Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 22, 1917, Sonntagsblatt, Image 10

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    vie hartem-Mk !
Ztizze voii ist-in Freund
An dem kleinen Gesellschaft-abend
fdee Diretiore Werner war nun doch
noch trotz der dein Kriegszustande
entsprechenden bescheidemn.lseroirtung
eine sehr oehagliche Stimmung aus
gekommen.
Der Gastng wars einen paart-a
ren Blick zu Frau Gonda oon Denn
durg, der so temperanientoouen·
Nineritanerim herüber. A war ihr
gelungen. durch den warmen Ton
ihrer Unterhaltung seldst den sonst
so ernsten und verschlossenen Baron
Vosdal aus seiner Huruahaltung
herauszuioaetn Hing er nicht förm
lich an ihren Liepeni Er. der stolze
Krieger-, degi man es auch ohne
seine foiziersunisorm und ohne
den oerivunoeten Arm in der Binde
ansehen tonnie, daß ihn der Wett
trieg trotz seiner 45 Jahre hinaus
getrieben hatte auf blutigen Plan?
Frau oon Hehnourg hatte geschil
dert. wie sie nach dein Tode·ihres
in Erneurer so früh verstorbenen
Gatten Jahre hindurch in Europa
herumgereist war, wie sie — von dem
Krieg-ausbrach überrascht — im Her- ,
zen Deutschlands die unvergeylichen
Sturms und Drangtage dej August
1914 miterlebt hatte und hingerissen
war von der herrlichen deutschen
Volksseele, die sich in jenen Tagen
der Mitwelt ossendartr. Das Blut
ihrer deutschen Ahnen hatte in ihr
gesprochen und den Entschluß in ihr
zur Reise gebracht, auch nach dem
sechs-H Deutschland zu bleiben. Nur
noch einen Teil ihres beträchtlichen
Vermögens hatte sie dann »von drü
den«' zu iealifieren.
»Wie tann ich nach Friedensfchluß
einen Teil meines Vermögens zu
gunsten der deutschen Allgemeinheit
aus eine Weise verwenden. die auch
mir selbst eine anregende Tätigteit
irn Wohltätigteitsioesen verschaffen
würdet-« Diese Frage legte soeoeii
Frau oon Heyndurg oen Anwesenden
por
.Eine tleine Ansrags an den
Reichetag«, mirs ergänzenn der ihr
sur Linien stxende launige alte Herr
mit dein seinen, oon eitlem Wall ooii
weißen Haaren umgedenen Charatters
tops dazwischen, und seine lustigen,
hinter einein goldenen Kneifer der
schanzteri Augen eilten, zu einer Anr
tvort aussiiunternd, iin Kreise herum.
Dr. sur. Schniieoen —- ·so hieß der
alte Herr — nsar ein Menschenalter
hindurch Synditug der oon dein Gast
gever geleiteten Aktiengesellschaft ge
wesen, die mit ihren iiher ganz
Deutschland zerstreut liegenden Fa
deiten unt- Werten eine Grotzmacht
im handelsgzwerve d.irstellte.
Ali aus die .tleine Anira3e« eine
Fülle von Antworten aus einmal
hereinzudrechen drohten. übernahm er
—- ein Llingendee Glas als gekräft
dentengloite« oenuhend — mir lusti
- ger Energie das Präsidiunn
Die Fülle der Vorschlage war ver
ebht. Baron Voßdal hatte geschmec
gen. Doch mai den lustigen Augen
des greiseneJuristen nicht gelang,
brachte silohlnh das langoeiviiiiprin
rehdraune Augenpaar der Fragestel
lerin zu Wege. Ehr leuchtender Blick
war einein warmen Strahl aus
Baron Laßt-als Augen begegnet, die
die ganze Zeit älter aus ihr geruht
hatten.
»Bei-den Sie —- —— Herrntsven ;
immerhi, gmäoigk Frau,'« tagte vie- l
ier viötziech unvermittelt. Eine pein- .
