Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 09, 1916, Sonntagsblatt, Image 9

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    Sonntag-blast de
Staats Anzetger und J cerold
,Nek»vmtekmef
set rit- Faustrecht-m
Von Eliiabetli blnnlenitieknni Warnen
Fiik Rechnung anderer zu eilst-ie
ken und ein günstiges Ergebnis der
langen Zahlen-reiben der Kontobiicher
zu erlangen, ift bedeutend leichter als
das ewige Kopfeeeimen file den Pris
vcitgebkliuclz. Darüber war sich Ha
mld Bage seit langem llat. Jahmus
jahrein lan e: in bescheidener Stel
lung nor dem gebeizlen Pult des geo
ßen Gelchäftilqaitses. Doch hätte er
selbst nic unle: seiner Dußenvitellnng
gelitten, wenn er nicht eine junge, un
gewöhnlich schöne Frau gehabt hätte.
Auch sie hatte rot der Heimt im Kon
lok gesessen -—— nnd zwar in einem
dunkeln, engen Raum, an dessen Dop
pelpuli nur sie und Das Geschäfts
fnktolnni ankamen ein miitrifcher
Querlepf jenieits der fünfzig.
Ale- analn seine Eva auc- dem
sinsteeen Lin-un in den goldenen Son
nenschein beli« der iiber ein glückliches-,
neues Heim innen strahlten die bei
den, nnd Evas Augen hatten einen
lseeanbeknden Gland.
« werde unser Haus hüten wie
rin lotdnres Kleinod, Haeald,« sagte
sie, die Arme uin seinen Hals legend
»Nun. bin ich reicher als irgendeinen
denn ich habe ·teinen Wunsch mehr-K
-— Und zwei. drei Monate lebten sie
Ein Paradies, ohne daß die Schlange
sich zeigte. Wie bekannt. nimmt dieses
historische Tier vielerlei Verkleidun
gen en, aber Hnruld lvor weit davon
entfernt, sie in der Gestalt eines —
rosenroten Sonnensniirmed mit eine-n
Rand von weißen Tansendschönchen
«;u vermuten. Dieses lleine Kilnstwert
lockte ixzn während der ganzen letzten
Maiwoche nn. sobald er an dem
Schauienitcr vorkiberlnmp in dein die
Versuchung prunlte, und immer wie
der steute er iich cor, welchen Reslex
der tote Srtsirni aus Evas zarte
·Zoiittl)aut weisen würde. Wie eine
Glorie der Abendsonne würde er ihre
Schönheit umstrahleiu Und ee snh
ihre danlbnre lindliche Freude, dns
Lächeln unr ihre roten Lippen, die et
cui den keinen kühlte —- ouch wenn ee
weit sort von ihr in seinem Flontor
saß« til-er oie tiliesenlontueen der Zis
sernberge gebeugt
Und so geschah es, dass am lebten
Tage des Monats-, dem Zahltage, ver
meist des roten Zonnenichirnies sieg
te. Und die Szene bei der Heiniletsr
ione ganz so. wie Hnrald sie sich von
.xeitellt hakt-. lica jubelte:
»Wie habe ich etwas so schönes de
sessen Nun kuns: itti mir einen weißen
Hut und ein weißes Strxrszentleid dass
;u nnschnsseu - du magst doch(
«:tkeisz?«
»Gebt es ninit vorläufin mit demt
blauen, Klein-Such
»Ju. siik nllc Tuns-, wenn der Zon
:ienscl)irm im Schrank steht und dont
einem entziickenden tieinen Sonntags
Ousslnq mit dir träumt. Doch wnrsl
nu nun einen-il so töricht, mir ein so»
tostbzree Geschenlt zu machen, to«
n uth du dich auch darein sinden dnsz;
alles- cnderc in demselben Stil ist« s
»Wir but-ei aber leinc Mittel zu«
l xtenungnnzen Exie blingk
»Wir brauchen jn nicht gleich zu be
-:.ililen geliebter Tinnmlops Nach und’
nach ioerde ich mir-die Summe schon
ersparen. So und nun ist die Sache
erledint«
i
—·— Hurnld kam mn nächsten Mut-s
qen .:n dem Ichnusenster voriiber. nn
dem er so lange mit dem herriichen
Sonnenschirni geliebäugelt hatte, und
versuchte sich einzubilden, daß er sich
sehr freue, ihn seiner entzückenden
lka getauft zu haben. »
Aber tatsächlich hatte der brave Hin-.
