Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 14, 1916, Sonntagsblatt, Image 11

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    Ylnmzksdrin
sie-Inn von klare Radien
(13. Fortsehnngy
»Wir i war. Lonni' er wars den
Kopf zuer und lachte, »ja der Weg
ist zu weit, dahin kann i nicht zu
riick —- toie ein Rachtwan er — und
Sie weckten mich".
aJa. ein rechter Nachttoandler bist
Du. Ich solgte Dir all die Zeit. Jm
Schatten stand ich. als Du aus die
Straße tratest, und ich dachte, die
Süßigkeit in der oust«, e almete
ans, «biitte Dir sagen m«ssen, daß
man nicht allein sein lann in diesen
gesegneten jungen Frühlingsniichten«.l
»Ah, und ich ging weiter. Da sehen:
Sie, wie ungeschlissen ich noch immer
bin«, sagte err.
»Ich sage nicht Sie zu Dir, Jrnre.
Du spielst mit den Worten, wie mit
tairen Steinen. Jch kam nur, um bei
Dir zu sein«.
.Die ist einsam, kleine Lonyi«
»Einsarn und zu laut«, sagte sie.
.Die Tage surren an mir vorüber,
ich bin selten allein, aber da ist nie
mand, mit dem ich sprechen kann wie
mit mir selbst. Als Jnge noch lebte,
war das anders. Du wolltest doch
mein Freund sein« ere, und seit
diesem trüben Weihnachtssest kennst
Du sast nur noch Deine Geige.«
»War ich wirklich so schlecht?«
»Warst Du schlecht gewesen, lau
herziger Jrnrei Das wäre ein Schau
spiel! Da wäre ich gekommen und
hätte mir angesehen, wie schön die
Schlechtigkeit sein kann, aber Dein
Leben geht wie eine Uhr mit einem
blechernen Schlag!«
" «Haben wir nicht abgemacht, daß
Du eine gerechte Freundin werden
wolltesi?«
»Gerecht! Gott im himmel, ge
recht! Denk Dir, wie langweilig die
Gerechtigkeit ist! Du kannst Dir
selbst prophezeien, was alles kommen
muß, wenn Du dies und jenes tust
oder lässest«.
w Sie schmiegte sich vertraulich an
n·
·Wie schon ist es dagegen," sagte
sie. mit einer Stimme wie dunkler
Samt, »wie schön ist es, zu wissen,
daß es gar keine Gerechtigkeit gibt,
daß man zugreisen kann und einem
anderen das herzt aus dem Leibe ho
len. der es bewahan möchte; daß nicht
immer Unheil um unser Haupt kreist,
wenn aus der heitetleit oder Schwer
mut einer Stunde etwas glühend
Schönes geboren wird'
«Lonh, Du bist ja eine Dichterin!"
«Vielleicht bin ich nur ein Theater
mädell'
Es war, als ob ein schillernder
Mantel oon ihren Schultern glitte.
Andras ere nahm ihre hand,
die aus seinem Arm lag.
Als Lony verstummte und vor sich
hinsah, hatte ere die Vorstellung
von einem verlöschenden Licht.
Das schnelle Mitleiden des Glück
lichen saßte ihn:
«Lony, was machen wir nun?«
sagte et klingend. »Wir wollen doch
nicht durch diese Gassen laufen, wir
wollen etwas Schönes unternehmen!"
Jhre Augen blitzten im Halbdunlel
wie schimmernde Emaillr.
«Ja, das wollen wir! Wir wollen
einen Fiaker nehmen und hinausfah
ren in den Prater, so recht in die
blaue Nacht hinein. Da blühen schon
Veilchen!«
Sie greist wirklich nach meinem
setzen, dachte anrr.
»Schön wäre es«, sagte er und der
malte Klang teiner Worte schmerzte
ihn um des lieben Mädels willen,
»aber so, wie Du da bist, nehme ich
Dich nicht mit. Du gehst ja einher
als ob es Sommer wäre und nicht
die lehten März-age«
Lonn trug ein leichtes Jackenkleid,
der breite Kragen der Blase, der bis
zu den Schultern aus der Jacke lag,
war weit geössnet und liesz den Hals
ei.
Jn ihrer Freude bemerkte sie seine
suruekhaltung nicht.
