Blum-Ebrin. Wassersucht-MIC (16. Fortschungx «Lieber Jrnre, so ih doch endlich diesen Gedanken auf; ich habe ja einen Arzt befragt, sei doch ruhig und mache uns diese lehten Tage sticht-noch schmerzlichen als sie schon ind.« «Gott, Liia, toenn ich diese Furcht nur bannen lönntel« Sie schwiegen eine Weile. Dann nub ere wieder an: Wicht wahr, mein Liebling, Du gehst nach Lussini Du haft es ja gesehen, oasz ich Erfolg hatte. Die Florenzek Kit titen sind nach Berlin geschickt wor )ven. und wenn nun auch in Berlin gute Kritilen tacnnien, dann wird es bestimmt schnell vorwärts gehen. JQ tenne Deine Bedenken, ia, es ist wahr, Bartels haben ihre Zimmer vermietet, aber wenn Du ihnen sagst. wie es mit Dir iteht, dann betounnst Du ohne weiteres Dein alteL lieb-es Giebelstiibchen, und es währt ja nicht lange, bis ich alle Ausgaben siir Dich ersetzen konti. Kannst Du nicht ein wenig leichter über diese Dinge denken?« Lisa holte die unterredung rnll Frau Hoser niemals vergessen« aber sie wollte Jrnre das Herz nicht schwer machen. «Sorg Dich nicht, Liebster, ich bleibe nur solange hier, wie unser großes Vermögen relcht,« sagte sie rnil einem schwachen Versuch zu scherzen »ich oerdiene ja auch noch. Je we niger Schulden wir machen, um so besser siir die Zeil, die kommt. Wir haben dann ja noch einen lieben Dritten.« »Oh, Lisn. Du glaubst immer, daß es ein Bub sein wird!·« «Jn, Jrnre, Dein kleines Eben bild.« «Ach, Du Liebe, Gute, es isl ja so gleichgültig, wenn Du nur gesund bist und wenn ich nur bei Dir sein kann-« .Lnsse uns von dem Kinde sp:e.««zon Jcnre, von dem dunkelhäutigen kleinen Burschen mit den schönen, stahlblaneis Augen.« sagte Lisa. Und nun verloren sie sich in Er zählung darüber, wie ihr Kleiner mis sehen, was er tun würde, wie er die herzigen Fäustchen halten, wnnn er wohl zuerst lächeln würde, und m all die tausend Virmutungem Fragen und Bilder, die wieder und inttner wieder die Wonne junger Eltern sind Dreiunddreißigsies Kapitel. Das war nun alles vorüber« all der Schmerz, all die lehten Wonnen. ere war längst in Berlin, und Ltsa trug jeden Tag das schwere Bündel ihrer Sorgen und Pflichten. Ein llarer Spätherbsttag Müde und einsam stand sie am Arnouser, lehnte am Geländer und sah den Weibern zu, die unten am Fluß hoctten und vuscheru Eine Steintreppe führte zu ihnen hinunter, sie inieten aus schweren Steinplatten, reihend, spülend und unaushörlich schwatzend und lachend. Wie sie stand und schaute, löste sich langsam der Druck, der Lisas Seele betastete. Das war ia die alte Schönheit des geliebten Florenz, verilört durch eine durchsichtig reine Mittagsstunde. Würmer war es geworden, noch waren es sonnige, srohe Tage! Der Arno wälzte tra« e, gelbe Flu ten heran. die Frauen To unten mit den ausgesieaten Rücken brachten herr liche Furt-stecke rot, blau, grün, gotos braun. in das Graugelh des Wassers und der Steine. Die Wäsche lag, bunt übereinander geschichtet, in Hausen neben den Wäscherinneiu Von jedem dieser Partien siosz ein blitzendes Gerinnsel in den Arno zurück. Die Sonnes meinte es gut Das Schönste aber war drüben der Poute vecchio. Wie Schwachennesieri an einer Mauer, klebten die vielenl bunten höugchen der Goldschmiede an der alte Brücke zwischen dem mäch ti