Blaue Abt-in — Vloein ion clurn Reile (9. Fortsesiingx »Ja, sogar notwendig, ich will so bald wie möglich eine Stelle anneh men, an einer Schule oder in einer Familie ais Erzieherin.' Jniie beugte sich ein wenig vor .Eiitschuldige die Frage, List-» willst Du dat, oder mußt Du es « »Ich muti.« Jinre zog die Augenbrauen ztis stimmen« er irominelte aus der Tisch platte. «Da habe ich eine salsche Vorstel inig gehnbt,« sagte er, «tseiite ist ei niir eigentlich unerllärtich, wie ich dazu lam, zu glauben. Du wärest sinanziell unabhängig« Lisa lachte, ein sreies, harmloses Lachen: «Ytein, deutsche Beamtentöchler von zwanzig Jahren bekommen jeden Pfennig von den Eltern bewilligt, und wenn sie so bosaclig sind wie ich, dann hört das natürlich iius.'« »Wie hast Du das alles oenn ge mochli« »Ganz einsach, zuerst halte ich noch Geld, meine Taute, die liebe, alte Dame, mit der ich in viagusa war, war immer sehr ireigebig gewesen, da hatte ich noch mein ganzes, nicht kleines Taschengetd aus der Reisezeit — nn, und dann oertaiisie ich meine Schmuctsacheii, soweit sie nicht Fa milienandeiilen waren. Zuerst muß man leben, und dann taiin man sich schmiiäein nicht weh-W ere sub Lisa ausmerksain an. »Ja, und nun wird·g bald Zeit," fuhr sie fort, »daß ich selbst Geld verdiene, eiti wenig tat ichs so schon in Grande.« « L »Du laintrist aus einem hause, in dein Ueberflusz ist, nicht ioahr’t« ,Ja, aber das- inacht nichts, ich kann mich fügen, ich habe es tau sendmal heiser als andere Mädchen, die ihr Elternhaus oerliefzeii.« Noch brannte eine letzte Frage in Andras Jnire, ader feiii Stolz ver schloß ihm den Mund. Als oh Lisa sie erraten hätte, sagte sie wärmer, aufs Meer hinaus schauend: »Die schöne blaue Adria, ich werde sie nicht verlassen, ich suche niir eine Stelle, nicht allzu ioeit oon Lussiii, damit ich doch irgendwohin heim kehren tann, wenn es draußen nicht stiicti.« Dann sprang sie auf, als habe sie uoiel gesagt: «Jch sehe fchnell mal u vie Zeitung- iagie sie, Mai-ichs finde ich etwas Passendes siie mich." i Als ie zum Stäncer trat, kam dani ftedtner herein und feste sich» su ihnen —- und endlich nahte dieI -Uhsahrlszeit, man reichte sich diei ände: ,Alles, alles Gute!" rief Lisa. Sie Fand lange und winkte. All ie zu hause ankam, fand sie den Brief ihrer Schwester vor. i Tränen fchossen ihr in die Augen,! als sie die iindliche Handschrift auf? kein großen versiegelten linischlag sahJ »Oh, Frau Bartel, Herr Bartehi das ift ein Brief von meinem Schwe sterchen. Umgehend hat sie geant-« toorteti« riess Lifa. Da slog ie auch schon die Treppe hinaus. Sie las: f , Meine liebe, gute Lisal s Hättest Du doch früher geschrieben! ( Mußte wirklich erst Lore Ketteleri Dir sagen, wie innig ich mich sreuenl würde, von Dir zu hören? Jmmerl dachte ich, nun muß doch endlich eins Brief kommen, Lisa wird eine Mit telsperson finden, und immer eine neue Enttäuschung. Schließlich über fiel mich eine graszliche Angst. Wie, wenn Lisa nun nicht mehr lebte? Tag und Nacht mußte ich inir vor stellen, daß Du irn Meer triedest, er trunken! Meine liebe, einzige Lisa, wie konn test Du mir diesen Kummer machen? Alles andere war nichts dagegen. Nun Du lebst und gesund