Eiche Stiue tmt augenblicklich ein, Z
unv erstaunt vlietten vie Gesichter
rtngåuni X
Der ivnrme Streits feines Augen
pniireg sen-en sich für Frau von
heynbueg in einen kalten Wahn-.
itmhl verwandelt zu haben. Hatte -.
er es melleicht als eine Among-z
teit empsunven, vnß sie hier mit
erst später Zu erweitenven Wohin-ten
pruntte?. schoß es ihr durch ven
Sinn. War es nicht vielleicht mich
eine Ungeichicklichteits. . , aber tin- «
nteehin
»Ich meine natürlich: im wohltäti
gen Sinne« , ergänzte ver Baron Iei
ne Rede Jhm war vie Wirkung iet
ner Worte nicht entgangen, ver-n das
schöne Aquin ver Frau von Henn
barg nn vetn dieses Jahre ved Er
letsens fast spurlos vorübergegangen
zu fein Uchienen war piiitztich von ei
ner geradezu jungfräulichen Röte
übergossen
«Sie scherzen, err. Baron,« stam-«
mette sie nach-. r.i ch ,,,Oh durchaus
vicht", entgegnete dieser, uns ver
greife Dr Schmieven erhob sich plötz
iich, schlug on vie .Präsiventengtoete«·,
und den geschäftimäßig tüsien Ton
der von isin angenommenen Würve
hervortiiiiteheno wandte er sich ein-.
Baron VII-Tat
,Sie werden Ihren Michlag
eingehend begründen Ich erteile
Ihnen das Wom« nnd Ieise lusti
en Insect hinter den Glossenstern
festeven Inn ahnungsvoll zszinoins
»Mit W W nicht gnä
Iige Trank Diese-Dom ver Baron,
M festeste-entom quee seine
ee seit gestiqu aus« nnv
M seit-de toten et fis-g —
its-i nicht ohneein vorherige
strei smosieeenses .ssseocitneten- ;
sinken- —- hxerohigs bitt-Sozius z
Is knies. » ost- :
ers-Ha istq Sie Esent i
ein« M,Dositicitano z
—
«inen ebenso blühenden wie zahlrei
chen Nachwuchs braucht! ererlnssen
Sie eo nicht nur den Roman· und
Novellenfchreiberm sich vergnügt die
Hände zu reiben· wenn sie endlich un
lehren Kapitel ein Pärchen unter die
Den-de ges-reicht haben. jondern über
setzen Sie sozusagen dieie Kunst ins
praktische Leben. Wieviel junge
Poe-re gibt es zum Beispiel, die senk
zend und nöhnend herumlaufen ohne
sich heiraten zu können, die met
Furche vor späteren Headrungoiorgen
den Tag der Heime immer wieder
und wies-er hinausichieven Der
Kampf gegen diese verspäteten Ehen
ist alleedxngs ein sehr schwerer; müß
ten doch die Existenzbedingungen des
Mannes ixveryaupt, Sobald er in die
Zwanzig kommt, so gestellt werden«
daß er ourch feine Tattgteit sorglos
eine Familie ernähren rann. Aber
auch hier wäre es moglich, durch ent
sprechende wohltätige Vereinigung,
nnd dergLeichen —- innngelt es doch
oft an dem Notwendigften — segens
reich zu wirken und Linderung zu
schaffen
Was nun aber den Kann-s gegen
die unter der Spiyrnarte »einge
sleischke Junggesellen« herumlaufen
den Männer anbelangt, so wird es
Ehrensache der Frauen sein, diesen
Kampf mit allen Mitteln, die ihnen
an List und Wih zu Gebote ske
hen durchzuführen Betrachten Sie
e-: ais selbstverständlich daß teine
noch so kleine Ieierlichieit, tein Ge
sellschastcsabenb ohne eine Verlo
bung —- zum mindesten eine —
schließe.
,Legen sie den Junggesellen tau
send Maschen und ochiingem bis sie
völlig umgarnt und darin oerstriat
sind.«
«Gimpselsang«, ertönte ein Zwi
schenrus lind-. «Jaioohl«, suhr der
Baron unbeirrt sori, »wenn Oe sie
wie die Ginipel aus den Leim! Oind
sie erst gefangen nnd oerstrickt im
Liebe-dann werden sie Ihnen hin
terher noch dantbar sein." (,,hort.
höri!" erionte eine Stimme vorn
rechtes «Gestatien Sie nur« daß ich
Jhnen da mit einein ganz turzeni
Oceichnis loinneex Kurz beoor ich mir
im Westen meine Berwundung holte,
hatte ich einen Eetundigungsriti zu
machen. Soeben war ich an einem
toten Pferde doriibergeriiietz als ich
an eine Waldbiegiing kam. Plötzlich
scheute meine Stute und blieb stehen.
