Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 25, 1917, Sonntagsblatt, Image 10

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    Dlnukkxdria
Roman san claka Radtm
(19. Fortsetzung-) «
Frau Hafer erinnerte sich, welche
Mühe es gekostet hatte, ihn in Berlin
zu dieser Aufnahme zu überreden
Das Bild war nach Amerika Maus-l
gesandt worden.
Beide Frauen blickten auf das
Bild.
«Es war Jhnen wohl lieber, zu
mir zu kommen, weil ei hiet unge
niettet ist,« sagte Lond. Jhte
Watte klangen so talt und leer, als
ob sie eine lästige Angestellte entlas
ien wollte.
Sie nahm Andtat Jmtes Bild
nnd hielt es in der hand, ohne es
anzusehen. Sie achtete gar nicht auf
die Frau, die stumm vor ihr staat-,
iie bot iht leinen Stuhl an, sie ließ
das Schweigen zu einer Marter wer
den. «Einen Augenblick, hitte,« sagte
Lony, ging in das Rebengiminet,
legte Hut und Jacke ab und lehrte
zurück, Frau Ho ee einen Brief hin
haltend.
»Nicht wahr, Sie kennen diese
Schrift?«
Frau Hofers Gesicht verzerrie sich
»Ja, Fräulein Lony,« sie machte
einen schnellen Schritt vorwarks und
vergaß ganz, ihre Worte schön abzu
runden und wie köstliche Dinge
wägen, «ja, ich kenne meine Schrift,
glauben Sie nichts, baß ich gekom
men wäre, um um — —- Herrgott,
Lony, so helfen Sie mir doch, ei
iß nicht leicht, nicht leicht für michi«
i- Sie stieß die Worte hastig hervor.
»Sie waren in Florenz, nicht wahrs«
Lony sah Frau Opfer erstaunt und
ruhig an.
.Ja, ich war in Florenz, und mir
scheint, es isi Jhnen auch nicht un
bekannt, daß Andrai Jinre bei fei
ner Frau in Lussin grande ist«
»Ich hörie ei soeben, Andras
»Und deshalb kamen Sie hierher!«
Aus Lonyt Augen wich der lenke
ver-träumte Schimmer. Sie kreuzte
ihre Arme, ihr reizendei Bubenges
ficht leuchtet-.
»So er schrieb Jhneni Zeigen
Sie mir den sfrief
Ohne Zögern gab Frau hofer den
Brief her.
»So verständigen wir uns schon
bes er,« sagte Lond.
ehe sie den Brief zu Ende
gelesen hatte, umfaßte Frau Opfer
krainpfhaft Lpnhs Ann.
.Iriiulein Lonh." rief sie ver
zweifelt« .er kann jeden Tag korn
inen, Sie sind feine Freundin, Sie
kennen meinen Mann und tnich seit
Jahren, Sie gingen init Jngebprg
bei uns aus und ein, ich bitte Sie
vermitteln Sie, helfen Sie doch!'
Solch’ eine zitternde Angst rief
aus diesen Worten, daß Lonh ihren
Widerwillen unterdrückte.
.Urn Jhres Mannes willen, den
ja auch Herr Andraö schonen will,
werde ich sehen, was ich tun kann,«
sagte sie. «Sef;en Sie sich und er
zählen Sie zufammenhöngend, aber
bedenken Sie, daß ich sehr viel Be
weise in meinen händen habe, und
glauben Sie nicht, daß ich auch nur
einen Finger für Sie rühren werde,
sobald Sie die kleinste Unwahrheit
sagen.«
Frau Hoser war ganz zusammen
gesunlem Nun war sie nichts mehr
als das galizische, bettelarnie Mäd
chen aus der lleinen unsauberen
Stadt, das sich zähe empor gearbeitet
halte, aber in längst vergangenen
Jahren gewohnt war, eine herrische,
kräftige Faust über sich zu fühlen.
Die harten, klugen Augen dieses
verhaßten Mädchens zerrteri unerbitt
lich die Fetzen fort, mit denen sie
ihre niedrige Seele verhüllen wollte.
