Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 30, 1916, Sonntagsblatt, Image 10
W we klarer-. Roue..e von Georg Hirschseld Der Banldirektor Grevenberg fand sur Kriegszeit in manchen Dingen· Quellen der Befriedigung, die ihm ins fernen Friedensjahren nur Unbe-« quemlichkeit und Aergernis gewesen wären. Er hatte nun schon lange nicht mehr die schönsten Automobile der Kolonie Grunewald und wußte fie gern im Heeresdienst Nachdem er eine neue Einteilung seiner kostbaren Zeit vorgenommen hatte, bediente er sich nicht einmal täglich eines Brosch tenautomobils, sondern fuhr ost gut hiirgerlich in der Stadidahn nach Berlin und stellte in der Fußwandps rung von der Station Halensee nacht seiner Van in der Königsallee noch; eine Förderung seiner Gesundheit! fest. Ebenso befriedigten ihn die Ent-· dehrungen der sleischlosen Tage, da ihn ja die Teuerung der Lebensmittel nicht treffen konnte. Begeislert gera dezu lud er es aus sich, daß ihm die jährlich gewohnten Reisen durch Feindesgrenzen und umständliche Passe versagt wurden. Er zog daheim aus allen Opfern fiir das Vaterland eine gütig pedantische Nutzantoens hung, die aus seinem Wesen kam. Er predigte Frau und Kand, daß ge rade den Gesichertem Daheimgebliebei nen der Tag nicht in gedankentose Bequemlichkeit oersinken, sondern ihnen stets die allgemeine Gefahr de wußt bleiben müsse. Ob Marga, seine Fran, ihn mehr mit achtungsuoller Geduld als mit Zustimmung anhörte, konnte er nicht feststellen. Sie hatte nun einmal die schöne Unbestimmtheit ihres Wesens. Auch iiber die Wirkung aus Ulrich, sein Söhnchem war sich der Bantdis rektor nicht tlar. Der dachte vielleicht doch nur daran, zum Soldatenskiel wieder in den Garten hinauszukom men. Aber das war eben die Jugend. Die durfte so sein. Anton Greveni berg fiihlte sich seiner Frau gegen iider als Führer, dem Kinde bei allem spät gefundenen Vatergliicl doch mehr als Großpapa. Er war sechsundzwanzig Jahre älter als feine Frau. Ulrich war erst neun Jahre alt. WIWIH, kk Wllklllglc IT Ulls Urst ga, ohne etwa oberflächlich zu iein und gegen den Ernst der Zeit zu ver stoßen, auch jetzt im Bannlreise der derwiihnten Frau blieb. Das gab ja täglich soviel Licht aus sein sorgen schroeres Arbeitslebem Für sie sollte die helle Seite des Reichtums sein, siir sie und sür das Kind. Er stand auch beruflich dem Kriege riel näher. Jniniersort rollte der Geldstrorn des vaterländischen Besitzes, der keinen Ausfluß mehr nach Feindesland hat te, sondern ein genial gesiihrter Kreislauf war, an ihm vorüber. Das ob dein Finanzmann auch die tie ere Sicherheit, denn er wußte mehr als andere. Aber es herrschte noch ein zweiter Trieb in ihm, site die große Sache der Zeit zu dulden, den seine Frau noch weniger erfassen konnte als den beruflichen: es war der ganz persönliche, d:r den IMM ger damit quälte, daß sein Körper älter war als sein Geist. Daß er, völlig untriegeriich- nur daheim et was nützen konnte. Marga unter schiihte doch sein Temperament, da sie es durch den weisen Drang zur Gäste gebändigt sah. »Man muß mehr tun« —- dieses Gefühl beherrschte Anton Grevens berg. Dabei setzte seine Menschen freundlichkeit nicht aus. Ader er h.:ite endlich entdeckt, was ihn bisher unde sriedigt gelassen: Sein heim, ietn1 großes, prächtiges haus im Grunesl wald war es, wenn auch noch ioriels Gutes aus ihrn hervorging. Jtnmer wieder verführte es zu senern fried lichen Behagen, das auch unter das Kriegt-gesetz gestellt werden mußte. Zugleich rnii dieser Entdeckung war Anton Grevenberg ein