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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (March 1, 1917)
Aug Ringen werden Ketten Roman von Insekt heimisch l (4. Fortsetzung) ; »Auf-wag gewiß. Das muß ichs Ihnen ohne weiteres zugeben, meins lieber Herr Kommissar-. »Aber nicht« unbedingt beweistrastig ·Und eineni bestimmten Beweis mußte man ha ben, wenn man die Vernastung eines gebildeten, angesehenen Mannes in solcher Stellung vor sich selbst recht fertigen wollte. Nein, ich bin Jhnen sehr dankbar. baß uns dieser Stan dol erspart geblieben ist. Unser Ne gierungspriisrdent ist ein sehr einp sindlnyer herr, und er würde sicher einen Mordsspeltatel machen, wenn wir die Hand auf einen seiner Beam ten legten, ohne derartige Berdachtss gründe zu haben, daß jeder Wider spruch schweigen müßte. Denken Sie auch an den Jubel der sozialdemotra tischen Blätter, trenn sie der Welt vertiinben könnten, ein Regierungsrat sei unter Mordverdacht veryastet wor den. Rein, nein, Sie haben völlig lo:relt gehandelt«. Das Gesprcich sand in der Frühe des Wintermorgeiis aus der nassen, mit weichen Schneesloaeii vestreuten Straße statt, wahrenv Staatsanwalt Litdeinann unv Polizeitoinmissar Brennert unter ausgespannten Regen schirnien eilig dem Pause zuschreitem das durch den Mord am vergangenen Abend plvsslich eine so traurige Be deutung erlangt hatte. Der Kom missar hatte dein Bertreter des Ge setzes bei Morgengrauen Bericht üver den Borfall erstattet, und sie waren zusammen jest eilig aus dein Weg, um an Ort und Stelle eine gemeinsa me Lotalinipettiort vorzunehmen. Staatsanwalt Lüdeinann glich lei neeioegs einein schneidigen Itintltiger von Berus. Sein volle-, rosiges stin dergesicht init einem tleinen, vionden, slautnigen Schnurrvart ließ ihn weit suiiger scheinen, als er wirklich war. deine Zuge verrieteti mehr Bonhomie als juristische Strenge, und sein Lä cheln war von harmloser Liebenswurs digteit. Aber hinter dem Kinderges sicht verbarg sich ein scharser Verstand, und er tvar alg Beamter ebenso ge sutchtet wie als heiterer Gesellschasier beliebt. tritvaz mißmutig ging der Kom missar ein paar trugenvlicke schwei gend neven ihni hin, um«dann das Gesprach mit einein leichten malitiös sen Lächeln wieder auszunehmen: »Rücksichten müssen ja vielleicht ge nommen werden« obwohl jeder ttriinii nalist genau weist, daß Bildung und gesenschastliche Stellung durchaus nicht immer ein Schuß gegen das Bervrechen sind«. »Gewiß nicht. Aber wir kennen den Fall bisher zu obersliichlich, uin sichere Schlüsse ziehen zu tönnen. Mir ist ausgesallem Sie haben vorhin die Worte »scheinbar« unv «inutmaßlåch'· gebraucht. Solange wir mit solchen hatven Sicherheiten zu rechnen ge zwungen sind, hatten wir den festen Weg, der zum Ziele führt, noch nicht gefunden. Den Uluooruet «mutniatzi lich« gebrauchten Sie hinsichtlich der Zeit des Mordeö. Haben Sie bereits ermittelt, wann siiaii die Tote zuletzt " siedend gesehen hat«-« .Sobiel ich bis jetzt weiß, hat sie ba-) Hauo nachinittags nicht iiiehr bir iussen. Sie hatte morgens iin Thea ree eine lange Probe zum «Othelto", der sur heute angesetzt war, und worin sie die Desdeniona spielen sollte. Die Probe hat bis gegen zioei Uhr gedauert«. »Ein sonderbare-z Zusammentresi sent Heute hätte sti« sich aus der Lich n. solten erwurgen lassen, und ge stern ist sie tatsachlich erwiirisi wor den. Diese Probe siir das »Trauer spiel ist allzu realistisch aus-gesal len«. «Viell.