»Lasseii Sie mich nicht solange
warten, Frau Hoser.« Es klang
leise drohend
»Jch mochte sie von vornherein
nicht, diese Frau Andraö,« begann
sie leise, init einein bösen Untertan,
,,sie paßte nicht zu einein Künstler,
es wäre besser gewesen, er wäre
allein geblieben.«
Besonders sär Sie,« wars Lonh
sartastiseh ein« «aber lassen wir das,
es handelt sich hier uin heern An
deas und Sie und nicht uin Frau
Andreas'
Frau Hoser sah aus« ihre Augen
waren getötet. Sie antwortete nicht
aus die Bemerkung
»Ich sah ihn selten in Jlorenz,«
suhr sie sort« «kr kam nicht bster, alt
er mußte.'
Lony nickie mit unmerlliiheni Lä
cheln vor sich hin.
- Als ich dann sah, daß Frau Un
bras Mutter wurde, schien ei uiir
unmöglich« sie gemeinsam init ihrem
Mann die weite Reise inaehen zu
lassen. Ich sprach mit Frau An
dras, die alles sehr ruhig ausnahin.«
- .Seieri Sie hoch einmal ehrlich,
rau heiser- Sie sreuten sieh, und
— ie wußteru das Frau Andral
, EIN-Urzeit sie stolz var und weil
» »Ich habe nicht barst-er nachge
,-:Mt.« murmelte Frau heiser.
«---,—,teae aber dacht-u Sie, sie Sie
»se- sriesioethsel der beiden unter
Mdenk
is »Von-ali, ach, Fräulein Lonh, Sie
li- mi- nicht grauser-, vom-sie
« ich keinen ganz sesien Plan
L. .
Anvrns schuldete nn- viel Seid.
Seine Schuld war mit den breitem
lend Kronen, für die Sie ohne fein
Wissen dingte-, nicht Fetilgt, nnd
wenn mein Mann auch nichts davon
wissen wollte« er gab ihrn doch alles,
die beste Ausbildung, die er einein
Mensch-n nur geben konnte!«
.Weshnlb follte ver Professor
nicht felbstlos eins Doch nur ni .
damit Jhre zutiinftige Rente wiieh e.
Sie wollten sich unrechtinäßig herei
chern, das war alles.' Lony schleu
derte es ihr wütend entgegen.
.Sie haben keine Vorstellung ba
oon, wie es in einem feinen Men
schen anssieht," fuhr sie fort, «fonft
hätten Sie gewußt, daß Sie zu An
drns gehen konnten und Geld von
ihm fordern, soviel Sie wollten, irns
mer wieder-, er hätte ei Jhnen gege
ben.«
Sie machte eine Pause. Sie sah
sie nicht, diese angstgeschiittelte Jn
trigantin, sie sah nur das schmale,
ernste Gesicht, so weltfremd, den na
tiirlichen Adel auf die Stirn geprägt
,,Und nun erzählen Sie mir die
chschichie des Telegramms und der
Postlarte,« fuhr Lonh fort.
! »Ehe wir von Florenz abreisten,«
;fagte Frau Hafer leise, «hatte ich mit
i einer Hauswirtin abgemacht, daß sie.
steine Nachricht von Andras an seine
JFrau gelangen lassen dürfe, sobald!
ich ihr eine entsprechende Mitteilung;
Imachtr. Es sei fiir Andras besser
;so, ich gab ihr einige Erklärungen.
IUnserm Portier in Berlin hatte ich
eingeschiirft, daß Postsachen nur an
mich abgeliefert werden sollten. So
las ich denn die Briefe der Frau
Andras. Auch fest beklagte sie sich
taum. —- Plötzlich Anfang Dezem
ber, so scheint mir, tani ein Tele
gramm, sie wollte nach Berlin kom
men. Wäre sie gekommen. Fräulein
Lond, glauben Sie es mir, ich kenne
Andras, er wäre niemals mit nach
Amerika gefahren - und dann —
und dann« — —
»Ja, Frau sofer, Jhr Spiel wäre
ausgedeett worden und deshalb tele
graphiertenn Sie siatt seiner.«
»Ja, ich tat es, und es war xurchts
bar. Andras Jnrre tani die reppe
herab, als ich bei dem Boten stand.
Er sah finster aus und ging aus den
Portier zu. Nichts fiir mich das«
fragte er. .Leider nein,« sagte ich
schnell. Er sah mich laum an."
Da zitterte etwas hindurch, was
Lonh aufschauen ließ.