Sie war nicht zu bewegen, weiter
zuschreiten Ja; gab dem Pferde die
Sporen; es baumte sich aus und
drohte be! seiner etwa-d schwächlichen
Körpertonsiitution in den hinterw
iien zusammenzubrechenz ich ritt ein
kleines Stück zuriick und versuchte die
Biegung« im Lrab zu nehmen. Es
mißlung. Ich nahm das Pferd an
dem Zugel und versuchte, es an sener
Stelle doriiberzisfiihren. Es erwies
sich als eine Unmöglichkeit Endlich
ritt ich zurück. Sie werben nun er
warten, daß ich weiter mitteile,·ber
Wald wäre nicht oon Feinden srei
geeidesen, meine wartete Stute habe
mir so das Leben gerettet, sie wäre
sozusagen eine oierbeinige «Ahnsrau«
gewean Doch nein! Jch ritt zu
riiet, jedoch nur, um aus einem an
deren Wege-mein Pferd zu dem ge
wollten Ziele zu führen. Jch nehme
an, es dandette sich nur um eine
Art Pl;nsurcht, welcher lranthaste
Zustand ja auch schon bei Menschen
beobachtet wurde. Und hier hatc ich
wieder ein: Auch bei den Junggesel
len handelt ed sich sast immer nur
um so eine Art »Plahsurcht« aus dem
Wege zur Ehe. Diese Art Platz
surcht ist aber heilt-ar. Auch das
oon dieser Krantheit besallene Indi
viduum muß man nur aus einem an
deren Wege in den bewußten Hasen
siihreii. Jn der Regel aber ist es
gar nicht einmal die Scheu oor der
Ehe setbst, sondern die Scheu, sich
dem verehrten Weibe zu nähern, nier
siens nur die Furcht oor einem Kor
be. Denten Sie daran, daß es eben
nicht nur Frauen gibt, die geheiratet
werden wollen, sondern geheiratet wer
den müssen. (,,Baron BoßdalP er
tönte ein neuer Zwischenriis.) Nun,
was niich anbelangi, so stehe sich
mit meinem ungewisse-i Schicksal
dort draußen im Fetde zurzeit gewis
sermaßen außerhalb jeder derartiges
Betrachtung- Eerade deshalb aber
kann ich objektiv urteilen und spre
Eier Kampf gegen ole Junggesellen
ist ein lustiger, stöhlichek Kampf, so
recht für Frauen angelan. Er lohnt
fich. Dei Preis ist herrlich. El isl
des Schweißes der Edlen wert. Dar
um spart keine Listen, Schliche und
Ränle, umgatnl sie durch tausend
selbst herbeigeführte Zusällel Kurz:
Stellt Junggesellensallen nas! Denn
Deutschland-H Zukunft ist nicht nur
die regend von heute, sondern ouch
die ngend von morgen und über
n.okgen. Jhr Wochfen — Deutsch
lands Wachs-n! Jhr Blühen —
Deutschlands Bliihen und ihr Gedeii
ben —- Deuischlandil Gedeiben!« —
Boron Voßdal hatt-. seine ilnn »un
willkürlich übet den gewollten Rah
men hinnusgeschnellte Rede geendet,
und ein lauter Beifallsslukm bmch
Los. Lange blieb man an diesem
Abende noch plaudeknd beisammen
Auch der alle Dotter Schmiede-i halte
noch eine lannige Rede gehalten. Er
ioollle wenigstens eine strenge Grenze
gezogen sehen. bis zu welchem Jahr
gange der Kampf gegen die Jungge
sellen ansgenkcnmen werden solle,
denn et selbst wäre Jungseselle und
wolle mic seinen siebzäg Jahren nicht
mehr tu Gefahr kommen. Bisher
hanc et es m Iemem Jeden so gehal
ten, daß et es wegen einer mcht mit
allen verderben wollte. Alles lase;
nur Frau von hehndueg war schweig
sam geworden. Sie iah nicht mem
ven ernsten Baron Vogt-at mit den
hatt gemeißelten Zügen vor sich
Wen sondern den see-mer von vor
ym, dessen Züge sich m iemem Eifer
po wunoetfam verschönt und pet
jungt hemm.
se- t- sex ,
Etwa acht Lage waren seit senem «
Abend dahingigangen.
Baron Bdhdai weilte in seiner
Van in Badeloberg dein unweit
Potridam gelegenen Billenorn Sein
erhvlungöurlaub war noch nicht be
endet, doch am liebsten ware er schon
sent zu seinem Bataillon ins Feld
zuriiagetehrtz verursachte ihm doch
das Bewegen des linken Armen —
die Binde hatte er bereits abgelegt
—- taum noch nennenswerte Schwie
rigkeiten. Fast unwillig hatte er ein
diomanbuch ergriffen. Dein moder
nen Verfasser war es gelungen, ihn
in eine Art Feierstimmung zu ver
sehen. Aber die yeldin des Romu
nej stand —- obwohl es taum mit
der Schilderung des Autors in Ein
klang zu bringen war —- imnier wie
der in Gestalt Conoa von heisnourgs
vor seinem geistigen Auge.