roth ein böses Gewissen. Er vertrnxs
das Kreditsnstein nicht, die gegensei
tige Aus-deutlian der menschlichen
Mulmiitigteit
Allerdings blendete ihn der Anblick,
als- Cvn ilsn einige Tage später, die
Schirtnglorie um den seinen Raps,
uns dem stonior abholte; aber feind
lich schielte er nackt dem eleganten un
schuldweiszen Weit-, nach den zierli
chen Schuhen nit der hochmooernen
Form und nach dein lhul, solch einem
Meisterwerk, das nur die Eingeweih
ten zn schätzen wissen.
Während Eva lachte und plnuderte
nnd verstohlen die bewundernden Au
«-.en von haralds Kollegen beobach
tete, die mit einem neidischen Seiten
vlicl nns den Ehenmnn ihrer frischen
Schönheit huldigten, begann dieser
unloilltiirlich im stillen zu berechnen
Er machte einen ungesähren Ueber
schlag; denn geradeheraus zu singen.
wieviel er von seinem lnrgen Gehalt
siie nll diese Pracht schuldig sei, dazu
war er wirtlich zu seige.
»Du sannst ans inich stolz sein
Liebchen,«« schmeichelte Eva, »ich bin
wirklich iip-tep.«
»Vielleicht auch zu sehr. Eva. Ver
giß nicht. daß ich nur ein armer Kon
torisi bin!«
»Daß du iniih gerade jeht daran
erinnern mußt, wo ich mich so glück
lich sühlel Es isi ein großer Genuß
fiir uns junge Frauen, si kleidsam
anziehen zu tönnen· Diese Lrscihrung
macht jede von uns. Keine ist ein so
dürftiger Verstandesnieiisch, daß sie
nicht innerlich nusieuchie hei dein Ge-!
danken nn Seide, Blumen, Seh-nur«
—- Ach ja, wiiö den Schmuck wide-i
trifft. Du! Jch besitze nicht einmal ein
goldenes Gehänge."
»Du meinst doch wohl iiicht..·?«
Hiirald wiir entsetzt.
»Nein, ich meine gar nichts,'«
schmollte sie. »Du findest offenbar-, daß
ich Dir nur Miihe und siosteii bereite.
Du hiist dir wohl eine Vereinigung
von Frau und Dienerin vorgestellt,
einen bescheidenen Schatten, der Dir
pflichttreu vnH Haus iii Ordnung
hält, ohne Lohn zu verlangen...«
Unveräiidert hell scheint die Sonne,
und der rosenroie Sonnenschirin
schwebt leicht und iiiiinntig über deni
jungen Evulopsz aber Oiiralh siarrt
ihn plötzlich nn, als sei er eine Ge
ivitierwolle, ein drohendes Unwetter,
das zerstörend in sein Glück eingreifen
wolle. Er war tein Mann vieler Wor
te; seine stille. fleißige Arbeit hatte
seiner Regiertigteit einen Dämpfer
angelegt, und war er traurig oder
aufgeregt, so wurde er stumm. Daher
wartete Eva vergeblich auf eine Ant
wori. Daher saßen sie an dein blu
mengeschniiiitten Mittagstisch einan
der gegenüber und ließen die Minu
ten, denen das- Glück Leben geben
sollte, in schwerem Schweigen hin
sterben.
Aber abends taiu die erste Ver-«
söhnungoszene ihrer Ehe. Eva war
durchaus nicht nachtragend. Jhr Herz
war eine Wohnung mit vielen Ven
tileii. und sie liefi fleißig frische Luft
und alle Eiiidriiae des Tages hinein
ströinen. Sie ivai weder gut noch
schlecht, weder llug noch dumm; siei
war von dem Material, all-:- deni die
Welt gebaut ist. die geliebteste Eva
aller Zeiten. die Eva des Traume-«
der Umarmung und der bitteren Gut-s
täuschung. »Das Weib, das dn niir.