-icht aber gibt uns das meet tvitrdige Zusammentreffen einen Fin geiseig. Othello mordet aus Eiter sucht, und auch Othello ist ein gebilde ter Mann«. «Lieber herr Kommissar, verbeißen Sie sich nicht aus einen bestimmten Verdacht, bevor Sie unutnstößtiche Tatsachen in Händen haben. Tatsa chen. — Tatsachen, —- Tatsachen, das ist eit, was wir gebrauchen. Dann erst tann sich die Phantasie an die Ar beit machen. Sie haben Phantasie, unb ich schätze bab besonders an Jhs nen Aber das ist eine Wasse, die manchmal zuruapriillt aus den, der sie gebraucht. Also: Tatsachen!« «Jch hosse, toir werden sie heute noch sinden". «Jch hosse das auch. Und uni da hin zu toinnien: Sie sprachen vorhin von der Jungser als von einer schein bar zuvertiissigen Zeugin. Lassen Sie uns doch zunächst einmal untersuchen, ob sie bat wirklich ist. Lassen Sie uns präsen, ob ihre bisherigen An gaben auö Wahrheit beruhen. Wann ist sie ge ern von ihrer herriik beur laubt worden und site wie lanaei' »Um drei Uhr nachniittags ihreri Angabe nach; um dreiein lb ithr ists sie mit deni Versetzuge ortgesafien» Bis uin els Uhr abends hat sie ort-l bleiben dürfen, ist aber schon mit beni( Zuge um dreiviertel achi Uhr wieder. von ihrem Heimatborse Degenselb ab-! gefahren, weit ihre Mutter unwohl» gewesen ist und sich zeitig hat schla fen legen wollen. Das hat sie gestern abend bereits, bevor sie die Wohnung ber Kunewta betreten hat« einer Kö chin im dritten Stock erzählt. So weit erscheint mir die Aussage ein wanbsrei«. »Me- «erschei·rt« wollen wir prü fen. Wir kommen hier gieich an ei nem Postamt vorbei. Hegenfeld hat jedenfalls Telephonoerbinbung Haben Sie die Güte, sosort einmal an die dortige Genoarmeriestation zu tele phonieren unb sie mit Recherchen zu beanstragen« ob die Angabe der Jangser — wie heißt sie bricht« »Warte Stubeafbht«. aGut: ob die Angabe der Marie Stubensöhr über das Unwohlsein ih ree Mutter den Tatsachen entspricht. Da haben wir gleich eine Kontrolle siir ihre Wahrheitsliebr. Dort ist schon das Posiamt, —- also seien Sie »so gut, ich werde hier warten. Aber sagen Sie den Herren Gendarmen, sie sogen rasch unb ein wenig vorsichtig sein, damit uns die Frau Stuben ssöhr nicht topsicheu wirb«. ! »Ich bin gleich wieder hier«. » Der Kommissar verschwand im; Postamt, und der Staatsanwalt ver-? trieb sich die Zeit damit, in einein! nebenan gelegenen Kunstlaben die dort s in großer Zahl ausgestellten Photo-; graphten der -t!rinoroeten zu betrachss ten. l Er sagte, sobald Brennert wieder an seiner Seite war: »Um dies Weib, uin die sinnen-tm ist et- wirt-’ lich schade· Ein rassigeo Weit-! lind wenn man ihr Gesicht steht, lönnte man wirtlich glauben, daß eine Eifer suchtstragödie dort gespielt hätte. Doch das ist nur Vermutung, und wir gebrauchen Tatsachen. Hier wä ten wir ja nun auch in der Wurst-ir sieiistraßk Die Mitbewohner des Hauses haben Sie doch wohl schon gestern abend bunt-mitteni« «Soweit sie zu haben waren, ge wiss. Eine Frau Kommerzienrat Weinnianm die das Geschoß über der Ermordeten bew»hiit, war ini Thea ter, das hier ja schon um sieben llhr anfängt, und sie war auch bis drei riertet zehn Uhr, als ich das Hang verließ, noch nichi wieder zurtiit. Ein Jngenieur Dotter-, der tni dritten Stockwerk wohnt, war gleichfalls deit ganzen Abend nicht zu Pause. Bei itnn ist jene Köchin beoiensiei, der die Stubensohr die Mitteilung tiber die stranlheit ihrer Mutter inachte«. »Um welche Zeit ist das gesche heut« Kurz vor neun Uhr. Unmittelbar betsor sie die Wohnung der Kunewta betrat und die Tote sand. Die Stu