W sie III-eh Erzählung von W. Keil-eh Bei dein Direktor Loivnsier des Pariser Schauspielhnuies ließ sich un einem trüben September-Vormit tag des Jahres 1900 ein Herr mel den, auf dessen Karte nichts als der Name Charles Meddn stand. «Hossentlich tein Schriftsteller, der mir wieder ein angeblich über aus zugträftiges Drum-n anbieten wis,·· murmelte Loivasier vor sich hin und befahl dem Diener, den Be fuchee vorzulossen Ein gut getleideter junger Mann mit intelligenten Gesichtszilgen be Lmt alsbald das Direttionsztmmer des berühmten Musentempel3. Beim Anblick der in Papier ge hüllten Rolle, die der Herr unter dem Arme trug. fuhr der Direktor entseht zufammen. »Meine Ah nung!«· dachte er fchaudernd. »Wel che Ueberredungstiinfte wird es mich wieder tssten, um diesem Dichter sing klarzumnchen. daß meine Büh ne keine Versuchs-stritten für Anfän ger ists« Der Fremde hatte sich-inzwischen nicht gerade überhöflich vor dem be quem in fernem Schreibtifchfessel zurückgelehnt dasitzenden Theoterge waltigen verbeugt, und tagte mit beneidenstperter Unonrfrorenheiu »Sie gestatten wohl, daß ich Platz nehme, Herr Loivasierl Unsere Un tertedung dürfte einige Zeit in An spruch nehmen. Der Direttor suchte vor Ueberra schung vergebens nach Worten, um diese-a mit so feibsthetoußter Sicher heit aufteetenden jungen Manne nachdriicklich vorzuhalten mit wem lr es zu tun hobe. l «Bevoe ich auf den eigentlichen Zweck meines Besuches toinme, Herr Loivasier.« begann der Fremde rnöchte ich Jhnen bestimmte Einzel-— heiten aus meiner Familiengefchichte erzählen. — Bitte, unterbrechen Sie rnich nicht! Jch weiß, Sie wollen sagen, daß Jyre Zeit äußerst knapp bemessen ist und daß Sie teine Ver anlassung haben, an den Schicksalen der Familie Medon irgend einen Anteil zu nehmen. Sehr bald wer den Sie jedoch sehen« welch aussichts oolles Geschäft ich Ihnen vorschla gen will, werden dann auch begrei fen, daß Jhnen die Kenntnis ein zelner Ereignisse aus dein Leben meines seligen Vaters zum Ver ständnis even dieses meines Vor schlages durchaus notwendig war — Alfm Mein Vater tani nach meh reren fehlgeschlagenen Versuchen. fein Brot zu verdienen. iin Jahre 1858 durch Verwendung einer hoch gestellten Persönlichkeit zu unserem beriihrnten Landsmann Alexander Dianas dem Aeltem als Privatst kretilr. — Jch brauche Sie nicht erft mit den Lebensgewohnheiten un seres Dunkels betanntzuinachen Sie wissen, daß der Verfasser des in alle Sprachen überfegten »Grafen von Monte-Chrifto« in späteren Jahren infolge feiner geradezu trank haften Betschwendungsfucht gezwun gen war, sein Talent in unerhörter Weise auszudeuten, unt die Mittel für seine Lebensführung herbeizu schaffen, daß er schließlich nichts war, als ein Romanfabritant, der oft gleichzeitig an der Niederschrift von fünf bis sechs verschiedenen Ma nultrivten arbeitete. Mein Vater gehörte nun, da er sehr deutlich und schnell schrieb, zu jenen Mitarbei tern, denen Dumas feine Romane in die Feder dittierte. Trotzdem fand der geniale Schriftsteller noch die Zeit, meinem Vater ein Bühnenftuct zu diktieren, das später auf etwa-. merkwürdige Art in den Besitz mei ner Familie gelangte.