bist, ist ja alles gut· Du schreibst ukn Deine Papiere, hier hast Du sie, es war gut, daß sie noch in unserem Zimmer lagen, die Eltern hätte ich nicht danach fragen dürfen. Auch Deine Wintersachen werde ich Dir schicken, ich darf sie verschenken. Jch rnusz es Dir leider bestätigen, an eine Rückkehr nach hause ist gar nicht zu denten. Vielleicht hätte man noch irgendeinen Ausweg gesunden, ab s. da kam Großmutterö plöhliche Dxeratiom Tante Tende« ihre ein zige Tochter, kam nicht« Du tanist nicht, wir alle, auch die sonst so be sonnenen Eltern, hatten gar keine Zeit, irgend etwas auszudeuten, was ich gedectt hätte, nur um Zeit zu innen, Du verstehst mich sa rechts Großmutter starb, sie hat ihr kla res Bewußtsein gar nicht wiederer langt, und nun kamen all die Men schen« fragten nach Dir, wundertem sich, und da tat Vater das, was sei ner strengen Art so ganz entspricht, er sagte: Wir haben auch unsere Tochter verloren, aber aus eine an dere Weise. Ganz bleich und aufrecht stand er in dem großen, grllnea Empfangs-» stinmer, als er das sa te. Mutterl wandte den Kopf zu tgm hin, wies getiteeadwesend, ich dachte, ste würde umsinlen, aber nichts ereigneie sich. Sie blieb in der gleichen sicheren haltnng neben Frau van Hellow Im; die ergriff ihre blinde und ragte laut, nnl ihrer häßlichen, ble chernen Stimme: «Ja, ja, so lonnnt plöylich das Ungliitt iiber ein hau nnb man weiß nicht wie — aus hei term himmel.« Mutter ader entzog ihr die Hände und sprach ruhig. ganz deherrscht von etwas anderem, und alle unsere Freunde taten, als ob Vater etwas langst Bekanntes und Selbstverständ liches gesagt hätte. Und das muß ich sagen, damals degriff ich fo recht, daß en doch etwas Gutes ucn unsere strenge und ge sellschaftltche Crztehung ist, da lernt man Disziplin. Glaube nicht, daß ich Dich rnit diesen Worten treffen wollte, liede, einzige Lifa. Co flon rnir so aus der Jeder. Aber da es nun einmal gesagt ist, so will ich Dir auch beten nen, daß dieer der einzige Punlt war, der tnir bei Dir ganz uner tlärlich ist. Du warst doch immer sicherer und stolzer als ich, ich dachte, Deine innere Disziplin hätte Dich davor bewahrt, Dem Herz so ganz und gar an einen jungen, fremden Menschen zu verlieren, denn wie anders soll ich mir Deinen Satz er tlärem »ich hatte ihn verloren, wenn ich nach Hause gereist wäre, und ich lonnte ihn nicht derlierenl« Wie Dich, gerade Dich, eine solche Leidenschaft stir einen Mann, den Du so wenig tanntest, erfassen konn te, daß Du alles, aber auch alles htntvarsst, was bisher Dritt Leben ausgemacht hatte, und vor allem, daß Du uns aiie, oie wir wich lieben, sv lief lraiiltest, das suffe ich nicht. Jch habe Dich eben nicht gelangt, aber ich habe Dich lieb, auch so, wie Du bist und Rudolf und ich, wir. bleiben Deine Geschwister. s Du sagst fa, Dein Verlobte-.