Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 19, 1916, Sonntagsblatt, Image 9

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    Sonntag-blast de
SkaatS -7Anzeiger· und Abt-old
I rei Frau-in
Novollette von Richard Elöner.
Das war ein erregter August
ndend, als der Bürgermeister des
tletnen, freundlichen Saaledorfes den(
Mobilmachungsdefehl an die Haus-«
titr des Cafthaufeö »Zum Rosen
tronz« nagelte. Alle waren erfchienenJ
felbft die ganz Alten die fonft um
diese Zeit höchstens auf der Bank
daheim vor deni Haufe zu sitzen pfleg
ten.
Rede und Gegenrede durchraufchten
das Gaftzimmen Die Burschen rie
fen. «.hurrat". und die Alten hörten,»
—- die Zukunft bang befragend, —!
den zuversichtlichen Auseinnnoerfesis
Jungen des alten Lehrers zu. eei den.
Jüngern wnr Max der junge« tebengs
frohe R»fknlranzwirt, der Held des
Abends -
Er mußte fchon übermorgen, am
zweiten Mobilmachungstag in der
Garnifou fein. Scherzcnd reichte er
die Gläser den Gästen, empfahl fein
junges weih während der Zeit feines
Fortseins ihrem Schutz und versprach
dafür, tüchtig auf die Feinde einhau
en zu wollen. Die junge, stattliche
Wirtin Anna, oftman befragt, ob es
ihr nicht bange fei, den Mann gegen
den Feind ziehen zu lassen, hob den
blonden lion ftolzer denn je in den
Nacken, tlopfte ihrem Max auf die
Schulter und tagte heiter: »Du
kommst fchon wieder, gelt?« Der
aber schaut innig in die ftrahlenden
Augen feines mutigen Weibes und
war stolzer auf sie denn in früheren
Tagen. —- Die Burschen riefen dann
wohls .,Freilich mus- er wiederkom
men, freilich, so einen Wirt kriege-n
wie nicht wieder, haben’5 lange genug
mit den Weibern attein aushalten
miissen; mit der alten Niete sowohl
wie mit der ftitlen Bettha!«
So hatte man gefcherzt, erwogen,
erzählt, getrunken und war schließ
lich heimgegangen »
Anna aber und Max schritten ftill
in die Kammer. Und als sich das
junge Weib über die Wiege ihres tlei
neu Mädchen- neigte und nun den
neben ihr stehenden Mann anfech
da lag zu erften Male auf feuchten
Augen etwas wie Sorge. Max aber
ergriff feft ihre Hand, nnd mit einem
beftimmten: »Ich komme fchon wie
dert« brachte er fiir diefen Abend
Ruhe in das bange Herz der jungen
Frau.
Arn nächstfolgenden Tag ging er
davon. Niemand follte ihn beglei
ten. Kurz und innig war der Ab
fehied von den Seinen; und Freunde
und Gäste, alt und fung, riefen ihm,
als dem ersten, der fortging, mehr
alsch einmal ein herzliches Wiedersehen
na .
