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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Oct. 19, 1916)
Sonntag-blast de SkaatS -7Anzeiger· und Abt-old I rei Frau-in Novollette von Richard Elöner. Das war ein erregter August ndend, als der Bürgermeister des tletnen, freundlichen Saaledorfes den( Mobilmachungsdefehl an die Haus-« titr des Cafthaufeö »Zum Rosen tronz« nagelte. Alle waren erfchienenJ felbft die ganz Alten die fonft um diese Zeit höchstens auf der Bank daheim vor deni Haufe zu sitzen pfleg ten. Rede und Gegenrede durchraufchten das Gaftzimmen Die Burschen rie fen. «.hurrat". und die Alten hörten,» —- die Zukunft bang befragend, —! den zuversichtlichen Auseinnnoerfesis Jungen des alten Lehrers zu. eei den. Jüngern wnr Max der junge« tebengs frohe R»fknlranzwirt, der Held des Abends - Er mußte fchon übermorgen, am zweiten Mobilmachungstag in der Garnifou fein. Scherzcnd reichte er die Gläser den Gästen, empfahl fein junges weih während der Zeit feines Fortseins ihrem Schutz und versprach dafür, tüchtig auf die Feinde einhau en zu wollen. Die junge, stattliche Wirtin Anna, oftman befragt, ob es ihr nicht bange fei, den Mann gegen den Feind ziehen zu lassen, hob den blonden lion ftolzer denn je in den Nacken, tlopfte ihrem Max auf die Schulter und tagte heiter: »Du kommst fchon wieder, gelt?« Der aber schaut innig in die ftrahlenden Augen feines mutigen Weibes und war stolzer auf sie denn in früheren Tagen. —- Die Burschen riefen dann wohls .,Freilich mus- er wiederkom men, freilich, so einen Wirt kriege-n wie nicht wieder, haben’5 lange genug mit den Weibern attein aushalten miissen; mit der alten Niete sowohl wie mit der ftitlen Bettha!« So hatte man gefcherzt, erwogen, erzählt, getrunken und war schließ lich heimgegangen » Anna aber und Max schritten ftill in die Kammer. Und als sich das junge Weib über die Wiege ihres tlei neu Mädchen- neigte und nun den neben ihr stehenden Mann anfech da lag zu erften Male auf feuchten Augen etwas wie Sorge. Max aber ergriff feft ihre Hand, nnd mit einem beftimmten: »Ich komme fchon wie dert« brachte er fiir diefen Abend Ruhe in das bange Herz der jungen Frau. Arn nächstfolgenden Tag ging er davon. Niemand follte ihn beglei ten. Kurz und innig war der Ab fehied von den Seinen; und Freunde und Gäste, alt und fung, riefen ihm, als dem ersten, der fortging, mehr alsch einmal ein herzliches Wiedersehen na . Freilich, die Gäste hatten guten Grund. so zu rufen, denn bis vor kurzem betlagte man sich, daß dem .Rofentranz« der Wirt fehlt-Zum Gasihauö gehöre eben ein Mann. Ei ne Wirtin wiire ja auch nicht zu der achten, doch jung müßte sie fein und vor allem luftig. —- Die beiden Frau en aber, die feit Jahrzehnten die Ge schäfte drinnen beforgt hatten, jung waren sie auch einmal gewesen, — cuftig aber, luftig hatten sie nur weit nige gesehen. . f ein« edendeein knei- So ist« Dann Mit der Aeltesten. der siebzigiiihris; gen Rite, tvar noch dann nnd wann etwas anzustellen. Die Großvater itni Dorfe wußten zu erzählen, daß sie früher einmal ein Teufels-weih gewe sen sei! nnd wirklich, wenn sie jetzt einmal, ans dem liriictstoct gestützt, ron der höher gelegenen Hintetstutse durch die ossene Tür das Gastzimnier so scharsöngig iiberblickte, die Gäste fühlten e-. gleich: dort oben steht die Herrin! —- Nicht unten bei ihnen Da stand meist die andere, die Schwiegertochtek der Alten, auch schon um die Fünszig5 eine tleine, stille, immer grau gekleidete Frau. Jnnner freundlich, immer sanber; aber schweigs.