Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 15, 1917, Sonntagsblatt, Image 11

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    · « Dis Isst Iler.
Issunioreiie von T. Wälle, Schweiz)
,ich habe eine großartige
Idee!n
Mit diesen Worten wiedeite triebe
Frau, von einem medrstiindigen
Ausgange zuriieIiehrend. zur Tiire
derein.
Jch suchte nach einein Studie, um
»vo
rnich ras zu sehen — man tann
nicht o chti gngenug sein — denn
die großenJ geen meiner Frau wir
ken ost erschiitternd.
Sie blieb drei Schritte vor mir
stehen, spannte beide Arme wagrecht
aus und fragte: »Siehst du inir
nichts ani —- Wie sehe ich audi«
Jch sand nichts Besonderes an chr.
»Wie du aussiehsti Reizend, wie nn
mer,« versetzte ich galant. ·
»Nein —- dioler werde ich!« iies
sie »Von Tag zu Tag, von Stunde
zu Stunde dicker — ist das nicht
schrecklichi!« Als ich nicht gleich Ant
wort sand, fette sie resolut hinzu
,,Jch muß unbedingt eine Entset
tungstur machen.«
»Um Gotteswillen,« dachte ich, «sie
wird doch nicht etwa nach Karlsdad
wollen?« Mir wurde ganz warm.
Da trat sie näher an mich heran
und nestelte an ihrer Taille herum.
»Da schau her, vor einigen Tagen
noch tonnte ich die ganze Hand zwi
schen den Roclgurt hineinschieben und
jetzt bringe ich keinen Finger mehr
hinunter, ich bin ganz zusammenge
preßt — der Rock ist mir ganz ein
fach zu eng.«
»Aha, sie will vielleicht nur ein
neues Kleid« dachte ich etwas beru
higter und berechnete rasch: »Sechö
Meter Stoff zu acht Franien
macht —«
Sie störte mich in meiner Berech
nung, indem sie weiter sprudelte:
»Die Frau Keel sagt’s auch. Jch war
nämlich aus ein Stündchen bei Frau
KeeL Dente dir — ich habe vier Tas
sen Kassee getrunken, et war sein,
und daer ihr selbstgebaclenes Kaiser
brot —- o, das Backen versieht sie-—
niit Butter und Konsitureiy ich sage
dir ,— sein war’ö! Und die Frau
Doktor Meter war auch dort. Also
Frau Kerl hat gleich gesagt ich be
komme von Tag zu Tag dickere Bat
ten und es ist auch wahr, ich sehe es
selbst. Mir ist angst und bange. O,
nur nicht torpulent werden, das wäre
mir schrecklich! Und die Frau Doktor
meinte, ich müsse nur recht sie: szig!
Seelust genießen, die zehrt-«
»,Nun das trisst sich ja prächi!g.« »
siel ich ein, »da rvir so nahe am See
wohnen, kannst du dich schon um ö.
Uhr sriih aus die Veranda hinaus
setzen und genießen."
»Ja, natürlich um 5 Uhr früh,
nein, ich danke! Und das wäre auch
nicht dasselbe, es muß die Lust sein,
die direkt über dem Wasser liegt.«
«Gut,« sagte ich wieder, »so
nimmst du unsere Goadel und iu
derst in die Entsettungstur hinaus-X
»Aber du weißt doch, daß ich nicht
rudern mag, ich will doch teine brei
ten Hände bekommen, nein! — Aber
Gondelsahren muß ich jetzt sleißig,
sowohl; da du aber ohnehin so wenig
Zeit hast siir so etwas, so schassen
wir uns ganz einsach einen tteinen
Motor an. So einer läßt sich ganz
leicht an unserem Kahne anbringen
und tostet nicht viel.«
Mir ging ein Licht aus. »So —
und das ist setzt vielleicht deine groß
artige Jdee?«
«Jawth-— sein« toai32« Sie sah
ganz stolz auf-, und es tat mir dei
nahe leid, ihr Proselt nicht gutheiszen
zu tönnen Aber ich hatte da man
cherlei Bedenken.