en U terdau und dem oberen, dun te rot geoeaten, geschlossenen Gang. An einigen Stellen fehlten die kleinen hausen da schwangen sich breite Bogen empor und ließen einen Durch blict aus den ilarblaucn himniel srei. Das war alles töstlich, herz ersrischendl Lisa nahm sich vor, zur Pensions inhaderin zu gehen, die sie so oft empfohlen hatte, und wenn sie ihr teine Stunden verschaffen tonnte, so würde sie ihr wenigstens gestatten, die deutschen Zeitungen durchzusehen; irgendeine Not-z iiver ere konnte darin stehen, und datt war schon ein Trost in diesen langen Tagen des Mariens. Wenn ere nur häufiger geschrie Iden hättet Der letzte Bries war vor sehn Tagen angekommen und gab so wenig Antwort aus all die Gedanken und Fragen ihrer oieten Briefe. Ein leiser, zärtlicher Vorwurf lief zwischen den Zeilen. Sie hatte doch so ost geschrieben! War denn die italie nische Post wirklich so unzuveriässigf Lisa lehnte sich schwer auf das eiserne Geländer, das Bild der lachen den Wäscherinnen nicht loslassend. Gewiß, ere hatte ett ihr ost ge Hage, wie schwer es ihm würde, seine. I herzensgedanken niedersuschreiben . und die vielen äußeren Dinge des rat-T lenden Tages hätten so wenig Was meinte er, wie die sehe-statische Ein teilung eines Stundenplanes. Ja, die Stunden müssen innerlich gelebt sein« dachte Lisa. sonst haben sie keine Farbe und lassen uns leer, aber nun wir getrennt sind, ist jedes Wort, und wenn es nur von Autags iichkeiten berichtet. ein Kern, den unsere Gedanken mit oielgestaltigen Erzählungen umkleiden. Vielleicht find es Dichtungen, Märchen. aber sie sind Labsal sür unsere Seele. —- — Ein kräftiges braunes Mädchen kam die Steintreppe empor, einen Korb vor sich hertragend. Es war die Tochter ihrer Wäscherim Lisa grüßte hinüber. Es war to gut, einmal ein bekanntes Gesicht zu eben, ein Gesicht, das oft lachend zu mre ausgeschaut hatte. »Ist der Herr noch verreist, Sig nora?'« «Ja, und sür lange Zeit.« «Will Signara nicht mitteiseni’« »Es geht leider nicht« »Ah, abt« machte das Mädchen be dauernd und sah Lisa aufmerksam an. «So ein schöner herr,«' rief sie, weitergehend, zurück· Lisa lächelte, sie freute fich. Bald aber tehrte die eine Frage wieder: «Weshalb schreibt ere nicht«-« Damals· als ich in Zara war, so tröstete sie fich. hörte ich nichts oon ihm, wortlog hatten wir uns zusam mengesunden, und sein Schweigen war mir teuer, zog mich fest zu ihm hin, war für mich wie eine Knospe, ooii der man weiß, daß die Zeit ihres Blüt-eng toinint; und ietzt bin ich inutlos. Zehn Tage —- eine lange Zeit, eine turze Zeit, fe nachdem, wie empfind slich oie Wage unseres Herzens ist. i Zehn Tage, und vorher waren es sacht Tage — ach, eine lange Zeitl « Lisa zog ereö Brief hervor ’Seiiie steile, etwas unbeholfene Schrift hatte für sie etwas unfagbar Liebes, ganz Persönliche-. Mit verdunkelt-n Augen betrachtete sie oen Brief« nichts anderes sehend und hörend Das braune Wäscherinädchen tain zurück. »Signora, ich würde doch reifen!«« sagte iie lächelnd nnd wies mit dem Ston auf oen Brief. «Wer weiß, Franiesra, vielleicht tue ich es," sagte Lisa. Sie zog ihre Uhr. nun war es Zeit, sie tonnte zur Pension gehen. Als sie in oie Diele trat, ging gerade die Wirtschafterin vorüber. »Sie wollen Frau Grandini spre chen«i’« sagte sie unfreundlich. «Da haben Sie den Weg umsonst gemacht, Frau Andrasz Frau Grandiiii ist nicht zu sprechen, sie oerreist in den nächsten Iagen.