Beispiel begeg net, das ihm sein Freundeskreis det. Es erleuchtete ihn, sein Entschzuß war gefaßt, und er nahm heute eine Automobildroschte, rnn von der Bank einmal schneller in den Grauen-old zu gelangen. Beim Mittagenen —- es war, was ihm heute itiametweiie schwer wur de, ein fiei chlvfee Teig —- biieb Gre venberg einsiibig. Es fiel nicht nur Marga, sondern auch Fröu!ein Bkkn und schließlich sogar iilrkch, ihnen Zögiisg, auf. »Was hast du denn, Papa-P fragte der Kleine piötzsich. «Gestern war doch ersi ein Sie-is« Maega lachte, nnd Grevenberg verlor seine Befangeuheii. Er wurde Ulrich schnell los, indem er ihm er laubte, den Nachtiäch im Garten zu ver-einem Bald so en sich Vater und Mutter allein gegenüber. «·«ch habe dir etwas Mitzuienm liebe Marga, du hast es mir gewiß schon eingescheu- Erfchcick nicht, es wird fiir dich, wie ich beiiimmt vor auifeße, nur etwas Angenehmes sein« Du hast dir doch gewiß auch die Frage vorgelegt, die mich, gest-indem täglich beschäftigt: wozu hat man in dieser eit ein ioi goßesw geradezu luxnrkö es Hat-ZU chen, wie wir, und lie« weiche es uuns in Wahrheit erhalten, habe- nichis dem-ni« i -«-«W meinst ve, Antoni« i Freiens-es machte eine etwas un-? Wut Bewegung Wiese Fee-ge sitzer nichi iibetlegi,: Marga. Jch meine selbstverständäichs unsere Krieger dranßen.« «Berzeib',« sagte March errötend. »Aber die konnte ich zu unterm hause nicht sogleich in Bezirk-Zug bringen« »Es est dir doch bekannt, onsz manche Lazarette überfällt sind. Und vielfach sind die Leiden mit been Ans enthalt darin nicht beendet. Jn vie len Fällen laan die Militärverwnli tung nur das nötigste tun. Wenn die Retonvaleszenten noch nicht wieder bienstsiihig sind, werden sie zu ihrer weiteren Erholung privater oder sa rniliiirer Pflege überwiesen Da be ginnen neue Schwierigkeiten Entwe der haben die Sanotvrien leinen Plan, oder sie sind unerschwingsich teuer — oder die armen Soldaten besiyen keine samiliiire Zuflucht. Kurz, liebe Marga » .« »Du willst einen Relonvaleszenten bei uns ausnehmen? Eine neue Ein qnartierung« Antoni« Grevenberg tnactte sich erst eine Nuß —- dann erwiderte er: »Das lehtere nicht. Wir hatten ja schon wiederholt Einquartierung —- hinten im Gärtnerhause —- durchreisende Mannschosten — aber das waren Selbstverständlichleiten, das rechne ich nicht. Jch beabsichtige jetzt hier vorn bei uns, und zwar im großen Gastzilnmer oben, einen Retonvniess zenten auszunehmen« einen Ofsizier, Marga, der aus dein Laznrett ent lassen worden ist« der dringend einen Erholungsnusenthalt braucht, bevor er on die Iront Hirn-geht« ,,hast du schon einen bestimmten ien Anges« I »Ja, das hab ich. Es handelt sich um einen jungen Leutnant der bei Yperii verwundet worden ist und außerdem· einen Nervenzusaninieni bruch erlitten hat. Von Flotoio heißt er. Er soll ein außerordentlich vor nehmer-, liebenswürdiger Mensch sein. Die Wunde ist iin Lazarett geheilt — aber die Nerven bedürfen noch der Pflege. Jch hörte die Sache von Heinz Simon, aber der hat schon einen Major iind lann den Leutnant nicht mehr ausnehmen. Da erbot ich mich. Es ist dir doch recht, Marga?