Meine Ädtin Roman von Mate- Mis (17. Fortuna-Hi Wiss ioii ich Vieh dachte Lisa et si1,.iiieind, yetnuoiieien nu- den Men schen« zum Professor gehen und pas p-.niiche Eisinunen in all oen Augen. iiieiik Don ieizenoi junge Mädchen mit dein iigemviiligen Gesicht ging zu dein eiiien see beioen Automobilr. Ec ioiii neu eiicnchiei, in einee Linie. den einen gegenüber. standen rote Tal pen. Sie sprach mii dein Chiiuffeuh der , mit einer sxipflichienden Bewegung grüßte. Dann kam sie zurück und eizay ie dein Prokessvt etwas-, wokiivek ei laut lachte — sein gutes, heiteres Lachens Lisc fah vie Kolonnnde hinab. Zwei Hei-en iniiien, niii Pelz niiinieln und syiiiioey oen Kragen nomgeichugein Dei eine vlieo stehen, zündete sich eine Zigneeiie ins. Iine Licht fininnsie über ein dani leLs, eiiiiies Gesichi. Es mai ;Ziiiie. Eine Eiiekiiiiie fimifie Lihs Glie dei. Sie wollte sich Iieiiiinchen, ihm ent gegeneilen — da siiiizie ons teizenve Miioiizen inii oeiii Biioeniopf auf ihn zu, schlang veioe Arme inn feinen Puls nno iußie ihn iiui den Mund. Jiikie zog sie ieichi an fich, oann reichte ei iyi der Ann, fühiie sie zu dem ekle-schielen eiuioiiiobii und stieg niii idi ein. Eil idiir Lifii, eils nenfpannle eine eiserne zelliininer ihren Kopf Sic inh« idie Jinre lächean die lslelzdeile iiher Iie lliiie ieiiirr Be gleiteriii breitete, dann iviir das Ali ioniodil oeisihiurscidein Lifci rührte sich nicht. Aug dein Stiminengeivirr hörte fee einige Worte: »Ein schöner Mensch — herrliche-l Spiel —- seine Beim-, nein, Geliebte —- unerhörte Technil iviie file ein dildschönei Kleid — nii dageweseii.« Es nur Liset. als oh sich schleimige Oiniilen aus einein triiden Wasser höhen Dann slnule alles ob, verlies sich — niir Uifii flunk- ndch iiiid starrte. »Das iilso, daei also — —" mur melle fie. Mechiinifch feszie fie einen Fuß vor den anderen, ging durch lange Stra ßen — hiilbdunlei, häßlich — schlich iin hohen häusern entlang, und schließlich irsiiren eid wieder breite, hell Lärm, ingendeni Verlehr. Es war ihr, als oh ihr Kopf eins gehöhlt fei, fie toniiie nicht inehr den« ten. nichls fühlen, sie wollte sorl, fort. Ja. wohin? Dis Hoiel schwebte ihr vor Sie blieb stehen, grübeln, grübel ie —- — endlich fiel ihr der Name ein. An der anderen Seite der Straße siih sie eine Apotheke Ja, das- iviir’s, ne iiiufzte Ruhe ha ben, schlafen — — Dag liiiid, das lleine, hilflofel Lisa riat in die Apolhele iind sor deiie ein SchlasinitteL Der Gehil fe sprach mit ihr, es floß an ihr vorüber-. Er zog nnd einer Verput tiiizg eine lleine Glasrolle und sagte« ein-nd von der Besserung. Lisa iiirlte, ziihlte iind gins. Dann niihiii sie einen Wagen und fuhr ziiiii hom. Sie löer einigt der weißen Plätt chen in Wasser uiif und rranl. Während sie sich entlleidete, fühlte sie schon eine iodhlige Schwere. Dann legte sie sich nieder und schlief ein Arn nächsten Tage gegen Mittag er wachte sie. Sie hatte einen iihlen Ge schmack im Mund und der Kops schmerztr. Aber sogleich standen die Ereignisse des Abends vor ihrer Seele. Sie erhob sich, ihr war schwinde kiig doch das tolte Wasser ersrischte e. Hier sind wir nun beide in