gnbst...'· s
Sie schlief bald ein sind dachte
daran, dasz morgen Sonntag sei und;
daß sie da mit einigen Freundin til-»
Freie gehen walten. Als sie Horn-d
mit einem Rufs gute Nacht gesiigl,i»
hatte sie scherzend hinzugefügt: i
Eigentlich darfst Du nur Dir
selbst zürnen; hättest Du mir nicht
den Sonnenschein geschenkt, so ginge
ich vielleicht noch sent bescheiden in
Satt und Ulsit)e.«
Sie glaubte es zwar selbst nicht«
aber eg schien ilsr so natürlich, die
Schuld von siclk ab nnd auf die Schul
tern dessen zu ioiilzcin der sich nicht
aufs Zonglieirn verstand, sondern die
Last in die iiulieii Arbeitsdauer
nnhnk
Harald lag noch lange wach und
ariibelte iiber ilzre Worte. Sie
schwersten iliix wie die anverdiente
Strafe, die nicht selten das Ergebnis
einer sonnigen Handlung ist. lLr heg
te von diesem Augenblick aii einen·
stummen Groll gegen dei: Sonnen
fchirin, und er sehnte sich nach bunt
len Stiegentageii --— doch nie war ver
zum so ttratnend gewesen. Hei-er
lelorgen leuchtete gleich sonnig, tuum
eine einzige Woltc segelte nachdenklich
til-er das blaue Himnieloaetoolbr.
Mitde nnd verstimnit ging Haratd ie
den Morgen in sein ätontor, beson
ders seitdem sein Freund, der Bank
beamte Bernt Erlim Urlaub hatte
Er vertraute sowohl seiner Frau wie
dem Freunde unbedingt und sand ei
nicht« einmal merltoiirdig, das sie wäh
rend der ganzen Vormittage aus ton
ren; aber diesem unglückseligein ver
zauberten Sonnenschirm vertraute er
nicht. Er war ein Verräter, und so
lange er Eva oegleitete, sand Hat-old
teine Ruhe·
Eines Abends verriet sie ihm, fte
sei neevög und nicht glaub-z den gan
zen Sommer in der Stadt ertragen
zu können. Bernt have auch schon be
merkt, daß sie schiert-. aussehe, und
— Dakald mischte nicht böse werden
—- aver er habe gesagt, er könne ihnen
sehr leicht zu einer Anleihe verhelfen,
so daß Eva die Möglichkeit hätte, site
einige Zeit einen Badeort auszusuchen
Haeald tönnte sich ja leider nicht stei
machen, das sei zwar sehr schade,
ließ sich jedoch nicht ändern. Sechs
Wochen vergingen ja rasch.
kund Bernt, kann er seinen Ur
laub verlängerti?«
»Ja » ich glaube.«
»Will er mit Dir lzusammen rei
sen?«
»Ja « dielleicht... dagegen hät
test Du doch nichts? Er ist ja dein
Freundl«
»Kann er lzugleich Dein nnd mein
Freund sein« Eva?«
, Sie weist die Frage mit einem et
stvas verlegenen Lachen ab. Doch den
Plan mit der Vadereise will sie nicht
ausgeben. Alle Tage spricht sie eifri
ger von der Anleihe und von ihrer
Nervositiit. Es isi Mitte Juli gewor
den, und die Lust in der Stadt dick
und schwül. Harald aber antwortet
nie nuf ihre lebhaften Aussiille und
tut, als merke er nichts von ihren
Kopfschmerzen Erst als er zusiillig"
sieht, daß sie ein lostbares Gott-ge
hänge besitzt, bricht er sein Schweigen.
Mit ihr vermag er nicht ins Gericht
zu gehen. Er wendet lich an Brent,
mit lnappen, trockenen Worten aus
zitterndem blutlosen Lippen·
Ja, Eva gefalle ihm außerordent
lich. meint Bernh aber dabei sei es
auch geblieben. lind er fügt hinzu:
»Sie ist so weich nnd gefchmeidig,
leine Frau, um die man kämpft. Dii
oder ich —- ich oder Du —- jeder von
uns wäre, wenn wir es wollen, ver
rechte Mann iiir sie.«
Das letztere bezioeiselt Harald mit
Selbstvertrnnen der neuern-achten Lie
be. Er sagte sich, dass seine Eva ihn
doch wohl liebe, und daß Bernt sich
vergeblich anstrenge, sie zu gewinnen;
deshalb tue er, als sei ihm nichts dar
an gelegen. deshalb breche er rück
sichtsvoll den Stab über ihre Judi
vidualitiit —
Es ist ein heißer Juliabend. diel
Lust ist schwer von all den süßen
Düften, die Rosen hängen in glühen
dein Schmachten und die ersten Rese
den verkünden schüchtern das Heran
nahen des Herbsies. Harald stülpt den
Hut aus den Garderobenhalter im
Korridor und tritt in das schöne, gut
eingerichtete W:)hnziminee, in dem
Eva iiiit einem Buch aus den Knien
sitzt
,,Wir ioolten iin siainiii eiii Feuer
machen,« sagte er turz.