Freilich, die Gäste hatten guten
Grund. so zu rufen, denn bis vor
kurzem betlagte man sich, daß dem
.Rofentranz« der Wirt fehlt-Zum
Gasihauö gehöre eben ein Mann. Ei
ne Wirtin wiire ja auch nicht zu der
achten, doch jung müßte sie fein und
vor allem luftig. —- Die beiden Frau
en aber, die feit Jahrzehnten die Ge
schäfte drinnen beforgt hatten, jung
waren sie auch einmal gewesen, —
cuftig aber, luftig hatten sie nur weit
nige gesehen. . f
ein« edendeein knei- So ist« Dann
Mit der Aeltesten. der siebzigiiihris;
gen Rite, tvar noch dann nnd wann
etwas anzustellen. Die Großvater itni
Dorfe wußten zu erzählen, daß sie
früher einmal ein Teufels-weih gewe
sen sei! nnd wirklich, wenn sie jetzt
einmal, ans dem liriictstoct gestützt,
ron der höher gelegenen Hintetstutse
durch die ossene Tür das Gastzimnier
so scharsöngig iiberblickte, die Gäste
fühlten e-. gleich: dort oben steht die
Herrin! —- Nicht unten bei ihnen
Da stand meist die andere, die
Schwiegertochtek der Alten, auch schon
um die Fünszig5 eine tleine, stille,
immer grau gekleidete Frau. Jnnner
freundlich, immer sanber; aber
schweigs.«m und sinnend, als lönnte
sie etwas recht Betrübendes nicht wie
der vergessen. Bertha hieß sie und
wenn der truntseste Schmied am
Sonntag seine Wisse machte und sie
stets »Sei-one Bertha« nannte, so
nahm sie die Ansprüche hin, gleich
giiltig wie der Vureauschreiber den
trüben Himmel. Und wenn der
Schmied ries: »Verthchen, lache doch
mal, da trlnte ich gleich noch eins,«
so schaute sie meist verlegen in die
Este und skhlte es: Du bist hier nicht
am Platze Die Burschen tatnen bei
ihr nich-: aus ihre Kosten. Sie woll
ten spoßeiy wollten lachen nnd laut
werden. Die stille graue Bertha aber
driizite Iede Fröhlichkeit herab. —
Da schimpste osi die alte Nile hinten
in der kleinen Stube tvo sie zusam
men das Essen einnahmen: »Mit-sit
dich ausrassen, Berthn tannst nicht
g.traneen Ich tue es auch nicht
unt-aktive meinen Mann seither verlo
I du. Und war ni see deine
s
seufzte Bertha tief: »Das ist auch
nicht zu dergleichenk
Freilich, der Mann der alte Nile
war im Felde geblieben, damals
1864 in dem Krieg um Schleswigo
Holsteim Er war als held gestorben,
und die alte tapfere Nile hatte sich
allzeit zu trösten gewußt. »Die Frau
soll das hauö bewahren im Friedens
der Mann aber im Kriegt« So schloß
sie stets die Erklärung vom Tode des
Ihrem der am Strande von Alsen
begraben lag. 4
Derart konnte sich Bertha keinen
Trost zu prechen denn der Jhre wari
daheim aus dem Leben gegangen und;
noch dazu freiwillig; ja, freiwillig
aus Lebensiiberdrusz. Man hatte es
sich nie erklären können, warum der
lustige Sohn der alten Nile. der
kräftige, allzeit spöttelnde Wirt zum
,,Nosentranz« zum Strick gegriffen
hatte. —- Zu Bertha hatte er nicht ge
paßt, das wußten sie alle, das wußte
Bertha selbst am besten, und vielleicht
darum auch schwieg sie stets. Und
wenn die alte Nile an einem guten
Tag den Schmerz ihrer ganzen Ver
gangenheit vergessen toante und den
Gästen erzählte von Anna 64, als der
rote Prinz. der schneidige Friedrich
Karl, ins Feld ritt, dann saß sie
stumm dabei oder schlich sich leise da
von. daß nicht irgend ein Borlauter
Ehr geschlossen-es Buch des Lebens öff
nen möchte.
So war es meist ernst im »Rosen
lranz" und nicht sonnig und heiter,
wie es in einem Gasthause sein sollte.
Darum hatten schon jene Gäste als
Burschen gebrunimt, jene, die längst
gestreit sind setzt als Väter am run
den Stanimtisch den Ernst eher er
trugen.
Jn den letzten Jahren war ia nun
manches besser geworden. Jhre Toch
ter, die große blonde Anna, mit den
hellen Augen der Großmutter und
dem scharsen Witze ihres verstorbenen
Vaters wußt e jeder Anrede zu die
nen Zehn Burschen um sich herum,
einer immer leerer als der andere, im
mer scharsziingiger in der Rede, das
hatte sie gern. Sie wußte es: Sie
«gerin bleibst du immer, immer, Ins
gen sie nur reden, mögen sie nur wit
zeln, je toller desto besser! — Sie
wußte es, zuweit ging keiner, auch
nicht mehr der feurige Max-, slottester
Tänzer im Dorf und zweiter Sohn
des wohlhabenden Wiissermiillers.