»Schon Schopf sagte ich, »ich
glaube nicht, daß du an einem sol
chen Motor Vergnügen hättest. Schon
das Geräusch und die Erschiitteruns
gen —«
»O, das ist sicher nicht so schlimm,'
wars sie ein
»Aber du würdest sie doch unange
nehm empfinden mit deinen — Ner
oen.«
»Meine Nerven werben sich eben
auch stärken bei diesen Fahrten.«
»Ich glaube nicht, daß wir so ost
Fabrten unternähmen. Du siehst ja
— wie oft sind wir aus dem See-i«
»Aber wenn wir den Motor ha
ben —"
»Auch dann nicht,« unterbrach ich
sie, »du hättest diese Fabrten bald
satt. ich weiß, und es wäre schade um
das schöne Geld. Denke dir, so sünss
bis iechöhundert Frankent«
»Ach wo,« wider-sprach sie, »so riet
kostet das nicht.'«
»Aber sicher-· Und das Benzin ist
gegenwärtig auch sehr teuer.«
Da wars sie stolz den Kopf in die
Höhe, wie sie immer tat, wenn ir
gend etwas dr Mißsallen erregte und
sagte verächtlich
’" »Ich merke schon, dich reitet wie
der einmal der Geiz, natürlich reuen
dich nur die paar Rappen."
»Um Gotteswillew Vorsicht!«
mahnte ich, wenn dich ein Mitglied
der Steuerkommission hörte? —
Fiinsbundert Franken ein paar Rap
pen! Jch dente bei unseren Vermö
gensverbiiltnissen dürste man doch
grindestenb von ein paar Franken re
en.«
»Na ja, also,« meinte ite gelassen,
»die paar Franken wird dir meine
Gesundheit doch nach wert sein-"
»Ja. bist du denn trauli« stagte
be t.
Ich Its·
»Noch bin ich’s nichts aber wenn
ich dicker werde, werde ich auch trank,
das tsi dombensicherl«
»Und davor kann dich nur sorciers
tes sootsa ren schiisem meinst dui«
Hamhlf sagte sie im Brustton
der Ueberzeugung.
»Als-) gut,« ries ich resigniett. »Du
sollst einen Motor haben! Natürlich,
ich lann dich doch nicht sterben lassen
wegen ein paar usw« —- Aber tat
sage· ich dir,« —- ich stand aus, hart
vor sie hin und hängte mit dem Zei
gesinger jedem meiner Worte ein Ge
wicht an, »ich bin prinzipiell gegen
diesen Motor und wenn die Sache
schies gebt, so komme —«
»Sein Blut iiber mich und rncine
Kinder, jawobl!« lachte sie übermü
tig, gab mir einen Kuß und wirbelte
; davon.
) O, sie ist sonst lieb, meine Frau,
»,riesig lieb — aber auch riesig leicht
’sinnig. Wenn sie nur durchdringt mit
lihren Projelten, dann ist sie glücklich,
Imag es dann kosten, wag immer. Ja,
! sie ist sehr großziigig
3 Nun, siir diesmal machte mir die
zSache eigentlich wenig Sorge. Ich
hatte da in der benachbarten Stadt
einen guten Bekannten, von dem ich
Izusällig wußte, daß er erst unlängst
»sich einen solchen Motor angeschafft.
Den gedachte ich mir siit eine Probe
;sabrt auszuborgem um, wie ich fast
sicher annehmen durfte, meine Frau
von ihrer Motorsucht gründlich zu
heilen.
Sofort setzte ich mich mit diesem
Bekannten ins Einvernehmen, und er
stellte mir seinen Motot sur ein oder
zwei beliebige Tage bereitwilligst zur
Verfügung· Jch war also fiir alle
Fälle sein heraus und konnte nun ru
hig Jan-arten. —
Schon am anderen Tage fühlte sich
meine Frau gleich nach dem Mittag
essen um die Taille wieder etwas-—
nun Sie wissen ja —- und fragte
nach dem Motor.
«Jn, so rasch geht das nicht," sagte
ich, »das kann noch Wochen dauern.'«
«Wochen?!« siel sie entsetzt ein,
»Wochen't Ja tvieso?«
»Ja dente dir, er muß doch von
Berlin tommen und da ist es stag
lich, ob Deutschland derzeit diesen
Artikel überhaupt ausführen läßt.«
»Aber was brauchen wir da
Deutschland,« versetzte sie hochmütig,
»das tann man bei und gewiß auch
haben. Unsere Maschinentndustrie ist
doch mächtig voran, wir bauen doch
vorzügliche Autos und Dampsschtsse
-— warum sollte da nicht auch ein so
einfacher Motor zu haben sein im
Jntand't"
»Ich tviißte wirllich nicht sicher —«
meinte ich etwas tleinlaut, und sie
siel mir scharf in die Rede: »Ja, da
mußt du eben Umschau halten! Na
türlich, es ist tinderleicht einem et
toaö zu versprechen und sich dann
weiter gar nicht mehr zu kümmern.