»Aber Harald « bist du närrisch?«
Er wirft den Kopf zurück, holt ein
paar Scheite Holz und entziiiidete das
Feuer im sianiiin
Eva ist ausgestanden. Sie betrachtet
seine männlichen, sicheren Bewegun
gen init der Bewunderung einer Frau
für lieberlegenheit nnd Energie, aber
zugleich mit einem heimlichen Grauen.
War er verrückt geworden, daß er.
mitten im glühenden Sommer den
jeainin heiztes
»hariild,« staat sie bang, »n;ciriiin
tust Du das'5«
Sie betoiiinii teine Antwort. Er
geht hinan-«- und ioinint zuriick niit
einein ziisaninieiiaeschniirten Bündell
in der einen Hund« den roten Son-z
tienschiriii in der anderen. Tag Bün-«
del ivirst er zuerst ins Feuer, iiiik
Eva schreit laiit aus, als sie sieln, Das:
die Flammen gierig nach ihrem wei
sien Straßenkleid leckeii.c-i-: siiirzi uns
ihn zu und ruft weinend ansi:
,,«i·«mrald — - Harald —-- bist Dii - --
-- — -’T.' Ach Gott« ivag soll ich begin
iien!«
»Sei ruhig, liede l,ii)a! sich bin
nicht verrückt«
Sein Bliit is. tli1r« seine Stimme
ernst und seierlian Fasziniert durc
dieseii stolzen, sesteii Willen, deni sie
nie zuvor beiegiiei war, bleibt sie
stehen. Aber als er den Stock des
Zoiiiienichirniez iiliei den tinien zer
bricht und dann die rosenrote Heri
lichteit ins Jener ioirst, wird sie ioies
der ängstlich ind schlägt, verzweifelt
am giiiiieii Körper ·;ittrriid, die Hände
vors Gesicht
Da fiihtt sie Hiiraldö Arm fest be
schützeiid uni ihre Düften. Er legt
ihren dlops aii seine Brust. Wie stete,
iuird es ihm sanoer, die rechten Wor
te zu finden; in dieser Stunde ist zit
dem in seinem Herzen Sturm und
hohe See. denn setzt, da die Tat
iiber die er seit mehreren Tagen ge
briitet hatte, vollbracht ist, hat er das
Gefühl, als sei er in Evas Freiheit
eingebrochen. als habe er in brutaler
Weise von seiner Ueberlegeiiheit Ges
braueh gemacht. Sanft, innig sagte
et:
«Verzeil) mir, Eva! Aber Du hatt
Dich von mir entfernt. Solange Du
all diesen Tnnt besahen warst un
nicht meine Eva.«
Er erwartete, daß ihr Gesicht ec
röten tviirde vor gerechtem Zorn nnd
Groll, daß sie tief getränkt sein werde
iiber seine Eigenmächtigteit, und er
begreift nicht, ionrnm sie mit zittern
den Fingern nn ihrer Bluse zerrt und
eifrig eine dünne goldene Kette her
verzicht. Nun hat sie sie gelöst. Das
noldene Gehiinge funkelt im Feuer
schein. Sie reicht es ihm.
»Wirf das auch hinein, Harnloi —
Jn. Du sollst —- hörft Dul«
»Nein, die schielen wir Bernt zu
rück,« sagt Horaid siegesstolz, und sein
hegend-, abgezerrteö Gesicht leuchtet
auf in einem Lächeln von jener Art,
wie es vermutlich in den Hainen ch
Paradieses vorkommt.