« »Aber, wie kann —« »Bitte, hören Sie nur weiter! Jch muß zunächst einfchcslten, daß Dumas infolge feiner fortwährenden Geldforgen von Anfang an nicht im stande war, meinem Vater das der einbarte Gehalt von monutlich zwei-· hundertfiinfzig Franken piinttlich auszuzahlen Stets blieb er ihm eine mehr oder minder große Sum me schuldig, und diefe Reftbeiriigr waren im Laute der Zeit bis auf ungefähr achtzehnhundert Franten angeschwollen Als Dumas nun tm Jahre 1870 in Putz fo ernstlich er traatte, daß man fein Ableben jede Stunde erwarten konnte, wagte mein Vater, der fein Geld fiir feine Familie mehr als nötig brauchte. ihn an die noch ungetilgte Schuld zu erinnern. Wenige Tage vorher hat te der Dichter die Schlußfzenen je nes Schaufpielg fertiggeftellt, das fo zufagen tropfentveiie entstanden war, und von defkn Existenz nur Dumas und mein ter etwas wuß ten. Nachdem der legte Iederftrich an dem Bühnentoert getan war, nahm Dumas das Manufkript in die hand, blätterte ei durch, la artch einzelne Stellen sorgfältiger warf es dann aber ärgerlich auf den Tifch zurück. »Die Mühe hätten wir uns wa ren können, Mem« f te er zu meinest Boten « te längst. das ans dein St nichts weiden Tät-dein Ih: fehlt die Einheigtchs , ei einein langen it rm nnd allzu III-se ausgear Usd dies wär-In hetr Lot s u » · use-, ten-M ja- seineia pa W Hei-, alk- dieser um die Zahlung der’ Restfchuld dat. mit den Worten aus gehändigt: »Geld habe ich nicht«Me don! Aber nehmen Sie dafür die ses Stück als Ersas und als An denken an. Vielleicht tönnen Sieg einmal irgendwie verwerten!« s »Und mein Vater-, der den gro-» ßen Verschwender und Dichter geja lsezu schwärmerisch verehrte, war» mit dem Geschäft stillschweigend einverstanden, von dem er, sicherlich nur um seinen Herrn nicht bloß-zu stellen, nicht einmal seiner Gattin gegenüber etwas ermahnte. Eines Woche später, am 8. Dezember 1870,s wurde Alexander Dumas der Arlteres begraben. Und wieder vierzeth Tage später fiel mein Vater, der als-’ begeisterter Patriot sofort nach dems Ableben seines Herrn in die Armee; eingetreten war, in einem Gepläntell mit preußischen Jägern bei Bittens Fast dreißig Jahre sind seitdem ver gangen. Das Manuskript des Du mas ruhte diese ganze seit überi unbeachtet in einer Schublade, in’ der meine vor zwei Jahren verstor bene Mutter alte Briefe, Familien papiere und Aehnlicheg aufzubewahs ren pflegte. Gewiß, ich hatte wohil zuweilen das dicke, sauber geschrie-· bene Heft, dessen erste Seite nur den Titel »Die Jatobiner·' ohne alles weitere Zusätze trug, in die Hand bekommen, nnd die ersten Seiten flüchtig gelesen, hatte auch einmal meine Mutter gefragt, ab dieses Bühnenstiick etwa einen dramatischen Versuch meines Vaters vorstelle, eine Vermutung die fa am nächsten lag lda ich in den Schriftziigen feine lhandfchrift sofort wiederertannte. IMeine Mutter wußte mir aber hier fiiber teinen Aufschluß zu geben. Sie fhatte das heft in der Hintertassens ;schaft ihrer-. Gatten vorgefunden. es Hader ebensowenig wie ich jemals ssorgfiiltig durchgelefew Vor etner sWoche nun —- es war an einem regt-s snerischen Abend, und ich hatte sgerade seine bessere Uettüre da — sfuchte ich mir das Manuskript her mus und begann es von Anfang an getviffenhaft zu tefen. Bei diesers Gelegenheit entdeckte ich, daß meins Vater hinter der Schlußszene aufs die vorhanw leeren Blatter einen Nachtrag noch an demselben Tage« an dem Dutnas ihm das Stück über-i ließ, hinzugefügt hatte, ganz per sönliche Bemerkungen, die mir bis her völlig entgangen waren und die doch so große Bedeutung desaßen. Denn diese Nachschrift enthielt nichts anderes, als die Auftliirung dar-? über. wie das Bühnenftiict Eigentum; meines Vaters geworden war, ent-. hielt das, was ich Jhnen soeben er zählt habe.