Du mußt dich eben bemuhent«
Und so tam sie mir jeden Tag. Je
den Tag sühlte sie sich an allen Euen
und Enden d— nun, Sie wissen ja
—- und sehnte den rettenden Motor
herbei. So telephonierte ich denn an
einem Samstage meinem Betanntem
ob er mir sur Morgen, bei schönem
Wetter seinen Motor überlassen
tönnte, ich würde ihn schon in aller
Frühe abholen. Er toar einverstan
den.
Der Sonntag war herrtich und ich
ruderte, meine Frau lag noch im
tiefsten Schlaf, zu meinem Bekann
ten, der mich schon bei seinem Seh-is
chen erwartete. Wir montierten niit
einiger Umständlichleit den Motor an
meinen Kahn, dann machten wir eine
tleine Probefahrt, wobei mich r-er
Bekannte in der Handhabung des
Motoro unterrichtete. «
·
OIV III UIUVIIUUIJKU IUUI ULJ
längst wieder zu Hause angelangt,
und meine Frau hatte teine Ahnung
von dem wichtigen Vorkommnisse,
das sich heute sriih schon til-gespielt
Als sie dann beim Frühstücke ausstieß
»O, wie ist das ein herrlicher sSom
mertagt Schau, wie wäre est
schön, wenn wir den Motor hätten.
mußte ich innerlich lachen, ließ ist-er
nur einen undeutlichen Brummer hö
ren und ging später zu meinem
Frühschoppen wie gewöhnlich
Erst als wir uns zum Mittags
tische setzten, sagte ich zu meiner
Frau. »Noch dem Essen werden tvir
mal den Motor auspeobieren.«
Sie sah mich großmächtig an. »Ja,
ist er denn hat«
»Aber natürlich,« versetzte ich ge
lassen, »er ist schon am Schiffe fahr
sertig.«
»O, du bist doch ein großartiger
Manni«
Wenn meine Frau .rscht, recht zu
srieden mit mir t ""«,-,so nennt sie mich
immer großartig.s« nd das hatte sie
soeben gesagt und tani nun aus mich
zu und —- und —- ich bekam dies
mal das Dessert vor der Sappe. Jch
dachte bei mir selbst, dasz ich das
eigentlich siir meine Spihbiiberei nicht
verdiene, aber ich blieb hart und cui
alle.«tviesoi« und »wober?« sagte ich
nur: »Frage nicht —- dein Wunsch
ist ietzt ersiillt, das sei dir genug.
Ueberhaupt werben wir gleich sah
ten.«
»Also gut, Männchen, ich werde
mich nur rasch noch ein wenig um
ziehen,« ries sie srohgelaunt und mir
belte fort
Ich schöpfte frohgelaunt die S ,
pe und während sie si »ein loen
umzog«, stopfte ich mt tüchtig an,
denn ich gedachte eine tüchtige See
reise zu machen.
Nach verhältnismäßig kurzer Zeit
erschien meine Frau wieder, zur Feier
des Tages festlich herausgepuht und
sehte sich samt Hut und Federbusch
zu Tische. Sie hatte richtiges Rei e
fieber und nahm nur ein paar Löffel
Sappe zu fich. »Ich habe wahrhaftig
noch keinen Appetit,« entschuldigte sie
sich, »weißt, ich habe ziemlich viel ge
sriihstiiat.«
Und ich dachte: »Ja, aus diese Art
mag die Motorsahrt schon Wirkung
haben — wenigstens um die Tailie.«
Laut sagt ich: »Also dann auf und
die Anker gelichtet!«
»Jatvahl, alle Mann an Verdi«
rief meine Frau und drängte seelen
vergnügt zum Haus hinaus und zu
unserem Gandelplatz hinunter. Dort
bewunderte sie gebührend den so
Heißgewiinschten und fand den
schwarzen, länglichen Zylinder wun
derhiibsch. Wir setzten uns in die
Gondel, und ich stellte Gas und Zün
dung ein.
»Wind er auch gehen?« frug meine
Frau etwas zaghaft.
»Hoffenilich!« erwiderte ich. Und
dann voll Bosheit: »Was ist's jetzt
mit deinem Rock?"