- seit noch iii der Ausbildung begrissen,; sung und ganz außerordentlich be-» gabt. Wer weiß, vielleicht macht ers seinen Weg, und Du tehrst in eini-; germaszen geordnete Verhältnisse zu riia, soweit das bei Künstlern mög lich ist — entschuldigel Rudolf uiid ich, ioir wünschen Dir jedenfalls von Herzen das gleiche Glück, das uns umfangen hält« und uns uns unempfindlich gegen Nabel stiche und Quertreibereien m.icht. Und nun schreibe mir recht bald wieder. Wir loollen viel voneinander hören. hoffentlich findest Du eine gute Stelle. Mein lieber Rudi läßt Dir sagen, Du möchtest es schreiben, wenn Du Geld brauchst. Seine schöne und liebe Schmägerin Lisa sollte stolz und schön bleiben, und ioir tönnten den Gedanken nicht ertragen, daß Du ir gendwo jammervoll unterfchliipsst, nur uni des elenden Geldes wegen. Vergiß das nicht, meine einzige, gute Schwester. Jch habe nichts wie Güte von Dir gehabt. Deine treue, tleine Grete. Lisa preßte den Brief an sich, ihre Augen leuchteten. Nicht alles, ivas er enthielt, war gut, und doch stand sie da wie ein Blütenbauin im Früh ling. Jn einer seltsamen, sprunghasten Gedankenverbindung hörte sie das liebliche, tlare Salzburger Glocken spiel, wie singende Stinderstiniinem Und nichts ais Gutes sollst Du von mir hören, treue tleine Schwe ster, dachte sie« und Du, da drüben aus Deinem weis-en Schiff, trotzt-get Jnire, wie eine Etahltlinge so seiii und scharf, wie bist Du mir in dic sen Tagen ans Herz gewachsen! Achtzehntes Kapitel. Peter Bartet hatte sich fo recht darauf gefreut, Tag fiir Tag mit seiner begabten echulerin zu arbei ten, und seine Frau tonnte sich den Winter ohne Lein gar nicht vorstellen, aber schließlich mußten sie es wohl einsehen-daß ihr schöner und einst mals zahmthogel aus dem engen Käfig heraustvolltr. »Ich muß ani eigenen Füßen [tehen,« tagte iie immer wieder, «hier derdtene ich wenig oder nichts, und Schulden machen, das will ich nicht.'· Es nähte auch nichts, dem großen Mädchen zu sagen, daß inan io froh wäre, wenn sie als Gast bliebe: dann umarmte sie Maria Bartel und lachte. Da blieb nichts andres übrig, rnun mußte ihr helfen hinaus flie gen. Zeitungen wurden durchgesehen, Geiuche aufgegeben, Briefe geschrie ben und endlich —- der Oktober ging schon zur Neige — tam ein Ange bot aus Zara auf das man ein ging. Die frau eines Maraschinofabris tanten uchte eine Erzieherin für ihre Kinder von acht bis vierzehn Jahren. zwei Mädchen und einen» Knaben. Die Bedingungen waren; nicht ungünstig,und Zara war Luisinl io nahe, der Flug war nicht weit, man ließ Lisa ziehen. . Brieie waren es nun, Briefes aus Wien, aus Zara, aus Lussin.: die das Leben der Freunde umspann im. Van- Geitedtnet an Maria BarteH Da wären wiei Können Siei sich vorstellen, wie aus einei Jedes-V gen alten Rumpelkammer ein freundliches Biedeimeierzimnier wirdi Rein. Sie lönnen es nicht. Da müssen Sie meine Mutter fragen. Niemand sonst weiß, wie man das ma t, wie man Tapeien mit tleinen utetts ausllebt, wie man Mitlloerhtinge an Sachsen stern anhringt, Eclbretter an streicht und mit gedliitnten Vo lants verziert. Das alles und seht viel mehr, was ein Schädel wie meiner gar nicht versteht, das gehört zu den vielen Geheimnissen meiner Mutter. Jn so einem Zimmer wohnt nun unser Andtag erc Mit dem natürlichen Anstande eines Fürsten nah-n er Besitz oon seinem Reich. Ei danlt nicht viel, er sagt nicht viel, er sieht meine Mutter nur so an, so eigen, Sie tennen ja seinen ernsten Blick, er geht auf sie zu, küßt ihr stumm die Hand, und meine Mutter weiß nicht recht, wag sie daraus machen