« Der junge Medon entfernte bei den. leisten Worten die hülle von dern Päckehem das er bisher in der Hand gehalten hatte, und zum Vor-J fchein tam ein in einen grünen ver-. fchlossenen Pappdeckel geheftetes Ma nuftript. Begierig wollte der Director da nach greifen. Aber ebenso schnell oerbar der Befucher es hinter fei nem iikten, indem er lächelnd sag te: »Dieses zufällig aufgefundene Wert des berühmten Dumas tann für mich eine Goldgrube werden, Herr Loioasier! Daher ist Vorsicht geraten! Stellen Sie tnir einen Schein aus« daß ich, der Jngrnieur Charles Medon aus Dieppe, Jhs nen heute dieses Manuskript, «Die Jatodiner«, lediglich zur Prüsung übergeben habe, und Sie sollen es fiir drei Tage behalten dürfenNach dieser Zeit werde ich mich hier wie der einfinden, urn Jhren Bescheid entgegenzunehmen Wünschen Sie ei- vann zu erwerben, so werden wir uder die näheren Bedingungen hOiI ientiich einig werden« Ohne Zögern stellte Loivaster die gewünschte Bescheinigung aus, wor aus der junge Medon sich verabschie den wollte. Doch der Direttor hielt ihn noch zurück· «Eine Frage, Herr Mevonk Haben Sie über diesen zum -rninde sten sehr interessanten Fund bereits mit jemand gesprochen?« »Nein. Sie sind der ersie, der davon etwas erfährt. Ich wollte eben zunächst das Urteil eines Fachinnni nes iider das Bühnenwert einholen, dedvr ich daraus Kapital zu schla gen versuche.« .Sehr richtig von Ihnen. Und wenn ich Sie bitten dars, soll die Ungelegenheit auch einstweilen noch ganz unter uns bleiben. Jch habe meine bestimmten Gründe dasiir." »Wie Sie wünschen. Aus Wie dersehen also in drei Tagen, Herr Loidasier!« Kaum sah sich der Direktor allein, als er auch sosort an eine sorgfäl tige Prüfung des wertvollen bestes ging. Der Deckel war sra los ebenso wie das vergitbre und el tenweise schon driichige Papier tein modernes Fabrikat. Und als Lei vasier jetzt die nur wenig beschrie bene Seite, auf der die letzten Worte des ersten Altes standen, gegen das Licht hielt, vermochte er noch ganz gut die als Wasser eichen eingedrucki te Fabritmarte , aisartin, Nonen IM« zu entziffern. Auch die Tin te, mit der das Manuskript geschrie ben war, hatte sich irn Laufe der Zeit weit in das Papier eingesressen und jenen qelblichen Ton angenom men, wie man tdn ans alten Dota menten W , Dann schlug der Diteltor die les-( ten Blätter auf, jene persönlichen Bemerlungen, die der Selretiir hin zugefügt hatte, tun bei einer späte ren Generation nicht den Verdacht aufkommen zn lassen, daß er ein fremdes Geistesprodult heimlich bei seite geschafft habe. Loionsier fand in den verblaßten Zeilen nichts neues. Es fand nur das, was er bereits von dem jungen Medon gehört hatte. Den Jnhnlt des Stiieles selbst wollte er jedoch zu anderer Zeit peit fen, wenn er nicht wie fest in der Mittagseit zn fürchten brauchte, se den Augenblick gestört zu werden. Außerdem mußte die Probe auch bereits begonnen hoben, zn der er sich regelmäßig einzufinden pflegte, um hie nnd da selbst nach dem Rech ten zu sehen. Als er dnnn gegen ein Uhr das Sheatergebäude verließ, fuhr er, be dor er sich nach seiner Privatwohi nung zum Mittagessen begab, noch mit dem Omnibus bis zur Staats bibliothel, unt dort als vorsichtiger und gewissenhafter Mann die unt fangreiche Biographie einznsehen, die Moudier über Alexander Dianas den Aelteren geschrieben bat. Jn diesem Buche fand er in einen besonderen Abschnitt die Mitarbeiter des großen Dichters aufgezählt. An letzter Stelle