bensohr war zuerst in ihre Kammer iin Dachgeschosz gegangen und tani von dort herunter, wobei sie die er wahnte Kochiii oor der Kotridortitr tras". «Aber Sie sagten, sie sei uin drei viertel acht Uhr oon Hegenseld fortge sahren. Sie muß also sehn Minuten noch acht Uhr hier gewesen sein. Vom Bahnhos zur stutsiirstenstrasze ge braucht inan fünfzehn Minuten. Sie muß demnach schon gegen halb neun Uhr zu Hause gewesen sein. Da ist eine Lüge, wenn sie den Mord erst uin neun Uhr entdeckt hat«. »Ich hatte das auch beinerlt und sie darum befragt. Aber sie sagt, sie hätte eigentlich gar nicht mehr in die Wohnung ihrer Herrin gehen wollen, weil diese gesagt habe, sie brauche vor els Uhr nicht zurückzukommen und könne sich dann gleich schlafen legen«'. »Diese ganze Beurlanbung sieht sehr danach aus, als wenn die stu newta die Jungser nur fortgeschiat hatte, uin ungestort zu sein«. i »Ich finde das auch. Aber ich habe mir nicht erlaubt, es hervorzuheucm weit sich's hier wieder nur uin eine Vermutung und nicht um Tatsachen r,andelt." Lüdemann lachte: »Sie haben recht, und ich danke siir die Korrets tur. Also bleiben wir bei den Tat suchen«. »Die ctubenfc hr gibt weiter an, ssie hatte sich erst oben in ihrer Kain mer tlargemacht, ihr vorzeitiges :l:..chhausetoinnie:i könne doch vielleicht Ihrer Herrin bekannt werden« weil sie Ists dein Regierungsrat v. Diiringer Haus der Treppe begegnet sei. Da habe sie dann zuvortxsmsnen und sich der Runewta noch am Abend zeigen wol len« Darum sei sie hinuntergegangen und habe die lstate gesunden«. «Das alles ist moglich. Wann will ne dein Regierungsrat begegnet sein?«' »Um halb neun Uhr ungesähr'«. »Und haben Sie bei ihm nicht an getragt, wo er sich um diese Zeit be iunden haben willi« «Jch habe das absichtlich aus heute» verschoben, Herr Staatsanwalt, weil er gestern so ganz ablehnend und un zugiinglich war. Gerade bei gebilde-( ten Leuten ist ei nach meinen Er fahrungen oh niiglich, ihnen eine ge wisse Zeit r stillei Ueberlegen zu geden, um sich iiber die Bedeutung ih rer Aal-sagen tlaezuwerdenc «Mag sein. Und hier wären wir ja denn auch an Ort und Stelle, wie die Menschenansammlung vor dem l Hause beweist«. Er hatte recht. Ein paar von den Morgenzeitungen hatten bereits die Nachricht von der Mordtat gebracht und mit ihr eine ungeheure Aufre gung in der Stadt hervorgerufen. Eine dichte Menschenmenge stand im halt-kreis, durch drei Schuhlente vom Eingang serngehalten, vor dem Hau-· se; die Leuae starrten, leise miteinan der sliisteriid oder stumm"oor Ent seyen, hinaus zu der Wohnung, ioo so Furchtbareö geschehen war. Innerhalb des Kreises aber besan den sich einige Personen, die hier auf die Kommenden warteten. Es waren außer dein Reserendar Niemeher, der telephonisch zur Ausnahme des Pro totolls herbestellt worden war, und einem Photograsihem der die Stätte des Mordes iin Bilde festhalten soll te, der Kreisphhsikus Dr. Gerdiiig, der Jiigenieur hinter-, der niit in dein llngtüclshciuse wohnte, und ein junger Mensch in der Tracht eines Ausge-l hers, in kurzen Hosen mit Gamaschen und einer Mütze, über deren Schild sich die goldenen Ansangsbuchstaben einer Geschäftsfirma zeigten Als Lüdeiniinri und Brennert in den Kreis eingetreten waren, tani Dr. Gerding ihnen entgegen, begrüßte sie und sagte: »Hier der Herr Jngrnieur Höcker und dieser junge Mann, der im Delitateßgeschäst von Wolf ckc Bader Auggeber ist, haben Aussiigen zu inn chen, die von Wichtigkeit zu sein schei nen«. »Das freut mich. Gehen wir hin etn«. Sie