« »Wenn Frau Grandini nicht zu sprechen ist, dann — —« «Rein, nein,« unterbrach sie die Wirtschafterim »Sie waren ja in der vorigen Woche hier; Frau Grandini kann Jhnen heute nicht mehr fagen als damals, und sie hat keine Zeit.« Lisa war ganz betroffen über die dreifte Antwort der sonst recht freund lichen Frau. Da trat der Portier aus einem angrenzenden Zimmer, dessen Tilr halb angelehnt gewesen war «Gniidige Frau,'« sagte er höflich, »kann ich vielleicht mit irgend etwas dienen-P «A ja, lassen Sie mich die beut-« schen eitungen durchsehenl« »Gern, gnädige Frau. Wir halte-if im Winter allerdings nur eine deutsche Zeitung, und die neuefte Nummer ist. drinnen im Leseziinmer, aber wenn’ Sie einen Augenblick warten wollen« hole ich Jhnen die Zeitungen der? letzten acht oder zehn Tage« .Bitte, tun Sie das,« sagte Lifa erfreut. Der Portier verschwand und brachte einen Pack Zeitungen mit. Lisa« die zufällig kein kleines Geld bei sich hatte und danlbar für die Ge fälligteit des Mannes war, reichte ihm einen Lite. Der Portier bedankte sich mit tiefer Verbeugung und öffnete ihr die Türe. Das Mittagsbrot ifi nun ver schmerzt, dachte fie, ein Lire war da hin — aber Lisa trug eine bog-num mit nach haufe, und diese ho nung trog sie nicht. Eine längere Notiz, die darauf schließen ließ, daß eres Spiel größte Beachtung gefunden hatte, teilte mit, daß ere am 28. Novem ber, alfo zwei Tage später, ein Zion zert geben würde —- — Nieniand entschuldigt fo leicht und gern wie eine liebende Frau. All am fünften Dezember noch keine Nachricht von ere Lan-, und ein zehrender Kummer der Genosse all ihrer Stunden geworden war, ging Liia zur Post und telegraphkertr. Am Tage darauf kam eine Ant wori. Bleich und bebend riß sie das Pa pier auf. Da stand: «Weöhalb so besorgt, alles gut, mit Arbeit überhäuft Viele Grüße.« Sie warf beide Arme auf den Tisch iind weinte bitterlieh. Das war eref » Es schwerste sie, als hätte eine harte Hand ihr herz zerdrückt ! Je länger sie weinte, sich in ihremI Schmerz oergriih, um so heftigers »fchiittelte er sie. , Das ist erei fragte sie sich im imer wieder verzweiflungsvoll Was :ift über ihn gekommen, was hat ihn Evergifteti — s Sie las nochmals das Telegranini Es lag on der Kante des Fisches-, to wie sie es hingeworfen hatte. Jhre schmerzenden Augen prägten sich alle Worte ein« bis sie in ihre Seele eingebrannt waien. Lisa sprang auf und lief auf den Balsam Sie hätte laut schreien können. Sie reclte die Arme nach oen ziehenden Wollen und stöhnte in tiefer hilflosigteit. Sinnlos rannte tie hin und her. Dann nahm sie ein Tuch, wie eine Frau aus dein Volle, nnd stürzte ins Freie, den Arno ent lang, über die Brücke, den Weg nach San Miniato hinauf. Es war einsam nnd dunkel, aber neben ihrem bitteren Leid fand tein anderes Gefühl Raum. Sau Miniatoi Ah, da hatte er gestanden, Mitleiden in dem seltsam schönen Gesicht Und er, er! — — Nein, es ivar nicht möglich. Was hatte nur in dein Telegrainin gestanden: alles gut, ja, alles gutl Warum weinte sie so sehr? Eine tiefe Erfchlasfung zog ihre Glieder nieder. Nun erst empfand sie die furcht bare Einsamkeit ringsumher. Es raschelte in den Büschen — und all die Leichensteine hier oben aus dein Friedhof —- ah, was war das —- da regte sich etwas. — — Und wirklich schritt eine verhüllte Gestalt über den Kirchplatz. Lisa verharrte in eisiger Ruhe Wer tonnte es sein? —- Ach, doch wohl nur ein Pater von San Mir-into. Die Gestalt kam näher. Lisas trankhaste Angst zersieL i »Wünschen Sie irgend etwas?