«m und sinnend, als lönnte sie etwas recht Betrübendes nicht wie der vergessen. Bertha hieß sie und wenn der truntseste Schmied am Sonntag seine Wisse machte und sie stets »Sei-one Bertha« nannte, so nahm sie die Ansprüche hin, gleich giiltig wie der Vureauschreiber den trüben Himmel. Und wenn der Schmied ries: »Verthchen, lache doch mal, da trlnte ich gleich noch eins,« so schaute sie meist verlegen in die Este und skhlte es: Du bist hier nicht am Platze Die Burschen tatnen bei ihr nich-: aus ihre Kosten. Sie woll ten spoßeiy wollten lachen nnd laut werden. Die stille graue Bertha aber driizite Iede Fröhlichkeit herab. — Da schimpste osi die alte Nile hinten in der kleinen Stube tvo sie zusam men das Essen einnahmen: »Mit-sit dich ausrassen, Berthn tannst nicht g.traneen Ich tue es auch nicht unt-aktive meinen Mann seither verlo I du. Und war ni see deine s seufzte Bertha tief: »Das ist auch nicht zu dergleichenk Freilich, der Mann der alte Nile war im Felde geblieben, damals 1864 in dem Krieg um Schleswigo Holsteim Er war als held gestorben, und die alte tapfere Nile hatte sich allzeit zu trösten gewußt. »Die Frau soll das hauö bewahren im Friedens der Mann aber im Kriegt« So schloß sie stets die Erklärung vom Tode des Ihrem der am Strande von Alsen begraben lag. 4 Derart konnte sich Bertha keinen Trost zu prechen denn der Jhre wari daheim aus dem Leben gegangen und; noch dazu freiwillig; ja, freiwillig aus Lebensiiberdrusz. Man hatte es sich nie erklären können, warum der lustige Sohn der alten Nile. der kräftige, allzeit spöttelnde Wirt zum ,,Nosentranz« zum Strick gegriffen hatte. —- Zu Bertha hatte er nicht ge paßt, das wußten sie alle, das wußte Bertha selbst am besten, und vielleicht darum auch schwieg sie stets. Und wenn die alte Nile an einem guten Tag den Schmerz ihrer ganzen Ver gangenheit vergessen toante und den Gästen erzählte von Anna 64, als der rote Prinz. der schneidige Friedrich Karl, ins Feld ritt, dann saß sie stumm dabei oder schlich sich leise da von. daß nicht irgend ein Borlauter Ehr geschlossen-es Buch des Lebens öff nen möchte. So war es meist ernst im »Rosen lranz" und nicht sonnig und heiter, wie es in einem Gasthause sein sollte. Darum hatten schon jene Gäste als Burschen gebrunimt, jene, die längst gestreit sind setzt als Väter am run den Stanimtisch den Ernst eher er trugen. Jn den letzten Jahren war ia nun manches besser geworden. Jhre Toch ter, die große blonde Anna, mit den hellen Augen der Großmutter und dem scharsen Witze ihres verstorbenen Vaters wußt e jeder Anrede zu die nen Zehn Burschen um sich herum, einer immer leerer als der andere, im mer scharsziingiger in der Rede, das hatte sie gern. Sie wußte es: Sie «gerin bleibst du immer, immer, Ins gen sie nur reden, mögen sie nur wit zeln, je toller desto besser! — Sie wußte es, zuweit ging keiner, auch nicht mehr der feurige Max-, slottester Tänzer im Dorf und zweiter Sohn des wohlhabenden Wiissermiillers. Einmal hatte er es versucht, ihr et was Unschöneo zu sagen. Sie aber antwortete nicht daraus, ließ ihn ste hen und tiiminerte sich ein ganzes Jahr lang nicht uin ihn. Dat- hatte Eindruck gemacht aus alle, selbst aus die Zudringlichsten. Den größten Ein druck aber aus Max selbst. »Teusel auch, so ein Weibl« schoß es ihm im mer wieder durch den Kopf; und trotz der abweisenden Behandlung Annas war er immer und immer wieder in den »Rosenlranz« gekom men. Aergerte sich ost darüber, — und ärgerte sich noch mehr, wenn er daheim geblieben war. —- Teufel auch, solche Augen