»Alle gut, gehen wir nach hause,
ich hole den Pelzinantel«.
ere wollte in die nächste Straße
einbiegen.
»Nein. nicht dort, ich habe ja längst
eine neue Wohnung. Ach, und die
haft Du noch nicht geiehenl Wie oft
war han« Gefied««-k bei mik, und
viele andere'.
» ch net-eile tehi itakt«.
» n, ich weiß«.
l Sie gingen wich die Straßen ent
ang.
»Wer bin ich zu hinlief sagte
Lony
Sie standen vor einer wuchtigen
breiten Tlir. »
»Das da sind meine Fenster« linls,
itn Etdgefchoß«.
Sie schloß auf und ging voran; sie
hielt feine hand, bit sie das Licht an
seziindet hatte.
Ei war das alte immer-, nur
q.ößet und farbigei, to chten es Im
ee, noch mehr Blumen und ein Duft
von Zigatetten und feinem Pat
stim.
Lony stand unfchliissig mitten tm
Zi rinnen
Sie hielt den Hut in der hand und
TIERqu IN nt l eh
nt , n en to e an
piee bleiben· Wie lönnten
Ins etwas erzählen, so recht behag
lich«, fiigte sie lebhafter hinzu, »warte
einen Augenblick —- und mach’ es Dir
bequem«.
Sie verschwand im Nebenzimmer.
satte brachte Hut und Mantel hin
aus, und dann zündete er eine Zi
garette an.
Jhm war wohl in dem Raum, die
Schatten der alten Möbel hatten et
was warm Durchleuchtetei, der weiche,
sehr farbige Teppich erinnerte ihn,
sa. an was denn nuri An wagt
An die verwilderten Blumenbeete dort
unten in Nagasa. Er lächelte und
summte das Liebeslied, das er Lisa
gesungen.
«Weiter, mein Fürst, weiter!« sagte
Leut-, die leise herein gekommen war.
»Aber nimm die Geige, bitte!«
Sie blieb nahe der seidenverhans
genen Lampe stehen« den Kopf in die
emporgehobenen Hände zurückgebogem
das finatagdgriine Kleid von Licht
übergossen.
«Etwas anderes, Lunis, das Dir
lieber sein toird«, sagte er und griff
nach seiner Geige. -
Er spielte «ein altes ungarisches
Tanzlied in einem strengen, gebunde
nen Rhythmus. Hin und wieder sie
len einzelne Verse, lurze Worte hin
ein, die etwas u.isagbar Aufreizendes
hatten.
Lony stand unbeweglich da, die
hände im Nacken gefaltet, dann lief
ein Zittern und Wogen durch ihren
Körper, als ob der Wind über hohe
Gräser strich.
Langsam drehte sie sich, die Arme
immer noch erhoben.
Aufrecht, feierlich glitt sie iiber den
bunten Teppich —- eres halbge
-schlofsene Augen hingen an ihr.
Noch strenger nahm er den Talt,
noch zwingender klangen feine Zutufr.
Eine Vorstellung durchströmte sein
Illnterbewußtfein, als habe er vor
ITaufenden von Jahren, genau wie zu
Idieser Stunde, in einem Tempel ge
sstandem und das Mädchen in der
ifmaragdgriinen Seide, fest und
schlank, mit eckig geschnittenen braunen
Haaren, einen Goldreifen um die
sStirm hätte vor eirem Götterbild ge
i
l
i
Nun legte die Iiinzerin eine bering
te band aus ihr Haupt und die andere
Hand streckte sie roeit von sich, wie um
lauetnden Dämonen zu wehren. Jhre
Augen wurden schwarz und groß, ihre
Brust hab und senlte sich.
Die Geige sang weichen das Tanz
lied wurde inniger. Lcny bog sich und
schwebte, ihr voller roter Mund össi
nete sich zu einein beriickenden Lächeln,
so daß Andras ere das blitzende
Gold sah.
Mit etn paar breiten Strichen en
det-. er das Lied.
Lony stürzte voran, ibre weit vorge
streckten Hände waren wie eine Op
serschale zusamniengeschmiegt.
»Mein Fürsti«
Jhr brauner Pagenlops neigte sich.