einer Stadt, dachte Lise, vielleicht niir durch wenige Straßen getrennt, und ich stehe in einein häßlichen, duntten hotelzimnier -«— sie blinte aus den adgeschabten Teppich und die unsaudes re Chaiselonguiiseete — iind Jinre sitzt wohl mit dein eleganten Mäd chen an einein tleicien Tisch —- Blu men, KrisiJlL Sdisenoorhänge, gol diger Wein in den Gläsern —- sie neh rnen ein Gniielsriihstiich lachen iind schnueii aus den Menschenstrom,.der doriiderslutet —- iind da tonirnt oiich eine«iinbehols.«iie Gestalt nzit eingefal lenen Zügen iind grröteten Augen, der Mantel schließt nicht recht, der tleine Neisehiit hnt die lächerlich gewordene Form einer dergaiegenen Mode, sie sieht zum Fenster hin —- nein, nein, es ist nicht möglich! Er würde mich nicht draußen stehen lassen, er hatte so ein tindergiites herzt Lisa weinte st.ll in sich hinein. Jhre Gedanken schlugen diete We ge ein wie ein Sie nder in einein Jrrgorten Schließt ch tehrten sie zu . dein Beginn rill dieser Mühsale und dergiingener Glückseligkeiten guriielz sie sah sich als das ausrechte, gesunde Mädchen« vornehme sichere Schönheit und gesellschastliche Stellung, siihlte wieder den tsstlichen Reiz, als sie zwischen den hohen Garten-traurig knit den hellen Schuhen von einem Stein zunt andern sprang, und hinter ihr ging der schöne, schlanke Geiger mit dein verschlossenen Gesicht eines seinen Diploniaten und den jungen. seltsamen Augen, und er he wunderte sie — sa, sie hatte es bei jeder ihrer Bewegungen gesithlt,-er bewundert rnich, bewundert mich gren ernied Dus hatte ihrem Blut den ersten heißen Rausch gegeben. Lisn oan de Sandt, dachte sie, nun stehst Du hier wie eine rerlassene Straßendirttet Das Blut stieg ihr zu Kopi. Wenigstens das, das eine will ich haben: Mathem Und eine andere Stimme sagte wieder: und er war doch so linder gut, so vor-nehm in jeder Regung iet nes unverbildetetx Denkens. Lisa tlingelte dein Stubenntiidchen und fragte, ob unten im hotel diri letcht ein Zettel sei. der das Kon zert des oergangenen Abends in der Philharinonie angeliindigt hätte. «Nein, su ein-ur- haben wir nicht« sagte das Mädchen, «da muß die grindige Frau schon zur Philharmonte gehen·" Liia sriihsiiictte eilig und machte sich aus den Weg. Aus dein Zettel mußte die Direk tion stehen, dte das Konzert arran giert hatte, dort wollte sie sich nach eres Adresse erlundigen. Die großen Platate waren noch nicht entfernt wurden. Konzertdtrels totin Behr, ins Uitn und notierte sich Straße und Ortuknuntnten Sie winiie de: nachsten Broschie und nannte die oldressn Lisa hatte den Wagen schließen las sen, sie driiate sich m eine Ecke, sie wollt-. nichts von dein Straßenleben sehen, und niemand sollte in ihr schmerzoerzogenes Gesicht blicten tön nen. Die Fahrt tani ihr endlos lang dor. Schließlich war auch das dor iiber, und sie trat in einen großen Buroranun Ein jiiiigerer Mann tuni an die Ranipe und fragte nach ihrem Begehr. »Ich möchte die Berliner Adresse des Herrn cindras Jrnre haben.