Sie sah über sich her und dann
erstaunt mich an: »Wieso mit mei
nem Rock?«
»Na, ja, ich meine —- ist er dir
noch eng unt die Taillei — Es ist
ja nur, um die Wirtung zu konsta
tieren.«
Sie wars stolz den Kopf zurjick,
wie sie immer tat usw. Und sagte der
ächtlich: »Ich glaube doch, du ver
stehst noch nicht den Motor zu behan
dein.«
Wortlos ergtiss ich die Kurbel
oben am Schwungrade und gab ihm
einen gehörigen Ruck, ein-, zwei
dreimal —- und da sing der Motor
an zu rattern. Gleich daraus gab ich
ziemlich Vollgas und Frühziindung,
daß die ganze Gondel erzitterte und
rauschend durch die spiegelglatte Flä
che zog. Meine Frau saß vor mir
und hielt mit beiden Händen den Hut
fest, nnd der Federbusch droben wallte
unternehmungslustig Sie machte ein
ziemlich vergnügtes Gesicht und sagte
einigemale —- zuerst fröhlich:
»Fein!«, dann nach einer Weile min
der fröhlich: »Fein«, und später noch
einmal ziemlich talt: »Fein«.
Eine gute Viertelstunde mochten
wir so dalsingesahren sein« als es aus
einmal hinter mir stärker zu riitteln
und rattern begann. Jch drehte rnich
rasch, um den Motor abzustellen.
Meine Frau hatte einen Schrei aus
gestoßen und srug ängstlich: »Um
Gottes-willen, was ist los?«
»Was los ist? — Der ganze Mo
tor," erwiderte ich taltbliitig. »Aber
es ist nur eine Schraube locker gewor
den nnd sofort wieder gemacht. —
So, wir können schon weiter rat
tern.«
»Aber bitte, nicht so schnell,« bat
meine Frau, »eH zieht ja schrecklich
und nimmt mir sast den Hut sort.'«
»Wer nimmt denn auch solch einen
Hut zu einer Seereise! Du mußt dir
unbedingt einen Südlvester anschaf
sen. Für jetzt würde ich dir raten, den
Hut abzunehmen und in das Boot zu
legen.«
Sie tat dieg und bat mich dann
nochmals, nicht so schnell zu fahren.
»Weißt, Schatz,« sagte ich, »die
Wirkung wäre halt größer. Wenn die
Lust dich ein bischen energisch streist,
nimmt sie auch recht viele Moletiile
von dir weg und verringert oie we
fahr des Dicktoerdens. Uebrigens —
wie gefällt dir die Sachet«
Sie machte ihre Unterlippe: »Ganz
gut.« Es tlana furchtbar tiihl, und
ich rieb mir im Geiste die Hände, wie
ein Spitzbube, der einen übers Ohr
gehauen, —- in Wirklichkeit tnrbelte
ich wieder an.
Der Motor ratteite, der Kahn zit
terte, das Kielwasser rauschte, und
die Haare meiner Frau flatterten.
Die Fahrt machte ihr immer weniger
Vergnügen, ich sah es ihr an, aber
sie war doch noch zu stolz, etwas zu
sagen, unt- ich steuerte-erbarmungs
los immer weiter in den See hin
aus. Aber da hatte der Motor Er
barmen — er rersagte plötzlich
»Was ist jetzt wieder? th er ka
put?« frug meine Frau, aber es tlang
gar nicht ängstlich, es tlang fast hof
send.
Jch sah nach —- es war scheinbar
alles in Ordnung. »Er hat nur aus
gesetzt, wir werden ihn gleich wieder
haben,« sagte ich und wollte anturs
beln.
»O bitte nicht!« klang es flehend.
— »Was nicht?« —- »Möchtest du
nicht lieber ein wenig rudern?« —
»Nudern?« -— ,,Ja — und heim
saheen.«
«Heim? jeht schon? Wir fahren ja
kaum eine Stunde.«
«Ach,« jammerte meine Frau, »bei
dieser Eilfahrt sieht man so viel
Wasser und da kommt el- einem so
lange vor. Und dann dies Getnatter
nnd Riitteln —- es geht mir wirklich
auf die Nerven.«
Da kam wieder der Bosheitsteufel
in mich. »Ja, deine Nerven werden
sich eben stärken bei diesen Fahrten.«
Diese Worte mochten ihr bekannt
vorkommen, sie wars stolz den Kopf
zurück —- Und schwieg.
Mit einiger Mühe brachte ich den
Motor wieder zum Gehen, steuerte
aber gehorsarn herum gegen das Ufer
zu.