«Und später — Gott, ich mußte
der Frau irgendeine Nachricht geben,
sie tvurde so dringend, da ging ich
eines Tages zu Andras hinein, wäh
rend er übte, und bat ihn, doch
schnell einige Worte aus eine Karte
an meinen Mann su schreiben, er
Lwarte auf einen Bericht. Ich dik
tierte, schrieb selbst noch viel Gutes
l— nachher adressierte ich die Karte
an Frau Andras.«
»Ich habe es mir so gedacht,«
sagte Lony langsam, »aber was tat
Andrasi«
»Er ging umher, wie immer, wori
karg, noch verschlossener als sonst,
nur als er Weihnachten ohne Nach
richt war, kam er zu inir herein und
sagte, er tvolle abreisen, zu seiner
Frau nach Florenz. Da — was
sollte ich ihni sagen? Mir fiel es
ein, daß inanche Frauen in solchen
Zeiten geistig getrübt sind."
»Ich will die Wahrheit hören,
Frau Hosen« rief Lonh scharf. »Es
fiel Jhnen nicht ein, Sie hatten sich
das überlegt.«
, ·.;W’eiiii"(«.-"i«e «t«vollei"i’ —- ja — aber
ein fester Plan war auch das nicht.«
Langsani fuhr sie fort:
»Ich ging auf ihn zu und sagie
ihni in aller Güte und init viel Scho
nung, daß seine Frau erkrankt sei.
Er diirfe sich nicht ängstigen, ich
hatte den Brief eines Arztes empfan
gen, eines Bekannten der Frau
rnndini. der seine Gattin behan
rselt habe· Sie wäre vollkommen
wohl, aber eine leichte geistige Tril
bung, der manche junge Frau in
ihren Verhältnissen unterworfen sei,
wäre der Grund ihres Schweigenss
ich hätte ihm das verheimlicht, da i
gehofft hätte, der Zustand wäre nur
ganz vorübergehend gewesen. Der
Arzt hätte inir zwar mitgeteilt, daß
vor der Geburt des Kindes kaum
eine« Besserung eintreten wiirde.
Als ich entschlossen gewesen wäre,
init ihm zu sprechen, hatte ich erfah
ren, daß seine Frau Florenz verlassen
habe, ohne anzugeben, wohin sie ich
wenden würde. Zum Glück hätte
Frau Grandini eine Postkarte von
ihr aus Bamberg erhalten, auf der
sie selbsi ganz klar geschrieben hätte,
daß Verwandte sie in ein Sanatoi
riuin bringen wollten; den Namen
des Sanatoriums habe seine Frau
leider nicht angegeben.
Andras Jnire stand stumm vor
mir, während ich ihin all das ag
te, aber seine Augen hatten e n
düstern, furchtbaren Ausdruck. »Und
das sagen Sie inir erst fests« stieß
er plöhlich hervor und umspannte
wütend mein Dank-gelenk. Erschleu
derte mich ziir Seite, schwieg eine
Weile, dann sagte er fest und kalt
»Jch reise sofort nach Bamberg.
Wie isi der Name des Urztesk
»Gewiß, reisen Sie-· sagte ich,
»aber Sie werden unverrichteter
Sache zurückkehren; Deutschland ist
voll von Sanatorien, und die Adres
se des Ae tes kann i Ihnen nicht
nennen. war So der Pension
Grandiiih und Frau Graudiui is,
wie jedes Jahr nur diese seit. ver-«
reist, wahin,das weiß nicht.
Es isi immerhin möglich, daß nach
Florenz gesandte Briese Frau Gran
vini erreichen, ich will ihr jedenfalls
sofort schreibknk
Andras seihsi konnte sich in ita
lienischer Sprache ja tautn ver
ständlich machen.
.Bitte, tun Sie das.« sagte An
dras beherrschter, .ich reise sosott
nach Bamberg, eben Sie mir Gelt-,
Sie wissen, da Sie alles suriicks
erhalten werden« Ich tat, was er
wünschte, und er reiste ab.
Kurz vor einem Konzert, in dem
er spielen mußte, tarn Andras su
riick. Er sah nz versallen aus«
rau D starrte rnit weit aus
gerrssenen ugen nach ver Tiir hin,
als müßte sre ihn eintreten sehen;
ihre Dände waren in unwillkürli
cher Abwehr geöffnet und etwas
vorgestreckt. Lko wandte keinen
Blick von ihr. Es war, als ob
Frau Hoser sie vergessen hätte.
