
sieh der Photograph ans Wert und
hantieete mit teisen Bewegungen an
seiner Maschine.
»Sie waren gestern abend auch
schon zugegen, Herr Kreisphysilus,
nicht wahrt«
»Gewiß, Herr Staatsanwalt Jch
war zu ause und tam sofort auf vie
ielephoniche Benachrichtigung durch
den Herrn Kommissar. Meine Wolf-(
nung ist ja zufällig ganz in ver Rä-l
he. Schon ein wenig vor halb zehn
war ich hier« J
»Und Sie haben Etwiirgen als die
Todesursache konstatiert?" I
»Ztveisellos."
»Ist ein Kampf vorangegangen?«l
»Scheinbar nur ein kurzer. Es
macht mehr den Eindruck, als wenn
der Mörder ganz plötzlich über die
Schauspielerin hergesallen wäre. JhrJ
Haar ist aufgelöst, aber die Kleidungs
ist nur wenig verschoben und nicht
zerrissen-« s
»Die arme Person hatte sich offen-;
bar fiir ein kleines Fest, siir ein
Tete-a- Tete, so schön geschmückt.
Nach alt' den Zurüstungen hier hat
sie offenbar einen Gast erwartet. Ob
er auch der Mörder gewesen ist, wird
sich zeigen müssen.'«
Lüvemann richtete seine Fragen
von jetzt an wieder an Brennert.
Waben Sie irgend etwas bemertt,
Herr Kommissar, was aus die Spur
des Täters weisen könnte? Jst ge
stern bereits nachgesehen worden« ob
etwas fehlt, ob also ein Raubmord
in Frage kommen könnte?'«
»Im wesentlichen habe ich das aus
heute verschoben. Fliichtig aber haben
die Jungfer und ich gestern abend
schon die Raume nachgesehen; ihrer
Aussage nach, aus die wir ja in die
sem Puntt hauptsächlich angewiesen
sind, scheint nichts zu fehlen. Mul
maßlich also tein Raubmord.«
»Wir werben sehen. Und auch sonst
haben Sie nichts, gar nichts gesun
den, was auf den Täter deuten
könnte?«
»Mein. Denn eine Sache, die mir
zuerst von Bedeutung schien, läßt sich
sehr harmlos erllären Hier am rech
ten Arm der Toten« — Brennert
kniete neben der Leiche nieder und
hob den bezeichneten Arm in die Hö
he —, »das heißt, am rechten Aet
mel des Kleides, werden der Herr
Staatsanwalt einen rötlichsgelben
Flecken bemerlen.«
»Gewiß —- ich sche. Was kann das
sein? Für Blut ist es viel zu hell.«
»Ja, viel zu hell. Jch habe mir
gestern gleich den Kopf daruber zer
brochen, aber die Jungfer gab mir
dann die Erklärung, die ebenso
ihartnlog wie zutreffend erscheint. Es
ist Schminte, nichts anderes, nnd mit
sSchminle hat eine Schauspielerin ja
stets zu tun. Jn ihrem Schlaszimmer
steht ein Tischchen mit verschiedensar
bigen Schtninien, nnd ihr rotes Ge
sicht verrät auch jetzt noch, daß es
gepudert war. Dabei iann die Tote
leicht mit einem Schmintestist in Be
rührung gekommen sein.«
»Mitglich —- sehr wahrscheinlich
sogar. Immerhin muß eine chemische
Untersuchung vorgenommen und das
Kleid aufbewahrt werden-«
«Selbstverständlich."
»Und nun wollen wir zunächst die
beiden Zeugen hören. Vielleicht haben
Isie Wichtcges auszusagen Zuerst will
ich den Ingenienr Höcker befragen,
s— der junge Mann aus dem Ge
schiist soll so lange aus dem Konj
dor warten Haben Sie noch ein we
Inig Zeit, Herr Kreisphysitus?«
»Gewiß. Vielleicht tann ich aber,
wenn der Herr Photograph mit sei
tnen Ausnahmen fertig ist, inzwischen
ldeu Körper der Toten durch ein paar
Schuhleute ins Schlaszirnmer schaf
fen lassen und alles fiir die Settion
L vorbereiten?«
»Das wäre sehr gut. Ihrer Ansicht
nach toar der Tod nicht lange vor
Jhree Ankunft eingetreten?«
»Hi5chstens anderthalb oder zwei
Stunden dorher.«
»Wir kämen damit also auf die Zeit
von halb acht bi-; acht Uhr für die
Vollbringng der Tat-«
»Ganz genan. Die Tat ist verhält
nismäßig rasch entdeckt worden.«
»Was siir uns immer ein Vorteil
ist. Also aus Wiedersehen.«
Er ging mit Brennert und Re
serenoar Riemen-sc in das nebenan
gelegene Boudoir, wo die beiden Zen
gen stehend warteten. Der Vlusgeher
Winter wurde zunächst auf den stor
ridor beordertj an dei: Ingenieur
Höcker, der ein ileiner, dieter, sehr
aufgeregter Herr von einigen vierzig
Jahren war, wandte sich nun der
Staatsanwalt nnd sagte: »Bitte,
Herr Ingenieur, was haben Sie zu
berichten?«
Der Zeuge, der sich offenbar im
stillen oft wiederholt hatte, was er
sagen wollte, begann in schnellem
schwer zu unterbrechendent Redeslusse
seinen Bericht: »Es ist mir ja furcht
bar unangenehm, Herr Staatsan
walt, in solch« eine Sache, wenn auch
nur ganz von weitem, vertvielelt zu
werden. Gräßlich unangenehm sogar.