« Der Mann sah sie mit einem un verschaniten Blick von oben bis unten an: »Die tann ich Jhnen nicht ge den-« Ei war Lisa gar nicht eingefal len, dasz man ihr die Auslunst der iveigern tonnte: »Die lönneis Sie mir nicht geben«-« stiesx sie angstvoll hervor. »Ich muß sie aber halten« ich brauche sie notwen dig.« Ein anderer Angestellte trat hinzu und sprach leise niti deni Mann, der noch ooe Lila stand. Der ztsate die Achseln und wandte sich ab: »Eure Bittstellerin, weiter nicht5,« hörte sie ihn halblaut sagen »Mein Herr«, sagte Lisn, dor Zorn erbleichend, «Jhre Vermutung ist salsch —- ich wünsche dringend die Adresse des Herrn Andras zu ersah ren." Jhre Stimme hatte in diesem Au genblick eine so große Aehnlichkeit mit der ihrer Mutter, daß Lisa er schran. Jii,«so sprachen die Men schen, die wußten, daß es leine Wi derrede gab, wenn sie etwas ernstlich wünschten. Der Angestellte zauderte und sah zu eitlem älteren Mann hinüber, der an einem Pult arbeitete.« »Sei-en Sie mai nach, Wille«, sag te er gleichzeitig »Was driin, here Schule »Ach, die Berliner Adresse des Herrn Andrasf trarf er nachlas sig hin, wie unsäglich gelangtveilt. Er schlug zweimal niit der Hand vor den weitgeössneten Mund, als ob er ein Gähnen verbergen wollte. «·2lndras Jnire", ries der alte Mann don seinein Pult aus her über, ohne auszuseheiy «Berlin W. Unter den Linden, Pension Neu hauk.« »Dante- fehc.« Lifa machte sich eine Notiz und gin sie wurde ruhiger. Jch werde Klarheit bekommen, dachte sie, und das gab ihr Were Feftigleit. Js- der Nähe war ein größeres holel mit Neftaurani. Lifa ging hinein, bestellte sich ein Glas Port wein, eine Eierfpeife und Schreib zeug. Sie wollte nicht mit dem Portier der Pension verhandeln; die Szene im Biiw der Konzertoirettion hatte sie belehrt. Jn einem Briefe bat sie Jrnre, sofort zu ihr zi. kommen, fie warte unten am Eingang der Pension. Und in einem zweiten Briefe, indem sie damit rechnete, daß er vielleicht ausge gangen fei, gab fie the Adresse an und forderte ihn auf, sie zu benach richtigen. wo und wann sie sich spre chen könnten. Sie wollte auf keinen Fall mit Hofers oder dem fremden Mädchen zufammentreffem Dann zahlte fle, ging auf die Straße und winkte einem vorüber fahtenden Automobll. Alles war strahlend beleuchtet, das Leben eilte fröhlich ooriiber. - - Die Pension, in der ere wohn te, machte einen gepflegten Ein druck. Wie siirchtete Lisa, daß einer der Drei, die sie meiden wollte, ihr be gegnen könnte. Jhr herz schlug zum Zekfpringem Sie trat ans den Partier zu »Jst Herr.Anbrnis zu Hausei« »Nein«, sagte der Mann kurz und benchtete sie taum. Dann geben Sie ihm bitte diesen Brief, sobald er nach Hause kommt. Wann tann das seini« Da wandte sich ver Portier ihr zu. «Jch lann teinen Brief übergeben, vie Herrschaften sind heute stiih mit vers ersten Zug nach Hamburg abge re: .« « Eine unnatürliche, lalte Ruhe hielt Lifa aufrecht. »Alle vieri herr und Frau Pro fessor Hafer ebenfallsi« »Nein, Herr Professor Hafer war nur drei Tage in Berlin, er ist var einer Stunde abgereist, ich glaube nach Köln. Frau Profesxor Hafer und here Anbras haben i re Tour nee nach Amerita angetretem Der Zug hnt viretten Anschluß an das Schiff.« · ,,ilnv die junge Dntne?