Einmal hatte er es versucht, ihr et
was Unschöneo zu sagen. Sie aber
antwortete nicht daraus, ließ ihn ste
hen und tiiminerte sich ein ganzes
Jahr lang nicht uin ihn. Dat- hatte
Eindruck gemacht aus alle, selbst aus
die Zudringlichsten. Den größten Ein
druck aber aus Max selbst. »Teusel
auch, so ein Weibl« schoß es ihm im
mer wieder durch den Kopf; und
trotz der abweisenden Behandlung
Annas war er immer und immer
wieder in den »Rosenlranz« gekom
men. Aergerte sich ost darüber, —
und ärgerte sich noch mehr, wenn er
daheim geblieben war. —- Teufel
auch, solche Augen hatte teine in der
ganzen Umgebung, und dieser Ton
der Stimme, diese Haltung, wenn alle
sie umstanden. »Nun erst recht, nun
erst recht," hatte er sich gesagt, »sie;
soll schon tirre werden!" Und sies
wurde es, weil er es zuerst gewordens
war. Ter hitzige Max hat ihre nbss
weisende Art nie verhöhnt, nie belä-»
chelt; und Anna bemerkte recht wohl,l
wie er, der sonst so stolze, um ihret
willen ruhig jeden Spott feiner
Freunde einsteckte. vielleicht dabei des
alten Spruches gedenkend von dem,
der zulest lacht.
Und er hatte wirklich zuletzt ge
lacht und Anna mit ihm, und sie
hatten sich getliszt und geheiratet, und
niemand war eigentlich zuguterletzt
groß dariiber verwundert. Denn die
zwei gehörten eben zusammen, das
war letztan eines jeden Meinung,
und eine Zeit des Schmollens gehört
eben zu jeder richtigen Liebesgefchichs
te. —- -
Da war rnit einem Male nieder
Leben im ,,tttosentranz« und Sonne,
glitzernde Sonne, gerade dann, wenn
es den ganzen Sonntag-Nachmittag
draußen regnete. Da gingen auch
die Aeltesten wieder in die Schenke,
die ttleltesteih die sich vso froher Tage
nur aus den ersten Ehesahren der
alten Rite erinnern lonnten. Die aber
steckte nur noch ganz selten d:n Kopf
mit den fest zusammengepreszten Lip
pen, der großen herriichen Nase und
den scharfen. suchenden Augen durch
die hintertiiy zufrieden mit dein
wiederaufblilhenden Geschäft und dem
heiteren Lebensabschluß.
Die stilleBertha jedoch hatte sich
ganz in die Küche zurückgezogem ganz
in die Stille, fort von den Scher
zenden und dem spöttelnden Schmied.
So war auch sie zufriedener gewor
den, zufriedener mit sich und ihrer
Vergangenheit heiter aber, heiter
konnte sie nicht werden« und se fröh
lisper es drinnen irn dnftzimmer zu
ging, desto bellemmender zog die;
Sorge durchs herz: Wenns nur so
bleibt, wenns nur so bleibt! —
Nun war es nicht ganz so geblie
ben. Max lag schon seit Wochen
draußen an den Vogeser. Er schrieb
dann und wann, immer zur-ersichtlich,
immer beruhigend und ansragend
na allem, wie es daheim war. Anna
besorgte die Gäste wie früher; doch
ging alles ein wenig ernster, bestimm-1
ier und besonnener zu. Man sprach
von denen da drauszen, von den Vor
riiten daheim, von der jungen Saat,
den niederträchtigen Engländern, und
jeder fragte dann auch nach Max. Jnt
der letzten Zeit nun konnte Anna we-!
nig von ihm berichten. Die Briefes
waren ausgebliebenz aber das war jaj
weiter nichts besonderes, zumal, weith
die Truppen vorgehen müssen. Sie
gab sich zufrieden. Die alte Rike je-;
doch preßte die Lippen mehr zusam
men denn je, und ihre Blicke wurden
so tief, so unendlich weit und strahl
ten zurücl in die Zeit um Anno 64.