Ein verkohlter kleiner Fetzen rosen
roter Seide rnit einem Rand von
weißen Tausendichönchen flattert aus
dem Kamm, aber weder Darald noch
Eva beachten das Gespenst. Eva ist so
vollkommen befangen von ver drama
tischen Szene, daß sie mit leuchten
den Augen ihren Helden umscingt
Und Harald hat zunt ersten Male seit
vielen Wochen die Befriedigung- der
Beherrschende zu sein. Er hat einen
Feind besiegt und glaubt mit dem
Kindergemiit des Manne-J an einen
ewigen Frieden mit der Schlange. I
Das neue lleine Heim mit all sei
nen Blumen Und all seinen Iltopien
erscheint nun schöner nnd sicherer denn
je, aber es ist sehr schwei, den unan
genehmen Brandgeruch gan; daraus
zu vertreiben; der liegt jitser dems
Zimmer tvie ein widriger Rauch trotz
der nach den weiten Flächen der nn
bebanten Stadtviertel bin meitgzeöiss
neten Fenster.
Der rechte Mann am rech
ten Jst-ist«
Onntotethc non rinnt-:
Rentier Zipfe- ging in seinem situ
tner ans nno ab — hin und her, und
vanipste wie ein Schwi. Die seiden
gestietten Filzpantofseln wars er ab
wechselnd tntt dem einen Bein in die
Lust nnd sing sie mit dem anderen
wieder aus
Aber wie jede sciirtere, nicht bloß
geistige Betätigung schließlich miide
macht nnd den Gedanten an ein Lins
hören damit nahelegt, so begann auch
Zipfel oald zu gähnen, und seine bis
dahin fast mechanisch besorgte Zim
merghmnastit nahm wie von selbst ein
Ende. Aber dirs war auch die höchste
Zeit gewesen, denn wenn beide Beine
nicht gerade still gestanden hätten, so
hätten sie nicht den schnellen elastischen
Sprung ausführen können, den Zipfels
im nächsten Moment schon hinter fich»
itte. Mit einem Satze war er ain’
Jenfter und winkte, winkte niit der
Hand nnd der langen Pfeife in der
selben, daß die Troddel seiner Schlaf
inütze hin und her flog. Endlich be
ruhigte die sich aber wieder nnd die
Schlafinüne nickte ein, denn Zipfel
chiitte sich behaglich weit zum Fenster
hinausgelehnt und sprach mit seinem
Freunde, deni Schornsteinfegermeister
tireidetveiß, Und sagte sein Erscheinen
fiir den Abend am Staniintisch zur
«Weisheit der Eule« zu Man wollte
die politische Lage besprechen, um sich
schließlich darüber fchliifsig werden zu
können, ob der Magistrat nocli einmal
darum angegangen werden niiisfe, die
infolge der Folgeerscheiniingen des
ttriegeö folgerichtig erfolgten teiieren
Zeiten zu vitligereii uinxzuwaiidelin
:i--« Auge fassen zu wollen.
streideweisi meinte· Zipfel sei der
richtige Mann dazu, er müsse das
Referat halten. Jlini werde es ein
leichtes fein die Verhältnisse lo klar
Jjulegen daß inaii nnr zuzufassen
brauche, und nia. liabe dann odsicher
das Richtige - so oder fo; er sei ja
auch Stadtverordneter.
Zipfel sagte iu, der Freund ging
Das Fenster wurde nach einer Weile
gefchlofseii, der Atlas hervorgesucht,
das Konoersatiomlexiton gewälzt und
nachgeschlagen, was: »attuell« hieße,
denn das hatte Streideweiß immer er
wähnt, und Hipfel ioiifzte schließlich
ganz genau, er iviiide heute abend
,,altueu« fein.
Der Abend ioar gekommen. Span
nung lag auf den Gesichtern und Zip
fel stand auf von seinem Stuhle.
Der Vorsiyende hatte an sein Glas
gellopft und ringsum ioae es still
geworden, alle Brüder der ,,Weisheit
der Eule« sahen »in zu Zipfel —- fei
erliche Stille ringsum. Nur der Ta
batrauch war noch zu sehen, und auch
der verfliichtigte sich ängstlich, im
schnellen Aufsteigen begriffen.