Andras ere untsaszte seine Geige,
sein Blick slog zu der Madonna bin
iiber. Da sal) er ein dleiches Kind
neben der Heiligen stehen, das eine
rote Rose ans herz gedrückt hielt
«Lony", sagte er verhalten, »Du
bist doch eine Dichterin«.
Das Mädchen sah ihn an, össnete
die Hände, schüttelte sie ein wenig,
als tropste eine Flüssigleit an den
eFingern herab, und sagte tvie von
erne:
»Es war ein schöner Trank, Jtnre,
nun ist es vorbei«.
Dann strich sie langsam ihr Haar
zurück.
»Ach, Du herrlicher Fanatiter«,
sagte sie und ging mit leichten Schrit
ten hinaus.
Als sie wieder hereintatm trug sie
aus einem Tablett eine Flasche Cham
pagner und ztvei Gläser.
Nun wollen wir mal einen andern,
auch lehr guten Trunt tun. Der Sett
ist nicht talt genug, aber er ist der be
ste, den ich je hatte, und« — sie sab zu
Jrnre biniiber —- ,tvir wollen beute
abend Abschied feiern, und das muß
ein wenig ins Blut geben« sonst stat
tern wir ja auseinander wie Vögel,
sie zufällig aus demselben Baum sa
en.«
i «Lony, Du willst doch nicht Ingen,
Idaß Du Wien verläßt?«
. »Ja, ich gehe fort, Jmtr. Das
Semester ifi zu Ende, und ich will in
tviirmere Länder«.
Jhe Geplauder lief silbern dahin.
«Und das lagst Du erst heute?«
»Gut-de heute fiel es mit ein, daß
ich wandern möchte!«
Lony ziindete sich eine Zigarette an
und sah Jnire durch den hräufelnden,
ziehenden Schleier in die Augen.
«Und wohin geht die Reife?«
»Noch Paris«.
«Und manni«
«Oh, bald, diese Woche noch«.
«Studieren«i«
»Ja -
»Ach, nach Paris möchte ich auchi«
Esch lann Dich aber nicht gebrau
«quuh’s schon, Lonh«.
Jnice leerte sein Glas. Ihm kam
ein Gedanke.
«Allein oder in Begleitungi« «
«Jch habe da einen Freund, ich
lenne ihn lchon lange, ein Mediziner,
der läßt mir seine Ruhe. Jch soll
durchaus Paris iennen lernen. Na,
schließlich macht es mir Freude, es ist
einmal eine ganz andere Stadt, an
dere Menschen -«
«Magst Du ihn gern, Deinen Medi-n
ztneri« - - '
ere streckte die hand nach ihr
aus.
Lony sehte sich aus die breite Lehne
des Klubsessels, in dem ere saß.
»Ach, das isi nicht so einsach zu
beantworten. Schau, ich habe eine
Schwäche site schöne Menschen. Du
lachstt Ja, aber so ganz zum Lachen
ist es nicht« Wäre er ein krummer,
kleiner Kerl mit einem nichts sagenden
Gesicht, ich ginge nicht mit, und wenn
er der beste Bursche unter der Sonne
wäre. Aber mein Mediziner ist ein
schöner Mensch«.
»Nicht so schön wie Du, ere -
ach, laß mich einmal sagen, was ich
denke! Komm, wir wollen gut zu
einander seini«
Sie rutschte von der Lehne herunter
und setzte sich aus eres Knie.
»Meine Lony«, sagte ere zart
und faßte sie leicht um« »Du weißt,
ich habe ein Miiochen sehr, ehr lieb
— und sie mich. Glaubst u, daß
sie sroh sein wurde, toenn sie sähe,
wie ich Dich hier im Arm halte?"
»Nein, sicherlich nicht, aber das
tiimmert mich nicht, absolut nicht.