Da ertönien plötzlich von der
Straße herauf die diitchbringeiiden
Laute einer langaiihaltend in Bewe
gung geseßten Autohupr. Unwillig
uber den störenden Lärm sprang er
aus« dann schritt er ans Fenster-.
Dort boi sich ihm ein nicht ganz un
gewöhnliche-s Bild: Uiiweit von sei
nem Hause stand ein herrschastliches
Auto. Unter dem Auto lag ein herr
schaftlicher Chausseur, basielnd und
dämmernd, und in nächster Nähe
stand vie .Herrschaft« selbst iii Ge
stalt einei elegant getleideien, schlant
gewachsenen Dame. Diese schien
auch die Riihestörerin zu sein, denn
soeben schwang sie sich wieder aus
das Triktbrekt des Autos und, in
dem sie cnergisch aus- neue die Au
tohupe ertönen ließ, blickte sie hilse
suchend zu den Fenstern seiner Ban
empor. Da durchzuckte den Baron
ein freudiger Schreck. Eine Täu
schung war unmöglich. Dort unten
stand — Gonda von Hehnburgl
Welch ein Zufall, wo er doch soeben
gerade an sie gedacht hatte. Während
er aber stürniisch zu ihr hinuntereilte,
gestand er es sich ein. daß ihn ja in
oen lehten acht Tagen nicht nur täg
lich, sondern ständlich ihr Bild uni
gaulelt hatte.
»Das beißt Glück im Unglück ha
ben!« rief sie ersreiit. ihm schon von
weitem die Hand entgegenstreckend.
.Kiirz bevor wir Babelsberg berühr
ten, machte sich schon die Parine be
merkbar; da siel mir Jhre Adresse
ein. Gerade bis hierher tonnte mein
Cbausseur nvch mit Mühe das Auto
dirigieren«
»Ein ganz reizender Einfall von
Ihrem Auto,« erwiderte der Baron
sreudestrahlend. »Das tlingt ja fast
wie Schaunsrisude,' tam es lächelnd
von ihren Lippen, «uiit meinem ge
planten Besuch von Potsdam und
Sanssouci wird es nun schwerlich
noch etwas werden. Sie sehen,
Herr Baron, selbst Autos scheinen
von der «Platzsurcht« befallen wer
den zu können. Wollen Sie mir
nun huldvollst ein Obdach gewäh
ren?«
Glückstrahlend siihrte sie der Baron
in seine behagliche Behausung
Tlm andern Tage hatte Baron
Voßdal eine nach seiner Meinung
äußerst wichtige Reise nach Berlin
oor. Galt ed doch der Frau don
Qeynhurz ihren in seiner Behausung
vergessene-n reizenden gelbseidenen
Sonnenschirm —— säuberlichst einge
paktt — höchst Persönlich zu überbrin
gen. Lange hatte er allerdings dor
her hin und her überlegt. oh er die
sen Schritt tun solle. Doch war es
ihm nicht, als wäre ihm Gonda
von hehnburg die am Späthimrnel
seines Lebens ausgegangene Sonnet
Und wozu ist schließlich so ein Son
nenschirm da? Daß man mit ihm in
die Sonne gehet Also —- miige er ihn
oor allzu sengenden Sonnenstrahlen
beschirmen. So philosophierend he
schtitt er mit seiner scheuen Jung
gesellenseele die Pfade verliebter
Leute« Jn diesem Falle führten sie
über den Sonnenschim, hinweg zu
einem gemeinsamen Besuche von
Sanssouci
Sanssouci! Du von tausend
Schönheiten prangen-T don vergan
genen Zeiten so herrlich plauderndez
Stückchen Erde! Du mit deinen zier
lichen Schlösserm zauberhasten Gär
ten, plätschernden Fontänen und
marmorschimrnernden Steinbildernt...
Du mit deinen herrlichen Dämmer
stundeni Jst es da nicht, alt sähe
man wie in alten « iten den alten
Frih mir der göttichen Tänzerin
Barbarina die schat« en Alleen ent
lang schreitent. . . anssoueil Wie
ost sand sich wohl unter deiner. gril
nen Bäumen schon setz zu herzenl
. · Lief-geschwängert sind deine
Lüste. . .