Jch bin sehr nervös, und ich toerde
viel Zeit gebrauchen, bis ich diese
Aufregung wieder überwinde. Schon
lehte Nacht have ich tanni eine
Stunde geschlafen. Gewiß und wahr
haftig taum eine Stunde. Man hat
aber schließlich doch als ordentlicher
Staatsbiirger gewisse Pflichten, die
man erfüllen muß, nicht wahr? Und
ich wollte deshalb auch heute sriih
gleich ans die Polizei oder zu Ihnen,
here Staatsanwalt, gehen so unan«
genehm es mir auch war —- verzeihen
cre, aber es ist ja nicht persönlich!
gemeint, —- nnd wollte melden, was
ich gestern beobachtet habe Wie ich
dann aber von dem einen Schutz
mann hörte, — Siewecle heißt er,——
daß die Herren hierher kämen, da
schien es mir einfacher, wenn ich hier
-—
wartete, und so habe ich es denn auch
gemacht.«
»Das war wenigstens der einfachste
Weg. Und was haben Sie gestern e-«
obiichtet?« .
»Ich möchte zunächst genau die
Zeit feststellen, Herr Staatsanwalt«
und es ist mir durch einen Zufall biss
aus die Minute möglich. Jn meinem
Arbeitszirnnier steht nämlich eine altel
Uhr, noch ein Erbstück von meiner-i
Großmutter her. Die Uhr ist vonI
Bronze und aus das eigentliche Uhr-«
gehäiise, das beinahe wie ein halb
rund nach oren adgeschassener Altar
aussieht, stiitzt sich eine weisze Figur
mit einer Harfe ini Arm. Und wenn
die Uhr schlägt, hat sie einen so hel
len Ton, daß man meinen töiinte,
der Klang riihrte von der kleinen
Harfe her. Wenn der Herr Staats
anwalt sich dafür interessieren, wür
de ich bitten, sich die Uhr in meinem
Arbeitszimmer anschauen zu wolleii.«
»Dann-, darite!"
»Wie gesagt, es ist ein ganz hel
ler und rascher Klang. Ader alte acht
Tage musz man sie ausziehen, und
wenn man es bis aus den letzten
Terinin hinausschielit, dann fängt die
Uhr an, ganz langsam zu schlagen.
Dann ist sie mitte, man kann es
inicht anders nennen, nnd so war es
igestern Jch hörte, wie sie so müde
!schlug, und zog sie ans. Daher weiß
;ich, daß es genau drei Minuten iiver
svier war."
»Sehr gilt-"
»Ich war schon im Ausgehem hatte
den Hut bereits aiif dein Kopf, als
die Uhr fo müde schlug. Ich mußte
nämlich zu einer gefchaftlichen Be
sprechung mit einem bekannten Ar
chitetten — Gonderinart heißt er —
und es handelte fich unt eine Eisen
konflrultion für einen der Neubaiiten
in der Haieiistrasze, die ia jetzt ver-«
breitert wird, wie der Herr Staats
anwalt wissen werden. Jch hatte inich
schon ein wenig verspätei lieiin staf
feetrinlen, weil meine Fiaa gern ein
neues Kleid haben wollte, was ich
nicht nötig fand, und fo zog ich mir
in der Eile die Uhr noch auf und
ging. Ganz genau vier Minuten nach
vier Uhr muß es demnach gewesen
fein, als ich das Treppe-thing betrat.