Mach Dir Gewissensbisse, mein Fürst,
ich bleibe hier sitzen. Jch weiß es,
Du hast auch mich ein wenig lieb, so
wie eine Lieblingsschwester vielleicht«,
sie spielte mit einer Kette, die um
ihren hats hing, und sah vor sich hin,
»das iit alles so kompliziert, so ver
schlungen. Liebe ist doch nicht wiel
Schwarz und Weiß. Unser Herz hat;
tausend Lichter. Du hast nun sent
seinen Brennpuntt, zu dem sie alle
.hinstreben. Und doch fliegt mal ein
Ist-Blitz zu mir oder zu einer anderen
hinüber, Du tönntest ja sonst tein
Künstler sein, ich meine so ein Künst
ler da ties im Herzen, wenn Du nicht
Freude am Schönen hättest. Viel
leicht liebst Du mich wie eine Früh
lingswolle oder wie einen Rosen
strauch, aber ein Funten Deines
treuen Herzens fliegt doch zu mir
herüber,« leiser Spott lief um ihren
oollen Mund, »oder bleiben wir bei
der Lieblingsschwester, zumal Schön
heit mich nur von weitem streiftei'«
»Liebe Lony,« ere hatte ihr ernst
und ausmertsam zugehört, »Du be
schömst mich. Ja, bleib hier, und
wir wollen wirtlich gut zueinander
seien· Erzähle mir von Deinem
Freund«
»Nicht so schön wie Du, Jnire«,
wiederholte sie» »oh nein. Weißt Du,
was ich ost bedenke, wenn ich Dein
verschlossenes, duntles Gesicht sehei
Ein altäghptischer Prinz ist er, aus
einem edlen, reinen Geschlecht. Wende
doch mal den Zion zur Seite, daß
ich Dein Prosil sehe."
»Aber Lonh, was siir einen Un
sinn treibst Du mit mirs«
Er sah unwillig aus
»Nein Unsinn, ere. Glaub mir,
viele Frauen werden Dich lieben,
Deine herbheit und Dein betorendet
Spiel, ere, Jinrel«
»Lony,'· begann ere wieder, »wir
wollen doch nicht von mir sprechen.
Erzähle von Tir« von Deinem
Freund«
»Ja, richtigl Also Du hast die
tlassische erzgegosseue Schönheit einer
alten edlen Rasse, und mein Freund,
wir wollen ihn mal so nennen, hat
die Schönheit eines rauslustigen Ger
manen. Und dieser Vergleich ist so
prachtvoll,« sie richtete sich aus und
die Freude iiber ihren guten Einfall
leuchtete aus ihren Augen, »daß ich
ihm am liebsten durchsiihrte, bis in
euer Jnneres hinein.«
»Nein Lonh,« ere lachte, »nun
mnsz es ein Ende nehmen, oder ich
gehe. Also, hat er Dich lieb, Dein
Germane?«
»Unsinnig, mit der ganzen Wucht
dieser gesunden Rassel«
»Ja, Kindchem und Du willst mit
ihm reisen?«
Lonh schwieg und spielte wieder
mit ihrer Kette.
»Ich bin so allein, vielleicht daß
ich ihn lieb gewinne.«
»Du ere, Du lannst heiraten.
Du hast eine zweite heißgeliebte, Du
hast die Musik. Jch glaube et nicht,
daß die Liebe lebenaudsiillend ist.
Wenn Du das Mädchen so liebst wie
die Musik, und wenn sie unter Dei
nen lieben, schönen hönden ein so
seines Instrument ist wie Deine
prachtvolle Geige, und sicher ist die,
die Du liebst, ein wertvoller Mensch,
dann darsst Du den Weg gehen. Wiej
kangfe Du ihn gehen kannst, wer weiß
s a.
» .-aver ich, never ere, ich vtn nur
eine Dilettantin.
«Sag nichts, ere.« Lko legte
ihre hand aus seinen Mund, «ich
weiß es besser als Du, als irgendein
anderer Mensch. Sagen wir, ein
viel begabter Dilettant, aber Dilet
tant. Wo immer ich stehe, ich bin
nie am rechten Pius-. Jch bin auch
ein ungeduldiger Mensch, kann nicht
warten, nicht augbarrem Nein, ich
tauge nicht siir diesen Pakt, ich gehe
nach Paris,« sie seufzte ein wenig,
,,albler ich bleibe stei. Ein steier Bo
sk «
. Såe schüttelte das Wehe ihrer Wor
e a .
»Nun nimm Deine Geige und gehe,
mein Fürst, ich habe Dir eine Nacht
geraubt, ich tat es gern. Dein erz
blieb verschlossen wie ein bei ger
Schrein.«
Sie nahm seine beiden hande.