So fuhren wir wieder eine halbe
Stunde dahin. Meine Frau machte
schon ein sehr unglückliche-s Gesicht,
und ich überlegte eben, ob ich sie nicht
doch erlösen sollte, als mir der Mo
tor wieder zuvorkam — er seste wie
der aus.
«Gott sei dankt« ries sie mit einem
Seufzer der Erleichterung und dann
bat sie eindringlich: »Bitte, bitte, laß
den unseligen Motor stehen und ru
dere.«
»Aber Schatz, ist dir die Motor
sahrt wirklich so sehr oerleidet?«
»Furchtbar!«
Und ich voll Bosheit: »Aber es
gibt taunt etwas Besseres gegen Kor
pulenz.«
»Und so beläme ich die Schwind
sucht. Jch bin schon ganz seelrank."
Sie sah allerdings fast so aus und
da ließ ich ab von weiteren Quale
reien, setzte die Ruder ein und hielt
heimzu.
»Es war eigentlich doch ein Un
sinn,« sagte meine Frau nach einer
Weile.
»Was war ein Unsinn?«
»Nun, daß du diesen Motor ge
kauft hast« —- ,,Aber ——«
»Gewiß, ein Unsinn! Wir sind ja
nicht so cst aus dem See, und Eile
haben wir dann erst recht nicht«
»Ja, aber —«
»Es ist wirklich schade um das
schöne Geld, 500 Franlent Und der
Benzin ist ja auch noch so teuer."
»Das habe ich ja vorher —«
»Das hättest du dir überlegen sol
len« vorher 1awohll«
»Aber ich have oo cr) —" . -
»Er ist ja auch nichts wert er ver
sag«te ja alle Augenblicke, und das ist
eigentlich noch sein Gutes-, denn die
ses Getnatter — das hättest du wis
sen müssen, daß das meine Nerven —
um Gotteswillent was willst du
tun?« unterbrach sie sich plötzlich
selbst mit entsetztem Aufschrei. i
Nachdem ich nämlich gar nicht zuf
Worte hatte kommen können, war ich
auch auf eine großartige Jdee ver
fallen. Jch hatte mitten in ihrer Rede
die Ruder sinlen lassen und mich um
gedreht, um den Motor wieder anzu-.
turbeln. Nun wendete ich. die Kur-!
bel noch in der Hand, den Blick ihr’
zu und sagte allen Ernstes: »Was ich
tun will? — Wenn du noch ein ein-;
ziges derartiges Wort sagst, den Mo
tor anlassen und bis zur Dunkelheit
auf dem See herumrattern.«
»Nein, nein, nein! —- Bitte, bitte,
nicht!" flehte sie mit Händen, Mund
Und Augen so eindringlich, daß ich
fühlte, der Motor war für sie wirk
lich das reinste Schreckgespenst.
Jch setzte mich wieder ihr gegen
über auf die Ruderbant und frug mit
l strenger Miene: »Wer ist die alleinige
Ursache, daß dieser schwarze Raßler
Ian unserem Boote hängt —- wer hat!
fmit aller Gewalt einen Motor haben
wollen«
,,Jch.« —- »Du ganz allein?« —
»Ja —- ich allein.«
Das kam so zaghaft leise und sie
machte dabei ein so rührendes Ar
mesiindergesichtchen, daß meiner Ne
de jede Schärfe fehlte, als ich nun
sagte: »Also gut, merte dir das jetzt
aber auch, bitte!«
Als sie mich hierauf nur flehend
anblickte, ergriff ich wieder die Ru
der und wir fuhren wortlos heim.
Kaum daß meine Frau wieder auf
festem Boden stand, erklärte sie: »So,
aber ich fahre nie mehr mit diesem
Motor.«
»Schön!« machte ich latonisch und
bat sie, nur vorauszugehen, ich hätte
noch den Motor unterzubringen und
komme dann nach
l Etwas durstig, aber sonst fröhlich
sster Laune ging ich in dar-« nahegele
gene Galthiiu5, uiu eine Frosche Bier
zu trinken und den Hausknecht zu
bitten, mir beim Abinontieren und
EUnterbringen des Motors behilflich
Izu sein. Jch wollte ihn nachtsiiber
lnicht am Boote lassen nnd erst Mor
gen seinem Eigentümer zurückstellen
—- er hatte ja nun seine Schuldigteit
vollaus getan.