Es war um diefe Tage-» und Jah
reszeit bei dem trüben Wetter schon
sehr dämmerig darin, aber das eletiri
fche Licht wird immer erst um fünf
Uhr aiigeziindet, weil ja Der Magi
ftrat sich auf die Herabtetzung des
Tarifs noch nicht einlassen will. Da
rum fiel es mir anf, daß am Trep
penpodest hier iin ersten Stonwert
das Licht bereits brannte.«
»Hier bei der Kuneivtii?«
»Ganz genau, Herr Staatsanwalt
Ader das war nicht alles. Ich hörte
vor ihrer Wohnung let-haft sprechen,
und als ich iiiii die Treppenviegung
hinuntertam, sah ich die echauspielei
tin hier in der offenen storridortür
stehen und mit zwei unheimlich mie
sehenden Burschen verhandeln. Un
heimlich muß ich sie wirtlich nennen.
Es waren ein paar Burschen, so von
zwanzig, einundzwanzig Jahren un
gefähr, in Arbeitertleioung, iiiit
vlauen Rittelin die üblichen Rappen
auf deni Kopf und mit allerhand
Werkzeug in den Händen Der eine
sagte. das habe ich deutlich unv ge
nau gehört: »Aber der Hang-here hat
uns aufgetragen, wir sillten heute
noch die Leitung nachsehen. Es ioiire
liiöng.« Ob der Bursche von der
Wasserleitung sprach rder von der
elcttrischen, rann ich nicht sagen.
Vielleicht von der eletirisehen, weil ja
oacs Licht hier bereits aufgedreht
war, vielleicht aber hatte die unglück
liche Schauspielerin iiiir Licht ge
macht, itm zu sehen, init icein sie es
zu tun hatte.
»Die Runeivta icar eine resoliite
Person, dasür hatte ich gerade gestern
den Genick-IT fuhr Herr Hinter fort.
Eine andere hatte sich woni.:glich ein
schiichtern lassen, weil der Bursche so
degidierc sprach, lind hätte ihn in die
Wohnung hineingelassen. Sie aber
sagte ganz entschieden, mit ihrer scho
iieii Stimme, die man so gern auf der
Biihiie hörte, sagte sie zu dein Bur
schen: »Ich have jetzt teiiie Zeit für
Sie. Itommeii Sie morgen wieder,
ivenii meine Jungfer zii Hause ist".
lind tauiii gesagt, schlug sie den bei
den die Tür vor der Nase zit«.
»Das ist ein sehr beaierlenswerter
Vorgang«.
»Nicht ioahr?" »
»Ich bante Ihnen, Herr Höcker.
llna wie verhielten sich die beidenj
Burschen? Haben Sie sonst noch et-!
ioag gehört?"
! »Die beiden machten lange Gesich
;ier, und etner von ihnen sagte zum
anderen: »Na, denn niih«. Das ivar
alles. Damit begaben sie sich ans
ben Abmarsch und gingen langsam
vor niir die Treppe hinuntei«.
»Zu jeiier Zeit sind sie also sicher
nicht in die Wohnung gelangt?«
»Es-jeher nicht« Herr Staatsanwalt
Vielleicht aber können sie später wie
deigetoinnien sein —- roeil ich das
deute, habe ich überhaupt nur dein
Vorfall Bedeutung beigelegt«.
»Ganz recht. Wir werden zunächst
nun ven Hausherrn befragen müssen,
ob sichs inn regelrechte, von ihsn be
aiistragte Arbeiter handelte oder
nicht«.
»Verzeihen Herr Staatsanwalt ich
habe das bereits getan. Jch möchte
daran erinnern, nias ich vorhin über
mein Gefühl für die staatsbürgerli
g.
is
ehen Pflichten gejagt habe. Darum
bin ich auch heute schon in aller Friis
he zu dem Hausherrn hinuntergegam
gen — er heiß-« Eggeling und has
oier eigene Häuser, wohnt aber hier in
diejeni, im Erdgeschoß — und nahe
ihn gefragt, ob er ein paar Arbeiter
zu der unglücklichen Schauspieterin
geschickt hat. Er ijt ganz erstaunt ge
wesen und hat re rundiveg verneint.
Rundtvcg verneint. Also dürfte nian
es doch wohl als erwiesen ansehen,
daß die«BurIchen sich unter einein fal
schen Vormund haben Eingang ver
schaffen wollen, wie man dies ja
manchmal in der Zeitung liest. Si
cher nahen sie nicht-e Gute-z im Schilde
geführt, diese Schurken!"
»Das alles itt mir sehr interessant.
Herr Höcker, ich werde nachher-. auch
noch den Hausherrn zu Protokoll ver
nehmen lassen. Bewreiven Sie eins
jetzt nur noch die beiden Burschen is
genau wie möglich«.
Herr Spötter iai esH mit großem Ei
fer, wagte jeaoch als veioirdenes
Kennzeichen für den einen dec Mike
nur anzugeben, daß er eine Steht
Narbe quer uver der rechten W
gehabt habe. '
»Sie wurden ihn tviedererkeyqry
ihn und den anderen-«
; »Ganz bestimmt, Herr Staatsan
;tvatt; sie tvaren ja nett veteuchtetzjtzsed
Hch habe sie mir genau iingeIeyeik weit
!mi: ja die ganze Sache von vornher
ein einen verdachtigen Charattet zu
haben ichien«.