« Grevenberg war gegen seinen Wil len erregt geworden, denn die pfleg matische Art seiner Frau, die ihin sonst so vertraut war, reizte ihn heute. Er erwartete Widerspruch. Aber Marga überraschte ihn:,,Selbst· verständlich, lieber Anton. Wenn du dich uber die Veränderung unseres ganzen hausstandes, die damit ver bunden ist, hinwegseßt —- ich tu' et gewiß. Der her-r Leutnant wird doch ooraussichtlich nicht kurze Zeit bei uns bleiben? Er iiiuß init uns ver kehren, an unserm Tisch essen — sol cher Anschluß gehört dazu-« «Selbstversttindlicht« »Ich nehme wohl auch richtig an, daß er ohne Angehörige und arin ists« »Ja, Marga —- ganz unter uns —- so verhält es sich. Ein bedau ernoioerter Mensch. So jung noch, so tapser und... Natürlich das Ei sere und das Berdiensttreuz· Uebri gens soll er durchaus nicht inehr hin fällig sein, so daß wir teine zu große Verantwortung übernehmen. Er braucht nur Ruhe, Behagen, gute Lust, teilnehmende Menschen. Er soll sogar sehr lustig sein können. Ach, das sreut mich, Marga, daß wir gleich eines Sinnes sind. Jch hab’ es ja dorausgeseßt. Aber du verstehst auch die höhere Befriedigung die man in einein solchen Fall... Na, wir find also einig. Jch telephoniere sofort an Heinz Simon, und über morgen haben wir unsern Retonvas leszenten hier.« H DJH Haus Greoenberg geriet in eine festliche Stimmung Das war euch in Zirieggzeiten selten. Selbst verständlich wurde keine Gelegenheit die schone Fahne zu l,issen, versäumt, aber einerseits die attetnde Bequem lichteit, anderseits das gleichmäßige Arbeit-sieben des Hausherrn, gab dem Laus der Tage einen etwas trocke nen Ernst, den Marga sich nicht de ivuszt werden ließ. Sie wurde damit fertig, weil es bei ihren Eltern in Hamburg auch so gewesen, und weil jede Auflehnung gegen übernommene Notwendigkeit gefährlich war. Nun aber hatte sie plötzlich eine neue Aus gabe. Ihr Gatte bestiirlle sie d.1rin — sie sollte ea dem Fremden, der in ihr stilles heim eindrang, so schön wie möglich machen. Sein Zimmer wurde ein Musterzimnier, die Diener schast ganz aus die Wichtigkeit ihrer neuen Pflichten eingestellt. Die größte Umwälzung aber bedeutete der ber annahende Ossizier siir Ulrich. Seine neunjubeige Phantasie war vollkom men durch die Berheißteng ausgefüllt, einen richtigen Leutnant, einen reden digen beiden von da draußen lennen zu lernen. Was auch immer diii Knabe-they, das in dieser gewalti gen Zeit erwacht war, bewegte, kam zu dem Unbeiannten in Beziehung Ulrich liebte seinen alten Papa — aber der blieb doch derselbe, genau wie in Friedenszeiten, siir Utrtchd Urteil wenigstens —-, der war so grau in all der bunten, abenteuerlii chen Herrlichkeit. Ulrich dankte es ihm aber, daß er ihm — so empsand er es —- einen lebendigen helden scheut te. Er stampfte den ganzen Tag mit Marschgesiingen durchs Bau-. Wenn inan ihn suchte, stand er gewiß iin Oastziinmer und träumte sich schon in des Leutnantg Anwesenheit hinein Piinttlich lam Herr v. Flotin Das Ehepaar Greoenderg empfing ihn am Haustor. Beglückt stellte der Banldireitor fest, dafz es sich wirt iich um einen durchaus gewinnencen T Menschen handelte. Ritterlich beschei-. den sprach er, da er jetzt erst Gele genheit dazu fand, seinen Danl aus. - Er überreichte Marga einen schonen. Rosenstrauß —- Unsinn so viel Geld dafür auszugeben, dachte Grevenbsrg — . dann gab cr Ulrich die Hand und trat, am Stock sich ziemlich leicht ve tvegend« in die halle ein. Sehr bleich war er noch, durchsichtig fast —- aber der Blick seiner lebhaften Augen bannte jedes Bedauern, das an iibertvundenen Leiden haften wollte. Aus Worten und Bewegungen brach beständig seine gesunde Jugend het vvr. Auch war ej deutlich, daß er von vornherein ein möglichst ange nehmer Gast sein wollte. »Ein tran ies Mädchen bin ich ja Gott sei Dank nicht mehr!" Das sagte er oft. Er zeigte, wie er gern lachte, wie glücklich er im Grunde über sein ganzes Dasein war. Ausfalien konnte es dein