Als ich eine Stunde später heim
tain, fand ich meine Frau in Tränen
und da wallte gleich Mitleid in mir
aus: »Aber wo sehlt’s denn, Herz
chen, hm?-« —- ,,Ach —- es ist —- es
ist doch schade -—— uin das Geld·«
»Ach, wegen den paar Rappenl«
machte ich leichtliin und dachte an
den verbrauchten Benzin und das
lleine Trizlgeld, das ich dem Haus
knecht gegeben.
Meine Frau mochte meine Werte
aber wohl fiir Spott halten, sie blin
zelte empor und als sie mich lächelnd
dastehen sah, srug sie erstaunt: »Ja,
machst du dir gar nichts daraus--M
»Nein, wirklich nichts,« sagte ich
dann —- ich konnte sie nicht länger
leiden lassen — erzählte ich ihr den
ganzen Sachverhalt. »Siehst ou,«
sagte ich zum Schluß, »und weil ich
um deine große Jdee so glücklich
herumgelommen bin, so rudern wir
heute Abend nach Bad-Vorn hinüber
und leisten uns dort ein seines Nacht
mahl. Einverstanden, nicht wahr?«
Da stand meine liebe Frau aus,
schlang ihre Arme um meinen Hals
und rief: »O du bist doch ein groß
artiger Mann!« Und das sagt sie
nur, wenn sie recht zufrieden mit
imir ist.
sc IM.
Slizze von Mai-name
Durch die sinkende Winternacht
stampst die Kompagnie vorwärts-.
Dumps und stumps klingt ihr Schritt
an die endlose Einöde hinaus, durch
die die Straße toie ein schlammiges,
schwarzes Band yintriecht.
Jm eintönigen Marschtolt gehen
die Männer dahin, schon seit zehn
Stunden, immer durch zerstörte Dör
ser und meilentveite EinsamteiL Die
Nussen leuchten ihnen mit der Brand
fackel voran.
Links vom Wege lösen sich Mau
ern aus der nachtgrcuen Einförmig
keit der Ebene. Ein Haus — oder
dag, was ein Haus gewesen ist« Jn
den Sparren des ausgebrannten
Dachstuhls minselt der Wind —- oder
ist es etwas anderes? Mensch? Tiers
Der Feldwebel Freese nimmt vier
Mann, und mit schußbereiten Büch
sen ztveigen sie ab. lSteine Seele regt
sich in der verlassenen Heintstntt.
Die Flammen haben das Haus
leergesressen. Wüste Trümmer dedeti
ten den Hos, zerschlagener Hausrat
und Lumpen. Vom Düngerhausen
glotzt mit glasigen, leerigen Augen der
abgeschnittene Kops einer Ruy. Es
sieht aus« als ob das Tier so aus
dem Boden yerauswüchse. Quer vor
der Haustür liegt der Leichnam einer
Frau, von Säbelhieben zerfetzt.
Da winselt es wieder, und wie sie
umherspähen, finden sie einen strap
pigen Hund zwischen den Trümmern,
zitternd, mit zerschtnetterter Pfote.
Einer hebt die Büchse. »So, ar
mes Luder« —- Ein anderer hält iyn
zurück. »Man a iving, Karte, er will
erst noch amal sressen«.
uus den Beuteln kommen die
Brotstiiclen zum Vorschein — das
ausgehungerte Tier schlingt mit flie
genden Flanken und tlopsendem
Schwanze- Und den Männern kommt
es nicht unsinnig vor, daß der Hund,
den in der nächsten Minute die Gna
dentugel treffen soll, sich an der Ra
tion sättigt, die sie selber morgen
vieileicht bitter entbehren werden.
Freese wartet gutmütig eine Weile,
bis er sagt: »Jetzt ists genug. Wir
müssen weiter«'.
Ein kurzer Knall. Der Hund stillt
schlass und regungslos zur Seite.
Nun kommt etwas zum Vorschein,
was er mit seinem Leibe gedeckt hat.
Ein atmendes Bündel.
,,Jesses Maria!'« Die siins Mön
ner sehen sich ratlrg an. Ein seines,
wimmerndes Weinen hebt an. Aus
einer heiseren, verschniachteten, ttei
nen Kehle. »Am-g soll man denn nun
in Gottes Welt mit dem inachen's«
Sie sind alle verheiratet, die Land
sturmmanner, und wie sie nun auf
den Eäugling herniedersturrem dentt
jeder an sein eigener- tltest voller Klei
ner daheim —- dahei1u, wo es warm
und sicher ist, und wo nicht der bittere
Wind über die politische Einöde
streicht.