So standen sie eine Weile und sa
hen sich on« · s «
«Lebe wohl, meine liebe ileine
Lony, nnd habe Danl!«
«Aus Wiedersehent« Er küßte
die kleinen, festen lWink-«
Ttes in Gedanken ging Andras
ere nach hause. Der junge Tag
wars die Schleier der Nacht ab und
badete im Tau.
Sechsundzwanzigstez
Kapitel.
Vor dem Wiener Cases in Lussin
piccolo standen schon die Tische und
Stühle. Die Stamnlgäste strecken
ihre Beine in die Sonne und lauten
an ihrer Virginia. Sie lasen große
Zeitungen oder sie schwamm, let-hast,
mit ousdrucksvollen hundbeiveguni
gen. Manche trugen eine Blume im
Knopslochz kecke Burschen hatten sie
hinter-i Ohr gesteckt.
Kreischende Kinder spielten unge
niert urn die Tische herum, Karten
ocrtiiuser schoden sich dazwischen, und
die Kellner dalnncierien aus hoch er
hobener Hund die Tableits mit Tas
im.
Das ivnr die gute Stunde siir
das Wiener Casex die Zeit, in der
tutz hintereinander zweigroszeDamps
ser anlegten.
Die kleinen Wagen standen schon
in einer langen Reihe ausgesnhten
und ehe noch der Fremdensnng be
gonn, beschimpsten sich teinpernments
volle Rosselenter niit teuslischer Lei
denschaft. Er gehörte zu ihren täg
lichen Freuden
Lenerl stand mit einer kleinen
Karte abseits.
Herr Andms sollte kommen, wes-.
halb nicht herr Gestedtner«i i
Sie ticherte in sich hinein l
Den Dampser siag i schon und
Frauln van oe Sanvr is noch net
das dachte Lenerl, wenn i mein
Schoß abholn tat, a ganze Stund
vorher gang i aus und ab. Aber
die vornehmen Leut, da keimt man
sich net aus!
Lisa kam langsam die Gasse hinab
und stand dann im Schatten eines
Hauses. Die wartende, sehnsüchttge
Liebe hatte sie init einer Anmut ohne
gleichen umgürtet, sie leuchtete wie
eine Birle im Frühling.
Wie ist es möglich, baß mein Herz
mir keine Ruhe gibt, dachte Liset, es
sliegt mir voraus, und doch sind mei
ne Füße von zaudernder Schwere.
Wie ist es möglich, daß ich mich heute
einem Menschen neige, von dem ich
vor Monaten nichts begehrte als seine
: Freundschaft
H Wie kommt es, daß ich nun, wie
eingeschlossen in einem kristallenen
Raum, unverleßlich die Dinge dieser
’Welt betrachte, während noch vor gar
lnicht langer Zeit die Stimmen der
Menschen« ihr Geboren, eine häßliche
Umgebung mich beleidigtens
habe ich mich gewandelt? Hat
ere sich geünderts
Jch weiß es nicht, ich wziß nur«
daß ich fast nach ihm oerdurste.
Die ersten Passagiere verließen das
Schiff. Und da kam Andras ere·
Er ging schnell die breite Planke
Zinab, schaute sich um und trat ans
enerl zu.
Ein Träger brachte sein Gepäck
und lud es aus die Karte; die Geige
gab ere nicht aus der Hand.
Lisa sah unverwandt hin. Das
alles war ja ein vorüberziehendes
Bild, konnte kaum Wahrheit sein,
»wa: so unwirllich schön!
Lisa wußte es: ere mußte am
Eingang der Gasse vorübergehen.
Sie wartete, es war ihr, als hörte
sie sernen Gesang.
Ach, kein Gesang! Die Kinder
spielten oben in der Gasse, aber was
blühte und sang heilte nicht!
«ere!" ries sie leise, als er in
ihre Nähe kam, ,,Jinrel«
Schnell wandte er sich ihr zu.
»Meine Lisa, süße Lisa!«
Dann sahen sie sich stumm an,
wußten nichts zu sagen.
Kinder liesen an ihnen vorüber,
Frauen mit Traglasten schaben Lisa
zur Seite.