Und auch Baron K Voßdal und
Gonda von ynhurg fanden hier die
erlösenden orte
Mit leuchtenden Augen, um eben
inon netisch tönzelnden Sonnen kah
len, saß das krieg-getraue Ehepaar
Laus der Gartonoeranda der Bos
onna-en Ame-· Das Ente war mai
zu neu and groß, ais das der bat
dige Abschied, der ihn wieder hin
aus ins Fsd cies, schon mit seinen
Schatten durchzudringen vermochte.
»Im sage mir! Der Kampf ge
gen die Truggesellen —- habe ich
ihn nicht rlich geführti" sagte die
Baronin tritt schelmischene Lächeln.
»Nun. . . ein Kampf war es doch
nicht so techt,« sagte er geoehnt, ais
sie ihn plstztich mit komischer Entrü
ftung unterbrach.
»Was? Das war kein Kampfs
Ja, meinst du, es war so einfach, mir
nichts, dir nichts gerade oor deiner
Ban in Badelsderg eine Panne zu
hilbcnf«
»Ja, hattest ou denn teine Pan-«
nec« warf er erstaunt ein.
»Nicht oie ISpur!«« fuyr sie fort.
»Und unser Chausfeur, der so eif
rig häintnerte?«
«Den yatte ich instruiert. Er war
in meinen Plan eingeweiht.'«
»Du tteine Intrigaietin!·' rief der
Baron aus vollem Halse herzlich la
chend. Plonlich untervrach er sich und
faßte sich an vie Stirn: »Aber, höre
mal, da fällt es mir eoie Schuppen
von den Augen —- mie war das denn
da mit dein vergessenen Sonnen
schirm?« -——
»Der Kampf gegen die Junggesel
len ist ein lustiger, fröhlicher Kampf,
so recht für Frauen angetan. Der
Preis ist herrlich, darum spart teine
Listen, Schliche und Ränk, umgarnt
sie durch tausend selbst herbeigeführte
Zufälle! Kurz: stellt Junggesellensals
len.«——So weit konnte sie noch schnell
den Schluß seiner damaligen Rede
herunterhaspeln, dann zog er sie glück
selig an sich.
J
lot-e Stein-isten Mei-L
Etizze von Gustav Landen
Lore Steinhiiuser hat mit dein Le
ben abgeschlossen. Sie hat hinter sich,
was dem Menschen froh die Augen
weitet und das Herz höher schlagen
läßt, und sie hat uberivunden, was
die Augen überfließen läßt in Leid
und das herz zucken macht in
schmerzooller Enttäuschnng Eine ar
me, aber inwendig reiche Jugend,
über der eine strahlende Sonne in
zwei Paar guten, treuenAugen stand,
eine jauchzende Liebe, dann Stiege
und Gräber auf dem Friedhofe, einen
ganz großen Sarg, in den sie ihr zer
brochenes Hoffen und Lieben bettete,
hernach rüstige Arbeit, viel, viel Liebe
für die, denen sie etwas sein durfte
mit guten Worten und hilfreicher
Tat, und ein einsames Alter. Das
war ihr Leben. Nun ist sie müde, hat
Ich jenseit gestellt oon Glück und
Leid, von rüstigem Schaffen und
wohltuendeni Ausruhsem in deni man
nur eben neue Kräfte sammelt, ist
ganz, ganz still und wartet auf den«
der irgendwann einmal leise an die
Tür tiopfen muß: Lore Steinhaufen
ich dächte, es ware Schlafenszeit.
Nicht, daß er- ihr gerade daniit eil
te, aber sie hat sich darauf eingerich
tet und ist bereit, komme es, wann es
mag. Nun wohnt sie in ihrem Häus
lein am Wege nach Bittenhiih, von
wo aus man den schönen, weiten
Blick hat aus dag Tal, in dem jeden
Tag irgendetwas Neue-s zu sehen ist,
etliche Wagen, Leute, die auf das
Feld gehen oder daher kommen, die
Obftbaume, die ihre Zeit haben ge
rade wieder Mensch. Erst ist es ein
ungestümes Drangen und hinauf-de
gehren an das Licht, dann ein freu
diges Sichdehnen, ein Aufschlagen
der schimmernden Blütenaugen, ein
Früchtetragen, und dann ein stilles
Sichbescheiden und Schlafengehen.
Gerade wie im Menschenleben.