Und Zipfel fing un bei denen iin
Schiitzengruben nnd qing iilcr aus
die Ieuernngsverhältnisfr. Lebens
mittel, Kartoffeln, Fleisch, Gerniise,
Petroleuni in ilner Kniippheit und
gewaltigen Preisitciqerung veriihrte
er, die Llluvelnninfznahmen Des Ma
gistrntg in ihrer Unzulänglichleit
nahm er unter die ane und betru
telte sie. Und nls er nin Schlusse
dann mit selbstgefälligem Lächeln be
nierlt hatte: »Nun, meine Herren,
wenn ich aller-, long ich soeben aus
geztihlt, behauptet und auseinanderge
setzt habe, noch einmal riickblickend
iiberschaue, so glaube ich mit Genug
tuung behaupten zu können, dusz ich
recht habe und dass Sie sich ohne Bei
denten vertrauensvoll meiner Mei
nung anschließen diirsen«, da ging ein
Murmeln des Beifalls durch die Rei
hen, leise erst wie dng Summen eines
Bienenschwarm-s aus der Ferne.
Deutlicher wurden die Einzelstimmen
dann nnd schließlich umbtnuste ein
Orkan des Beifalls den Redner, daß
er sich nicht enthalten konnte, nunmehr
in snmiliärem Tone zu bemerken:
»Na, also! Jch höre, ihr stimmt mir
zu. Ne t musz Recht bleiben. Und
so, wie ch eben zu euch gesprochen
habe, werde ich auch in der Stadt-per
ordnetensctzung reden nnd dem Ma
gistrat will ich zeigen, dasz wir gehört
werden müssen und daß er sich nicht
länger auf die Bärenhant legen darf
nnd immer blos; Ermittlungen anstel
len. Getan niusz etwas werden! Der
Worte sind genug gewechselt, laßt nns
nun endlich Taten seh'n«.
Gewaltig hatte seine fleischige Hand
bei diesen letzten Worten die Tisch
platte bearbeitet, dann setzte er sich»
mit rollenden Augen sich uniblictend,l
als wollte er sagen: »Seht, so bin
ich. Jch rette die Stadt«.
Lauter nnd lauter schwoll das
Stiininengewirr, endlose ilieihen unds
Lagen von Bier nnd anderen Geträn
len tiirzten die letzte Stunde und,
als es Mitternacht schlug, want-en
sich schwankende Gestalten heimwärts.
Der Tag der Stadtverordnetensits
zung tam langsam heran nnd Zipfel
seilte an einer Reu, die er halten
wollte im großen Sitzungssaale« und
lernte und memorierte, daß ihm der
Kopf ranchte. Und dann tam Krei
deweisz, und wenn dieser wieder ge
gangen war, dann hatte Zipfel so
manches Mal die große Hornbrille,
die er beim Lesen zn benutzen pflegte,
auf der Nase, so manches Mal faßte
seine nachdenkliche Rechte eine Stelle
auf seinem schweren Haupte. wo in
jungen Jahren einmal ein dichter
lrauser Haarschops gesessen hatte.
Aber wenn die Hand die Stelle ver
lies-« dann war ne: Fleck so leer wiel
vorher nnd so glatt und nnbeeindruclts
ie das Gehirn unter eben diesem
,litirlte. Und Zipfel feilte, feilte....»
Und die Stunde der Summen-id
netensitzung tam ganz heran. Zipfel
erschien feierlich im langen schwarzen
Rock mit langer schwarzer Krawatte,.
darin der große Briltant snnlelte, den
er sonst nur Sonntags zu tragen
Pflegte. Und ernst und feierlich, kühl
und gemessen erwiderte er die Grüße
der Kollegen mit teiirdigem Anstand
begegnete er dein Gruße der piinltlich
erscheinenden Lljtitxxlieder des Ma
gistrrrt5. Jeder uuiszte ilnn ansehen,
daß er heute reden, jeder sollte schon
an seiner Miene .krtennen, daß er heu
te an einer würdigen Sache seine Mei
sterschaft erweisen lviirdr.