Sie lachte: »Ach, da stehen wir
nun und nehmen andern Leuten den
Weg," sagte sie. »Komm« sie schob
ihre Band in eres Arm, »komm,
wir gehen über den Berg an der
Kirche vorüber, da ist’s schöner. Aus
den Mauern stehen schon tausend
Frühlingsblumenl Das hast Du
noch nicht gesehen. Jeh bin ja schon
gring Tage hier, oh, es ist wunder
gmre vertan-tue ne trunken
»Ja, wundervoll, Lifn!«
»Er legte feinen Årrn um sie.
Niemand benchtete die beiden.
Die Kinder und hunde rannten
die schmalen Gassen mit den vielen
Stufen hinauf und hinab, und die
Frauen, in weiten, hellen Jucken, la
gen in den Fenstern, hackten vor den
üren, lachten, ichwatztem arbeiteten
auch ein wenig.
Ein Liebeöpanr mehr-, ein Liebes
paar weniger, ach, im Frühling hier
auf Lusstnt
Jmtner höher ging ed hinauf,
auf flachen Stufen, und dann kam
der große, mit breiten Steinfiiesen
ausgelegte Kirche-tax
Ein Geistlicher in langer, schwarzer
Soutane ging, sein Brevier in der
hand, betend auf und ab.
Der weite Plan war leer.
Lifa und Andras ere setzten sich
auf die niedrige Mauer und blickten
aus die willtiirlich itberetnander ge
schobenen Dächer, Mauern, tleinen
Gärten, Gassen und Reste alter Bo
gen.
Tief unten legte man quer durchs
das regellos bunte Geschiebe eine
breite Fahrstraße an. Jm saftigen
Braunrot des Erdreichs standenl
schwere, mit trästigen Pferden be
spannte Karten, beladen mit silbri
geni Karstgestein. Die Arbeiter, in
blauen, roten, grünen Musen, schau
felten, trugen Steine, hämmetten.
Alle Laute, die zu ihnen heraus
drangen, schienen leicht und froh
Ueber allen Dingen und Farben war
das helle Geriesel der Frühlingsleich
tigteit.
Es kräuselte sich auch über die Tie
fen all der Fragen und Gedanken,
die Andras Jinreg schweres Meise
gepäit gewesen waren.
Unter dieser lichihlauen Kuppel
löste sich alles in tie Einfachheit jun
ger Liebesstunden.
Hand in Hand saßen sie, sahen(
über die Stadt hinweg, schauten sichs
in die Augen, vergaßcn alles ringt3’
umher und versanken ineinander. !
Lisaö Hut, den sie beim Steigen;
in der Hand getragen hatte, war zur
Erde gefallen.
ere strich zärtlich über ihr we
hendes, golbiges Haar.
»Wie bist Du, meine Königin....
wonnevoll, wonnevoll!« sang er leise.
Lisa nahm seine Hand und legte
sie an ihr Herz.
»Hörst Du? Es schlägt nur siir
Dich, ere.««
»Willst Du nun bei mir bleiben?«
fragte er innig.
»Ja, niein anre.«
»Ist alles geschniolzen, was Dein
liebes Herz verschlossen hielt?«
»Ju, is- JM!O!«
»Und» wirst Du mein geliebtes
XUTIU sclclk
Seine tiefe seelische Ergriffenheit
durchleuehtete uiid erhdhte seine selt
same Schönheit so sehr, daß Lisa
fühlte, wie ihr eigensteö, inneres Le
ben zu ihin hinubeistrdiiite.
Jch bin an ihn verloren, rief es
in ihr. Tränen füllten ihre Angen.
»Lisa, Geliebtel«
Jedes Wort schlug sie in eine neue
Fett-L
»Ich kann nicht inehr ohne Dich
;leben. Dein Weib, ere, ja Dein,«'
sstaminelte Lisa erschiittert.
» Andras ere erbleichte. Er legte
seinen Arm um sie.
J So saßen sie stuiiiin, berauscht, je
sder die tiefsten Gedanken des andern
Itrinkend.
s Neben der Kirchentiir lehnte der
Mann in der schwarzen Doutaiir.
Seine großen Augen brannten zu
ihnen hinüber.
» ----------
; Jn der blauen, feierlich prangen
den Nacht enthiillte Lisa ihrem Ge
«liebten jeden Gedanken, jede Regung
Iihres Herzens.