Eine lleine Welt hat Lore Stein
hauser in das große Stillesein hin
iiber gerettet. So ein bißchen etwas
fiir das herz. Die Freundschaft etli
cher Kinderherzen aus der Nachbar
schaft, die in ihrem unendlich großen
Kinderleid Trost bei ihr suchen und
in ihrer Freude so kindlich eigensiich
tig sind, daß sie der warmherzigen
Frau nur eben einen Tropfen davon
gönnen in einem jubelnden Rufe,
einem leuchtenden Blicke. So richtig
eigensiichtig, wie Kinder nun einmal
sind. Das weckt keine Bitteeleit in
Lorez Herzen. Sie braucht ja nur
ein tlein wenig weiter zu bauen, und
sie hat das ganze herrliche Kinder
gliick aufgerichtet wie ein feine
Schiiiszlein mit blanlen enstern, aus
einein einziges-Blieb s ist so
leicht fiir Leute von Lore Steinhau
sers Art.
Und dann sind da außer den Kin- ’
detn noch die Mieze und der Kreuz
schnabel, der in der tiesen Fensternii
sche zwischen dem Eseu hängt. Der
vor allem. Wie lange hat Lake Stein
häusee eigentlich das Vöglein? Ach
das iann man gar nicht sagen. Viel
leicht fünf, vielleicht zehn Jahre. Je
denfalls tann sie sich nicht denken,
daß es einmal nicht da wäre. Rot
heiisiig zog das Tierlein einst bei ihr
ein. Jetzt hat es sein tote- Röcklein
längst abgelegt und dasiir ein grünes
angezogen. aber sein Ruf ist genau
lo melodisch wie einst, und sein Lied
hat noch immer das Tief-Geheimnis
volle, dem man es anmertt, daß es
am schönsten llingt in Weihnachtti
lchnee und Winterleid. So ein rechter
Leidsiinger ist der Kreuzschnabeh
einer, wie ihn ein z brauchen
kann, til-et das alles hngegangen ist,
»
Liebe und Entsetzen Glitt-l zu zweie-IT
und lange, lange Einsamleit.
Ja, Lore Steinhauser bat auch ein
mal einen lieb gehabt. Das ist lange
ber. Damals war sie zwanzig, und
fest ist sie sechzig. Das ist lange
and bleibt doch immer nur «
Das ist auch eint der Bund-eh
blühen wie duftende, blaue blasen
und so seelenooll sind wie das Lied
des Kreuzschnabels das er seinen
Kindern an der Wiege im Winter
schnee singt
Der Andreas Heini-ach war ein
Bursche, den der Herrgott just der
Steinhauserö Lore bestimmt zu ha
ben schien. Und tveil denn tein
Mensch gegen seine Bestimmung lann,
so lagen sich einst die zwei in den
Armen, küßten sich und sagten nur
eben: »Du, ach du!« und: »Wir lassen
nit voneinander, gelt?—« Durch den
Apfelbaum, der dem Frühling tau
send duftende Opferschalen ausge
stellt rieselte das Mond Sicht, irgend
wo sang ein Vöglein im Traume et
liche iebnsiichtige Töne und leise,
leie sanken zartrote Blütenbliitter
iiber die zwei, die das Leben einan
der in die Arme geführt, das gute,
liebe, reiche Lebens
Aber der Sturm tam, zersetzte die
Frühlingsherrlichteit riß die zwei
auseinander und — ionnte doch teii
net etwas dafür. Der Andreas
wehrte sich« bitt ihm sein Vater sagte:
»Dann müssen wir fort aus dem
Häuslein, das nun dem Ender ge
hört, dem wir verschuldet sind.'« Da
ging der Andreas bin, freite des En
ders Annedore, die aus ihn gelanert
hatte durch Jahre, wurde Bauer und
here eines sreichen Hofes. er alte
Veinbach und sein Weib blieb won
nen in ihrem Häusleim bis sie die
Augen schlossen, und segneten den
guten Sohn, der den Eltern das
Herz geopfert hatte, nur —- das
Herz, und das ist doch nicht eben viel.
Sie hatten ihm doch einst das Leben
gegeben
Andreas meinte mit gutem Wil
len sich doch immerhin noch ein be
scheidenes Glück ziinniern zu töniien;
er liesz es auch an sich nicht fehlen.
aber neben einer Annedore Ender
war eben das Leben nur ein Rassen
und Schaffen, ein Ziirnen und sich
—- Vertragen. Kalt war es und öde
imb arm, ob auch Kisten niib Kasten
voll waren.