« »Von einer jungen Dame, die die Herrschaften begleitet hätte, weiß ich nichts. Aber es mag ja sein« baß sich noch eine Klinstlerin der Tvurnee angeschlossen hat. Wie gesagt, vaö weiß ich n-cht, bei uns hat vie Dame nicht gewohnt.·« »« dante Jhnen.'· »Es-te sehr.«' Der Portier öffnete die Tiir. Lisa stand auf der Straße. Stunrme Verzweiflung schob sie zwischen Automobilen, Wagen und Fahrt-ödem hindurch· Das Klin geln und Tuten erregte sie nicht, der jacnmernde Aufschrei ihrer Seeke verschlang alles andere. Da lvar eine Steinbank, zwei Männer retelten sich darauf, die Hände in den Hosentaschen, Tücher um den Hals getniipft. Lisa setzte sich neden sie, um« tlannnert von , einem heißen Weh, das langsam ertaltete, erstarrte, sie unfähig machte, irgend etwas zu tun oder zu denken. Sie fühlte einen ziehenden Schmerz im Rücken. Jch lebe doch noch, dachte sie. — -— — Sie mochte sehr lange so ge sessen haben. Ein Schutz-nann, der sie beobach tet hatte, trat an sie heran und fragte, ob sie fremd in Berlin ser. «Ja —- nein —- ich wohne im hotet Kolberg.« »Wollen Sie nicht nachhause ge hen- Es ist talt heute.« ,-,Ja, sehr talt.«' Lisa zog sich zusammen und zitterte. Als sie aufstand und einige Schritte gegangen war, wurde der Schmerz heftiger. Sie wandte sich zu dem Schuh mann nnd bat ihn, ihr doch ein Automobil zu besorgen. Er tat es und half ihr in den Wagen. Jrn Hotel legte sich Lisa sofort zu Bett und nahm mechanisch von dem SchlafmitteL Dann tlingelte sie dem Mädchen. Sie bestellte Tee und etwas zu es sen. »Aber bringen Sie es nnr selbst," fügte sie hinzu. »Das Mädchen tam nach einer Weile mit dein Tablett, ordnete al les ans dem Tisch und schob ihn an das Belt. Lisa war so durchfroren, daß sie immer noch zitterte. «Gnädige Frau sind talt,« sagte das Mädchen freundlich, »ich weroe gnädlger Frau sofort eine Tasse heißen Tee einschenken« »Bitte, tun Sie dag!" Das Mädchen hatte ein sympa thisches Gesicht. »Ich sireiche der gnädigen Frau auch ein Butterbrot.« »Ja —- und wenn Sie Zeit ha ben, bleiben Sie bei mir, bit ich fertig bin.« .Gerne, aber ich muß dann die Türe auf einen Spalt stellen, damit ich das Klingeln höre.« «Gut.« Das Mädchen sprang behende anf, öffnete die Tür ein wenig und machte fich daran, Lifa zu perfor gen. Aber fchon nach den ersten Bissen konnte Lifa nichts mehr ge niefzen. »Gnödige Frau sind wohl trauli« fragte das Mädchen bedauernd. «Jch fürchte, io-« »Aber den Tee müssen gnädige Frau trinten. Jch gieße ordentlich Num hinein, das hilft gegen alles.« Lifa trank den Tee, der ftark war wie Geog. Es tat ihr wohl, dafz das fremde, freundliche Mädchen sich um fie bei mühte. »So, Fräulein,« fngte fie herzlich, nehmen Sie die ganze Platte fiir fich, verzehren Sie es nur hier« ich bin fett fehr miidr.