»Mit-en Sie nichts gehör-ti« war
seine ersie Frage.
»Nein nichts,« sagte ich, »und
Sies«
.EO war umsonst,' sagte An
dras. Er preßte seine schmalen
Lippen fest zusammen und hatte sasi
teinen Blick mehr in den Augen.
Jch stürzte aus ihn zu, ich nahm
seine Hand, ich bettelte sasi, er solle
es doch nicht so schwer nehmen, die
Hauptsache wäre doch, daß seine
Frau in einem Sanatorium gut un
tergehracht sei. Wie konnte ich
auch ahnen, daß er so an dieser
Frau hing! Jch dachte, der Erfolg,J
die Abwechslung, alles hatt wiirve’
ihn von ihr ablenten.
Oh, wie hatte ich mich geirrt. An
draö sprach kaum mit mir, er
Jsprach mit niernanvem, aber eine
!innere Erregung verzehrte ihn saft.
J Dann kam sein lehtes Konzert
»in Berlin und ich, ich —- sie stockte·
; »Was MUS«
Frau Hoser schluchzte laut:
Alles hätte ich darum gegeben,
noch vor dem Konzert, vor ver Uh
reise nach Amerika, diese Sacheaul
der Welt zu schassen. Jch schrieb
an die hautwirtin in Florenz, ich
erhielt keine Antwort, dann tele
graphierte ich, unv was mußte ich
höreni Frau Undras war wirklich
von Florenz abgereist, nach Deutsch
land, sie hatte tein Reiseziel ge
nannt.«
Frau hoser sprang aus.
.Das, was ich ersponnen hatte,
war nun Wahrheit geworden, Frau
Andras war verschwunderr.·
Sie trocknete ihre Tränen, griff
Zieht an den Kopf und suhr ruhiger
l or:
Nun kam mein Mann, ich zeigte
ihm das Telegramm, sagte ihm,
daß Frau Undrat trank sei, wenn
auch nur vorübergehend unv unge
fährlich, und mein guter Mann
überrevete Andras, doch zu reisen
— Andras wollte durchaus nicht
er wolle wie ein Vater nach seiner
lieben Frau suchen, er solle sich doch
beruhigen, in Deuts land könne ihr
iein Unglück widerfa en,und schließ
lich sorge er doch am besten fiir
Weib und Kind, wenn er jetzt für
seine Familie die Existenz aufbaue.
Sie wissen es ja, Fräulein Lony,
wie Andras an meinem Mann
hängt, schließlich willigte er ein und
reiste. Sie haben Andras ja kurze
Zeit gesehen und auch gehört. Mein
Gott, er war wundervoll! Sein
Spiel in dieser ewigen seelischen
Spannung war überwältigend.
Jch teilte meinem Mann dann
bald mit, daß wir eine Nachricht
von Frau Andras hätten, und da
mein Mann niemals an Andras,
sondern nur an mich schrieb, war
alles gut, nur ich fand teine Ruhe
mehr.
Glauben Sie es mir, Lony, ich
habe alles getan, was ich nur konn
te, um etwas von rau Andras zu
hören, es war um onst· hätte ich
die Adresse ihrer nächsten Angehöri
gen erfahren tönnen, ich hätte dort
hin geschrieben, aber Andras kann
te nichts als den Mädchennamen
seiner Frau-«
«Und weshalb war Andras nicht,
wie er wollte, Ende März wieder in
Deutschlands« fragte Sonn
»Die Kontraite waren doch ge
.machi!« rief Frau hofer und schlug
die hönde zusammen. »Ich tonnte
ja nicht mehr zurück. und Andtas
hatte mir gleich im Anfang der ge
meinsamen Reise Generalvollmacht
gegeben.«
»So, so,' machte Lony gedehni,
»das war finanziell recht prattisch
fiir Sie, Frau hofer. Andras ist
ia auch nur mit einigen tausend
Kronen heimgelehrt, trog seiner
enormen Erfolge und der vierund
zwanzig Konzerte, die er driiben
gab. Ueber diesen Punkt geben Sie
mir doch, bitte, eine gründltche Aut
tiiirungi«
«Friiulein Lond, ich sage Jhnen
die volle Wahrheit, ich wollte mich
ursprünglich an ihm bereichern, ta
aber ich habe es nicht getan. Ich
hatte Andras so oft von den un
glaublich hohen Untofien gesprochen,
daß ich später nicht plötzlich ein
lenien konnte. Fragen Sie ihn
nur, ich sagte ihm, die endgültige
Verrechnung wiirde ich ihm noch
zustellen. Er aber achtete gar nicht
ldarauf, nur nach Deutschland suriia
"tpollte er, weiter nichts
L
Ill er steh dieses W län
ger gefesselt sah, all ich ihm bei
der Abreise gesagt hatte, kannte er
sich selbst kaum noch vor Zorn.