Lore Steinhauser aber hat ihn
nicht eingeklagt, den Andreas Hein
bach. Sie hat geweint. Das hatte sei
ne Zeit. Hernach hat sie sich ans sich
besonnen, hat die Scherben des Glitt
tes, das taum die Augen ausgeschla
gen, zusammengerasst und ihnen in
ihrem Versen einen Altar errichtet,
und daraus war es denn gar nicht
mehr scherbenhast, sondern jedes
Bruchstiick wuchs sich aus zu einem
Gerät, heiligem Dienste geweiht. Aus
dem Altare opfert sie, ist Priesterin
nnd Dienerin, nimmt und gibt alles
in traumhaften, weichen Stunden,
wenn der Vogel im Efeu sein Lied
singt, und die Stille draußen dem
Herrgott lauscht.
So wollte Lore Steinhauser ihr
Leben abschließen. Hat nicht ge
glaubt, daß noch einmal ein jäher
Sturmstosz darüber fegen tönne, und
als er lam, da war sie erschrocken,
weil sie fühlte, daß es eben Dinge
gibt, die nnsterblich sind. Dazu ge
hört die Liebe. —
Vierzig Jahre hat der Andreas
Heinbach neben seinem Weibe gelebt,
hernach schien er sich zur großen
Reise anzuschiitem hinter der her
man dein Davongegangerien einen
Stein setzt, aus dem steht: Aus Wie
dersehen, —- iind einen Hügel wölbt,
der eine zeitlang bunte Blumen trägt
und hernach verfällt, nur baß der
Herrgott milder ist als die Menschen
und im Vorbeigehen immer so dann
und wann eine handvolt Vergiß
meinnicht und Gänsebliimchen, gol
dige Primeln nnd wetßleuchtenden
Steinbrech darüber wirst.
Schwer trank war der Andreas.
schwer trank. Einen Arzt mochte er
nicht, hatte ihn nie in seinem Leben
gehabt nnd wartete still aus den Aus
gang der Krankheit, so oder so. Sein
Weib aber ging ihrer Arbeit nach,
fragte dann nnd wann einmal, wie
es ihm gehe, nnd sagte zu der jam
mernben Jüngsten, irgendioann miisse
jeder einmal sterben. Auch die Frau
war arm geblieben neben dem Man
ne und siihlte, daß eine, die still bei
seite gegangen war. zwischen ihnen
stand, obschon sie nie auch nur ihren
Weg trenztr.
Ja, und nun ging das mit dem
Manne langsam auf das Letzt« und
das Dörflein war voll davon, daß
der Andreas Heimbaeh am Sterben
liege. Das lain auch in Lore Stein
hiiusers Stühlein, hockte da und fah
sie an mit großen, starren Augen
und fragte: Was sagst bu dazu, baß
der Andreas sterben will, derselbe
Mann, mit dein du einlt unter bein
blühenden Apfelbaume standest, da
mals, als ihr beide eben die Hand
auf die Klinke legtet, die Pforte zu
öffnen, hinter der das Glück wohnt?
Lore Steinhäuser legte den Kopf
auf die Seite, wie man tut, wenn
man auf etwas lauscht, und hörte
eine feine Stimme in sieh leiie weinen
und jammern: Und lo gar telne hilie
ist« la gar keine? Schluchzend lang
der Kreuzichnabel iein Lied. Anl
dem Liede aber files ein Hinten und
Mahnu- unb Drängen, riß an Lpre
Sietnhiiusee, ließ sie den Arm out
strecken und zurückziehen, sagte ihr
eine Blntwelle über das Gesicht und
ließ i keine Ruhe, nicht bei Tage
nnd in der Nacht.
M Mittel hilsti dein Andreas
Wdachf Keine-? Eine-c gibt et.
alter ei isi ein Opser. hat nicht oet
sent-Mahl einst des blutenven
heilandes Band geliebtost in heißem
Croarmeni hat ee nicht mit seinem
schwachen Schnabel versucht, den
morternden Na el herauszuziehen?
Und hat ihm. die leidend-e Liebe
als ewiges eichen der Stunde Kreu
zeszier im Ochniiblein und Blut am
Gewande mitgegeben-· Das wohl und
noch mehr. Der sromme Glaube weiß
es. und die Liebe glaubt es. Wenn
man einen Kreuzschnabel über oas
Bett eines Leidenden hängt. so ver
läßt die Krankheit den Leib des
Menschen und geht aus das Vöglein
über. Der Kranke ist gerettet, und
das Tierlein —- stirbt.
Wie das quält und martert und
vorwärts peitscht, man mag wollen
oder nicht! Aber-· Den Kreuzschnavel
sollst du hingeben, Lore Steinhausey
das Vöglein, das dir Freund ist«
das. du fühlst es, eine Seele hat,
eine leidende, sehnsüchtige wie du?