»Unt. Hoden Die ionn noch etwas
zu ventertenW
»Ich wiitzte nicht, Herr Staatsqu
mai-, ich wußte wirklich nicht«-E- ,
»Dann hinten Sie jetzt nur nich
das Protokoll anzuhören und zu Im
reisqureiben Wir nvet tönnten Tin
teryer den anderen Zeugen verneh
cnen«. . ?
Protokollvertesimg und Unterschrift
erfolgten oyne Hornan nnd Vet
Oocter empfnnt sich nnt vceten Beker
gnngem tin-net noch Ieyr nutgeregh
Der Lin-gehet uyrinnni wisset
wurde nun-netzt hereingetuken und
vom Stwtsnnttht niny jfeststellng
ten-er Pericinnuen fteundtny or U t.
»Nun, wag haben Sie zu ruch
ten. junger Manne Warum tino Sie
y:eryergetoininen«s«
»Ja —- dee Herr hat rnir doch ge
sugi, Ich solt i;eige«)en".
»weichee Herr-«
»wun« Ver Herr Wolf«.
»neh, das in wohl oer eine Mit
inxznver Jyrer Firmen nicht winer
»Zu, ganz gennu«.
»und ivnrucn ynt er Sie Inge
:chmt«k« :-s-T
s »Ja, weil ich doch gestern Mend
nun- hier gewesen vin".
! ,,Geite:n.- Vier in der Wohnung?«
»Ja, ganz genau. Weit das nä
dige Fräulein-, ong nun tot in, gegem
um dreiviertel aui sechs Uhr noq in
junferem weichnjt geweien sit und
saneriei getan-i nun Austern und
IPumnier und Gänseleberpastetr. Und
»weil ich doch den Austrag yam« ! die
Forschen tserzubringen«.
T ,.Wanii war dass Wissen Siees
bestimmt iinzugeben«e«« «
»Ja, ganz genau. Weil und in
dem sie naniiich gesagt hatte, die Ha
;chen souien spatesteiig bis nin sieben
»iiyr hier sein« und ich bin iiuch"»zu
rechter Zeit sorrgesatsren und were
ganz genau mn sieben Uhr yier geiste
seii. Aber da ist inir was uii ineiyenr
made passiert, und ich yave beweist
"inacheii iasseii miissen, und ichwm
Jdarum erst tiirz rot halb actsti yr
incraergetoniinen Und das giiiidige
Fräulein hat mir setbst ausgemacht
nnd ist secsr ausgercgt gewesen nnd
nat mich geschulten, iueii ich so spat
tain. Aber wie ich ihr gesagt ide,
warum nnd weelsatb, ist sie gieich « ie
der gut geworden und tsat Mich
Yreundiich angeln-ist und yat niir isuch
noch ein Trintgeid gegeben, was-sich
gar nicht erwartet niid eigeiitiich iiach
gar nicht verdient hatte, ioeil tinds
indem ich doch nnpiintiiich gewesen
!i«ar". «
»So, und dann sind Sie gegan
geni«
-,,Ja, bann hat sie die Tür zuge
iiiaasi, und ich bin gegangen. tsrid
bao ist altes, sue-J ich dein yuisen Ge
iichtisyos zu meiden tsabe«.
»Gut — es isi gut«.
Rasch wurden mich hier die Pro
teiulisaritialitäteii eriedigi, tan Syri
siiaii Winter durfte sich entsertien.
Die drei Herren doin Gericht Und« Io
!izei blieben alle:ii· Der Staatsku
walt ging einen Augenblick nachsu
iiend ans iiiid nieder, um diinri spoe
Brennert haltziiinachen . !
»Herr Kommissar, die Sache ge
winnt niiii doch ein anderes Gesicht.
Freilich —- der brave Christian Latin
ier scheint mir unverdiichtig. »aber
diese beiden Burschen,«die sichs hier
Eingang zii verschonen suchten, tsatseii
sicher nichts Gutes im Schilde ge
führt«.
»Sicher nicht« Und ich gestehe dein
Hean Staatsanwalt gern ein. dass ich
mich anscheinend aus einer siiisitken
Fiitsrte bewegt habe, wenn ichs —«·
Ein Klopfen an der Tiir ertönte, und
auf das »Herein!« Liidemanns be
trat eiri Schiiszinann das Zimmer init
der Meldung: »Herr Negierungiat
von Diiringer liisit fragen, ob er den
Herrn Kommissar hier sprechen
töiinte?«
Gertsessung 'seigt.)