Sie ahnen et sa nicht, können es
nicht ahnen, was ich in der seit
durchgemacht habe.
Jch habe schlechte Behandlung in
meinem Leben leimen gelernt,« sag
te Frau hoser, und ibre Stimme
zitterte, »aber diese Zeit war viel-(
leicht das Furchtbarste. Ya, er blieb·
höflich, dieser Andras ere,«
preßte die Worte schars detach-aber
dass Leben mit ihm war grauen
bc t«
Sie war wieder ausgestanden, ihr
Gesicht sonst so sorgfältig hergerich
tet, sal) ganz verwiistet aus. Sie
trat an das Fenster, strich gewohn
heitsmäßig iiber ihr Haar und schob
ihren hut zurecht.
Laut-. der leine Bewegung ent
gangen war, sagte scharf und kalt:
«Zu jeder großen Tat gehört
Größe, auch zur großen Jntrigr.
Sie, Frau Hasel-, fingen sich sriihi
zeitig selbst in Jhrem groben Neg
Nichts an der ganzen Geschichte
wundert mich so sehr, wie Jhre un
glaubliche Gedanlenlosigleit. iel
es Jhnen denn nicht ein, daß hr
Gebäude in sich zusammensallen
müßte, sobald Andras zurücklami
Fiir was in aller Welt hielten Sie
denn Andras ere?«
Frau hoser wandte sich um.
»Andras ere, Andras Jrnre«—
ihre Zähne schlugen zusammen —
»Fröulein Lony, waren Sie jemals
ein armes, herumgesioßenes Mäd
chen, das Talent in sich verspürte
und vorwärts lommen wollte? Ha
ben Sie aus alles im Leben ver
zichtet, von der Gnade anderer ge
lebt, Jhre erste Jugend vertrauert
und verschenlt, nur um Geld in die
Finger zu bekommen« —- sie streck
te ihre hand aus, ihre Fin er
lriimrnten sich —- Geld, das ie
brauchten, um einer jammervollen
Umgebung zu entfliehen« um lernen,
studieren zu könneni Nein, mir
durste tein zu schmutzig, keine
Rolle zu demiit gend sein« ich muß
te hindurch, hindurch« —- sie machte
eine schneidende Bewegung mit ihrer
hand —- «und als ich dann endlich
sesi sah. als Dosers Frau, da sog
ich mich voll in der Beseiedigun
des ost Erschlagenen, da haszte i
sie alle, die leicht und einfach iiher
geednete Wege gi en - Sie - to
auch Sie, Lonh ezel —- und ich
kannte nur eins: Geld, noch mehr
Geld, Stellung, höhere Stellung
noch im Leben. Jünsundvier ig
Jahre hin ich geworden, und m ne
gercklichsie Stunde war die, als
zwanzig Jahre ältere, ungeliedte
Mann mich zu seiner Frau machte.
Oh ich Andras ere kenne, sta
gen Sie mich — oh ich ihn kennes
Geliedt habe ich ihn, rasend ge
liebt! Blind wahnsinnig habe ich
ihn begehrt. Nur einmal, ein ein
ziges Mal wollte au ich das, was
Eure schönste Jugend liite ist. Diese
blonde Frage, an die er sich
gangt hatte, wie ich sie haßtet eie
allte leidenschaftlich die hände.
Nicht damals liebte i ihn, ais
er in Florenz zu uns am, nicht,
als ich mit ihm nach Berlin fuhr,
aber dann —- in dem täglichen Bei
sammensein —- ach, was sage ich
was wissen Sie davon!