lind manchmal niclte sie ein wenig
mit dem iton und bewegte leise, leise
die Lippen, ließ aber teinen Laut
hinaus· — —- Anna hatte das nicht
bemerlt, —- aber die stille Mutter
Bertlpa vie jedes Gesichtsfältchen der
alten Echtvieger besser kannte als
ihre eigenen Und nun die Alte
fast gar nichts mehr über die Lip
Pen brachte, da hielt es Mutter Ber
tha siir angebracht, auch einmal zu
sprechen. —- ,,Anna," hub sie eines
Tages nach dem Essen an, »besiirch
test du wasc« —- Anna war es, als
stäche eine seine, seine Spitze in das
Herz, richtete sich aber aus und erwi
derte nur: »Ach gar!« —- »Jch dach
te,« sagte fast scheu die stille Bertha
daraus und ging mit einem roten
tiops in die Küche. Von dem Tage
an sprachen die Frauen noch seltener
miteinander und dann nur von Din
gen der Wirtschaft
Drei Wcchen waren fast vergangen,
und noch immer sehlte jede Nachricht
aus dem Felde. Da erschien eines
Abends der Zimmermann aus dem
Jsltachbardors Er war mit Max ein
:gezogen. gehörte zu demselben Regi
ment und trug jetzt, zurückgekehrt von
der Front, den berwundeten Arm im
Tuche. Er wußte mancherlei von
Max zu erzählen. Der Hauptmann
hätte ihn einmal nach einem Pa
trouillengang gelobt und gesagt, wenn
jeder so ganz seine Pflicht täte wie
der, dann miisse es gut enden. —
Noch an demselben Abend hätten sie
einen Stnrnmngriss gehabt, wobei er
selber am Arm verwundet worden
wäre. Am nächsten Morgen hätten
viele gefehlt. Jhn selbst hätte man
ins Lazarett geschasst, —- von Max
aber iviisite er gar nichts zu sa
gen
Während der Erzählung des Zim
mermanns sahen sich die drei Frauen
einmal tsriisend an, dabei vielleicht
dasselbe denkend. Als der Erzähler
schwieg, sragteni sie weiter nichts mehr
nach Max; —- denn es gibt Zeiten,
wo man trotz alles inneren Suchens
nach einer Gewißheit, einer legten be
stimmten Antwort gern, gern aus
iveicht. —
Jn der folgenden Nacht mußten die
drei Frauen wenig geschlafen haben,
denn der neue Morgen erblickte sie
mit grauen Schatten unter vermein
ten Augen. Es schien, als hätten sie
alte drei, eine jede mit sich, gründ
liche Rücksprache genommen, als wäre
etwas ins Klare gebracht worden.
Eine jede schien einen dicken Strich
hinter diesen Lebensabschnitt gemacht
zu haben, denn in aller Augen lag der
Glanz der Ergebung: Mag nun kom
men was da will! —
Als sie beim Mittagessen saßen,
sprachen sie mehr denn früher, scherz
ten auch wieder mit Annas Sproß
ling, dem kleinen, laum halbjährigen
Mädchen. Jede von ihnen nahm es
ein Weilchen auf dem Schoß, jede tat,
als hätte sie noch etwas Besonderes
fiir dieses junge Leben zu wirken.
Dabei zeigten sie gegenseitig eine
herzlichteit wie nie zuvor; und als
schließlich der stillen Bertha trotz
aller inneren Abwehr die Tränen
quollen, da gliszerten sie auch gleich
in den Augen der beiden anderen. —
Anna aber raffte sich auf, nahm mit
dein festen Blick der Hoffnung ihr
Kind nuf den Arin und trug es unter
Tränen lächelnd und tosend in die
Kammer
Vlni Jcnchinittag fiel der erste nasse
Dezemberfchner. Der Briefträger
lam, trank einen Schnur-T schüttelte
sich und legte dann erst — zögernd
einen Brief auf den Tisch. »Vom
Kommando!« sprach er mit etwas zit
ternder Stimme-, drückte Frau Anna
herzlich und teilnahmövoll die Hand
und ging hinaus. Die beiden älte
ren Frauen tainen aus der Hinter
stube hervor. Anna öffnete den
Brief« überflog die Zeilen und reichte
ihn den beiden andern. fede las
und fchwieg Jnx Ofen lniterte das
gener. Leise llapperie der vom
amps gehobene Deckel des Wasser
tessels. Die alte graue Katze, die seit
Mittag im Osenloch gelegen hatte,
kroch hervor-, r eb ihr glänzendes Fell
an Annns Kleid und ließ ein
weiches, leises, llngendes Mauen er
tönen. ,
Anna nahm den Brief an sich,
gnd schweigend ging jede an ihre Ar
eit.