soll. Ahnte sie, daß er ein halber Zigeuner ist« dann würde sie sa gen: der Mensch hat gar keine Le bensart, aber so sagte sie nach her zu mir, er hat so etwas Fei erliches, und wie gut ihn das tlei det· Er hat überhaupt viel Stil, sagte ich. Da hatte ich abei aus den saischen Knopf gediiicli. Meine Mutter sah mich oernichtend an: was weißt Du Grünling don Still Na, da stand ich begossen da. Mut ter ist immer dieselbe, man möchte sie dafür uinatinew Ich ließ ee mir nicht neh men« Aiidras heim Anspaclen de hilslich zu sein« Dat- genierte ihn offenbar, aber ich ging nicht fort Glauben Sie, daß er ein ein-' ziges Mal irgend etwas im Zim mer näher betrachtet hättet Nein· Mein- Mutter hat nur so ost ge sagt, laß doch die Finger von den Sachen. Das braucht Andras tein Mensch zu sagen, er hätt sogar die Augen zurück. Jch sragte ihn, ob das Bett auch bequem ware, ob er noch ein Kissen oder eine Decke wünschte. Er sah sich das Bett gar nicht an, er sagte nur, alle-r ist mehr als gut. Dann nahm er mitten während des Postens seine Geige heraus, ganz zärtlich saßte er sie an, ob sie die Reise gut überstanden hat's meinte er. Und nun vergaß er mich. Jch ließ aber nicht nach. Meine Mutter wartete mit dem Nachtmahl, sagte ich ihm, und da war er im Hand umdrehen fertig Nun soll ich auch noch von mir erzählen, nicht wahrt Meine Mutter sieht mich immer wieder mit glänzenden Augen an und sagt: «"e3chaust Du aber gut aus, Hansl, nein, schaust Du gut ausl« Wie sollte es mir auch besser gehent Jch tornme von lie ben Menschen, bringe einen lieben Freund mit und bin bei der lieb sten besten Mutter. Andras ere an Maria Bartel. Drei Tage bin ich jetzt schon in Wien, und ich habe Jhnen noch nicht gedankt· Ost dachte ich, wie soll ich dankent Es ist zu viel. Jch schäme mich jedes Wortes, das ich sagen iönntr. Sie und Jhr Herr Gemahl, Sie haben mir unendlich gegeben, immer ge geben. Wenn ich Ihnen einmal bewei sen tönnte, wie danibar ich Ih nen bin, dann wäre ich sehr gliiets lich. Jch liisse Jhre Hand, verehrte liebe, gnädige Frau, und sende dein herrn Gemahl viele Grüße! Lisa van de Sundt an Maria Bartel. Wie ist es hier so ganz anders als in Jhrem lieben, weiß-ti, stil len Haus! Jch denle jede Stun de, nein, eigentlich immerfort, an Sie und Jhren lieben Gatten, an die Bilder, an die Blumen, an mein kleines Giebelzimtner, an den Garten, ja sogar an Lenetl und die Hühner. Ab-r ich will von vorn anfangen und genau berichten, wie ich es versprochen habe. Wir hatten damals schon in Za ra angelegt, aber es war kein llas rer Tag und wir waren in eine größere Gesellschaft geraten, da steht man immer zu wenig. kurz, Zara war wieder eine Ueberra schung siir mich. Wenn man herangesayren tommr, » liegt es ganz flach und weit aus gebreitet da, wie eine große Stadt. Die hohen hellen häuser am User täuschen eine ganze Reihe eleganter Hotels vor, und herrlich ist das viele Grün aus der «Maraschino seite,« so habe ich unsere Gegend gleich getauft. Die Fabriken und Villen der Litörerzeuger liegen jen seits eines Wasserarms, in Gär ten, von Bäumen umgeben. Jch bin noch nicht dahinter gekommen, ob dieser Wasserarcn nun ein Stück Meer ist oder die Einmiindung ei nes