in dieser Rubrik war auch Charles Eustnche Pierre Medon ge nannt rnit den Worten: «harrte bis zum Tode bei seinem Herrn auf-, den er fnst vergötterle, und fiel kurze Zeit darauf im Kampfe sur dns Belfctitllld«. Lnidafier tvae hochbeftiedigt. Al so auch diese Angaben stimmen. »Rlln, mein lieber Herr Medon, ich habe das Schauspiel gelesen, und ich tannL ehrlich sagen: Die Prü fung dieses Buhnenwertes bedeutete fiie mich geradezu einen Genuß. Um mein Urteil kurz zusammenzudröns gen: Jch halte »DieJntobiner«nicht nicht nur fiir ein lvirtss.nne«- Fins kenstiich sondern auch für eine Ar eit von hohem literarischen Wert. Meiner Ansicht nach ist gerade der Umstand, daß Dankes dieses Stück so ganz allmählich geschaffen hat, der Ausgestaltung des Stoffes sehr zugute getomnien. Die Charaktere find so scharf, so treffend gezeichnet, die Handlung baut sich in so mei sterhofter Weise auf, dnsz ich nicht zu begreifen vermag, wie unser gro ßer Landsmann so geringschägig ron dieser seiner Schöpfung spre chen tonnte.« Ueber des jungen Medon offenes Gesicht huschte blisschnell etwas wie ein Lächeln. Dann fragte er, fchon wieder völlig ernst: Elle Sie wol len mir das Stück abnehmen, here Loioasier?« »Wenn der Preis nicht allzu un bescheiden ist — int« Jn einer Viertelstunde waren die beiden Männer einig, und sofort wurde ein schriftlicher Vertrag ent worfen und von beiden unterzeich net, der ihre gegenseitigen Pflichten und Rechte in allen Einzelheiten tlarlegte. »Ho, das wäre erledigt,« meinte der Direktor erleichtert ausnimmt-, und tlappte das Tintenfasz zu. »Nun noch eins, lieben Freund! Jch möch te Sie bitten, auch ietzt noch über unser Geschäft Stillschweigen zu bewahren und mir die Bestimmung des Zeitpunttes zu überlassen,tvann tvir die Welt mit dieser interessan ten Neuigkeit überraschen wollen. Würden die Zeitungen zum Beispiel schon morgen in spattenlangen Ar titeln die Nachricht bringen, daßein noch gänzlich unbekanntes Bühnen wert von dein großen Dumas ent deckt worden ist und hier bei niir ausgeführt werden soll, das Inter esse des Publituins für diese Tenta tion bis zum Tage der Premiere ;-- diese tann erst in höchstens sechs IWochen stattfinden —- bereits merk lich abgeflaut fein. Lassen wir se doch jedermann bis zum legten Au genblick über die Person des Autors im Untlaren, laneieren wir nur hin nnd toieder allerlei geheimnisvolle Andeutungen über die hertunft der «Jatobiner" in der Presse, und ma chen roir dann erst den zur General probe geladenen Krititern die große Eröffnung, so wird das Stück uns sicherlich bis zum Schluß der Sai son ba- haus stillen. Man rnuß eben heutzutage als Theaterdirettor in erster Reihe Geschäftsmann sein, mein Lieber-, und erst- in zweiter Kunstmiieem sonst geht inan mit samt seinem Musentasten vor die Hunde-« »Ich bin mit allem einverstanden,« rief Medon lachend. Außerdem sind Sie inir mit Ihrer Bitte dirett entgegengetommen, here Loivasiet, denn ich wollte Ihnen genau das selbe vorschlagen, und zwar auch nur aus geschäftlichen Erfinder-, ebenso tvie Sie.