—-..--—---—
Drei Frauen wirken heute im »Ro
senlranz«. Jede tut still ihre Pflicht,
jede trägt den stillen Glanz der Er
gebenheit im Auge. — — Gegen
Abend aber, wenn die Dämmerung
durch das Dorf zieht, die stille Ber
tlyu draußen die Kühe füttert und
die junge Anna durch das leere Feld
starrt, weit, weithin nach Wesiei., —
dann schleicht sich zuweilen die alte
Nile in die Kammer zu ihrem Ur
enlelchen Und wenn sie lange ans
das kleine schlafende Ding hernie
detschaui, bewegt sie leise die Lip
pen, als wollte sie zu dem Kind
,chen sagen: Das ist nicht anders,
mein Päppchem dar- isi nicht nn
ders. Jrnmer stille halten, immer
stille, — die Frau soll das Haus be
wahren im Frieden, der Mann aber
im Ariegl — —
—
spu- Hpexiulifl stir- Damen.
Slizze von zllara Schott.
So oft ich an der Straßenecke vor
überging, las ich kopfschüttelnd auf
einem weißen Porzellanschild mit
großen« schwarzen Lettertn
Dr. Leo, Arzt
Spezialist fiir Damen
Sprzialift siir Damen! Bisher
wußte ich nur oon Frauen-Aerzten.
Aber Spezialist für Damen?. . .ich
konnte mir keinen Vers daraus ma
chen und fragte einen guten Bekann
ten, den ich gerade einmal an der
Straßenecie traf, was man wohl dar
unter oerständr.
« «Hin«. machte der, »das wird wohl
etwas Hypermodernes sein. Vielleicht
lernen wir ihn mal lennen«.
Leider sollte dies auf eine recht
flostspielige und unangenehme Weise
geschehen Meine junge, allerliebste
Frau schiert mir seit einiger Zeit auf
fallend verändert. Jhr heiteres We
sen ioar einer leichten Melancholie
gewichen« ste, die sonst überaus treu
ihren häusliche-i Pflichten nachtum,
ließ alles gleichgültig an sich vorüber
gehen. Sie klagte über Magenoer
stimmung,- allgemeine Schwäche und
war sehr leicht erregbar.. Jch bat sie
dringend, einen Arzt zu Rat zu
ziehen; sie aber lehnte bestimmt ab
und wac auffallend unfreundlich zu
mir. Wenn ich sonst vom Büro heim
kehrte, lam sie mir mit einem golde
nen Lächeln auf den frischen Lippen
entgegen. Oft holte sie mich ab, und
niemals fand ich die Wohnung nicht
in Ordnung, denn die Dienstboten
waren unter Ellys Leitung trefflich
geschult· Anders jetzt!
»Madarne liegt,'« hieß es, das
Essen ward später als gewöhnlich an
gerichtet, dieses oder jenes stand nicht
an feinem Platz, lnrz, es begann
ungemütlich in der Behausung zu
werden, und meine Sorge um meine
geliebte Elst) steigerte sich.
Eines Tages, als ich heimkomme,
stürzt mir das Stubenntädchen ent
gegen, Madame habe eine Ohnmacht.
Es sei Besuch dagewesen, eine elegant
getleidete Dame, und als diese das
Haus verlassen habe, habe man mei
ne arme Elly in diesem Zustand ge
funden.