» Sie standen am rauschenden, un
sendlichen Meer.
; Tief beugte der junge Aiidraö Jinre
ssein Haupt.
» Aug dem einst unverstandenen Leid
zder Geliebten löste sich für ihn lang
sam ein Bild, zu deni er betete.
Er fand das Heiligtum, nach dein
wir alle, solange wir reinen Herzens
sind, die Hände ausstreckem
Dann kam ein Morgen, an dein
die Glocken läuteten und Andras
ere seine schone, junge blonde Frau
aus der Kirche führte, die breiten
ausgetretenen, von Chpressen einge
säumten Steinstufen hinab, über den
Htifenpliitz, die Gasse hinaus in Bar
telg stilles, weißes Haus.
Die jungen Menschen waren so
zschön, daß die Dorftinder sie stuinin
anschauten, und daß selbst die alten
sFrauen auf den Steinbanten, die an
den Häusern entlang liefen, ihr
iSchwatzen vergafzen, das doch sonst
durcheinanderlief wie die Hölzer einer
iKlöppelarbeiL
s Nur das oerrvegene Schiffervolk im
Hafen rief sich mit heiserer Stimme
Alltäglichteiten zu, als sei nicht so
eben der leibhaftige Frühling an ih
nen vorbeigeschritten
Peter und Maria Vartel gingen
hinterdrein und nictten und lächelten.
Durch Frau Bartels altmodisches
schwarzes Kleid schimmerte überall
Tihre warme Hausfrauliehteit hindurch,
und Peter Bartel war so geniert
durch den langen schwarzen Roet und
den Zhlinder, den er einstmals zu
einer Ansstellungseröffnung getauft
hatte, dasz sein gutes, treuherziges
Gesicht mehr denn je von tausend klei
nen, lieben Iältchen durchzogen war.
Früh am andern Tage reisten
Jgnre und Lisa Andras nach Triest
C
Ein seiner rieselnder Regen war
in der Nacht niedergegangen.
Aus der Fahrt zum Schiss in Lus
sinpiccolrr überschütteten die ersten
Daphnebliilen und das viele Kräu-.
tertverl die beiden mit ihrem DustJ
Als das Schiss in die grautvoi
gende Ferne tauchte, flatterte es wie
Fetzen zerreißender Wolken um die
Masien und Schlote des großen
Damian-. ,
Die Einsamkeit hockte srierend nusl
den tarstigen Höhen und starrte den
Glücklichen nach
Und Lisa sagte noch noch Wochen
,,Was siir eine wundervolle Fahrt
hatten wir doch!«
Siebenundzwanzigste
a.pitel
«Eins nföchte ich wissen, Therese,
sagte Professor Hoser und legte seine
Zeitung sort, »was bast Du damals
mit Loiits Jezet abgeiiiiichti«
Er saß in einein ioeiien Korbstuhl
iii der verdecllen Veranda seiner iste
ieniiiier Billet. Seine schweren Glie
der waren ditrch Rissen und allerlei
tuiistvolle Stützen zur Ruhe gebracht:
Ersindungen seiner Frau, die das
ewige Oerumwandein ihres Maan
immer von neuem zu tseninien der
suchte·
»Wie oft willst Du noch aus die
laiigivetlige Geschichte zuruittoinnien«
Ltiiicenzst Jch sagte Dir sa schon«
sie tsat dreitausend Marien tsintertegt,
die uns zusallen, wenn Andras m
drei Jahren seitie Ausbilduiigstostert
und den Florentiner Aufenthalt noch
iiicist bezalslt csat.«
,,Dreitaiisend Kronen, Therese,
ah!'« er sprang aus, trdss aller Stupen
iiiid Rissen, »das ist uneilsort, das
ist Blutgeld! Sagte ich Dir nicht
ausdrücklich, eintauseitd Kronen, und
nur, weil Du es durchaus iootltestl
ich hätte ihn gern gaan umsonst aus
gebildet. So ein begabter, pracht
ooller Bursche!'« Der Prosessdr sulsr
sich mit den Händen durch sein litt-.
schiges graues paar. «Dreitauseitd
Kronen, Therese, nein, das leide ich
nicht.«
Seine Frau blieb ganz ruhig. Sie
stand an eineni Blumenlisch tmd
zupste welle Blättchen ab.