stiegen die Treppe zum erstens Geschoß hinaus; Brennert präste dass von ihm an der Tür angebrachtes Siegel, um es alsdann zu lösen undz mit einem Schlüssel, den er aus der; Tasche zog, die Tür der von einem? Schuhmana bewachten Wohnung zu Jssnew Sie war elegant eingerichtet,« aber nur tlein und bestand aus einem» Boudoir, einem Speisezimmer, einem Schlasgemach, Toilettezimmer, Küche nnd Bad. Eine trübe, lastende Däm merung war an dem umwöllten Wintertage darin, und Brennert ent zündete zunächst in allen Räumen das elektrische Licht. »Wo liegt die Tote?« fragte der Staatsanwalt. - »Im Speisezimmer, in dem ja, wie ich Jhnen berichtete, ein Souper siir zwei Personen hergerichtet war.« ? »So muß ich Sie bitten, Herr Jn genieur, noch ein wenig in dem an deren Zimmer hier zu warten. Und zSie, —- wie heißen Sie denn, jun ger Manni« »Christian Winter.·« »Gut. Gehen Sie mit in dies Zim ;mer. Christian Winter, und warten TSie dort mit dem Herrn Jngenieur "zusammen. Jch werde bald bei Jhnen » sein.« ; Brennert hatte die Tiir zum Bon Jdoir geöffnet, in dem die beiden ’Zeugen verschwanden. Der Staats anwalt aber betrat nun mit dem Kreisphysitus, dem Kommissar und dem Reserenrar das hellerleuchtete Speisezimmer, das ein so trauriges sGeheimnis barg. Es war hergerichtet Iwie siir ein kleines Fest. Ein runoer iTisch, eben groß genug für zwei Personen, stand weißgedrctt vor einein Eckdiwan und war mit goldrandigen Tellern und Schüsseln besetzt, aus denen Austern, eine Gänseleberpastete und hummer in Aspit zierlich ausge baut waren. Zwei slarhe Champag nergliiser standen daneben, ein hohes Kelchglas war mit schönen gelben Marechal Nielrosen gefüllt. Weder Gläser noch Teller aber waren benutzt worden. Ein Sessel war an den Tisch herangeschoben worden, ein silberner Champagnerliihler, auH dem die mit Stanniol umwundenen Hälse von zwei noch nicht geöffneten Flafchen hervorbtictten. stand am Boden zwi schen Diwan und Sessel. Das alles wäre festlich und heiter gewesen, aber da war etwas, das den Blick mit Gewalt von ihm ab und auf sich herzog, das alle Le bensluft mit feinem Anblick tötete unv iiber Licht unv Glanz mit lal tem Grausen fiegte. Dieser weibliche Körper dort am Boveu, auch er m seinem Gewande von weißer Seide wie zum Feste geschmückt, aber nur an den Sessel hingesunten mit auf gelöftem Haar, das aufgeschwollene, blau angelaufene Gesicht mit einem Ausdruck unsagoaren Schreckens und Entfeyens nach oben gerichtet, als wenn von dort Hilfe kommen tönns te, die starren. weit offenen Augen mit matten Spiegelbildern ver elec trifchen Flammen schrecklich erhellt. An grausenoolle Schauspiele ge-» Ioöhnt, oersant vor diesem Anblicks doch au ver Staatsanwalt fijr einen’ Augenblick in ein Sei-weisen tiefer Ergriffenheit. Und feine Stimme war ein wenig belegt, als er vann fragte: »Es ift hier nichts verändert worden? So hat man sse gefttnden?« »Ja, Herr Staatsamvalt,« ant wortete Biennert. »Bielceict;t ist fei tenö ver Jungfer bei ven Wiederbele bungsoersuchen die Stellung ver To ten ein wenig verändert worden. Im übrigen ist alles belassen worden, wie es war.« Liidemann wandte sich an den Nio tographem »Gut, fo machen Sie, bitte, gleich ein paar Aufnahmetu Eine von hier, — eine von hier — und eine vielleicht von dort.