Du hast keine Zeit zu warten, Lore
Steinhöuser. So oder so, entscheide
dich!
Und dem willst du es geben, der
dir den bittersten Schmerz sufiigta
den dir nur je einer antun konntet
Es drängt, Lore Steinhiiuser. Schon
morgen tann es zu spät sein.
Der Wind geht rauh und lalt über
das Tal. Diister und schwarz ist der
NachthimmeL Da geht Lore Stein
häuser mit zagen Schritten auf-den
Enderhos zu, hat einen lleinen Käfig
in der Hand und drnltr was hast da
getan, du liebes Tierlein? Jst das
der Dank für deine Lieder, die du
mir gesungen hast jahrelang, daß
ich dich opferef
Sie streckt langsam den Arm aus
»Biiuerin, es ist noch eine hilfe fiir
deinen Mann. Hänge ihm das Vög
lein über sein Lager. Es i ein
Kreuzschnabei. Gute Nacht, une
dore, und Gott wende es zum Gu
ten-"
Und nun ist es einsam im Stäb
lein, der Platz in der Efeuwand ist
tahl. und es ist still, totenstill. Lore
aber hält ihr Herz fest mit beiden
Händen. Ein Vöglein um ein Men
schenleben und darum weinen?
Annedore Ender hat den Kang in
der Hand, steht steif da und weiß
nicht, was sie tun soll. Das soll den
Andreas retten? Sie kennt wohl,
was frommer Glaube von des Tier
leins geheimnisvoller Kraft tiindet.
Und sie soll eg nehmen? Von Lore
Steinhauser nehmen, die über ihrem
Leben stand wie eine Anllagei Jst
gend einmal muß jeder sterben. Was
soll das Tierlein dazu tun tönnent
Aber sie wird es doch iiber das Bett
hängen. Warum soll sie es nicht tun?
Morgen ist es vorüber mit dein An
dreas. Lore Steinhauser soll nicht
denlen, daß sie ihr etwas nachträgt.
Ja, und wenn es nicht geholfen hat,
—- und es hilft ganz gewiß nicht,-·
dann kann sie ihr sagen: Siehe, auch
deine Liebe war nicht start genug
Sie hängt den Käfig über das
Bett. Andreas wirst sich im Jåeber
hin und her. ·Was hast du a't«
iraat er.
«Einen Kreuzschnabel.«
»Von wem?«
«Lore Steinhäufer hat ihn ge
bracht. Er foll die Krankheit anzie
hen.«
Nichts sagt der Mann darauf, gar
nichts-, und fein Weib weiß nicht,
wie die Kunde auf ihn wirkt
Das Fieber rast tvie eine Glut
welle durch des Kranken Leib. wogt
auf und ab, und atg Mitternacht
darüber ist, da verebbt es Der Fie
berfchlaf geht in einen fanften
lSchlummer über, der Atem wird
ileicht und frei. Andreas heinbcch Ift
;gerettet.
i Zier-end steht sein Weib am Lo
iger. Ganz schmal sind ihre Lippen,
sund ihre Augen brennen in düsterem
Feuer. Das ift der Schlaf der Ge
sundung. Und gerettet hat ihn —
Lore Steinhaufer?
Zornig reißt Annedore den Käfig
von der Wand, langt mit hafiiger
Hand hinein, faßt das flüchtende
Tierlein, preßt es zusammen drückt
und drückt, öffnet die hand und läßt
den toten Körper auf den Boden des
Bauers fallen.
Arn Morgen sitt Lore Steinhau
fer in banger Erwartung in ihrem
Stiibiein. Wann tomrnt eines, das
fie fragen kann, wie es mit dem An
dreas stehti Da geht ihre haustiin
Heinbachs Jüngste tritt herein, faßt
Lores Hand, preßt sie und ftammett
unter Tränen: »Lore, Late, hab'
Dant, hab' Dankt'· «
»Wie geht es dem Vatert«
»Gut, Lorei Wohl fiihlt er sich
und redet vorn Auffiehen.«
»Und der Kreuzfchnabeli«
«in tot, —- Lore, ach Loret«
Lore Steinhiiufer nickt. Jeyt erst,
nun der Andreas gerettet ift, fühlt
sie ganz, daß ihr Opfer ein Bekennt
Inis toar und —- fie schämt sich.
« v« ---
— Wortfpiet. —- Enlalinx
»Als ieh noch jung war, waren vie
huren ganz außer sich, wenn fie mich
Joherh test find iie alle außer Sicht!«