« »Na also i-— dann find tvir sa ganz ein rz und eine Seelet Und, das sage ch Jhnenr Wundern sol len Sie sich, wie ich die «Jatobiner« herausbringen werdet Erste Beseti zung, neue Kostiime, stitechte Aus stattung und so weiter! Der alte Die-tat würde sich vor Freude tin Sorge umdrehen, wenn er d e Premiere .noch instansehent tsnntr. Der Tag der·seseralorobe toar W Zeit-innrem Uin zwölf Uhr mittogI« sollte sie beginnen, nber schon eines Stunde vorher herrschte in dem Biihnenhnuse des weitbetnnnten Kunstteinpeis ein geschästiges Leben und Treiben. Direktor Loivnsier, der persönlich den Ausbau der ersten ESzenerie zum ersten Att überwuch te« ließ gerade einen iinn nicht ge schinuetvolt genug erscheinenden Tiiroorhang durch einen anderen er setzen, nlo sein Mktverschwoeenet Medon aus einer Seitenlulisse her nnsttitt und sich bei dein aus der Bühne noch herrschenden Dämmer licht suchend umschmitr. »Auch schon du« lieber Freundi« tief ihn der Direttor on. »Sie ha ben wohl so etwas lvie Preniierejiei ber, troydetn Sie, dein ich in jedem Falle, mag's nun ein Bombenersolg oder ein tläglicher Durchqu werden, ein hiibscheo rundes Siimnichen auszahlen muß, doch dem Kommen den mit größter Seelenruhe entge gensehen können-" »Meinen Sie?« Und wieder slog über Medong Gesicht dasselbe spöt tische Lächeln wie damals, als der Direktor die ,Ji1iobiner'« eine Ar beit von hohem literarischen Wert genannt hatte. Ader Loivnfter schien nus die beiden mit so seltsamer Betonung gesprochenen Worte gar nicht hinge hort zu haben. ,,.Gehen wir in mein Zininiet,« sagte er eifrig und zog Medon mit sich fort. »Sie können schnell den Vortrag zur Begutach tung durchlesen, den ich vor deni er sten Aufgehen des Vorhanges den dersnunnelten Krititern sozusagen einen Prolog halten will. Nu, die werden Augen ninchenk Welche Ue berraschung siir sie, daß das seit Wochen in den Zeitungen in so ge heimnisvoller Weise nnnetiindiate. Schauspiel von teinem anderen als von Alexander Dumas stammt!'« »Ja, diese Ueberraschung!" mur inelte Medon abermals mit einem seltsamen Lächeln vor sich bin. Jtn Direktionszimmer wollte Lot basier, da die Stutzuhr aus dem Schreibtisch bereits uns zwols ging, seinen sorgfältig ausgearbeiteten Vortrag Medon der Kürze halber vorlesen. Doch dieser nahm ihm das Kon: zept aus der Hand, legte eg beiseite, wies aus den Schreibtischsessel und sagte mit besonderem Rachdructt »Musik« Sie Ihren Prolog ruhen. Herr Loioasierl Sie werden ihn nie halten brauchen! Bitte —- sehen Sie sichs Jch habe Jhnen etwas zu erzählen, das Sie besser im Sitzen rnit anhören.« » »Aber bester Freund, jetzt haben -torr doch teine Zeit, uns —" »Wir müssen sie haben,« unter brach ihn Medon, dessen ganzes Be nehmen einen so bestimmten Ernst zeigte, daß der Direttor schließlich worttos nachgab. Rennen Sie Charles Aubrine?« begann der angebliche Jngenieur,in dem er sich Loibafier gegenüber an »die Wand lehnte. l Dieser schaute überrascht aus« zWas zum Teufel hatte Aubrine »mit den «Jatobtnern« zu schaffen? s«Persönlich nicht« nicht einmal von ;ttlnsehen,« erwiderte er ungeduldig I »Ich habe nur bisweilen seine kno dernen Plaudereien in den Zeitun gen gelesen, meist ganz geistvolle Sächelchen. Er soll wohl auch einen sBand Nobellen herausgegeben haben. « Doch —- tvas wollen Sie mit diesem Aubrine?'« »Das wird Ihnen sofort llar werden. — Besagter Aubrine, der betnnntlich seinen ständigen Wohnsitz in Rouen hat, begann oor einein Jahre, nachdem er besonders die meisterhaste Bühnentechnit Alexan der Dumas’ des Alteren, jene Kunst, die handlung in steter Spannung sortschreiten zu lassen und wirtsaine Szenen- und Attschlilsse zu erzielen, an dessen Stücken studiert hatte,mn dem Entwurse eines Scheust-tax das zur Zeit der großen französi schen Revolution spielte und nach Fertigstellung den Titel »Die Jatoss biner«« erbielt.