« Mit ftummer Verbeugung machte sieh der Photograph ans Wert und hantieete mit teisen Bewegungen an seiner Maschine. »Sie waren gestern abend auch schon zugegen, Herr Kreisphysilus, nicht wahrt« »Gewiß, Herr Staatsanwalt Jch war zu ause und tam sofort auf vie ielephoniche Benachrichtigung durch den Herrn Kommissar. Meine Wolf-( nung ist ja zufällig ganz in ver Rä-l he. Schon ein wenig vor halb zehn war ich hier« J »Und Sie haben Etwiirgen als die Todesursache konstatiert?" I »Ztveisellos." »Ist ein Kampf vorangegangen?«l »Scheinbar nur ein kurzer. Es macht mehr den Eindruck, als wenn der Mörder ganz plötzlich über die Schauspielerin hergesallen wäre. JhrJ Haar ist aufgelöst, aber die Kleidungs ist nur wenig verschoben und nicht zerrissen-« s »Die arme Person hatte sich offen-; bar fiir ein kleines Fest, siir ein Tete-a- Tete, so schön geschmückt. Nach alt' den Zurüstungen hier hat sie offenbar einen Gast erwartet. Ob er auch der Mörder gewesen ist, wird sich zeigen müssen.'« Lüvemann richtete seine Fragen von jetzt an wieder an Brennert. Waben Sie irgend etwas bemertt, Herr Kommissar, was aus die Spur des Täters weisen könnte? Jst ge stern bereits nachgesehen worden« ob etwas fehlt, ob also ein Raubmord in Frage kommen könnte?'« »Im wesentlichen habe ich das aus heute verschoben. Fliichtig aber haben die Jungfer und ich gestern abend schon die Raume nachgesehen; ihrer Aussage nach, aus die wir ja in die sem Puntt hauptsächlich angewiesen sind, scheint nichts zu fehlen. Mul maßlich also tein Raubmord.« »Wir werben sehen. Und auch sonst haben Sie nichts, gar nichts gesun den, was auf den Täter deuten könnte?« »Mein. Denn eine Sache, die mir zuerst von Bedeutung schien, läßt sich sehr harmlos erllären Hier am rech ten Arm der Toten« — Brennert kniete neben der Leiche nieder und hob den bezeichneten Arm in die Hö he —, »das heißt, am rechten Aet mel des Kleides, werden der Herr Staatsanwalt einen rötlichsgelben Flecken bemerlen.« »Gewiß —- ich sche. Was kann das sein? Für Blut ist es viel zu hell.« »Ja, viel zu hell. Jch habe mir gestern gleich den Kopf daruber zer brochen, aber die Jungfer gab mir dann die Erklärung, die ebenso ihartnlog wie zutreffend erscheint. Es ist Schminte, nichts anderes, nnd mit sSchminle hat eine Schauspielerin ja stets zu tun. Jn ihrem Schlaszimmer steht ein Tischchen mit verschiedensar bigen Schtninien, nnd ihr rotes Ge sicht verrät auch jetzt noch, daß es gepudert war. Dabei iann die Tote leicht mit einem Schmintestist in Be rührung gekommen sein.« »Mitglich —- sehr wahrscheinlich sogar. Immerhin muß eine chemische Untersuchung vorgenommen und das Kleid aufbewahrt werden-« «Selbstverständlich." »Und nun wollen wir zunächst die beiden Zeugen hören. Vielleicht haben Isie Wichtcges auszusagen Zuerst will ich den Ingenienr Höcker befragen, s— der junge Mann aus dem Ge schiist soll so lange aus dem Konj dor warten Haben Sie noch ein we Inig Zeit, Herr Kreisphysitus?« »Gewiß. Vielleicht tann ich aber, wenn der Herr Photograph mit sei tnen Ausnahmen fertig ist, inzwischen ldeu Körper der Toten durch ein paar Schuhleute ins Schlaszirnmer schaf fen lassen und alles fiir die Settion L vorbereiten?« »Das wäre sehr gut. Ihrer Ansicht nach toar der Tod nicht lange vor Jhree Ankunft eingetreten?« »Hi5chstens anderthalb oder zwei Stunden dorher.« »Wir kämen damit also auf die Zeit von halb acht bi-; acht Uhr für die Vollbringng der Tat-« »Ganz genan. Die Tat ist verhält nismäßig rasch entdeckt worden.« »Was siir uns immer ein Vorteil ist. Also aus Wiedersehen.