Beobachter, daß er sich meist an Grevenberg und wenig an seine Gattin wandte, obgleich er dieser bei jeder Gelegenheit eifrigste Arligteit bewies. Es mußte ihn schon bei der Ankunft betroffen haben, wie jung und schön Frau Grevenberg war. Herr Simon, .den der Leutnant schänte, mußte in seinem gütigen Eifer davon nichts erwähnt, sondern nur die bejaht-te Würde des Bunt direltorö geschildert haben. Matt, und nach all feinen Leiden leicht in Dämmerzustände geratend, wurde Herr v. Flotow zu allem Glücks-as seiner Beicht-werthen wloerfunr, durch die anmutige Wirtin verwirrt. Das war zuviel. Aber er faßte sich gewaltsam. Er hämmerte es sich ins Bewußtsein, was die strenge Pflicht gastlicher Dankbarkeit verlangte. All zu groß roar der Gegensatz seines Zustandes im Lazarett zu dem im Haufe Grevenberg. Deshalb wandte er sich, etwas ftarrer, ais es sonst feine Art war, immer wieder zu oem Mann und ahnte nur die Frau. Ulrich ließ nicht die Augen von ihm. Er wahrte sich, so lange herr v. Flototv im Zimmer war, einen Platz, wo er selbst nicht auffiel und den Helden beobachten konnte. Als der Retonoaleszent sich behaglich in einen seidenen Sessel zurücklehnte, hätte Ulrich ihm fast »Hu Pferd! Zu Pferd! Der Feind greift ant« zugerufen. Er biindigte sieh nur mit Mühe und hörte heute sum ersten Male mit gerunzelter Stirn, voll Ungeduld den Vater reden. Warum nahm er so oft das Worts Wenn ein Kriegsmann sprach, hatte der Bür ger zu schweigen. Alles Wissensrverte erfuhr man ja seht doch nur von einem aus dem Felde Außerdem diese weise, gesiittigte Sprechtveisr. Mit überschlagenen Beinen saß der Vater da und sprach von großen Taten, während das elettrische Licht sich in feinen Lackschuhen spiegelte. So kritisch dachte der kleine Frevler — niemand wußte es. Seine Mutter aber ftand in der ersten Stunde schon am Ufer jenes Stromes, der jenseits alles dunkel Prächtige. Ersehnte und Mißbrauchte der Jugend zeigt. Marga war ein hamburger Patrizierkind. Sie konn te, wenn ihr schon die unberechenbare Leidenschaft drohte, noch erwägen, was so gefährlich und hold auf sie zusam. Dieser Mensch, der plödlich vor ihr entfaltete, in ihrem streng g ehlossenen heim, in Gegenwart ihres tadellosen Gatten — dieser Mensch besass, was sie vor ihrer Ehe zuweilen im Licht gesehen und dann mit Pslichtschleiern unsichtbar ge macht hatte. Dabei war er auch ein Geschöpf der Pflicht, weit höher als sie. Was er von Gefahren und Taten erzählte, ließ goldene Bescheide heit iin unbezwetselbaren Dienste der ffci che erkennen. Seine Seele lebte vcin Vaterlande. Sein überwundenez Leid war deutsches Leid, seine Hofs nung deutsche hoffnung. Und er trat sröhlich, nicht belehrend. Er war os sen, nicht weise. Sein Gesicht be herrschte den Körper, und der Kör per war noch immer herrschend ge nug. here v. Floiow hatte den Reiz des Junkers, der erprobt worden. Sein Aristotratentuin war in zuver lässige Menschlichteit umgesehn Daß er sich viel weniger an sie, als an ihren Gatten wandte, entging Marga nicht. Es tränkte sie nicht, sondern im Gegenteil, es freute sie» weil sie ihre Wirkung daraus las. und es beruhigte sie, weil der junge Mann von vornherein das Feuer mied, wie ste, das junge Weil-. War es denn nicht auch bei aller schwin genden Lust dieser ersten Stunde eine Pein, daß Anton Grevenberg ah nungslos wie ein Vorwurf sele wirttei Daß er, je behaglicher und zufriedener er sich gab, ein schwer bedrohter Gegensas zu herrn v. Flotow wurdei Marga war jun ge nug, uin diesen Gegensai zu et,-en, aber sie war auch