« — ’Ja, es war ein Mönch ! »Nein, nichts --— ich habe schweren ;Kumrner.« Wie eine Erlösung brach jes aus ihrem Herzen Der Mönch blieb ruhig neben ihr sstehen und wartete, bis Lisa ihre Tränen trocknete. . »Ja, das ist unser Los. Unser lHere-i is: nicht eher ruhig, bis es ruht ot« Lisa dachte an den Dominitaner im Klosterhof von San Marco, der ihr an dem Abend, als ihr Glück sie mit lristallener Schönheit umschloß, das kleine Madonnenbild geschenkt hatte: ,Wir brauchen sie alle diese Madonna, die Madonna von der immerwährenden Hilfe." Oh, ihr glücklichen Gläubigen, dachte Lisa —- und doch tat es ihr wohl, daß ein Diener des Herrn neben ihr stand und sanft zu ihr sprach. ’ Alles gut, hat ere gesagt, schluchzte ihr wundes Herz. .Jch werde Sie ein Stück beglei ten,« hörte sie den Pater sagen. und willig stand sie auf und ging mit ihm zum Viale dei Colli. Als der Weg heller und lebhafter wurde, blieb der Mönch stehen. Sie hatten lein Wort gewechselt. »Ich muß nun zurückgehen,« sagte er schlicht. Lisa sah ihn an, sie sah in ein junges Gesicht. »Ich danle Jhnen,« sagte sie und wollte ihm die Hand reichen. s Er sah die Hand nicht. s «Gott segne Sie und tröste Sie,«" sagte er freundlich. Wieder vergingen lange Tage dess Mariens. Da packte Lisa eine solches Verkweislung daß sie an ere kchr eb sie wolle alle- verlausen, waöj hätte, und zu ihm nach Berlin kommen. ! hre baren Mittel waren so gering da eine Reise ohne diesen lestens Schritt unmöglich war. Dieses-mal erhielt sie umgehend eine Karte von Frau Hosen vie mit über schwenglichen Worten von Jtnreg Er folgen berichtete. An ver Querseite der Karte stand von eres Hand geschrieben, flüchtig, nachlässig, gar nicht in der steilen, unbeholfenen Schrift — und doch un vertennbar eres Schrift — »Ich bitte sehr um Verzeihung, bald kommt ein langer Bericht. Wir ton zertieren nun in einigen größeren Städten von Westveutschlanv.« Lisa war wie vernichtet. Jhr Schmerz war in dieser furchtbaren Zeit des Warten-Z, täglicher, grauen haster Enttäuschung täglicher, leiden schaftlicher Ausbriiche zu einem zucken vcn Elend zusaminengesunlen. Jhre tränenlofen Augen starrten auf die bunte Karte. Sie huchstas vierte, wie ein Kind, die Druckschrist: «Blict aus das Brandenburger Tod« So, so, er konzertierte in West deutschland, dachte sie, ihre Zunge lag ihr schwer im Mund. Sie merkte plötzlich, daß sie immer sort auf den Tisch klopfte, es war ein häßlicheö, tnöchernes Geräusch und sie konnte doch nicht aufhören. Dann habe ich es ja sehr gut, tann hier bleiben, immer hier bleiben, so ratterte ihr zermärbteö Gehirn wei ter, tann zum David von Donater gehen, zu dem schönen, jungen David, der ihm so ähnlich sieht, ach. so» ähnltchl s I Ja, er hat ein Schwert —- pder has »er lein Schwert «- eine Schlender. — »Sie