,,Schnell zu dem Arzt,« drängte«
ich. »Zum ersten besten, wo Sie am
ehesten ein Schild erblicken« —
Während ich mich um meine Frau
bemühte tras ein Arzt ein. »Dr
Leo«, mnrcnelte er, sich leicht verbeu
gend, und schritt ans Elly, die bleich
dalag, zu. Etwas Essenz brachte sie
auch sofort zu sich. so daß sie einige
Fragen zwar schwach, aber klar be
antworten tonnte.
»Leo, Leo«, dachte ich mir, wo
hatte ich diesen Namen doch gehört,
—— der nette, junge Herr schien mit
aber ganz fremd — nnd jeßt hatte ich
es: das war ver Spezialist fiik Das
men.
Als ich ihn hinansbegleitete nnd
die trostreiche Botschaft erhielt, daß
ein ernstliches Leiden wohl nicht vor
liege, tonnte ich mir doch nicht ent
halten zn fragen, worin seine Spezia
lität silr Damen bestände.
Er lächelte eigenartig, dreideutin
und malitiös, tvars dann aber stolz
sein blondes Haupt zurück und mein
te etwas hochmiitigr »Ich bin Spe
zialist siir Seelenanalyse.«
»Sie glauben, meine Fran· —«
»Ja, das Leiden Jhrer Frau Ge
mahlin ist ein alsolnt seelischez, nnd
in sur-sei Zeit werde ich Ihnen mit
sestimmtheit sagen können, nach wel
cher Richtung sich dieses ausznbilden1
droht. Ich hoffe aber —«' setzte er,!
als er mein Erschrecken bemerkte,;
hinzu, »das Leiden auch vollständigs
heilen zu können. Adieu. Jch werde
wir erlauben, morgen nochmals nach
zusehen.«
Diese Worte wurden an einem
Montag gesprochen. Dienstag, Mitt
ivoch Donnerstag wurden Seelen
analysen während meiner Abwesen
heit vorgenommen und am Freitag
ließ mich der Spezialist in seine
Sprechstuade bitten behufs Ueber
gabe eines Rezeptes. Diese Sprech
stunde war so itbersijlkt daß der jun-i
ge Arzt nur Zeit hatte mir ein Re-!
zept in die Hand zu drücken. Dann
verschwand er hinter einer Tür
»Ich entfaltete das Rezept und las
zu meinem Erstaunen: »Y-Stras3e
49, drittes Schauienster, vierter
Ständer·«
Hier mus; eine Verwechslung vor
liegen, dacht ich mir und wartete, bis
sich wieder die Tür anstat.
»Pnrdon, Herr Doktor —«
Er lächelte. »Sie glauben ich
habe Jhnen einen falschen Zettel ge
geben«-! Jiein, mein Herr, das stimmt
schon. Treten Sie einen Augen
blick ein, ich will Ihnen diese Art von
Arznei erklären. Jch habe gestern
die Diagnose bei Jhrer Frau Ge
mahlin aestellt — sie hat die Hut
tranlheit «
what -—«
»Bitte, lassen Sie mich unsreden
Jch bin lein oberflächlicher Arzt; ich
habe auch bereits die Geschmacksrichs
tuug Jhrer verehrten Frau Gemahlin
studiert. Dieser Hut, der in der »Y
Straße 49, drittes Fenster-, vierter
Stäuver ausgestellt ist, wirr- Ihre
Frau so sicher heilen, wie zweimal
zwei vier ist. Aber Sie müssen mir
natiirlich helfend zur Seite stehen«
Die Ylpi:tl)ie, in welcher sich Jhres
Frau Gemahlin jetzt befindet, ist;
schen zu rief eingerissen, als daß sie
sofort Interesse gewinnen wird. Sie
nüssen sie am Schaufenster vorüber
führen, wie zufällig auf den vierten
Stander aufmerksam machen, wieder
hole über den Hut sprechen, das wei
tere ergibt sich schon von selbst. Par
don, Sie sehen, meiner harren noch
viele Patienten-«
Der Spezialist fiir Damen erhob
sich und reichte mir die Hand.