zu sehr das Ge schöpf der Ehrbarkeit, das dankbare Kind von Anton Greoenbergs Va tergüte, uin sich nicht davor zu ent seßen Sie machte es sich niit pocheni dein Herzen klar, während ihr Gotte und der Gast immer let-hattet wur den: Schuldig war hier niemand — daruin sollte es auch niemand wer ,ben. Was edle Harmlesigieit artige-s stiftet« durste nicht Verrat erdulden. Verzicht, Verzicht, dreimal Verzicht innr- die Forderung. Nur beinahe un erträglich blieb re, wenn rnnn jung war —- und Marga war jung — daß der Verzicht sich in die schönste Forderung kleidete. Sie siihlte einan Erstickendes in diesem Kampf. Als der Diener sich im Netenzimmer zeigte, suhr Marga, ohne seine Mel dung abzuwarten, nus und bat, zu Tisch zu gehen. Erstaunt sah Anton Grevenberg die sonst so Ruhige an. Aber er tannte nun einmal nicht wissen, was hinter Margns Wesens schleier lag. Er hatte es auch eigent lich niemals wissen wollen, denn der Reiz der Unbestimmtheit wnr ihm das Liebste nn ihr. Herr v. Flotoro erholte sich schnell. Anton Greoenberg war stolz aus sei nen Gast. Es blieb der seine Stolz der Güte, der sich mit nichts Aeuszers lichem brüstete, sondern sern von der Welt nur nus den Menschen sah. Der junge Ostizier, der wenig Liebe erfahren, bevor ihn der Krieg in seine eisernen Arme genommen, aus harte Waisen« nnd Kadettenjahre zurückblietend, erkannte den Wert dieses Burgcrgeiniita. Es tnt ihm wohl, sich immer sreier zu geben« im mer bertrnuter an den Interessen seiner Wirte teilnehmen zu können. Was ihm den himmel bewoltte, war sein naher Abschied — er fürchtete zuweilen, nicht entbehren zu können und unentbehrlich zu werden. Zu Marga hntte er bald ein tlarerei Verhältnis gesunden, und dieser Fund ließ ihn Gredenbergs Gastlich teit urn so tieser genießen. Durch die Drohung ihrer Anmut war ihm sieg hnst Margnit ehrensester Ernst sent gegengetreten. Es war ausgeschlossen, hier aus einen Abenteuertreg zu ge raten. Was ihn anderswo vielleicht gereizt und iiber manche Gewissens schwere sortgebraeht hätte — hier frano er mir gesenktem avps davor und erspart blieb, was er doch nur gefürchtet hatte. Um so stärker zog es ihn nun freilich an, in das See lenleben dieser wertvollen Frau zu blicken. Da hemmte ihn nichts, weil er sich auf erlaubtem Vor-en glaub te. Es fesselte ihn mit den Fäden des Erbarmens, ein unglüaliches Gliick zu sehen. Er erkannte in der innig sten Gemeinschaft qualvolle Einsam keit. Je mehr er Mann und Frau in jeglicher Weise fchiifztr. desto mehr betlagte er den Krieg daheim, der schwer genug war, und doch leine Fahnen, leine Zeichen der Ehre hatte Er aber, von einer tieferen Be iingftigung ergriffen, als jene, die er zuerst empfunden, hielt sich inbrün stig an das. war nur reine Treue, nie Versuchung gab· Ulrich wurde sein bester Freund. Er sah in die Kinderaugen des Vaterlandes, denn die hatte es eigentlich mit all sei nen politischen Sorgen und furchtba ren Waffen. Der. Glaube an Sieg war kindisch- darum echt. Er lebte in Ulrich, denn was war dem Kna ben eine Welt von Feinden? Leiden schastlich erwiderte er das Geschenk einer Neigung, die er nur ertriiumt hatte. here v. Flotow fürchtete zu weilen diefe Unzertrennlichleit — ohne von den Eltern dazu ermahnt zu sein, wies er Ulrich jeden Tag behutsam darauf hin, daß er nun bald wieder hinaus miisse, und daß dies der Abschied sei. Es war schwer, dem Knaben das letztere klar uma chen. Er hing zu tief mit feinem Leutnant zusammen — Abschied gab es eigentlich nicht fiir ihn. hinaus, zuriick in den Kampf — das