Das Kind verstummt wieder. Es
ist schon so schwach, daß es taum noch
weinen kann. Die Wärme des Hun
detörperg hat es vor der Kälte ge
schützt, aber nicht vor dem Hunger.
Der Feldlvebel geht, mit unschliissi
gen Worten Bericht zu erstatten.
»Ein ausgebrnnntez Haus — der
Leichnam einer Frau —- nnd ein klei
nes Lind, noch lebend — sechs Mo
nute vielleicht« —- —
lieber des H.n:ptn1aniis Gesicht
läust ein unruhiges Zudem Er sieht
an der Kompanie entlang. Zweikam
dertsstnszig Männer, obdachlos in der
oerschneiten Nacht — eine harte Brot- «
tnnte im Beutel — der und jener«
noch einen Schluck lnlten Aassee oder
Tee in der Flasche —- vor sich einen
niiihseligen Marsch, gegen Schnee und
Wind ertämpft, stundenlang, viel
leicht auch tagelang.
Jan zornig zuar er oie Achseln.
»Komm uns nicht aushalten«. Jm
dumpfen Tritt riirtt die Kompagnie
weiter.
liiner breitet im legehcn noch den
Fetzen einer Pferdedecle über das
Kind. Schmeigsain, das Kinn in den
Manteltragen gezogen, reitet der
Hauptmann neben seinen Leuten her.
Der Feldwebel Freese ist in seinerj
Nähe. Mit dem sängt er ein Ge-«
sprach an. s
»Na da vorn ljaben wir Pawlorv
la (-ind Sie eigentlich verheiratet,
Feldwebel « s
»Jawohl, Herr Hauptnmnn«. »
»Und haben auch Kinder-W l
»Ein kleines Mädel, Herr Haupt
m-.inn. Zum Friir;ling wird es ein
J;1hk.«
Und nun ist das Gespräch aus, nnd.
sie horchen beide wieder nach rück
wärts —- bis der Hauptmann in aus
brechendem Grimm sagt: »Wenn
Gott im Himmel es ansehen kann,
dann müssen wir ek- eben auch anse
ben lönnenl«
Nach einer halben Stunde sind sie
in Prswlowta. Eg ist nur noch der
armselige Rest eines Dorfes, vons
Mensch und Tier verlassen. Die
Mehrzahl der Häuser liegt qualm
iibrrweht in Schutt; ein paar Knien
nur stehen noch. s
Die Kompagnie stürzt hinein. Wer.
l
i
zuerst kommt, tann sich ans der Diele
ausstreclen, zum niindesten noch hin
lauern. Der größere Teil der
Kompagnie ist bei dem Rennen
um das Dach über dem stop
se zuturz gekommen. Die Männer
lampieren draußen zwischen den
Mauerresten, aus Stroh ausgestreckt»
Sie nehmen sich dafür wenigstens
Zeit, über den gliminenden Balken
! ihren Kassee zu warmen.
Auch der Hauptmann sin mit
diaußen. Er hat sich nach einein Blic
in die schniiitzstarteiiven Siselunkeii
eine Stroyschiitte iii einen geschützten
Winkel tragen lassen. Die Ellbogen
ausgestiitzt, hängt er seineti Gedan
leit nach. Da geht einer an ihm vor
iiver — der Feldivedel Freese. Er
schaut die Straße entlang, die die
troinoagnie even gekommen ist.
»Was gibt’t3, Fetdloeliel?"
»Herr Hauptmann, ich hab’ vor
hin, als wir das Haus da hinten un
tersuchtc«, meinen Yliclsänger perio
ten. Den mochte ich mir holen«.
Der Hauptmann sieht ihiii schars
in dar- dienstlich steitiere Gesicht und
sagt langsam: »Hm und zuriitj an
derthalb Stunde-U Jst er das toert?«
»J:itoohl, Herr Hauptnmnn«·
lind niit kräftigem Schritt, nicht
wie einer, der els Stunden Marsch
hinter iich hat, geht Freese durch den
klingenden Wind, durch die nebel
griiue Nacht. In seinem Gesicht ist
ein Wetterleuchten, als spreche er in
nerlich zornig mit irgeiidtvem, als
habe er einen Widersacher vor sich.
,,Soll es vielleicht verhungern —
odcr vom Raubzeug bei lebendige-m
Leibe zerfleischt werden?« Er denkt ·
an sein eigenes Wiirmlein daheim
und schüttelt sich und rennt schnel- «
ter.