Es ist berührt, ich habe den
Wahnsinn bitter bezahlt.
heute will ich nichts mehr sein
als das, was ich mir in zertretenen,
schmutigem sorgendurchpeitschtenJahi
ren errungen habet Frau eines
fiin undsechzigjiihrigen Mannes, der
mi braucht wie eine Wirtschaftei
rin, eine Buchhalierin, eine erfie
Angestellte, fiir alle seine Bedürf
nisset«
Sie schrie die legten Worte be
bend, heiser heraus, dann warf sie
sich in einen Sessel.
Mein Fürst, fliisterte Lko still
und zart in sich hinein, und sie preß
te das Bild an sich, das sie noch
immer in ihrer hand hielt: so etwas
wagt es, dich mit seiner Gier zu
beschmugem nein, wie ein Wurm
liegt es zu deinen Füßen, du siehst
es nicht, in deinen Augen spiegelt
sich der Glanz der großen Weiten·
aus denen dn kamst.
Sie wollte einen Schritt vorwärts
gehen, irgend etwas sagen, aber der
Ekel vor dieser Frau lähmte sie.
Schließlich sagte sie, und ihre
Stimme tlang fremd und schwer
«Schreiben Sie, rau Dafer, ich
diktiere, dann will ch alles regeln.
Sie aber reisen ab« nach Florenz.
wohin Sie wollen, here Professor
erfährt nicht-R
Als Therese Hafer gegangen war,
zerrlittet, mit dem Gefiin des G
priigelten, hönbisch verpiffen und
dennoch erleichtert, b te Lony Je
zet alle enfier. nn errisz sie
langsam ndras eres ild.
»Du hast hier zu viel Schmugiget
gesehen und gehöri,« sllifterte sie
»ich gebe Dich weit draußen der
geien Natur« Du ilarer, glücklicher
mre.«
Vierzigsies Kapitel.
Die blaue Adria lag gespannt
wie glänzende Seide, unter der es
leise wogt. Es war ein windstils
ler wartender Tag, als müsse sich
etwae dergl-senten: Massen-, nte
Oe diene-.
nire und Lisa lehnten am Bord
des Schtsses und winkten. winkten
noch lange.
Da hob Maria Dattel M sap
.,pelnde Bübchen och empor: wie etne
sslitselschlngende nahe sah es ane.
»in iso und Jmte umschlangen sich
« e et.
« Art-, der süße, lletne Inn-Minn
te Lisa endlich und richtete sich aus.
Andtot Jmte strich leicht über
thee Augen.
«Geltebte,« sagte er leise.
»Wir wollen nun einen schönen
Plan oussuchen,« sagte sie, Jst es
nicht ein wonniget Tagl" und ihre
Stimme klang so, als höbe sie eine
Schale voll köstlichen Weines an th
te Lippen.
»Jo,«lotnm mitt« Er etgtlss ib
re Hand.
Sie rückten ihre Liegestiihle dicht
nebeneinander und ließen Sonne«
Wollenfchatten und Kühlung tiber
ihre Glieder gleiten.
ere zog bisweilen Lifas Hand
zu ich hinüber-, tiifzte fie und be
tra tete ste, wie man eine verlorene
Kostbarleit betrachtet, die man end
lich wiedergefunden hat.
Er fpielte zärtlich rnit ihren Fin
gern und den farbigen alten Ringen,
wie damals, als er zum ersten Male
diefe band in der feinen Zelt, dro
ben in dem verwilderten art, im
Raufch von Ragufas Schönheit und
der Schönheit des jungen Weibes,
das ihm fern fchien wie die Köni
in der fernsten Welt, und nah, wie
feinem herzen niemals etwas nahe
Wot.
Wieder und wieder liißte er die
geliebte hand.
Lifa beugte stch zu ihrn hinüber.
Nüsse den Mund, mein Jrnre««
fagte fie ganz leife.
Li al«
.
Nüsse doch den Mundt« fagte ste
lächelnd.
. YLifa, Lifa - und ich muß war
en.«
»Wir rniiffen beide warten.«
Sie fahen fich lange in die Au
gen.
«ere," hub Lifa an, Jönnten
wir nicht nach dem Konzert eine
kleine Reife machenf«
»Ja, mein Liebling, gewiß.« Jen
re zögerte, »ich muß in den letzten
Maitagen aber noch ein Konzert
geben.«
.Das hast Du mir ja gar nicht
erzählil«
«An einem verhaßten Ort, Lieb
ste,« er streichelte ihre hand, feine
stahlblauen Augen, in denen der
naide llare Ausdruck lag, der Men
fchen eigen ist, die eine lange Jn
gend hindurch eins mit der Natur
waren, fahen ste fuchend, wie abbits
tend an - «es war ein Adlern-new
das ich traf, ehe ich Dich wieder
fand."