Nun erhob sich der Bürgermeister,
welcher der Wichtigkeit der Tagesord
nung entsprechend diesmal nicht einen
Untergebenen mit seiner Vertretung
beauftragt hatte Jn sachlichem
schlichten Worten, unterstützt von der
nnsehllmren Sicherheit seines liebens
würdigen, tonzilkauten Wesen-T setzte
er der andiichtig lanschenden Vet
sanunlnua auseinander, wie die Miß:
Istiinde, deren Beseitigung heute zur
lBeratnng stehe, entstanden seien. was
ssür Maßnahmen der Magistrat in der
zSachr aetroffen, Ioie man bereits
luber das- viel Muhe erfordernde cra
sdium der amtlichen Ermittlunaen bin
lauigenanaen sei und teilweise und
iberinchgmiisjia schon Ablzilscsnnisnialx
meis kleinen Uliaszitaleis onraenonnnens
ihalse Mit lächelnd-er Miene hatte
der Biiraerineistsks siai bei diesen letz
ten Aussfiihrnnaen besonders Zipfel
zugewandt, der ernst nnd wiirdia nndi
feierlich den Wirten lausclste Hin-i
dringlich ruhten die tluaen Wuan
des-— Stadtobe·t«.":c::—ste.- ans Zipfel-J fei s
stem Gesirtxt llnri .:l—;— nun der Viiris
gernieister, name-ein er gerade ans-Je T
führt hatte, dass, leider erst non: !r-es.iz1
Praltisclieis ges-dienen sei. mit erhebe-»
ner Stimme fortfuhr, nnn ntiisse man
mit ganzer Tatlrait darangehen, ang.
den tleinen Versuchen —— denen manl
verteunrdischerweije mit dem Vorwurf
der Verschteppungktattil im Interesse
einiger Unternehmer« fiir die Zeit
Geld bedeutet habe, begegnet sei —
Kapital zu schlagen, nunmehr miisse
aus dem tastenden bloszen Versuchen
die große Tat werden, da erhob sich
Zipfel mit vor Erregnng blitzenden
Augen, und mit vibrierender Stimme
rief er in den caaL während seine
Rechte wnchtig und hart die Betrat
tigung dotuinentierte: ,,Jawohl,
Herr Bürgermeister. So wie es ge
wesen ist, so tann es nicht mehr mei
ter gehen. Jmmer hat es geheißen, er
sollen noch Ermittlungen angestellt
werden, und dabei blieb es. Nun
haben aber der Herr Bürgermeister
selbst uns die Versicherung gegeben,
dasz jetzt nicht blos; mehr Ermittlun
gen angestellt ".verden, sondern diese
sogar in die Tat umgesetzt werden
sollen. Wenn uns der Herr Bürger
meister das selber sagt, so wollen wir
daran nicht zweifeln, denn wir ha
ben den Herrn Bürgermeister ja selbst
gewählt und müssen ihn deshalb ten
nen, und das aus Lebenszeit Jeder
mann aber sei untertan der Obrig
keit, die Gewalt itber ihn hat. so
heißt es ja, und wenn der Herr
Bürgermeister uns gesagt hat, daß
nunmehr die große Sache selbst in
Angriff genommen werden solt, so bin
ich und so sind auch wohl, meine ich,
meine herren Kollegen damit einver
standen. Der Worte sind genug ge
wechselt, wir werden jetzt die Taten
feh’n!«
Und Zipfel fah sich im Kreife um,
rollte mit den Augen und fehte sich
— und siehe, es war alles sehr gut
Die Stadtverordneien - Sitzung ging
auch diesmal zu Ende. Und als es
Mitternacht schlug, wanden fich
schwankende Gestalten heimwstts.
Zwei Tage darauf ftand Zipfel
wieder am Fenster, und die Zipfel-—
cniitze schwankte auf feinem Haupte.
’Da trat feine Frau zu ihm, sie hatte
»ein Zeitungsblatt in der Hand; fei
erlich deutete sie mit dein Finger auf
eine Stelle in demselben. Zipfel las
das Ende des Sihungsberichtes über
die letzte Stadtoerordnetenverfamm
lang. Als er zum Schluß die Bemer
kung der Reduktion unter dem Be
richte fand: »Da die oben vermertten
Versuche ein einwandfreies Refnltat
nicht ergeben haben, werden die Er
mittlungen fortgesetzt; es mqu des
halb noch einmal über den Punkt be
raten werden, und das um fo mehr,
als ja auch die Stadtoerordneten
durch ihren Redner Zipfel den Aus
führrcngen des Oberbürgermeisterg
rückhaltlos beiftiinmten«. da umflorte
sich Zipfel-Ei Blick.
Seine Gattin faßte feine Zipfel
iniiye fanft ztoifchen ihren beiden
Händen nnd rückte sie ihm zurecht.