« «Melen Dant, gnädige Fragt Nicht wahr, Tee mit viel Rum, das tut gut. Ich hatte einmal Influ enza —- —« Sie fing an, eine Ge fchichte zu erzählen, die Lifa nicht hörte. Lifa lag lang ausgestreckt tm Bett, die Schmerzen tamen und gingen. iie wußte, was var zu be deuten halte. Ganz ruhig lag sie da —- — und dann hüllte sie der Schlaf in einen weichen Mantel. Füissunddreißigstxs l Kapitel. »Die: können Sie nicht bleiben,· Frau Andriis, und ein Krankenhaus nimmt Sie nicht aus, höchstens eine Privatllinih Ei handelt sich ja lediglich darum« daß Sie ganz ru hig liegen, teine einzige unnaiige Be wegung niachen." Der Arzt sah mit Teilnahme in Lisas schmal gewordenes schönes Gesicht. Sie hatte schon mehrere« Tage in dem trostlosen Hgielziinnter gelegen, und wenn ihr Gemüt noch so zerrissen war, diese lange, tör perliche Ruhe hatte sie physisch ein wenig ersriicht. Jhre großen, duntelblauen Augen schienen immer ioie aus einer ver suntenen Welt zu toniinen, ihre Haut war inattiveiß — man sah an eini gen Stellen das zarte blaue Ge äder —- und dieser seine Kopf ruhte in einer blonden haarslut. Der Arzt hatte einmal ein er truntenes junges Mädchen ini dunk len kalten Wasser gesehen. Man. hatte das Eis zerschlagen, unt sie zu finden. Da hatte er sie its-u sehen. «Um das blasse Gesicht, weit in das slutende Dunkel hinein, floß langes hellblondes Haar. Es beweg te sich hin und her, als ob es lebte. Ein Mann hatte sie vertassrn, und sie ioar besinnungslos diesen lesten Weg gegangen. Vieles uno Ienumenrates Denken war nicht seine Art, aber ihm kain die Erinnerung an das ertrunkcne Mädchen-als er Lisa anschaute. Merkwürdig, daß so schöneFrau-· en verlassen werden, dachte er; denn wenn Lifa auch niemals von ihre-n Manne sprach, so wußte der Arzt sofort, dasz sie nicht zu jenen ge hörte, die die Großstadt als Ver stoßene augspie und durch Straßen trieb. »Ich könnte die Kosten siir den Aufenthalt in einer tilinik nicht aushringen,« sagte Lisa matt. Der Arzt hatte diese Antworters wartet. Lisas feine und oielsach ge slickte Wäsche halte ihm gleich bei seinem ersten Vesuch eine Geschichte erzählt; er hatte schrn mit seiner Frau, die Mitglied mehrerer mild tätiger Vereine war, gesprochen. »Da könnte ich Jhnen einen an deren Vorschlag machen. Es gibt hier in Berlin Heime siir Mutter und kleine Kinder, eine Art Zu sluchtssiätken — ich muß-Ihnen das geradeheraus sagen — ich könnte Sie in so einein Heim im Osten de: Stadt unterbringen." Lisa schwieg, ihre ahirrenden Ge danken mußten sich ersk sammeln. Der Arzt mißdeutete ihr Schwei gen. Er stand aus, er war ein viel heschästigter Mann. ,,Nach Florenz zurückkehren kön nen Sie nicht,« sagte er achselzuks tend. »Haben Sie denn gar keine Freunde oder Verwandte in Ver lin?« »Nein, niemanden« »Ich habe wenig Zeit, Frau An dras. Soll ich das Veti in dem Heim fiir Sie bestellen, dann telet soniere ich sosort, ich lasse Sie iti einein Auto hinfahren. Sie kön nen doch ein wenig bezahlen, sagen wir eine Mark oder zwei Mark am Tag, ich weiß das nicht genau.«« »Ja, das kann ich,« sagte Lisa erleichtert, das Geld ihrer Schwe ster mußte ja noch siir lange Zeit ausreichen —- »wenn Sie so freund lich sein wollen, mich anzumelden, dann wäre ich Ihnen sehr dankbar.« «Nun, das ist vernünftig gespro chen,« sagte der Arzt lachend, »ich schicke Ihnen um fünf Uhr mein Auto, dann habe ich Sprechstunde und brauche es nicht.« Er hielt ihr seine Hand hin. »Vielen Dant, Herr Doktor, Sie sind sehr gütig.