»Das leide ich nichte« sagte sie
sanst und lächelnd. ·Mein lieber«
guter Bar, Du ninszt ein sehr tue es
wedachtnis haben, ich sagte neiil
schon, dreitausend Kronen, und da
biiimnitest Du, gut, gut, aber sek
schone mich, sagtest Du, lieber Vin
i«eiiz.«
Prosessdr Hoser sal) sie mit seinen
schweren Augen an. Er dersenlte
beide Hände in die weiten Taschen
seiner Hausjoppr.
,,Therese, ivie ist das nur möglich·
ich bitt doch nicht taub! Jch habe es
deutlich verstanden; eintuusend dero
nen.«
»Ja, sieh, mein Lieber, so irrt man
sich. Schließlich, drei und eins, es
klingt ähnlich, und ich gebe zu, das
ein Irrtum möglich ioar."
Sie zupste ruhig weiter.
»Nun, The-rese, da schreibst Du
eben an Lonis Jezet, wie sich die
Sache verhalt. vie soll die zweitau
send Kronen zuriictziehen.'«
»Aber guter, Lieber Mann, davon
tarin gar teine Rede sein. Was soll
Fraulein Jezet, dieses inißtrauischk
scharszungige Mädchen, von mir den
tcnt Was mit meinem Namen a
sangen? Jhn Herren-ein nicht wahr
Rein, das ist nun nicht mehr rück
gaiigig zu machen, und Du weiss
selbst sa auch sehr gut, dasz es Lin-.
drag leicht sallen wird, diese Summe
in drei Jahren zu bezahlen. »Ich
selbst werde ja niit ihm reisen, werde
alle Hebel in Bewegung setzen. Ich
bitte Dich, Vinceiiz, sieh die Sei e
doch mal ganz ruh:g an! Wie di
hast Du mir gesagt. er wird noch
einmal der Erste sein!'·
Die Gedanten des Professors gin
gen schon einen anderen Weg. Es
nahm seine Wanderung aus.
»Ja, Therese, sa, ich sage es Dir«
rasen werden sie! Jch kenne fie«
tenne sie seit meinen sangen, ganz
sangen Jahren. Wie er da steht« —
der alte Herr blieb mitten in der
Veranda stehen — »die Hände fest
uiii den Hals der Geige geschlossen
—- er preßte seine beiden Hände
zusammen — »und wie er iiber die
Menschen hinwegsiehy mit einem
schonen, strengen Gesicht, der Fürst«
wie die tleine Loiiy immer sagt, dad
das allein macht die große
Menge schon halb oerriiat, und dann
sein Spiel! Herrgott, ist der Mensch
eins init seiner Geige! Und dass
singt, das singt, und dieser breite
Strich, ach, Therese, man möchteibir
umarmen. Jch mochte es sehen, das
möchte ich bald erleben, wie dts
Menge rast.'«
»Schraub’ ihn nur nicht zu hoch
hinaus, lieber Vincenz!«
Sie halte ihn nun da, wo sie ihn.
haben wollte.
»Ach was! Jch stelle ihm ja
gar nicht die Ausgaben, die er sich
selbst stellt. Jch sa e es Dir et
ist die vertörpette nergie, sobald
es sich um die Arbeit handelt. Jch
wette« seine Ferien waren wieder
nichts als Arbeit. «
-« « su
»Mutter sum-us- (I« Yiccyckk
»Morgen, übermorgen, ich weiß
es sucht Schreiben, ist nicht seine
starke Seite«, ver Professor lachte
fröhlich, »sa, liebe Therese, Du bil
dest eine rühmliche Ausnahme· Die
Briese und die Geldsachen, die sind
uns Künstlern sonst ein Greuels«
vh Frau Therese legte den Arm um
I n:
»Nicht wahr,« sagte sie, »ich war
Dir eine gute Begleiterin all die
Jahre, und dann eine nmsichtige
Frau?«
»Ja, das warst Du.« Seine
großen Augen träumten schon wie
der in eine Ferne. Er strich über
ihr anr·
Seine Frau entzog sich ihm: es
war schwer genug, all die Wellen
und Locken richtig zu befestigen
CFortsetzung solgt).