« l Direktor Loidafier erstarrte förm lich zur Bildsäule. Eine furchtbare Ahnung zuate in ihm aut. Aber zu einer Zwischenfrage blieb ihm teine Zeit »Aubrine,« fubr der andere fort, »wollte sein Stück, das er fiir iibers aus gelungen hielt, nicht zuerst in der Provinz aufführen lassen, wollte sich eben durch einen großen Erfolg in Paris, dieiem geistigen Mittelpunkt der zivilisierten Welt, mit einem Schlage beeiihmt werden. Da er aber die Verhältnisse an den Pariser Theatern enau tannte und daher wußte, da ei fitr einen unbekann ten iungen Autsr ganz unmöglich ist, dort ein Wert bei einer ersinnt sigen Bühne unterzubringen, naan er seine Zuflucht zu einer tleinen Täuschung« Länger konnte Loivasiee nicht an sich halten. Er fchnellte förmlich von feinem Sessel in die höhe und schrie, trebbrot vor Aufregung und förmlich nach Luft ichnadpend, fei nem Gegenüber ins Gesicht: «herr. Sie ielbft find Aubrine« sind ein Betrüger, ein — —- Aber die Sa che soll bnen teuer zu sieben tem men, ver tien Sie sich darauit Ich werde —- -« »Nichts werden Ste, herr Leitm ICL« unterbrach tbn der angebliche W Ingenieur, in Wahrheit Schriftstel lee Charles Anbrine, kalt. .Ueser denlen Sie dsi einmal ruhigen Blutes Ihre Lage! Sie haben ein Schauspiel zur Auffiihrung ange nommen. das Sie siir ein Wert-Du mas’ des Aelteren hielten, haben es aber —- und das ist die Haupt sacht! —- doch nur deswegen so gut bezahlt, toeil Sie die Bühnenivirb sainkeii dieser von Jhnen selbst als hervorragend bezeichneten dramati ichen Arbeit ertannt hatten. Bisher weiß niemand außer uns beiden,wer der Anker dieses Stückes ist, auf dessen Erstauffiihrung Presse nnd Publikum mit gleicher Spannung warten. Wenn Sie nnn den zur heutigen Premiere erschienenen Fett-· titern nicht Ihren sogenannten Pro log halten, sondern es mir überlas sen, die Herren darüber auszukliis ren. wie ich, der unbekannte Autor, es fertig brachte, die «Jakoiiiner« einer der ersten Pariser Buhnen an zudrehem —- :venn ich dies tue, ohne mich irgendwie zu schonen nnd Sie nur als mein schwer getäusch tes Opfer, das eben erst den wah ren Sachverhalt erfuhr, hinstelle, kann man niemand einen Vorwurf machen, fiir das neue Viihnenwert unwiirdige Reklaine getrieben zu haben, so werden die Zeitungen eben morgen in aller Aussiihrlichkeit über die doch immerhin recht interessante Geschichte der »Jatohinir·« berichten, eine Geschichte, die wegen ihrer Ei genart sraglos nicht nur in Frank reich, sondern auch in der ganzen Welt berechtigtes Aussehen erregen. viel belacht und viel besprochen wer den und daher fiir uns den glei chen Effekt wie die bloße Nachricht von der Auffindung eines bisher unbekannten Strickes des großen Du mas haben wird, nämlich den einer noch nie Dagcnielcnen Riesenretla ine.'« Loivasier wars Charleg Aubrine einen beinahe bewundernden Blick zu. Sein Zorn ioar derrauchi, denn Las sah er vollkommen ein: etwas ähnliches wie diesen genialen Bluss hatte die Theaterivelt noch nicht cr leth Nur noch eine’giite Preiiiiete. und ein wahrer Strom von Gold mußte sich in seine Rasse ergießen »Sie sind ein TeuielsterL Sie edler Jiigenieur!" knurrte er ietzt niii halbem Lächeln. »Wie find Sie aber niir auf die Jdee getoninieii, und wie haben Sie dein Mannitripi Dieses el)riviirdige,s verschinimekte Aussehen geben tonrien?" »Alle-i sehr einfach. Als ich das Stück fertig hatte und noch daran herunifeilte. las ich in meiner freien Heit aus Interesse nn der Person meines Lehrmeisters