Flusses. Jn heimattunde tann ich meine Zöglinge noch nicht un terrichten! Dat- wird aber auch gar nicht verlangt. Aber ich schweife wieder ab. Das Schiss lies an. Jch dachte wirtlieh, es würde irgendeine hohei Persönlichkeit erwartet, der ganze Sendung-May nebenbei bemerkt, so etwas wie eine holpeeige, son nenoerbrannte Wiese oder ein ver nachlässigter Bauplay, stand voll von Offi ieren. So ziemlich die ganzen ienftsreien mußten ver sammelt sein Später bemerkteich dann, daß die Antunft des Damp sers zuin Abeiidtorso gehört —- die Verbindung mit der großen Welt ist —- fo, wie bie Leute in lleinen Stödten zum Bahnhdf gehen, wenn der DiZug lbmmt. Niemand holte mich ab, ich hatte du«-: auch nicht erwartet. So über gab ich Koffer und Oandgepiick einem der braunen, nialetischen Kerle, und wir machten uns zu Fuß auf den etwas langen Weg. Ja, wenn Jhr lieber Mann die Van sähe, vor der wir anlangten, er betäine eine Gäniehiiui. Roter Baasieinbuu niit viel St.iet, rechts und liiits aus der Treppe rachiiische Engel mit Fruchtfchalen Ein Hund sprang aus der Tür und bellte uns wütend un. Das Haus liegt an der Haupt stiasze, hinter einein oerfchnörtels ten Gitter und einem schmalen Gartenftreifen Mein brauner Begleiter hatte mehr Couiage als ich, er öffnete dag- Tor, versuchte den Hund zu beruhigen und lliugelie un der Haustur. Jet; folgte ihm. Die Engel starrteii mit hervorquellen den Augen geradeauö. Dann öffnete eine dunkelhiiiirige Kleine die Tür, hinter ihr stand ein Dienstmädchen « f Die Kleine sagte: »Und Sie unfer neues Fräuleins« »Ja, das bin ich", ich gab ihr die Hund« »ift Maina zu haufe?« Das Dienftinädchen fagte höf lich: »Bitte, treten Sie näher, die gnädige Frau ift ausgefahrem sie wird zum Nachtmahl zu Haufe ein.« Man begleitet mich zu dem Zimmer, das ich bewohnen foll. So ganz anders als mein tlei nes Giebelftiibchenl Da ift ein helles Zimmer mit fürchterlicher Tapete, ziegelrot, mit einem großen Blumeninufter, der Fußboden mit Linvleum ausge legr, gelbgriin« ebenfalls mit Blu menranlen, die aber ziemlich ftarl abgetreten sind, und in dem Zim mer drei Betten. »Hier schlafen wir«, fagte das dunkelhaarige tleine Mädchen, »und das da ift Jhr Bett.« Da mit ging sie auf ein braun geftri cheneö Bett zu. »Und hier fchläft Franzl", jagte sie. Rita, fo heißt die Kleine, öffnete die Ta petentiir. Jch fah in ein freund liches kleines Zimmer-. Wie gern hätte ich diefes Zinnnerchenl Abends bei Tifch lernte ich dann die ganze Familie tennen. Der Vater ift ein cnagerer klei ner Kroat, ziemlich worttarg, da fiir ißt er time gekaufchooller. Die Mutter ift Jtalienerin, ebenfalls klein, torpulent, blaß, unglaub lich heraus-geputzt- Sie fpricht im merfort, mit einer nionton rattern den Stimme. Das älteste Mädchen, Melanie, betrachtete mich während der gan zen Mahlzeit init einein lanernden, mir unangenehmen Interesse Sie ift vierzehn und ein halbes Jahr alt, aber sie trägt fich wie eine tleine Dame: gebrnnirtes Haar, Ringe, Armbänder, ein überm-oder nes Kleid, und ich glaube auch, fie ift gefchmintt und gepudert. Sie gefällt mir garnicht. Der Junge ifi elf Jahre alt, er befucht die Realschule; ich habe ihm nur Nachhiljeftunden zu ertei len