Ich ging. Erst wollte ich »Er-har
latan« aus-rufen und das Rezept fort
werfen, aber dann — -—— meine blasse
Elly, iuejis veränderter Hausstand —
der Eririntende klammert sich am
Strohhalm, tlammere ich micli also
an einen Hut Groß genug sind sie
ja mitunter, um als Rettunggtahn
dienen zu können. Sinneno ging Ich
nach Hause.
»Nun, Erich, wag hat der Arzt ge
sagt?« fragte meine lleine Frau, die
in einer reisenden Matinee auf der
Chaiselougue lag.
»Bor allem sollsi du ausgehen,
mein Lieb, Zerstreuung ist vie erste
Bedingung siir dich.«
,.Al«sgeljen!« stöhnte sie, »ich lsin viel
zu schwach dazu. Wißt Ihr, was cn
mir vorgeht?«
Jhre Träne-i taten mir weh. Am
Nachmittag versuchte ich es wieder,
sie zum Plusgekien zu bewegen »Tai
eg mir zulievet versuche eg. Ich
nehme eine Ins-»Ne, irjr fuhren ein
we:iig!«
Wir fuhren nnd ter les-stiller war
genau itstruieii gis-Straße -l:«, sit I
les Sel)«useuue:. wie iufjilu .-«:. l).il
len.
Er til.:(l)te sich etwa-H nn seinems
Pferd zu seh-Um
»Schat· mnl.« sagte ich, »die schö
nen Hiite Dieser b.1«ans dein
Vierteil Stirnoer —«
Müden Blickes schaute meine Fern-.
auf ein Jndell aus goldsarhigetn
Roßhaar Init Rohr-Rosen und ein
Geriesel von Iijll und Spitzen.
Dann niclte sie ein wenig mit dem
Kopf, seuszte und sagte matt:
»Ja, wenn man gesund wäre!«
»Das wird bald kommen-«
Andern Tages blieben wir zu
Hause. Am nächsten begann meine
Zion mir zn erzählen, daß vor ihrer
Ohnmacht eine Freundin vei ihr ge
wesen, die von Paris gekommen sei.
»Den Hut hättest du sehen sollen,
Leich, noch ganz anders als der m
Der Y.-Ete.iße«
»So? —- ossen gestanden, ich hnbe
Den ans der Y.-stk. gar nicht mehr im
Gedächtnis.« -
»Wir lönnen ihn uns jn noch
nalg nnfehen,« erwiderte sie. »Viel
leicht bin ich nach dem Mittags
schläschen kräftig genug, um ausgehen
su tönnen.«
Wir gingen und standen lange vor
Dem Sch.iusecisier. '
»Weißt du was?« schlug i·h ihr
wr, »aus Freude über die Fortschrit
:e, die deine Genesung macht, will ich
Fikl den Hut kaufen, wenn er dir ge
ii t." »
»Du Gutetl Gefallen tut er mit
schon. Aber erstens weiß ich nicht,
ob er kleidet, und —- was soll eine
trante Frau mit einem Hut?«
,,Komm’ nur, tomm’, gesund wirst
du bald sein, die Hauptsache ist, ob
er dich tleidet.«
Und er kleidete; er bezahlte —
stinsundsechzig Franken —- in der ei
genartigen Apotheke und wir verlie
ßen mit gemischten Gefühlen das Ge
schäft. Unterwegs sprach mein Frau
chen etwas hastig, ob sie denn auch
recht getan hätte, diesen Hut zu wäh
len, und nicht den andern, der doch
auch so schön sei. Fr. L. mit dem
Pariser Hut würde ihr vielleicht bes
ser geraten haben als ich. Diese
hätte einen exquisiten Geschmack.