»Dann weiß »ich es, ere, Du
wirst in Berlin fpielen.«
Es war, als ob die Sonne einen
fchönen Raum verlassen hätte und
alle Farben stumpf würden.
«Ja, es ist Berlin — eine Fest
woche —- ich müßte von Wien aus
dorthin fahren. Jch wollte es Dir
erfi nach dem zweiten Tag des
Wiener Mustkfestes lagen, damit
nichts Deine Freude an all dem
Schönen trübte, was Dich jeht er
wartet.«
Lisa sann vor sich hin.
«Liebste, ich telegraphiere ab, bit
te, sei nicht traurig!«
Er beugte sich vor, um ihr in
die Augen zu sehen, ihr Schweigen
peinigie ihn.
Sie wandte sich ihm zu: Nein,
mein ere, Du mußt Dein Wori
halten, und ich werde Dich beglei
ten, es war mir nur einen Augen
bliel la schwer; ich habe diese große,
lnute Stadt bitter gehaßt.«
Sie fah ihn an, und der Reiz der
eigentümlichen, strengen Schönheit
seiner Züge war iiir sie so groß,
daß ihr schmerzliches Erinnern lang
sam schmolz.
Sie jagten sich so viel in ihrem
stummen Anschauen.
Plösiich zog ein Leuchten liber
Liias Antlit. «
»Was freut meine Königini« sag-I
te err. »
«Glaubsi Du, daß Du die Wie-;
ner mit iortreißen wirst, daß die«
großen Zeitungen Dich emporheben
werden ais einen der ersten unter
den Geigerni«
»Ich glaube es, Lifat« tagte er
ach.
»Und weißt Du, was ich dann
tun werdei Danni chiele ich Dein
Bild und all die Zeitthugichnitie
an Gretel und Tante ertrud Sie
werden kommen, um Dich zu hdrerh
um uns zu sehenl«
«Wiirde es Dich lehr freuen, mein
Kindi«
eret Gesicht blieb verschlossen,
Lila bemerkte es nicht.
»Ach, ere,« ihre Augen sahen
weit liber See und Berge hinweg,
.ich möchte mit Dir durch unlre
Felder gehen, iiber die hellen Wege,
an den Wallhecken vorbei, den gro-!
ßen Eichenlnorren mit den alten.
verwitterten Gesichtern, ich mii te
vor meinen Eltern stehen und
gen dlirfenx seht her, er war ein
Einziger unter vielen Tausenden.
Unlern Garten möchte ich Dir zeigen,
den verfchwiegenen altmodiichen
Garten, und enein kleines Stil
vor dem unser Kastaniendaurn an
seinen Zwei en nnn bald, wie ans
mächtigen rnien eines Kronleuchsc
let-, alle Kerzen aus ent. Lieder
« iie hatte eine nd aus ihr
s gelegt, « wäre gliiellich tote
in meinen selgsten Kindertageih
wenn ich Dir meine Heimat se en
dürfte. —- Jeht kann et noch nchi
sein, weiß ed, ader dies wird
der Un an sein« das siihle i . —
Sieh nur mte«' sie sah ihn eahs
lend an, .nnn ehe ich mit tausend
Freuden mit Dr nach Berlin.«
Jhre frohe Oassnung war wie ein
Schiff mit ges ivellten Se eln.
«Lisa,« zagte rnre, nnd dieses Mal
entging it sein Ernst nicht, »ich
werde das Lehte ans mir herant
holen, um Deinen Wünschen den
Weg zu ebnen, aber lasse Dich nicht
vom heitern-eh zermilrdem wenn Dein
Ziel fern sein wird, nnd denle daran,
daß ich nichts will als Dich, nur Dich,
ganz ausschließlich Dich. Jch trage
nach nichts Verlangen als nach Dit.«
»Wenn es nie sein kann, und ich
behalte Dich und unser Kind, dann
bin ich immer noch die glücklichste
Frau unter dieser herrlichen Sonne««
sagte List-. «
Sie hatte die hand ausgestreckt, als
ab sie die Sonne einsaugen wollte wie
einen blitzendem goldenen Ball.