« Er ging mit Brennert und Re serenoar Riemen-sc in das nebenan gelegene Boudoir, wo die beiden Zen gen stehend warteten. Der Vlusgeher Winter wurde zunächst auf den stor ridor beordertj an dei: Ingenieur Höcker, der ein ileiner, dieter, sehr aufgeregter Herr von einigen vierzig Jahren war, wandte sich nun der Staatsanwalt nnd sagte: »Bitte, Herr Ingenieur, was haben Sie zu berichten?« Der Zeuge, der sich offenbar im stillen oft wiederholt hatte, was er sagen wollte, begann in schnellem schwer zu unterbrechendent Redeslusse seinen Bericht: »Es ist mir ja furcht bar unangenehm, Herr Staatsan walt, in solch« eine Sache, wenn auch nur ganz von weitem, vertvielelt zu werden. Gräßlich unangenehm sogar. Jch bin sehr nervös, und ich toerde viel Zeit gebrauchen, bis ich diese Aufregung wieder überwinde. Schon lehte Nacht have ich tanni eine Stunde geschlafen. Gewiß und wahr haftig taum eine Stunde. Man hat aber schließlich doch als ordentlicher Staatsbiirger gewisse Pflichten, die man erfüllen muß, nicht wahr? Und ich wollte deshalb auch heute sriih gleich ans die Polizei oder zu Ihnen, here Staatsanwalt, gehen so unan« genehm es mir auch war —- verzeihen cre, aber es ist ja nicht persönlich! gemeint, —- nnd wollte melden, was ich gestern beobachtet habe Wie ich dann aber von dem einen Schutz mann hörte, — Siewecle heißt er,—— daß die Herren hierher kämen, da schien es mir einfacher, wenn ich hier -— wartete, und so habe ich es denn auch gemacht.« »Das war wenigstens der einfachste Weg. Und was haben Sie gestern e-« obiichtet?« . »Ich möchte zunächst genau die Zeit feststellen, Herr Staatsanwalt« und es ist mir durch einen Zufall biss aus die Minute möglich. Jn meinem Arbeitszirnnier steht nämlich eine altel Uhr, noch ein Erbstück von meiner-i Großmutter her. Die Uhr ist vonI Bronze und aus das eigentliche Uhr-« gehäiise, das beinahe wie ein halb rund nach oren adgeschassener Altar aussieht, stiitzt sich eine weisze Figur mit einer Harfe ini Arm. Und wenn die Uhr schlägt, hat sie einen so hel len Ton, daß man meinen töiinte, der Klang riihrte von der kleinen Harfe her. Wenn der Herr Staats anwalt sich dafür interessieren, wür de ich bitten, sich die Uhr in meinem Arbeitszimmer anschauen zu wolleii.« »Dann-, darite!" »Wie gesagt, es ist ein ganz hel ler und rascher Klang. Ader alte acht Tage musz man sie ausziehen, und wenn man es bis aus den letzten Terinin hinausschielit, dann fängt die Uhr an, ganz langsam zu schlagen. Dann ist sie mitte, man kann es inicht anders nennen, nnd so war es igestern Jch hörte, wie sie so müde !schlug, und zog sie ans. Daher weiß ;ich, daß es genau drei Minuten iiver svier war." »Sehr gilt-" »Ich war schon im Ausgehem hatte den Hut bereits aiif dein Kopf, als die Uhr fo müde schlug. Ich mußte nämlich zu einer gefchaftlichen Be sprechung mit einem bekannten Ar chitetten — Gonderinart heißt er — und es handelte fich unt eine Eisen konflrultion für einen der Neubaiiten in der Haieiistrasze, die ia jetzt ver-« breitert wird, wie der Herr Staats anwalt wissen werden. Jch hatte inich schon ein wenig verspätei lieiin staf feetrinlen, weil meine Fiaa gern ein neues Kleid haben wollte, was ich nicht nötig fand, und fo zog ich mir in der Eile die Uhr noch auf und ging. Ganz genau vier Minuten nach vier Uhr muß es demnach gewesen fein, als ich das Treppe-thing betrat. Es war um diefe Tage-» und Jah reszeit bei dem trüben Wetter schon sehr dämmerig darin, aber das eletiri fche Licht wird immer erst um fünf Uhr aiigeziindet, weil ja Der Magi ftrat sich auf die Herabtetzung des Tarifs noch nicht einlassen will. Da rum fiel es mir anf, daß am Trep penpodest hier iin ersten Stonwert das Licht bereits brannte.