»Dein Hunde halten wir den Gna
denschuß gegeben! Dem Hunde —
jal Mich soll’s nicht kümmern, was
die frommen Busen zeternl Aber
vielleicht ist es schon totil «- Wenn
eg doch schon tot wär-"
Kurz vor dem Hofe huscht ein
Schatten an ihm vorüber, lautlos
iii die Dunkelheit rauchend; gestaltlos
iti dein kauni sichtbaren Dahingleiten.
Nur phogphorgrune Augen haben fiir
eine Sekunde den Mann angesehen.
Und nun hört er auch wieder das
heisere Wiminem Der Kuhkopf mit
teinen aufgequollenen, bläulich verglo
sten Augen ftiert oom Dunghaufen
herunter. Der Wind hat den Schnee
zwischen den Hörnern zusammenge
ioeht, als ob die Ruh ein Häubchen
aus hätte —- eet sieht aus wie ein
grenlicher Spott und Spuk. Freese
schüttelt die befchneite Pferdedeele ab.
hebt das jaminernde, kleine Wesen
auf und steat es fich zwischen Rock
und Mantel. Die Wärme feines er
hitzien teörperg fließt in das fremde
Geschöpf über, das fo federioinzig ist
— und doch so schwer.
Der Tee, den er an deni Gliithau
fen oon Patvlolvta heiß gemacht hat, H
ift noch ioarin in der Jeldflaschr. Ers
stößt dem Kinde davon ein und lä
chelt beinahe, als e: lechzend schluckt
und schluctt.
Aber das Lächeln erlischt, als er «
daran denkt, daß oie Kompagnie wei
ter muß, daß auf dem Hofe nichts zu
riictbleidt als Einsamkeit, Verwü
stung, Mitte, Hunger und das heim
lich schleichende Tier niit den phos- ’
phorgrtiiien Augen, das in irgendei
nein Wintel sich duckt und lauert. —
Unditvie der Fell-wed« Freese den"
Gedanken ausgedacht hat, legt er seine
Hände über den Kopf deo Kindes,
daß die hatten, eifenftarlen Handle
chen gerade auf die zerbrechlichen
Schleifen fassen.
Und nun — mit einein Druck
loiirde es getan sein —- die tleinen
tlndchelchen ioilrden tnirschen ·- lind
alle Qual wäre vorüber. Aber es
geht nicht. Dein Manne, der die
heulenden Feinde soie Wölfe mit dein
Stolden zufaniinisngefchlagen hat,
lriecht der eiglalte Schauder über den
lliiiaen vor dieser einen Tat, die doch
nur hilflose Rot enden soll. Jii
ftuininer Verzweiflung sieht er auf
das Wiirinlein -«ieder.
Das Kind wendet langsam
das Köpfchen herüber — lächelt, leise
nnd zufrieden, ioie Kinder ini Ein
schlafen lächeln —- und strectt sich,
in dieser letzten Minute der Gebor- »
genheit in fremden Armen srei von «
Kampf und Schmerz.
Ein graues Erlöschen geht über
dns txeine Gesicht. Mit stockendem
Herzschlag beugt sich der Felotuebel
vor —- horcht und harrt —- nus einen
Atenizug, der nicht mehr kommt.
Still und unmerklich ist das
Lümpchen erloschen Die eiscnstnrten
Hände über den zerbrechlichen Schlä
sen lösen sich. Lunge sitzt der Mann
regungslos-. Der winzige Leichnam
wird schnell tritt. Jin Benitdschutt
raschelt etwas —- der Schatten rnit
den grünen Augen gleitet zwischen
den Trümmern Daher
Freese trägt das tote Kind zu der
Leiche der Mutter nnd legt es ihr in
den Arm. Er entblößt das Haupt,
demütig die Stillen grüßend, die er
verlassen muß.
Aber ein rosenrotes, fröhliches
Engelein wird mit ihm gehen und
spielend die Kugeln beiseite blasen,
die aus sein Herz gerichtet sind.
Nach einer Stunde ist er wieder bei
der Kompagnie. Der Hauptmann
liegt noch immer wach ans seinem
Strohlsiindel und sragt, nls Freese
vorübergeht, mit einem nervijsen La
chen: »Na, Feldwebeb weint das klei
ne Wurm noch?"
»Nein, Herr Hauptmann, es meint
nicht mehr«.
Der Feldtvebel streckt sich aus dem
Stroh ents, legt den Arm über das
Gesicht und rührt sich nicht, bis im
ersten Morgengrauen die Kompagnie
toeiterstnmpst.