Am andern stage slogen sie, wie in
jagendee Freude, über den Semmes
ring. Diese Höhen, diese grünen Ab
griinde, diese mächtigen Viadulte, und
überall Sonneng.anz.
Die Welt war ihnen so schön!
Dann inni Wien, srühlingooerllärt,
in iiberreiser heiterer Schönheit: alles
schien eigen« siir sie zu blühen, zu
jubilieeen.
Eines Morgens tani Jnire von der
Probe, leuchtend, etastisch.
An der Tür schon ries er:
Man weiß ich, too Lonh steckt. was
sie in Wien zu tun hattet Dan
Gestedtner agte es mir. Denke Die
nur, das ädel hat den Dottorhut
aus ihren hübschen Kopf geseitt
heutel«
Dann stockte er, ging aus Lisa zu
nnd nahm sie in seine Arme. Beide
geda ten der Stunde in Berlin, in
der onhs über-strömende Herztichteit
sie auseinander gerissen hatte.
.Sie soll es niemals wissen,
ere,« sagte Lisa, «es würde sie
chtnerzen. Was hat sie nicht alles
iir uns getan; so ein liebes, liebes
ödei."
»Ja, wahrhasttg das ist sie,« sagte
Jrnre, »und tnan darf ihr nicht ein
mal danlenz dann lacht sie, sagt« es
wäre ein hauptspasz gewesen· Du
wie sie sehenk »
' un « --
.Erst morgen, zum Konzert«
Vor Beginn des Konzerted stand
Lisa vor dem großen Spiegel und
steckte ihre blonden aaetpellen aus.
ere saß aus er Lefne eines
Sessels, bis aus en Irack ertig an
getleidet, hielt eine Zigarette zwischen
den Lippen und betrachtete seine
Frau.
«Liebfte,« sagte er weich, «und Du
warst draußen in Berlin einem in
sterhauö zwischen Verlassenen und er
sstoßenent Jch tann es nicht fassen,
Himmer wieder ilbertornmt es mich wie
idas Nachzittern eines schaurigen Er
;lebnisses.« "
,Du darfst nicht mehr daran den
«ten,« sagte Lifa, »denie daran, daß
Du mich jetzt in ein herrliches Erleb
nis hineinführen wirst. J höre
Dich seit lorenz zum ersten ale in
einem gro en Konzertsaal spielen, oor
einer vornehmen Zuhörerschaft; ich
will es genießen. nicht nur die Musik,
nein, auch die Begeisterung der
Menge. Damals schon hat es mich
mitgerissen, als ich Dich das erste
Mal spielen hörte. unter den alten,
hohen Bäumen in Ragusa, als das
ganze Bolt wie eine Mauer um den
Lichtireis stand. Oh, ere, ich
werde es nie vergessen, es war wun
dervoll, wie sie Dir folgen mußten,
wie sie leise und dann wärmer, in
brünstiger einfielen, als Du sangest.«
Sie hatte sich in seinen Arm su
riietgeiehnt, er hielt re sanft und
unsagbar zärtlich um aßt. Er fah
auf die Bewegung ihrer Lippen, au
das seine Spiel in den Mundwinteln
und am Kinn.
«Sprich weiter, mein Lieblings
saste er, denn in diesem Augenblick
liebte er nichts mehr so sehr wie das
Leben in ihren tlaren Zügen.
Sie gab ihm auch noch ihre beiden
hande, die er warm umschloß.
,Mein ere, ich werde nie milde
werden, Dir von all der Schöngii
und Farbigieit zu erzählen, die u
in mein Leben gebracht hast,« sagte
sie hingebend.
Ein Klopfen an der Tür fiihrie sie
zurtich
Jrnre öffnete. Ein Bote brachte
siir Li a einen grossen Strauß hell
roter ofen von Professor sofer.
Sie reuten sich wie Kinder.
»Er oll es nie erfahren, was eine
Frau uns angetan hat,« sagte isa.
—- — i- - ·- — —- - — -·.
Schluß folgt-)
LW
—- Zuriiet egeben. A.r
Sie verstehen do nichts oon Kunst
und gehen in die Kunstausstellungf
B.: Warum nichts — Ihre Frau
ist auch gänzlich unrnu talsch und
Mist doch zu hause de erste Bio