stand schwersälltg auf und plap iperte vor sich hin. ) Sie kleidete sich ganz langsam anz Iund legte sich Zu Bett. Es irnr lheller Tag, aber Lisu schien alles in ldunteL Sie sah das gesentte Gesicht des jungen David, es hatte eres Zügel —- sie veränderten sich wurden zu? einer Grimasse —- das Medusenhauotj starrte sie an — sie hörte einen Aus schrei — ihre eigene Stimme — und dann senkte sich die Decke des Zim mers tief, immer tiefer aus sie herab. Mitten in der liaeht erwachte -’ita. griff um sich, richtete sich empor, ver suchte zu denken, aber es formte sich kein klares Bild. Sie stand auf, trani hastig ein Glas Wasser und legte sich wieder nieder. Am andern Morgen war ihr« wohler. Sie sah die Karte, betrachtete sie lange, schloß den Koffer auf, entnahm ihm eine Handvoll Briefe, band die Karte darauf und stand unschlussig das tleine Palet in der hand. Sie wog es, lächelte bitter: »Es ist zu leicht befunden,« tagte sie halb laut, dann legte sie es in den Kaiser zurück. Sie kleidete sich an. Als sie ihr langes, blondes Nat kämmt-» schüt telte sie ein trockenes Weinen. Unzahlige Male hat er sein Gesicht darin vergraben, dachte sie. Jhre Zähne schlugen zufammen, sie mußte sich setzen. Wie sie so auf dem Rande ihres Bettes saß und die Woge ihres Jam mers sie zu zermaliuen crohte· iuhjte sie plötzlich, wie das junge tErben sich in ihr regte. Die Händchen, dachte sie, es streckt die kleinen Händchen nach mir ans! Sie zitterte; regungslos blieb sie sitzen. Und wieder diese dehnende, zuckende Bewegung. Lisa neigte sich tief, ihr Herz weinte· Armes-, Kleines, Ungeborenesi Dich hatte ich vergessen. Hilflos, ganz hilflos — und ich gab Dich allen Stürmen preis. Sie saß lange, sann und sann, und aus all den wirren Bildern löste sich endlich der klare Gedanke: ich nuß leben, für das Kind leben. , s Jch habe nicht das Recht, um eines Schmerzes willen, der mich, eine’ Mutter, betroffen hat, zur Mörderin zu werden Die Tage, die nun lamen, schlichen an Lisa vorüber, als getrauten sie sich nicht, in diese leidvollen Augen zu sehen. Lisa gab keine Stunden mehr; sie saß in ihrem Zimmer und nähte. aim« tin den Straßen umher und wandertei stundenlang iiber Wege, die sie nieU mals mit ere betreten hatte. Sie weinte nicht mehr. Bislveilen lam ihr der Gedanke, daß sie um des Kindes willen Schönes sehen müsse. Dann ging sie in ein Museum und saß vor den rührenden Madonnen mit den pausbäckcgen, schönen Christuslindern. Oft tam es vor, daß ein Wärter sie aufforderte. zu gehen, da die Be fuchszeit abgelauer fei. Dann stand sie auf und ging. Sie wußte nicht« wie lange sie vor den Bildern gesessen hatte. Einmal ging sie nach San Marco sie wollte die unendlich zarten, über irdifchen Fresten des Fra Angelico betrachten. Da öffnete ihr der Mönch, der ihnen Einlaß gewährt hatte, als eres und ihr Glück zu groß war als daß sie es auf die iärmende Straße hätte tragen lönnen. Der Mönch sah sie an, aber er er tannte sie nicht. Lifa roar so gebrochen, daß Iie vie alten Zellen der Brüder mit den herrsf lichen Freslen nicht sehen tonn·e. Sie feste sich in die Pilgerherberge und gedachte des Gespräches, das sie an dem liictfeligen Abend mit Jnire geführt atte, und zum ersten Male hob sich der zage Gedanke: Wäre es möglich, daß irgendeine vorüber gehende Triibung, vielleicht der Rausch großer Erfolge, meinen ere fo ver wirrt hati Er ivar doch die Lauter teit und Güte selbst. Es ift unmög lich, dachte sie, daß ein Mensch de: wirklich den Gott im herzen trug, fis fchnell und tief sintt wie die gestürz ten Engel, die sich in ihr Gegenteil verkehrten, als der Herr sie im Zorn verstieß. Sollte denn ere, in dem alles Feine und Jnnige geschlummert hatte wie eine Perle in der fest ver schlossean Muschel, sollte dieser selbe Mensch in so kurzer Zeit zur Bruta lität herabsinken iönnens Nein, das war za nicht denkbar! Sie mußte es trotz allem versuchen, ihn zu sehen, ihn zu sprechen, sie mußte Klarheit haben, durfte nicht verdammen, ehe sie gehört hatte. Lisa ging nach Hause zurück und erwog, was sie tun könnt-, um eine Verbindung mit ere herzustellen. An den Professor schreiben? Das hatte sie einige Male getan. Dann erhielt sie eine frohgelaunte skartr. Ihren Kummer konnte sie ihm nicht mitteilen, das war etwas an dem ihr eigenes Verstehen zerbrach; wie sollte der liebe alte Herr ihr eine Er tlärung geben tönneni Und Beutel-f Frau Bartel hatte ihr kürzlich noch einen langen Brief geschrieben. Sie war so ahnungölos. Wie sollte sie ihr auch helsen, wie roten? Es hlieh ja nur der eine Weg, sich durch eine deutsche Zeitung dar-»Aber zu unterrichten, cvo Jmte wor, und dann zu ihm hinzurcisen, selbst mit ihm zu sprechen. Sie ging zur Pension Gransini und hat den Bottich vie deutsche Zeitung jeden Tag für sie Unzu bewahren, sie würde kommen und die Zeitungen holen. Das brachte ihr einige Beruhigung Zweimal in der Woche ging sie zu Graudini. Dann saß sie ain Abend in ihrer talten Mansarde und suchte, suchte —- -- — Lisa sparte, wo sie nur konnt-» sie hungerte, stor, ging mit zerrissenen Schuhen und hatte ein eins-ges, auge nutztes Weit-, das sie in ihrem is.tzigett Zustand tragen konnte. Sie mußte ja Geld haben, um tei sen zu rennen. Die tleine Summe schmolz immer mehr zusammen, schließlich hatte auch der Verkauf ihrer wenigen Haosclig teiten nicht mehr genügt; —- uno teine Zeitungsnotiz gab ihr kinen Fingerzeig Lisa zog die alten, eigentümlich gefaßten Ringe von der Hand, die ere so gern gesehen hatte. Sie ioollte sie verlaufen, aber ato sie aui dem Ponte vecchio stund, fiel es ihr httter schwer. Es war ihr,a als verkauft e sie onn: it ein Stück ihrer Heimat, als Jeginge sie einen Frevel an den Händen, Die oiese Ringe einst getragen. und ciie ihre Eltern und Großeltccn vielleicht gesegnet hutten. Sie lehrte in das große Liliiershaus zurück, in dem sie wohnte, uno ging mühsam die steile, schmale Treppe hinaus Unter ihrer Tür lag eine Postlarie Wie ihr Herz schlug. Hans Gstedtner wünschte ihr ern frohes Weihnachtgsest. Mit zitternden Knien setzte sie ach an ihren Tisch und schickte allen Be kannten Griisze zum Weihnachtzsest und ihrer Schwester Gretei, die nun auch bald Mutter wurde, schrieb sie einen langen, harmlosen Brief« Das hatte sie ganz oerge ssen Weihnachten, sa Weihnachten! —------———— Und doch kam eine Ueberraschung. Ein Paket mit hübschen Dingen von ihrer kleinen Schwester und was viel mehr, die Mitteilung, daß sie ihr gleich zu Anfang des neuen Jahres eine Geldsumme überweisen