und die Aufgaben mit ihm durchzugehen. Die lleine Nita ist ein freund liches, zutraulicheg Rind. Alle drei, ebenfo die Eltern, ha ben fehr schlechte Manieren. Man weiß nicht« wie man die Kinder nufmertfam machen foll, wenn die Eltern mit dem Messer essen, Kno chen in die Hand nehmen und mit den Zähnen abfuchen und der gleichen mehr. Das gefchieht alles mit der größten Unbefangen heit. Nach Tifch bat ich die Mora fchino - Mutter um ihre Weisun gen. Morgens um sieben Uhr muß ich mit Frsizl frijbstiicken und sorgen, daß er zeitig und mit allem versehen zur Schule kommt. Er hat einen ziemlich weiten Weg. Um acht Uhr wird den Mädchen das Frühstück aufs Zimmer ge bracht. Melanie stühstückt mei stens im Bett, Rita springt her aus, wirst einen kleinen Kimono über und setzt sich an den Tisch am Fenster. Die Dame Melanie duldet übri gens meine Anwesenheit im Schlaf zimmer nicht, oon dem Augenblick an. da ich es morgens um sieben Uhr verlasse. Um neun Uhr beginnt der Un terricht, ich werde mich in der Zwischenzeit siir die Schuistunden vorbereiten, wenn Madame nicht etwas anderes bestimmt, und das habe ich schon bemerkt: die Tages ordnung fiir vie Tochter wird sehr ! oft umgeworfen Wie alles werden wird, weiß ich . noch nicht, aber ich werde mich ein gen-Ihnen. Die Abende habe ich leidet nicht siit mich allein. Wenn Besuch da ist« sagt Madame, soll ich hel fen vie Gäste bedienen und un terhalten, sie hätte gehört, baß es in Wien seht allgemein als seiner gilt, vas Personal fern zu hal ten« falls vie Gesellschaft nicht groß ist. An drei bis aier Aben aeii in ver Woche wären immer Gäste iiii Hause, vie anderen Abende sollte ich mit ihr over ih rer Tochter Melanie verbringen. Melan:e ginge nur selten mit in Gesellschaften und könnte doch nicht allein sein. Wenn alt das nicht eintrisft, kann ich mich iii das Schulziinmer zurückziehen Das tliiigt alles schlimmer, als es ist, scheint mir, denn so viel sehe ich schon, eine fest Ordnungl gibt es hier im Hause nicht, ein s jeder inuß sehen, ivie er durch-I kommt. Nun ist mein langer Brief zu Ende, der Ihnen ungefähr ein Bild meiner neuen Umgebung und meiner Aufgaben gibt, und ich glaube, ich habe nicht übertrieben, als ich zu Anfang meines Brie fes sagte, alles ist si- ganz anders, als in Ihrem lieben, weißen, stil len Haus. Jch werbe mich schon butchsitis den, aus macht mir keine Sorge, aber wie ist mir nun vie ganze Zeit verklärt, in der ich bei Ihnen war! Als Lifa dieer Brief zum Post laiten gebracht hatte, begegnete ihr Herr Butt, der Marafchinofabritanr. Er hielt die Hände in den Tafchen feiner Joppe, fah sie blinzelnd an und jagte: »Ist jetzt tein Unterrichts« Es war drei Uhr nachmittagö. «Nein, Herr Vuic, Melanie ift heute nachmittag eingeladen, sie be kam die Erlaubnis, fortzugehen, Franzls Stunden beginnen um fünf Uhr und Rita schläft; sie war nicht ganz wohl.« »Mit-i müßte geweckt werden« «Frau Vuic wünschte, daß Rita liegen blieb-« »Sagen Sie mal, Fräulein dan de Sandt, wie all find Sie eigent lich?'« »Im Februar werde ich einund zivanzig Juhre.« »Ich hielt Sie für älter. Hatten Siefriiher eine Stelles« »Nein, Herr Vuir, ich fchrieb das auch, als ich niich uin die Stellung in Jhreni Hause bewarb.