Dann trat sie zurück, äugte verliebt
nach ihm hin und sagte treuherzig im
Tone überzeugte- Ehrlichkeit zu ihm:
»Mann, es pasit doch nichts fo gut
zu dir, du Stadtaerordneter, wie diese
Zipfelmiitze«.
W
Dee verwandelte Schierke-L
Von of- Cp neunte-.
Der Jnnhhnnneö nützt den Krieg
iveil nnderTJ nirgends nichts eingehen
will, und spielt eine Zeit lang bei
der Bahn den Miit-Erschaffnen aus
hilfsweise, bisJ ein neuer toniint: der
Andere hat ins Feld müssen· Einmal
so lädt er gegen Feierabend noch ein
Kistchen unr, nnd du erk- vielleicht
dem Gesicht etwas zn nah bringt« wac
mettt et und wirbelt schnnbbetnd den
roten Winbsnng? Hub ich richtig ges
lesen, sagt er, so vermeinet der Fracht
brief Kohlriibem dn tiecht’s aber.
ciinkt mir, mich Schinten Dann
hätte das zum Wegschiclen morgen
noch Zeit. Stellt n!so dng Kistchen
beiseite in einen Winkel, nmchtFeier
abend nnd geht heim, d. h. zinn buck
ligen Fuchsswirt, der ihni nm Wen
liegt, nnd noch Licht h-.it.
Der Fnchgwirt iniIl in selbiger
Nacht jeniniio in! thachbnrgnrten hn
ben rnrnchen hören, oder eg hat ihn:
geträumt. Als c- undern Morgens
den Hunnesz mit einem Ristchen nni
der Llctrsel vorbeigehen sieht: Bist
zeriegsneserunt kreworveih Hirnness
srngt er ihn. W gilt meinem Vetter
ins Feld! sagt dei. Die haben os!
im Schiitzenrtrnben nur Reig, nnd
der ist qnt fiir die ansen tsin
Hätntnlein t.».jerii11:«serte5, verstehst du«
Der Sennlwsbxnter hnt inirks nbge
lassen: tnirit ihn Drum nicht verrn
ten. Stint-, wechselt die Achse
nnd geht weiter,
Jin Fritrtjtschxnspen nmcht er sitt
ein bißchen mit den-. gestrigen Riiben
tistchen in sdtxisfen ob drnn nuch nllr
Nägel fest sitzen. wiegt-J srnts der
Visietenthar tmij nnd znnbert so
dmn t)ernni, biizi er’—:- endlich mit den
tiohlriiben in den Frachtwagen schiebt
nnd ihm glückliche Fahrt wünscht.
tleber Mittag kommt er mit seinen-.
Kistchen wieder beim Fitchgtvirt vor
bei, der hemdärmlig Unter der Türe
steht. Warum ichs wieder bringe?
meint er »in ,ihm. Der Herr Vor
stand läßt Schinten nicht durch, au
ßer mit einem Schein vom Bürger
meister, von wegen Ausfnhrverboi.
Sie fördern den Opfersinn. Stell’-:s
derweil bei tnir ein! sagt der Fuchs
wirt, hebt ilnn’-«.«i von der Achsel nnd
:t!itncnt’s in Verwahrung
l Das Andere Kistchen trisst wohl
dehnlten in Berlin ein. Der Frucht
lbrief meldet zwar Zohlriibeih wie
Jvereinbnrt aber der Herr Rechnungg
rnt will doch wissen, es sei eigentlidz
sein Schinten gemeint gewesen.
Wer aber den Schinten noch in
selbiger Nacht versucht nnd siir preis-«
wert befunden hat, war der Janlzlmn
nes mit dem Fuchs-wirt. Den größr
ren Teil nahm ihm dieser sreund
;willigst ab zum Höchstpreis, d. h. tin
einen guten Dreiviertelsrnusrh, nnd
tnmen so beide aus ihre Rechnunst
»der Hannes wie der Buckelwirt
—- Stirn m t. »Mertwiicdig, im
Dunkeln sinden sich die Lippen zweier
Verliebten viel leichter als im Hei
len«.
—- A ussch u li. Braut (eine-:«
Spitzbuben): »Und 'ne Hochzeitöreise
machen wir auch; nicht wahr, Emil?«
»Selbstredend, Möbel —- daß heißt
erst, wenn die Polizeiaufsicht abge
lausen ist«.