sollte der Vergöttertr. Yiur zu vaiv kam es dazu. Herr v. Flotow erhielt seinen Befehl — er hatte noch drei Tage im Hause Grevenberg. Diese Zeit wurde ihm wie ein schönes, gefangei.es Tier, das immerfort festgehalten werden muß te, weil es entfliehen wollte. Er such te Ordnung, Ruhe hineinzubringem um auszulostem genießen zu tön nen Was stand denn hinter dieser quälenden Unrafti Was war ihr lauernder Sinn? Sah et den gewis sen Tod vor sich, wenn et zum zwei ten Male hinausgehen würdet Liebte er Marga? Beides wollte er nicht zu gestehen. Aus Angst vor Schwäche, draußen und daheim, mied er es· Ader er lonnte mit dem Unab wendlichen nicht allein bleiben. Da tat er, was ihm die letzten Tage irn hause Greoenberg nicht erleichterte, foudern erfchwerte. Es war eine rechtfchasfene Torheit. Bald nachdem er den Befehl erhalten hatte, machte er mit Marga und Utrich einen Spaziergang nach hundelehle hin über. Es war der erste, ungestüme Vorfriihltngstag. Alles drängte nach Gewißheit, nach Erlösung. Der dür re, märtifche Kiefernwald zitterte, wie von gebärender Kraft überrascht. Di schwarzen Radeln träumten von leuchtenden Blüten. Plsslich sagte Herr v. Flotow, was bevorstand. Ulrich lief am See ufer über den schwankenden Boden hin; er fchlug mit feiner Peitsche das trockene Schilf. Marga wurde bleich. herr v. Jlototv fühlte es ohne sie; anzusehen Sie schwieg lange — dann seufzte fie. Die Refisnations der ehrbaren swErstei lag darin, doch« auch die Aufle ung des immer wie derzurlietg , iu ngen Weibe-. Es ist ian t zu lindern-« fagte sie We« Jst-If ischts Schick lat. Mars sieht es voran-, und wenn ed kommt,l will man ei doch nicht wahr da den...« Sie stockte. Sie siihlre tond mit ihr durchging, und dnsi sie schon sast zuviel gesagt Aber ed war uninng lich, neue Worte dnsiie zu finden, die doch nnr lieststigten nichts zurück nahmem Machie er es nur wissen. Errötet, mit gesenktem Kopf ging er neben ihr. Man schwieg, bis man zur Billa zurückgelehrt war. Dant oar lauschte mnn heute, was Ulrich ndnungelos schwatzend immer wieder herantrug Doch Murg-e klammerte sich jetzt sester als se an Pflichten ilzr Muttersinn ertannte, daß es nö tig tvnr, auch Ulrich vorzubereiten Flotin bestärlte sie darin, denn er wußte, daß Ulrich seine Andeutun gen immer leicht genommen hatte. Um so betrossener waren er und; Marga, als aus Ulrich nach der Mitteilung der Mutter ein leiden-» schastlicher Schmerz hervorbrach« Jeßt erst schien er zu wissen, umt tvno es sich handelte, und die rauhe’ Wirtlichteit zu begreifen. Alles, was sein Held ihm zuvor gesagt, tonr nur Rausch gewesen. Miertrvuedig leid vall sah er nnn auch oft aus die Mutter, ganz von sich selbst sort, nur aus ihre Seele. Es war, old od er ahnte, was jenseit seiner Jahre log. Er verband sich mit ier mit geheimnisvollem Schmerz, er blieb nicht fkliei Fräulein Bern, sondern suchte immer wieder «Mamn'«, als könnte einer den andern trösten. So gingen sie am vorletzten Tage zu Dreien spazieren, diesmal durch den dichten, endlos gleichmäßigen Wald. Ein wunderbare-T- Verlangen tnm iider Marga und den Leutnant. Bei de wußten, daß sie in Ulrichs Ge genwart und durch sie allein aus sprechen lonnten, ivad möglich war. »Das Leben in alte-F tagte Fio iotv, aus den troetrnen Nadelboren starrend. Marga erschrak, aber ttttr durch den Klang seiner Stimme die Worte ängstigten sie nicht. »Man sündigt« toenn man sich nicht ganz an die Gewißheit hält. Wie r-iel Herrlichleit ist schon neben mir ge salleni Auch Patrotloö ist gestorben und tvar mehr als du! Nein, ich hasse jede Sentimentaiität. Das Le ben ist herrlich, aber es gibt nicht Genuß, sondern Pflichten oder rochl in den Pflichten den Genuß- Das muß man lernen —- dann kommt man durch. Was heißt seht deutsch sein? Seine Verantwortung lennen. Wer es auch immer sei...'