« »Hier bei der Kuneivtii?« »Ganz genau, Herr Staatsanwalt Ader das war nicht alles. Ich hörte vor ihrer Wohnung let-haft sprechen, und als ich iiiii die Treppenviegung hinuntertam, sah ich die echauspielei tin hier in der offenen storridortür stehen und mit zwei unheimlich mie sehenden Burschen verhandeln. Un heimlich muß ich sie wirtlich nennen. Es waren ein paar Burschen, so von zwanzig, einundzwanzig Jahren un gefähr, in Arbeitertleioung, iiiit vlauen Rittelin die üblichen Rappen auf deni Kopf und mit allerhand Werkzeug in den Händen Der eine sagte. das habe ich deutlich unv ge nau gehört: »Aber der Hang-here hat uns aufgetragen, wir sillten heute noch die Leitung nachsehen. Es ioiire liiöng.« Ob der Bursche von der Wasserleitung sprach rder von der elcttrischen, rann ich nicht sagen. Vielleicht von der eletirisehen, weil ja oacs Licht hier bereits aufgedreht war, vielleicht aber hatte die unglück liche Schauspielerin iiiir Licht ge macht, itm zu sehen, init icein sie es zu tun hatte. »Die Runeivta icar eine resoliite Person, dasür hatte ich gerade gestern den Genick-IT fuhr Herr Hinter fort. Eine andere hatte sich woni.:glich ein schiichtern lassen, weil der Bursche so degidierc sprach, lind hätte ihn in die Wohnung hineingelassen. Sie aber sagte ganz entschieden, mit ihrer scho iieii Stimme, die man so gern auf der Biihiie hörte, sagte sie zu dein Bur schen: »Ich have jetzt teiiie Zeit für Sie. Itommeii Sie morgen wieder, ivenii meine Jungfer zii Hause ist". lind tauiii gesagt, schlug sie den bei den die Tür vor der Nase zit«. »Das ist ein sehr beaierlenswerter Vorgang«. »Nicht ioahr?" » »Ich bante Ihnen, Herr Höcker. llna wie verhielten sich die beidenj Burschen? Haben Sie sonst noch et-! ioag gehört?" ! »Die beiden machten lange Gesich ;ier, und etner von ihnen sagte zum anderen: »Na, denn niih«. Das ivar alles. Damit begaben sie sich ans ben Abmarsch und gingen langsam vor niir die Treppe hinuntei«. »Zu jeiier Zeit sind sie also sicher nicht in die Wohnung gelangt?« »Es-jeher nicht« Herr Staatsanwalt Vielleicht aber können sie später wie deigetoinnien sein —- roeil ich das deute, habe ich überhaupt nur dein Vorfall Bedeutung beigelegt«. »Ganz recht. Wir werden zunächst nun ven Hausherrn befragen müssen, ob sichs inn regelrechte, von ihsn be aiistragte Arbeiter handelte oder nicht«. »Verzeihen Herr Staatsanwalt ich habe das bereits getan. Jch möchte daran erinnern, nias ich vorhin über mein Gefühl für die staatsbürgerli g. is ehen Pflichten gejagt habe. Darum bin ich auch heute schon in aller Friis he zu dem Hausherrn hinuntergegam gen — er heiß-« Eggeling und has oier eigene Häuser, wohnt aber hier in diejeni, im Erdgeschoß — und nahe ihn gefragt, ob er ein paar Arbeiter zu der unglücklichen Schauspieterin geschickt hat. Er ijt ganz erstaunt ge wesen und hat re rundiveg verneint. Rundtvcg verneint. Also dürfte nian es doch wohl als erwiesen ansehen, daß die«BurIchen sich unter einein fal schen Vormund haben Eingang ver schaffen wollen, wie man dies ja manchmal in der Zeitung liest. Si cher nahen sie nicht-e Gute-z im Schilde geführt, diese Schurken!" »Das alles itt mir sehr interessant. Herr Höcker, ich werde nachher-. auch noch den Hausherrn zu Protokoll ver nehmen lassen. Bewreiven Sie eins jetzt nur noch die beiden Burschen is genau wie möglich«. Herr Spötter iai esH mit großem Ei fer, wagte jeaoch als veioirdenes Kennzeichen für den einen dec Mike nur anzugeben, daß er eine Steht Narbe quer uver der rechten W