« »Nichtig", Herr Vuir betrachtete Liia wie einen Gegenstand, »meine Frau jagte mir fd etwas. Da werden Sie es wohl nicht fertig bringen, meiner Kindern eine et was firaffere Zeiteiiiteilung beizu bringen?" »O doch, Herr Vuic, aber ich habe kein Befiiminunggrrcht.'« »Richtig, richtig«, jagte Herr Vuic wieder und iiictte mehrere Male, legte den Kopf auf die Seite und fah Liia verliiiffeii an, »du wird es eben beim alten bleiben« Lifa wollte etwas erwidern, Herr Vuir fchiiitt das mit einer kurzen Handbewegiing ab: «Machi nicht viel, Fräulein dan de Sandt, eg sind ja Mädel. Ver fteheii Sie übrigens niit der Schreib inaichine umzugehen? Sie könnten iin Bürd helfeii.« , - Lisu zog die Augenbrauen uuchx »Man es nicht vielleicht besser, baß ich versuchte, meine Stellung als Erzietserin zu befestigen und guts augzufiillen?« Herr Buic sah sie belustigt an: ,,Versuchen Sie es — ja, versuchen Sic!« Er faßte leicht an seinen Hut und ging weiter, zur Fabrik. Als Lisa nach Hause lam, ließ Frau Vuic sie zu sich bitten. Sie lag in dem engen heißen Wintergars ten, der an das Speisezirnnier an schloß, hatte eine Schachtel mit Liber zuclerten Früchten neben sich stehen und streckte sie Lisa entgegen. »Da, nehmen Sie, Fräulein ban de Sandt, und erzählen Sie mir et was, es ist so still im Hause. Spre chen Sie Jtalienisch?" »Ja, aber sehr ungelenk. Wir hat ten zu mehreren jungen Mädchen einen italienischen Kursug, haupt sächlich Konbersation, aber niemand hatte genügend Ausdauer.« »Ausdauer,« ahmte Frau Buic nach, »das ist wieder so etwas recht Deutsches, hä?« »Ja, ich glaube,« sagte Lisa, zog die Uhr und sah Frau Vuic un schliissig an: »Soll ich nicht doch Rita wecken?« »Rita ist ausgestanden, als Sie kaum sort waren, sie spielt im Gar ten.« »Da kann ich Jhnen leider nichfd Gesellschaft leisten, gnädige Frau, Rita hat ietzt stanzösische Stunde.« Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ Lisa den Wintergarten. Frau Vutc sah ihr verblüfft nach. Sie hat zu tun, was ich will, dachte ste, diese Deutschen sind eine starr töpsige Gesellschaft, und hochmütig scheint das Mädchen zu sein. Na, das wird sich In geden. Sie nahm ein Buch zur hand. —- — Mehrere Tage später ging Liiu quer durch die schmalen, alten Stra ßen Zaras dem Stadtgarten su. Es war ihr erster sreier Abend. herr und Frau Vuie waren eingeladen,· Melanie war von einem Besuch bei einer Freundin noch nicht zurückge kehrt, und die Kinder schlieseru s»Lisa sehnte sich danach, allein zu em. Sie beachtete ihre Umgebung kaum, den Weg zum Stadt-arte lannte sie genau, sie hatte ihn sich nach einer Karte eingeprägt und so eilte sie dahin, wie ein Dürstendet zu einer Oase. An dem Brunnen vorbei, die breite Steintreppe hinaus, ein« an steigender Partweg, und da sah sie iiber die breite Mauer hinw aus die tiesliegende Landstraße inab, sah die herrliche »Porta terra sercna" in der schwachen Heiligkeit einiger milden Laternen stehen und fühlte sich erlöst von der erstickenden Talrnii Eleganz und der Unruhe ihrer neuen· Umgebung Es war ein milder, dunkler Abend. Lisa setzte sich auf die breite Mauer und lehnte sich set an einen· Baumstanun. Sie trank die Stille« und