lönnez sie werde allerlei für den erwarteter tleinen Erdenbürger brauchen und auch für sich selbst. Sie solle sich doch schonen und pflegen und nicht gar so sparsam sein! An dem Tage ging Lisa zum ersten Male wieder nach San Miniato. Sie hätte gern den Mönch gesehen, der sie getröstet hatte, sie wollte einein Menschen danken können. Sie sah ihn nicht. Als Lisa in die Kirche ging, strich ihre Hand liebevoll über die Türe des Jupitertempels. Sie fühlte wieder die Schönheit. Drinnen hatte man eine Kripve aufgebaut, vor der in bunten Gläsern Lichter brannten. Unter einem Strohda in einem Stall stand die Krippe, arin ruhte auf eine Strahlenkranz ein Jesuelint aus Wachs, das eine lleine Hand seg nend erhoben hatte. Neben der Krippe standen Josef und Maria, Hirten knieten davor und ringsum weideten kleine Wollenschäfchen aus grünem Moos. Ueber dem Dach des Stalles schwebte ein Engel mit einem Spruchband in den Händen. Das alles war so kindlich und doch in seiner Einfalt zu Herzen gehend. Lisa betrachtete die Krippe und die Menschen, die kamen und gingen Manche schienen von wahrer Andacht durchdrungen. Wie schön müßte es doch sein. dachte Lisa, wenn ich gläubig und vertrauend, wie diese einfachen Men schen hingehen tönnte und alles, wat mich bedrückt, einen Priester faan Es sind teine Sünden, aber er würde mich anhören und er müßte alles in sich verschließen. So gehe ich einsam umher nnd tann nicht einmal dem jungen Mönch der mich tröstete und hinab geleitete danken, und ich täte es so gern — so gern möchte ich einem Menschen etwas Gutes sagen. Vierundzwanzigstes Kapitel. Kurz vor Neujahr las Lita in einer Berliner Zeitung, daß ere am zwölften Januar, abends 8 Uhr, in der Philhnrmonie ein Konzert geben würde. Sie hatte zu viel gelitten, um oiet bossen zu können, nur die eine Frage brannte stündlich in ihr: wird due Geld rechtzeitig antomrnenie Sie wartete, wie ein Schiff brüchige-« jeder Tag, der verrunn, war wie eine Planke, bie dato-strich Als die Not Lifa oöllig niederge ztoungen hatte und sie entschlossen war, ein Telegramm an ihre Schwe ster zu schicken, kam das Gelb Alle Vorbereitungen waren getros fen; der nächste Zug trug Lita über die Apenninen, durch die monotone satte Poebene, wieder ins Gebirge !hinein, tiher den Brennere ins deut sche Land. Sie sog die deutschen Worte, die deutsche Art mit einer wahren Gier em. Ohne Untrbrechung war sie ge fahren. Jn München, das sie mitten in der Nacht erreichte, fühlte sie sich to Ichioach, daß sie in das nächste hotel ging und sich zu Bett legte. Dann ging die Fahrt weiter, dieses Mal bequemer-. Jeder bemühte sich, der gesegneten Frau behiiflich zu fein Ats sie in Berlin ant;m, hatte Das Konzert bereits begonnen. Liia fand iii einem kleinen Dolch in der Nähe des Aiihalter Bahiihofs, Untertunfl. Sie ioulch sich, säuberte ihre Kleider ooin Staub und fuhr zur Phil harinonle. Jn dein langen Gang, der unter Koloiiaden hindurch zuin Eingang in das itonzerthaus führt, waren große getbe Platate angeheftet, oon denen ihr Jiiires Name entgegenleuchteth Die Kasse in der Enigangdhalle war geschlossen« aus dein Saale drang orauienoer Beifall. Lifa ging auf einen betreßten Die ner zu und fragte ihn, ad sie irgend ivo eine Eintrirtstaile taufen und den Schluß des Konzert-H huren könnte. »Nein, es hat auch teinen ;-3-veet«, sagte er turz, »das Konzert ist ja zu Ende.