gehabt habe. ' »Sie wurden ihn tviedererkeyqry ihn und den anderen-« ; »Ganz bestimmt, Herr Staatsan ;tvatt; sie tvaren ja nett veteuchtetzjtzsed Hch habe sie mir genau iingeIeyeik weit !mi: ja die ganze Sache von vornher ein einen verdachtigen Charattet zu haben ichien«. »Unt. Hoden Die ionn noch etwas zu ventertenW »Ich wiitzte nicht, Herr Staatsqu mai-, ich wußte wirklich nicht«-E- , »Dann hinten Sie jetzt nur nich das Protokoll anzuhören und zu Im reisqureiben Wir nvet tönnten Tin teryer den anderen Zeugen verneh cnen«. . ? Protokollvertesimg und Unterschrift erfolgten oyne Hornan nnd Vet Oocter empfnnt sich nnt vceten Beker gnngem tin-net noch Ieyr nutgeregh Der Lin-gehet uyrinnni wisset wurde nun-netzt hereingetuken und vom Stwtsnnttht niny jfeststellng ten-er Pericinnuen fteundtny or U t. »Nun, wag haben Sie zu ruch ten. junger Manne Warum tino Sie y:eryergetoininen«s« »Ja —- dee Herr hat rnir doch ge sugi, Ich solt i;eige«)en". »weichee Herr-« »wun« Ver Herr Wolf«. »neh, das in wohl oer eine Mit inxznver Jyrer Firmen nicht winer »Zu, ganz gennu«. »und ivnrucn ynt er Sie Inge :chmt«k« :-s-T s »Ja, weil ich doch gestern Mend nun- hier gewesen vin". ! ,,Geite:n.- Vier in der Wohnung?« »Ja, ganz genau. Weit das nä dige Fräulein-, ong nun tot in, gegem um dreiviertel aui sechs Uhr noq in junferem weichnjt geweien sit und saneriei getan-i nun Austern und IPumnier und Gänseleberpastetr. Und »weil ich doch den Austrag yam« ! die Forschen tserzubringen«. T ,.Wanii war dass Wissen Siees bestimmt iinzugeben«e«« « »Ja, ganz genau. Weil und in dem sie naniiich gesagt hatte, die Ha ;chen souien spatesteiig bis nin sieben »iiyr hier sein« und ich bin iiuch"»zu rechter Zeit sorrgesatsren und were ganz genau mn sieben Uhr yier geiste seii. Aber da ist inir was uii ineiyenr made passiert, und ich yave beweist "inacheii iasseii miissen, und ichwm Jdarum erst tiirz rot halb actsti yr incraergetoniinen Und das giiiidige Fräulein hat mir setbst ausgemacht nnd ist secsr ausgercgt gewesen nnd nat mich geschulten, iueii ich so spat tain. Aber wie ich ihr gesagt ide, warum nnd weelsatb, ist sie gieich « ie der gut geworden und tsat Mich Yreundiich angeln-ist und yat niir isuch noch ein Trintgeid gegeben, was-sich gar nicht erwartet niid eigeiitiich iiach gar nicht verdient hatte, ioeil tinds indem ich doch nnpiintiiich gewesen !i«ar". « »So, und dann sind Sie gegan geni« -,,Ja, bann hat sie die Tür zuge iiiaasi, und ich bin gegangen. tsrid bao ist altes, sue-J ich dein yuisen Ge iichtisyos zu meiden tsabe«. »Gut — es isi gut«. Rasch wurden mich hier die Pro teiulisaritialitäteii eriedigi, tan Syri siiaii Winter durfte sich entsertien. Die drei Herren doin Gericht Und« Io !izei blieben alle:ii· Der Staatsku walt ging einen Augenblick nachsu iiend ans iiiid nieder, um diinri spoe Brennert haltziiinachen . ! »Herr Kommissar, die Sache ge winnt niiii doch ein anderes Gesicht. Freilich —- der brave Christian Latin ier scheint mir unverdiichtig. »aber diese beiden Burschen,«die sichs hier Eingang zii verschonen suchten, tsatseii sicher nichts Gutes im Schilde ge führt«. »Sicher nicht« Und ich gestehe dein Hean Staatsanwalt gern ein. dass ich mich anscheinend aus einer siiisitken Fiitsrte bewegt habe, wenn ichs —«· Ein Klopfen an der Tiir ertönte, und auf das »Herein!« Liidemanns be trat eiri Schiiszinann das Zimmer init der Meldung: »Herr Negierungiat von Diiringer liisit fragen, ob er den Herrn Kommissar hier sprechen töiinte?« Gertsessung 'seigt.)