« »Ach. da ist nicht viel zu danken, das ist ganz einfach. Also ausWies versehen Anfang März, dann besu che ich Sie in der Chariiö oder wo sonst Sie liegen mögen. Leider habe ich keine Klinik, sonst würde ich Jhnen heistehen, wenn der kleine Erdenbiirger ernstlich kommen will — kommen mußt« fiigte er lachend hinzu. »Aus Wieder-sehen, Herr Doktor, und nochmals herzlichen Dant. Jhi re Rechnung schicken Sie, bitte,zuln heiln.«' Lisa errötete, nls sie das sagte. Ja, ja —- gewiß, Frau Andrnö!« eies er von der Tür zurück, und Lisa hörte seinen schnellen Schritt verhallen. . . Das Heim lag in einem großen Häuserbloct Ueber die graue, lan ge Straße mit vielen Grünlramläs den, Destillen, Handlungen aller Art, die die kleinere Bevölkerung mit billigen Waren versorgen, tat-? tetten die Elektrischen, liesen spie-l iend und schreiend viele Kinder," gellten die Ruse der Kutscher und Radfahrer. Aus den dunllen hauöeingängem die zu den Bösen siibrten, und aus den Kellergeschästen quoll ein säuer lich sadee Geruch wie von verdorbe nen Begetabiliem Jrn hellen Lichtlegel der Laternen blißten die Betten der Friseueliiden und lächelten geschmintte Wachätöpse mit getiirmten Frisurem schienen die großen leischstücke in den Fleischer laden s·rmlich zu bluten und lock ten Back- und Zucker-waren aller Art. Lisa hatte immer einen inten siven Widerwillen gegen Fleischerlä den gehabt, sie lehnte sich in das Autoinobil zurück und schloß die Augen Wie viele solcher Straßen mochte es in Berlin gebens Endlich hielt der Wagen, Lisa stieg vorsichtig aus und sah sich nach irgendeinem Menschen um, der ihr Handgepäck tragen sollte. Da schoß auch schon ein kleiner Junge heran, einer der vielen, die stets hinzuspringen, wenn ein Au tomobil hält, um durch eine Dienst leistung, und sei es nur das Oeff nen und Schließen des Schlages, ei nen «Sechser" zu verdienen. Er nahm das ziemlich große Ge päctstiick. Lisa ging langsam hin ter dem Jungen nach dem Hinter haus. Der dunkle Torweg, ver Vor mir lleinem Gestrüpp und ringsum die himmelhohen Mauern mit den vielen erleuchteten Fenstern: das alles war so fremd. s Hoch oben ein Stück grauer htm sniel von dem vielen Licht der gro sßen Stadt rötlich bestrahlt. Es war Lisa, als ob eine dicke Staubschicht iiber allem läge und ihr in den Mund dränge. Aber das war wohl nur Einbildungz es war ja ein klarer Wintertag. Der Junge stand schon in dein schlecht beleuchteten Flur und wint te. Er hatte geklingelt, und ein ältliches Mädchen mit einer kleinen Schwesternhaube steckte den Kovs durch die Tiir und nahm das Gehört in Empfang. Das alles ging so schnell, Lisaz Blicke und Gedanken konnten kaum solgen Sie war in ein Zimmer gesiihrt worden und saß mit vier andern Frauen in einer Reihe, aus einem gelben Stuhl an einer grüntare zierten Wand. Wie Kleinigkeiten ost hasten blei ben, während große Gemütsbewe gnngen den Menschen nnitlamrnert halten, siel es Lisa auf, wie häß lich das Gelb der Stiihle und das Griin der Tapete nebeneinander aus sahen. Am Tisch, in der Mitte des Zim mers saß eine Frau mit melierteni Haar und etwas verlnissenern Ge sicht. Sie hob den Kopf und sah zu der Nenangelonnnenen hinüber. ,,Sind Sie die Frau, die Doltor Tewes angemeldet hat?