· »Wer es auch immer sei.« Matga hatte seine letzten Worte wiederholt. Da wars er ihr einen heißen, zum erstenmal betennenden Blick zu- und sie erwiderte ihn, angstvoll ringend, aber mutig und tlar. Er sah rasch aus Ulrich und legte im Weiterschreii ten seine Hand aus den Kops de Knaben. »Der Lebensglaube schützt,« sagte Marga nach einer Weile. Er mußte thr zustimmen, obwohl sie es tonloä ohne Ueberzeugungslrast gesagt hat te. »Für die Kommenden geschieht ja alles — nicht wahrt« Er iah wierer aus den Knaben. —- ,,Noch viel wird geschehen müssen. Viel Unheil und viel Großes. Ach, wenn doch erst Friede lätne...« Wieder der leise, innige Ton, der doch nicht über zeugte. »Wir wollen nicht zu weit hinste sehen," fliisterte er. »Die Forderung des Tages ist zu groß. Das Beste lit, n wissen. daß in der Heimat Herzen sind, die —- ich meine — Herzen, die einem zuschatten — mit Wünschen nnd Gedanken —- Sie verstehen... Und was ich mit der Heimat meine, Frau Marga — nun, die ist wohl Jus beiden Seiten — draußen und ter...« Jeßt richtete sich plötzlich Ulrichs dunkler Blick zu den beiden Großen empor. Er schien auch Ungesproches nes zu verstehen· Seine Augen tun deten Trost und zugleich die War nung, nicht mehr zu sagen. Floren und die Mutter seufzten besteit. Jetzt i zähmten sie sich wieder. Mit ernsten, aber zuversrchtlichen Mienen gingen sie beim. Arn les-ten Tage, der den Gast in seinem Hause ließ, tat Anton me venberg etwas Besondere-i Er ließ sich in der Bant vertreten und bLieb den ganzen Tag daheim. Das glaub te er herrn v. Flolow schuldig zu sein. Der Freund —- denn das rrar er Anton Grevenberg and den Sei nen geworden —- sollte das volle Ge sühl mitnehmen, was sein Wirt siir ibn tun konnte. Marga wehrte sich nicht. Auch Ulrich larn zu leiner Er tenntni5, ob der gute Vater störte. Man saß den lehten Abend beisam men, wo man den ersten verbrucht hatte. So gern er auch alles noch in sich au nahm, was der liebe Gast zu geben tte — sein eigenes lVerz war doch zu voll: Anton Greventerg mußte wieder das Wort silbern. Den andern war es heute tteb — sogar Ulrich toar rntt dem ahnungslosen Mast-P einverstanden. Gan in tlsr stummet, schwebendes We tonnte die Jugend sich versenken. Das Alter sorntte zu tnniger Philosophie, was hier zu sagen oder besser zu schmti gen war »Ja, meine Liebenf sprach Anton Greoenberg, während das elettrtsche Licht wieder in seinen Laaschus here sp elte —- «nun lommt es dechf tvas ralte vorn ersten Tage an igewußt dabei-. Die Notwendigkeit sdie ebenso schwer. wie groß ist Jlse steil habt den Vorzug der gttietlii chen ugend —- tbr habt es euch oHelleicht nicht so zum Bewußtsein kommen lassen Aber Ja. wirkli, lieber Freund en chwird mir hart, ie ziehen zu lassen. Jch hätte Sie gern noch länger und sester an mein Haus gebunden gesehen-» Nun ja, die Pflichten —- wir wissen ja alle gleicherweise wag uns bindet. Aber unt eins bitt ich Sic: behalten Sie uns lieb.