Diimao dessen von Mvuvier geichriebeue sehr ein gehende Biographie, in der auch die Mitarbeiter des Dichters erwähnt nnd. Bei der Lettiire des Lib ichnittei5, der iiber Charles Eustache Pierre Medvn handelte, entstand ur plötzlich und ganz unvermittelt in meinem hirn der Plan, den ich nach- « her mit Ihnen in Szene setzte. Die ien Plan habe ich, nachdem ich her ausgebracht hatte, daß ein Sohn Me dons in Diepve als Jngeiiieur lebt, sodann in alten Einzelheiten aufs Iorgfaltigfte ausgearbeitet, unt ja teinen Fehler zu machen, der eine vorzeitige Entdeckung meiner Tau Ichiing hätte herbeiführen tönnem Zunachst schrieb ich das Stück auf altes Papier-, das ohne große Mühe zu beschritten war, nochmals ab,fiig: te dann die angeblich von dem Se tretär Medon herrührenden, leiviict gut erfonnenen Bemerkungen hinzu und heftete die Blätter in einen gril nen Attendeetel von ebenfalls ehr würdigein Alter. Dann setzte ich das heft langere Zeit einem Damptbade aus« wodurch die Tinte sich tief in das feuchte Papier einiog. Das um gekehrte Verfaheen, icharfes Trock nen in einer iehr heißen Kaminröhi lre, änderte auch vie Farbe der Tin ite in das gewünschte ilertige Gelb. .Mit dem so zubereiteten Manuskript ztam ich hierher und sührte mich bei Jhnen in möglichst selbstbewußter Weise, jedenfalls nicht als beschei dener Bittsteller ein. Un dem Eisen mit dem Sie aus den Köder an bissen, mertte ich bald, daß Sie meine Angaben nicht allzu scharf nachprüfen würden, und tatsächsich scheint denn auch bei Jhnen teurer lei Argwohn entstanden zu sein-« »So vorsichtig, die Biographie Dumas' in der Staatibibliotbeteiw zusehen, war ich nun drch,« meinte Loivaster etwas gereizt. »Dort sand ich aber nur das. was Sie ja selbst in Jhre erdichteten « siinlichen Be merkungen« Medons Poe-geschickt ein gewoben haben. Und da war ich allerdings völlig beruhigt-« Die Stntzuhr aus dem Schreib tisch begleitete die legten Worte mit ihren hellen, die Mittagstunde ver tiindeten Schlägen. MKommen Sie," sagte Loivasier, »die Zeit ist da, wo strenge Richter Jhre »Jqloviner« beurteilen sollen. Eöge das Schicksal uns gnädig l n!« . I I Das neue RevolutionsschauspieL das eine so sensationelle Bot-geschich te besaß, sand bei Kritil und Pu blikum gleich begeisterte Ausnahme. Charles Aubrines Stils war damit site alle Zeiten bewirthet Urse- eiter eine Reife tut .. Der geriebene Gauner und gefürch teie Dochsiapler Barsin hatte sich — es war vor dem Kriege —- län gere Zeit in Paris aufgehalten und fußie eines Tages den Entschluß, tote der einmal eine größere »Geschäfts retse« anzutretem Einer bedeutenden Handel-findt Südtoestfrnittreichs. de ren Namen ich aus«- Riirtsicht site den Stntionsvoesteber verschweigen will, galt des Patienten Besuch. - Barsin gedachte, die tlteife mit ei nem Komplicen gemeinsam anzutre ten. Er begab sjch zur festgesetzten Stunde aus den Bahnhof, leiste ein Billett :rster Klasse und harrte des Frenndes. Dieser ließ nicht lange aus sich warten, tam indessen mit alten Zeichen des UnbetZagens aus Barfin zu und erklärte ihn-, daß er in arger Geldverlegenheit sei und nur eine Fahrtarte dritter Klasse bezabten könne Barsin. in einer Antoandlnng ans richtiger Kamerarschnftlichteit, be schloß, seinem Genossen zn lyelsenc »Du wirst überhaupt tein Billeie nehmen«, erklärte Barsin. »t«öse nur eine Bahnsteigtarte, das übrige luf nteine Sache sein««. Der andere gehorchte, nahm eine Perrontnrte und sotgte Borsten der sichs in