« Und wirklich strönite jetzt ein wah res Menschenmist-et aus der Saat ti.ic und ituezte sich niiis die Gnidecdi ben. Sie wandte sich michan un den großen tinitiicheir Diener. »Ich möchte Herrn Und-as seyen", ,agte iie dringend, mit vor Angst ge ideiteten Augen« »was muß ni, da tun?« « Oek Mann snh sie nn, sah ihren Zustand und ihr dteicheg Gesicht. Freundlichet erwiderte et: »Dann gehen Sie nut cnal nach :-orn", er ivteg niit dein Finger nach der Straße hin, »vor dem zweiten Ausgang rechts- ivetden die Autoniddis te stehen, da muß et hekuugtonimen.« Lisa dankte in uieintoier Eieegung. Der Diener hatte teine Zeit ciiehi,·, für sie i Sie eilte durch die siolonnade zusi kiict und sat; sich nach dein bezeichne ten Ausgang und den Autonioviten um. Reben einein der Ausgänge stand rechts und tints eine Schar Neugie kiger, junge Mädchen und Frauen, und hetumlungernde Männer und Frauen aus dem Voll. Lisa sprach eine hübsch aussehende« junge Frau an, die ein Spinentuch um den Kopf geschlungen hatte. «Entschuldigen Sie, ist dies der; Ausgang siir die Künstletf« Die Frau sah mir fröhlichen Au gen zu ihr hinüber. »Ju, hier ists richtig,« dann faßte sie eine Bekannte unter den Arm. »Andrus ere muß gleich kom men, ivir werden ihn aus nächster Nähe sehen, er ist — —« Das Gespräch verlor sich in dem Geräusch der vielen Stimmen. Jrnmer mehr Menschen drängten sich zu diesem Ausgang. Lisu schob sich hinter eine Gruppe Wartender, doch so. daß sie den zwei ten, mattbeleuchteten Kolonnadenrvegz aus dem Jnire kommen inu te, und die Automobile im Auge behielt. Sie lehnte sich an einen Mauer oorsprung, die odere Hälfte ihres Ge sichts war mit einem tröftigen Schat ten wie mit einer Masle bedeckt. Noch wenige Minuten gedankenlod ser Starrheit, da schritten herr und Frau Hoser und ein elegantes, zier liches Mädchen durch die zur Seite weichenden Menschen. »Sein Lehrer aus Wien,« hörte sie die junge Frau sagen, «einer der ganz Großen; was sur ein gutes Ge-l sicht er hatt« Die drei blieben stehen« sprachen und lachten und sahen den Gang hin-· unter. Lisa konnte nicht verstehen, was sie sclgteni r Eine furchtbare Erschiitterung schnürte ihr Herz zusammen, ihre Glieder hingen schwer in den Gelen len, sie starrte gebannt zu der klei nen Gruppe hinüber« Das junge Mädchen machte eine Bewegungs als sei ihr zu warnt. Sie öffnete en kostbaren Mantel und hielt ihn cnit beiden Händen Ion sich ab. Zwischen dem dunklen Pelzbei satz des Mantels rieselte tnacsgelbe Seide nitt bunter Perlstickerei, um den Hals trug sie einen hängenden, großen Smaragden, das braune Haar war in der Art der mittelalterlichcn Pagen eckig verschnitten, es bedeckte in einer scharfen Linie die halbe Stirn. Aus den dunllen Augen sprang helle Ungeduld. Die Frauen neigten sich vor, um das pilant aussehende, elegante Mäd chen und ihre schönen Kleider näher betrachten zu tönnen. (Fdrtsetzung folgt). — Genau. Kahltöpfiger Pro fessor: ,,Schneiden Sie mir das Dankt" Lehrling: »Aber Sie sind doch Iganz kahll« s Professor: »Hören Sie gefälligst, »j«.nger Mann, das Haar habe ich ge sagt, eines muß noch da seinl«