« Herr o. Ilotow gab ihm die hand. Er sagte nichts, und auch Marga schwieg. Ulrichö blasses Gesicht blicite zum Fenster, das den gliihenken Sonnenuntergang des Grunewalds auffing Es sah sast aus, als ob der Kleine lächelte. Nach dem Essen wurde bald Nacht gemacht. Herr o. Flotow mußte mor gen schon utn 6 Uhr heraus, und Anton Greoenberg sorgte bis zutetzt mit ärztlichem Eises, daß sein Pfleg ling sich nicht zuviel zumutete. Am Morgen standen, gegen die Verabredung. doch Marga und ill rich in der Halle, als der reisefertige Gast, bleich, aber frisch, zum Auto mobil hinaus wollte. Er drückte Marga die band und tiiszte seinen kleinen Freund —- dann stieg er ein nnd tlemtnte Anton Gredenberg, der noch an seinem Gepäck ordnete, sast die Hand in die Wagentiir ein. Noch ein Winten —- dann davongesaust. Eine plötzliche, löbrnende Ferne. Ul rich starrte der Staubwolle nach. Marga aber wandte sich weinend ab. —- »ttiun, Kind,« tröstete der Gatte, sie umsangend. »Man darf sich nicht so hingeben. Ich bitte dich.« Der türkische Eulenstiiegeb Der deutsche Eulenspiegel, der Erzsihelin, hat in der Iuitei ein Seitenstiiet in Nase Cddiri dessen Streiche auch in deutscher Ueberset zung erschienen sind. H:er ein paar Proben Das Badegeld. Nach einer Krankheit, die ihn ge nötigt hatte, siir liingere Zeit das Bett zu hüten. ging Nase Eddin zum erstenmal wieder ins ossentliehe Bad, ivo inzwischen neiie Leute un gestellt waren, die ihn nicht rann-en Als die Wär-irr bemertten, daß er nicht die Kleidung eines seiiken Mun nes trug, behandelten sie ihn nicht sonderlicy freundlich, sondern gaben ihm ein altes Badetiich und eine schmutzige Schutze, wie sie sich auch in ihren iveiiern Hilfeleistungin taig gegen ihn zeigten. Nachdem er mit dein Bade fertig war, verließ er den Ort, ohne ein Wort zu sprechen, iviirs aber ziir größten Verwunderung des Perso nals zehn Asper aus den Zahltisch, einen Betrag, den selbst oeriiiögeiide Leute tauin zu geben gewohnt ira ren. Einige Wochen sviiler iani Nase Eddin wieder in dasselbe Bad, und eingedenl der reichen Spende von damali, behandelte ihn das Perso nal init außerordentlicher Freund lichkeit. Wiederum sprach er tein Wort, legte jedoch, als er wegging, diesmal nur einen Asper aus den ZWHM Lrstaiint iiber diesen geringen Be tr«.,g fragten die Badetviirtm »Den, was bedeutet das?« ,,,O es hat alles seine Richtigkeit,« gab Hodseha zurück. »Dieser Asper ist die Bezahlung sür das vorige Mal; die beim vorigen Mal von inir gegebenen sehn Asper aber sind die Bezahlung siir heute-« Damit ging er. Das Almosen. Eines Tages trat Nasr Eban eng der Moschee und fand vor der Tür drei Blinde, die ihn einer nach dem anbern um etn Almosen baten. Er griff in die Tasche, tnertte inm, daß er tein Geld bei sich habe; da ek jedoch aus seine Weise eine Wohltat verrichten wollte, sagte er: »Da habt ihr einen Piaster. teilt ihn unter euch.« Die Blinden, in der Meinung, daß rr das Geldstiick irgendeine-n von ihnen in die Hand gedrückt, banttm dein Spender voller Freuren nnd slehten den Segen Allahs auf ihn herab « »Nun wollen wir teilen,« nahm einer von ihnen das Wort. «Wer’5 hat, der lasse wechseksi·« sagte der andere. Jeder von ihnen aber versicherte »Jch habe nichts, du mußt es ha ben.« «Rein du!« Von Mißtrauen erfüllt, das sich alsbald zur Wut steigerte» gerieten sie einander schließlich in vie Haare, nnd es entstand unter ihnen eine mörderische Prügelei. - Rate Ebdnt ah abseitsstehenb dem Treiben eine eile belustigt zu, dann näherte er sich ihnen und sagte «Warutn haut ihr denn so toll aus einander ledi« Da riesen sie alle zu gleicher Zeit: »Der ihn hat, will den Muster nicht teilen!« «O weh, ich sehe, er ist aut vie Erde gefallen. Da will icb ihn zur Strase iiir eure Raublust doch lieber Wieder einstecken,«« sagte der lustige stude- md sing lachend Davon.