einem Wagen erster ttlnsse bequem machte und sein und seines Genossen Handgepäet tin Netz nntees brachte. Der anvere blieb einstweilen vor der Coupötür stehen. Bald dar aus erschien der Schassner. um die Billetts zu tontrollieren. Als der Be amte sich entfernt hatte« stieg Betrme Lompliee ein. Ein Pfiff. Der Zug setzte sich in Bewegung. Während der Fahrt nahm Barstn seine Fahrtarte· schrieb mit dern Füll federhalter seinen Namen auf die Rückseite des Billetts und reichte es dem Genossen mit den Worten: »Da, nimmt Bei der Ankunft gibst Dn diese Fahrtarte ab. Lichte indessen darauf, daß die unbeschrietsene Seite nach oben gelehrt ist. Du mußt durch die Sperre vor mir hergehen und darfst mich nicht tennen«. Der Kurierqu raste ohne Valent halt dem Ziele zu. Die Ziemplicen unterhielten sich aufs beste, iriiliiliici ten im Speiiewagen und vertrieben sich die Zeit mit Kartenspiel Endlich hielt der Zug. Barfings Genosse nah-n sein Hindgepach gab das Billett, wie verabredet, an ver Sperre ab und verließ unbehelligt den Bahnfteig. Dicht hinter dein anve ren hielt sich Bariin, im Gedrange der Angetommenem An der Sperre mach te er eine Hand-bewegung, als wollte er dem Beamten die Fahriarte rei chen, wandte sich jedoch im selben Mo ment um, als have er etwas vergessen. Dann lächelte der Gauner befriedigt und wollte die Specke passieren. «Jhre Fabeln-ist« fragte der Be amtr. »Ich gab sie Ihnen doch ioeben«, erwiderte Barfin. »Sie Zehen es ja, ich glaubte, etwas vergessen zu ha ben«. aDas bemerlte ich allerdings, aber Jhr Billett habe ich reichli« »Gewiß haben Sie’s!« »Nein, ich hat-Z nichts Sie korn inen nicht hinaus, bevor Sie es mir gegeben!« Der Itationsvorsteher, aufmerk ".-...: . :rden, tam herbei. Man er gtch ihm den Sache-erholt ,,.«tns;:srdem«, erklärte Barfin, ukann ich es Jhnen beweisen, baß Sie mein Billett erhalten haben«. ! »Das wäre . »t« tam es unwirfch ivon den Lippen des Beamten. »Nun denn«, meinte Bariin ho heitsvoll, »ieitdem ich einmal mein tsilleit verloren habe und den Betrag nochmals bezahlen mußte, schreibe ich stets meinen Namen atif die Fahr tarte. Damit der, der sie findet, we nigstens weiß« wem sie gehört. Suchen Sie nur. Es war ein Billett erster Klilssc«. »Damit Sie während des Suchens entschlüpfenl Man tennt das...« »Ich lause Ihnen nicht davont« Barsin war sehr beleidigt. »Mit-ers hin ich in die Menschenmenge einge ztvangt und zweit-an brauche ich nicht zu mtichliipsem ocnn Sie haben mein Billett. Suchen Sie nur! J heiße Barsiin Der Name befindet ich aus der Rücktrite meiner Fahrtarte. . .« Nun legte sich der Stationsvorsto her ins Mittel, dem Barsiniz Art tm ponierte: »Ja, suchen Sie das Bil letti« herrschte er den Kontrolleur an. »Das toitet doch nichts!« Mit unwirschee Miene durchsuchte der Beamte die Fahrscheine und fand natürlich alsbald die mit dem schwangvollen Ramenszug versehene Karte des Gaunerö. »Sei-en ·Sie«, ertliirte Barsin mit der Miene eines Märtyrers, »daß ich recht hatte! Hätte ich die Karte nicht mit meinem Namen versehen, so wäre ich der Blamierie und hätte wieder nachsahlen tönnen. —- Uelrrigens ha ben Sie mich mit Jhrer Verdachtis gnug, ich wollte davon tausen, belei digt. Ei steht mir somit das Recht u, Jhr Benehmen im Beschwerdevuch festznnagelm —- Na, diesmal seifs Jhnenseichenttp Würdigen Schrittes ging arstn hinan-, umgehen von dem beisiilligen Gemurmel der Menqn Der Stationsches aber erteilte seinem Untergebenen einen tüchtigen itilsiet