« fragte sie »Ja-« ,,Schwester! —- Schwester Jda!« rief die Frau mit einer durchdrin genden Stimme. Sie wandte sich wieder an Lisa: »Ich schreibe Jhre Personals-n nachher aus.« Schwester Ida lam herein. Lisa erhob sich schnell. »Vorsichtig, vorsichtig, Frau An drasf sonst haben wir nachher die Bescheiung.« Sie sagte das lä chelnd, als habe sie soeben einen gu ten Wiß gemacht Die Frauen, die an der Wand saßen, lachten, bis aus eine, die die ganze Zeit in ihr Taschentuch hin eingeroeint hatte. Aus dem schmalen Korridor brannte eine tleine Petroleuinlainpe mit einem blauen Behälter. Am hintern Ende des Ganges waren dicht nebeneinander zwei braune Türen. Man hörte das hohe und unwil lige Geschrei ganz lleiner Kinder, die Lust war gesättigt von Kaum len- nnd Milchgernch, vermischt mit deni Dunst schlecht geliifteter Schlus räume. - Die Schwester, die voranging,öss inete ganz hinten rechts die eine oer braunen Türen und ließ Lisa ein treten. Jn der Mitte des Zimmerg stand »ein großer Tisch mit einer rotgeinm JsterteSno Decke. Frau Frau Andra5,« die ’Schwester wandte sich sreundli Lisa, »hier ist also Jhr Bett, sie wies aus ein niedriges Feldbett, »ich will Jhnen beim Ausileiden behilf lich-sein« Dann Vckllks Ilk clllg olls Jlilll mer. Lisa sah zweifelnd ihr Bett an. Es war sauber, und als sie sich hin legte, fand sie, daß es nicht so un bequem war, wie es aussah. Aus dein Tisch brannte eine ileii ne Lampe, in den Ecken des Rau mes war eine unersreuliche Dun kelheit, die wenigen Einrichtungsi stücke schienen zusamniengesucht; nur die Dürstigieit machte sich überall breit nnd rückte nah an die schöne, blonde —- einsi so unglückliche — Lisa von de Sandt heran. Sie schloß die Augen und ließ ihre Gedanken wandern. Wenn sie sich schmerzlich zu dem verlorenen Geliebten stahlen, riß Li sa sie zurück. Nur nicht dorthin, nicht in die kurze, selige Heiligkeit schauen: vor wärts in das noch dunlle Land, in dein lleine Kindersiiszchen neben id gehen würden. Und doch wurden die Augen wie der heiß und feucht. i ere! Jnnel schrie ihr armes Herz. Wir haben die zarte Dass nung glückseliger Stunden s on so unendlich lieb gehabt. wir bede — Du, mein ere, und ich —- und nun soll ich das kleine Dändchen fassen und allein hindurchgehen durch eine Welt von Arglist, Ver stellung und Grausanileitl Jch kann es ja nichts — — Und was sie schon so ost erschaut halte in diesen langen Tagen ttess ster Qual, das ladte auch sent wie der ihre Seele wie linder Regen ein verdorrteö Land: sie sah das kleine, weiße Haus mit den Ranlen der Passiongblumen über der Tür, den Liliengatten und die langen, wehen den Nosenzweigez diese Stätte des Friedens, der Güte. Sie sah zwei treue Gesichter über ein Veilchen ge beugt, in dem ein kleines Kindchen schlummerte. · « « » 4 « Du soust doch eine Petniat haben, mein kleines Liebes, dachte Lisa. Wenn die Mutter wieder draußen ist unter Fremden, dann will sie an ein stilles, seines Nestchen den ten, in dem Du Deine knospenden Glieder reitst. i Lisa sprach in sich hinein zu dein jungen Leben, das sich da regte und das wuchs. Sie war so einsam, ihr einziger Gesäbrte war ihr