Duntelheit, die Schönheit des alten römischen Tores und das leise Rauschen des Meeres. Da nahten sich Schritte. Lisa sah die Silhauette eines schlanten Ossi ziers und an ihn herangedrängt ein utitersetzteg, trästiges Mädchen Ehe das Paar bis zu ihrem Platz gelangt war, gingen sie ins Duntel hinein. Dort mußte eine Bant stehen, denn Lisa hörte, wie der Leutnant sagte: »Komm, Schassi. hier können wir’s aushalten, se Dich hierher,« und er schlug leise au? sein Knie. e , hör auf, Du frecher Buhl« »Nein, anfangen möcht ich,'« hörte sie eine unterdrückte Stimme sagen. Dann wieder Kichern und Lachen. Lisa war der Horcherposten pein lich, sie erhob sich, um weiter zu ge hen. Aber auch das Pärchen, das ihre Bewegung gehört hatte, schien aufzustehen. Unwilltürlich fah Usa zu der Richtung der Bant hin, aber auch ein anderes Gesicht lugte aus dem Dunkel: es war das der Me lanie Vuic. Ohne sich zu besinnen, trat Lisa auf das Mädchen zu. »Me1aniel« rief sie leise und zor nig. »Ah, Fräulein van de Sandt,« sagte Melanie gedehnt, hämisch, »we· treiben Sie sich denn abends herum? Wirklich hübsch! Kaum sind die Cl tern fort.« Jhre Stimme zitterte vor Wut und Erregung ,,Lafz das Melanie, Du gehst so fort mit nach Hause.« »Fal« mir nicht ein. —- Ach, Herr Lentnant, kommen Sie doch her und schauen Sie sich das Fräulein hier an, unsere neue Lehrerin« Sie lachte hohnisch aus. »Melanie, hast Du denn gar lein Schamgefiihl,« sagte Lifa leise-« Ter Leutnant tam sichtlich verle gen, aus dem Gebüsch hervor· Als er Lifa sah, legte er sofort grüßend die Hand an die Mütze Ein sicher-es, schnelles Gefühl sagte ihm, daß er es mit einer Dame zu tun hatte. «Verzeihung, gnädiges Fräulein, ich bin die Veranlassung zu diesem kleinen Zerwiirfnis. Jch wollte Fräu lein Vuic nach Haufe begleiten und schlug diesen, allerdings großen, llmweg oor.« »Herr Leutnant,« sagte Lisa kühl, ,,nun bin ich hier, die Erzieherin von Fräulein Vuic, und ich werde es übernehmen, Fräulein Vuic nach Hause zu bringen« Der Leutnant tlappte die Harten zusammen, grüßte achtungsvoll und ging auf Melanie Buir zu, um sich zu oerabschieden. Die sah ihn trotzig an und beach tete seine Hand nicht. Da llappte er nochmals die hak len zusammen, grüßte: »Habe die Ehre, tiisz' die Hand," und ging mit langen Schritten voraus. Lisa sagte ruhig: » ,,Jch habe Eure Unterhaltung ge hört, ich saß da, ini Dunkeln, aus der Mauer, Melanie, es war nicht meine Absicht zu lauschen.·« »Gehen Sie nur gleich zu meinen Eltern,« sagte Melanie zoriibebend, »und erzählen Sie ihnen alles genau, Leutnant Dobisch und ich werden schwören, dasz Sie eine Lügnerin sind.'« »Melanie, Du bist nicht bei Sin nenl« sagte Lisa. «Ueberleg’ doch ein« wenig, wag Du sprichst." »Nein, ich überlege nicht« ich will nicht überlegen,« Melanie stampste wütend aus die Erde, »ich hab' es gleich gesehen, Sie sind ein falsches, widerwäriiges Geschöpr packen Sie sich sort oder ich — —- ich spring' hier von der Mauer herunter.« Sie rannte sinnlos auf die Mauer zu. Lisa riß sie am Arm zurück. »Dumineö Mädchen,« tagte sie, nun auch erregt, »so ivas tut man nicht!" Plötzlich schlug Melanieg Stim mung um. Sie fing an hilflos zu schluchzen. (Fortsetzung folgt)