Eine Robe habe sie getragen, - eine
Robe, Erich. . .; sie seufzte, brach ab
und brachte ihren alten Satz an:
»Wenn man aber doch nicht gesund
ist?«
Zu Hause probierte sie den Hut,
der unterdessen eingetroffen war, noch
mals aus, vergaß ihre sonstige Mat
tigkeit und zog diverse llmhänge dazu
an. Arn Abend holte sie den Hut
nochmals vor und meinte, ich hätte
ihr doch gut geraten, Fr gefiele ihr
ausgezeichnet » ·
Meine truy tchtcer vorzüglich, be
schäftigte sich vormittags etwas im
Haushalt und als ich nachmittags « auf
einen Sprung sehe1. lam, wie es mei
nem Frauchen ging, hieß es; sie sei
ausgegangen »Die gnädige Frau hat
ten den neuen Hut auf,« fügte etwas
ironisch lächelnd das Zimmermädchen
hinzu.
Tter Seelenlundige tam naturge
mäß jetzt weniger-.
lssrst als sich plötzlich Weinträmpfe
einstellten bei meiner armen Elln, ließ
ich ihn wieder holen.
Rechnung erhielt ich einen gelben
Zettel in die Hand gedrückt, und
diesmal stand darauf:
»Lasser. Sie unverziiglich von Hoch
barg u. Co. las taubengraue Kostiim
mit den schwarzen Borten, Fasson Nr.
44, kommen. Garantie auf eine halb
iährige Heilung«
Mechanisch las ich das Rezept
drei-, viermal. Ebenso mechanisch
das Aufgedkuckte: »Dr. Leo, Spezia
list fiir Damen « Jch seufzte tief —
aber toas tut man nicht aus Liebe —
fhr zu Hochbnrg erstand für zwei
hundertfiinfzig Franken das Kostiim
und ließ es meiner tranken Frau zu
geehn. Ein paar Tage trug sie es —
oen Hut natiirlich dazu, schmeichelte
mir nochseinen neuen Sonnenschirm
und passende Handschuhe ab und
meinte: dem Himmel sei, Dant, es
ginge ihr ietzt wieder ganz gut. Nun
wolle sie recht oft im Freien sein.
Und der Arzt, der brauche natürlich
nicht mehr zu kommen, der habe ihr
iiberhaupt nicht mal was zu verord
nen gewußt «
Jch aker drückte ihm dankend die
Hand und bin entzückt von dem ,,Spe
zialisten fiir Damen«,
-
—- Mehr lann man nichi
ver la ug e n. »Das nenne ich eine
aufmerlsame Bedienung! Während
ich heut bei meinem Schuster die Ne
paratur meiner Stiefel abwarten-,
stopfte mir feine Frau gratis die
Striinmfe!«
—- vLielbsterle n n t n i s.
Gen: »Sie sind so schweigsam,
Fräulein Jeran
era: »Ja, mir fällt heute nichts
Gescheites ein.«
Ged: ,,Lieber Himmel. wenn ich
immer daraus warten wolltet —«
—- Wortspiel. — Eulaliak
»Als ich noch jung war, waren die
Herren ganz ansjer sich, wenn sie mich
sahen, jetzt sind sie alle außer Sicht!«
——— Ber der Kasseeoisite.
Hausfrau: »Aber, Frau Schulze,
nehmen Sie doch Ihrem Gretchen ein
Stück Torte mit nach Hause«.
Frau Schulze: »Ach nein, ich
dunkel«
Der lleine Fritz: ,,Mama, sie hat
schon zwei Stückchen eingesteckt, als
Du draußen warst!«
—- Unter Studentianen.
»Du vertehrst ja gar nicht mehr mit
Deiner Kommilitonin Elsas«
»Die ist seit dem letzten Kränzchen
im —- Kasseeverruf!«
—- Billiges Verlangen.
Direktor (zn dem entlassenen Sträf
lisig): »Was wünschen Sie noch,
Kettner?"
Sträsling (ber kurz vorher photo
graphiert worden tst): »Mei’ Photo
graphie möcht’ ich mir ausbitten!«
— Unmöglich. Angeklagter
kommen ist): «Darf ich auch ein
lder bisher noch nicht zum Wort ge
cnal reden, Herr Richters«
Richter: »Sie haben selbstredend
zu schweigen«.
Angeklagten »Aber Derr Richter,
wie kann ich denn selbst redend
schweige-ji« »