uns geboreneö Kind: es war ihr unbe wußt zur Gewohnheit geworden in ihrer hilskosigkeit zu dem httfiosek sten zu sprechen, das ed gibt. Ja, Du Armes, Du wirst hier in dem grenzenlos öden Hinterhauö der Großstadt Deine Augen ausschlagen, aber dann nehme ich Dich in meine Arme und trage Dich sortz wir stellen Dein Bettchen zwischen hohe Blumen, und vom Meere kommt der kräftige hauch und macht Dich iraeu und braun. Braun, ach Gott, schlank und braun, wie Dein Vater, und seine stablblauen Augen werden inich an schauen! — — Doch still, ich darf Dich nicht stören; Du willst leben« willst mein Glüct sein — — « Sechsunddreißigstes Kapitel. « An zwei Nuchinittngen in der Wo che war keine Sprechstunde, dann ging Fräulein Merlan regelmäßig in die Stadt oder zu Bekannten. So war es auch heute. Und Schwester Jda kam und bat Lisa, doch bei den stindern zu blei ben; sie habe so arge Ziihnschinerzen und wolle zum Arzt gehen. Der Arbeit ungewohnt, durch das Geschrei der Kleinen erregt, lies sie fortwährend yin und her und ver sorgte die ungeduldige Schar nach besten Kräften. Aber diese Kräfte waren nicht groß. Als Schwester Jda gegen Abend nach Hause koni, gab es kein Besin nen mehr. Sie brachte Lisa in ein kleiner- 8inuner, den einzigen abge sonderten Sitjltifmunn den diese ärmlich-e Zuflnclnsstutte besaß, und yier wurde Lisa Mutter. « Einen Monat zu früh hatte der zarte dunkle Itnabe seine Mutter be freit. Tie kleine Lebensslamme aber wuchs stetig, und die Mutter erstarkte niit dem Kinde. — — — « Wie steh die kleinen Glieder straff ten und rundeten, so erhoben sieh auch in Lifas Jnnern Keime des Ge fundens. i Sie hatte das Lachen verlernt und die Freude, aber sie fand die Kraft dns Erdceieh ihrer Seele vom Un-. traut zu befreien, das die tiefe Ent-. täuschung ihres Lebens gesät hatte. Wie ein schiichtekner Versuch, ein rührendeö Hintasten zur Schiiiiheit, waren zwei kleine Bilder über Lifas Tisch, der dicht am Fenster an einer kahlen Wand. stand: eine Madonna von Raifael und Peruginos Anhe tnng des Kindes. « Lifa hatte sich ihien Koffer-, den sie vor ihrer Abreise gepactt hatte, durch Franeesca in das Heim schielen los sen.. Die tleincn Bilder lagen zwi schen den Kleidern —- herzbeivegende Andenken — aber nichts er chiittekie fie fo sehr wie det Anblick es Bil des icon Donatellos David. Als sie das nnaerahinie Blatt her vorzog nnd die göttlich schöne Bron zefiguk niit dein gesenkten, feinen Kopf sah, war ihr, als hätte sie eiis giftiges tlteptil angefaßt. Sie schlen derte dag- Bild znkiiet und ka-ing auf. f Aber tangtatn, wie magnetiich nn gezogen, kehrten ihre Augen zu dem jungen David zurüc Mit bösen Augen starrte sie ihn an und konnte ihn nun nicht lassen Sie wollte ihn nehmen und zer-. reißen, aber ihre Hände bebten. -- Man vernichtet nicht Io leicht. was man nngebetet hat. Sie nahm das Bild nnd legte es mit Sachen, die sie in dieser Herberge für Verstkßene niemals gebrauchen würde, unten in ihren Kasse-. « Doch eine plötzliche, heiße Sehn sucht durchschnitt, tvie mit einer scharfen Klinge, ihr Jnneres, das all diese Zeit über to ohne Manq und Farbe war (Fortieh»ung Lolgtx