hatte teine in der ganzen Umgebung, und dieser Ton der Stimme, diese Haltung, wenn alle sie umstanden. »Nun erst recht, nun erst recht," hatte er sich gesagt, »sie; soll schon tirre werden!" Und sies wurde es, weil er es zuerst gewordens war. Ter hitzige Max hat ihre nbss weisende Art nie verhöhnt, nie belä-» chelt; und Anna bemerkte recht wohl,l wie er, der sonst so stolze, um ihret willen ruhig jeden Spott feiner Freunde einsteckte. vielleicht dabei des alten Spruches gedenkend von dem, der zulest lacht. Und er hatte wirklich zuletzt ge lacht und Anna mit ihm, und sie hatten sich getliszt und geheiratet, und niemand war eigentlich zuguterletzt groß dariiber verwundert. Denn die zwei gehörten eben zusammen, das war letztan eines jeden Meinung, und eine Zeit des Schmollens gehört eben zu jeder richtigen Liebesgefchichs te. —- - Da war rnit einem Male nieder Leben im ,,tttosentranz« und Sonne, glitzernde Sonne, gerade dann, wenn es den ganzen Sonntag-Nachmittag draußen regnete. Da gingen auch die Aeltesten wieder in die Schenke, die ttleltesteih die sich vso froher Tage nur aus den ersten Ehesahren der alten Rite erinnern lonnten. Die aber steckte nur noch ganz selten d:n Kopf mit den fest zusammengepreszten Lip pen, der großen herriichen Nase und den scharfen. suchenden Augen durch die hintertiiy zufrieden mit dein wiederaufblilhenden Geschäft und dem heiteren Lebensabschluß. Die stilleBertha jedoch hatte sich ganz in die Küche zurückgezogem ganz in die Stille, fort von den Scher zenden und dem spöttelnden Schmied. So war auch sie zufriedener gewor den, zufriedener mit sich und ihrer Vergangenheit heiter aber, heiter konnte sie nicht werden« und se fröh lisper es drinnen irn dnftzimmer zu ging, desto bellemmender zog die; Sorge durchs herz: Wenns nur so bleibt, wenns nur so bleibt! — Nun war es nicht ganz so geblie ben. Max lag schon seit Wochen draußen an den Vogeser. Er schrieb dann und wann, immer zur-ersichtlich, immer beruhigend und ansragend na allem, wie es daheim war. Anna besorgte die Gäste wie früher; doch ging alles ein wenig ernster, bestimm-1 ier und besonnener zu. Man sprach von denen da drauszen, von den Vor riiten daheim, von der jungen Saat, den niederträchtigen Engländern, und jeder fragte dann auch nach Max. Jnt der letzten Zeit nun konnte Anna we-! nig von ihm berichten. Die Briefes waren ausgebliebenz aber das war jaj weiter nichts besonderes, zumal, weith die Truppen vorgehen müssen. Sie gab sich zufrieden. Die alte Rike je-; doch preßte die Lippen mehr zusam men denn je, und ihre Blicke wurden so tief, so unendlich weit und strahl ten zurücl in die Zeit um Anno 64. lind manchmal niclte sie ein wenig mit dem iton und bewegte leise, leise die Lippen, ließ aber teinen Laut hinaus· — —- Anna hatte das nicht bemerlt, —- aber die stille Mutter Bertlpa vie jedes Gesichtsfältchen der alten Echtvieger besser kannte als ihre eigenen Und nun die Alte fast gar nichts mehr über die Lip Pen brachte, da hielt es Mutter Ber tha siir angebracht, auch einmal zu sprechen. —- ,,Anna," hub sie eines Tages nach dem Essen an, »besiirch test du wasc« —- Anna war es, als stäche eine seine, seine Spitze in das Herz, richtete sich aber aus und erwi derte nur: »Ach gar!« —- »Jch dach te,« sagte fast scheu die stille Bertha daraus und ging mit einem roten tiops in die Küche. Von dem Tage an sprachen die Frauen noch seltener miteinander und dann nur von Din gen der Wirtschaft Drei Wcchen waren fast vergangen, und noch immer sehlte jede Nachricht aus dem Felde. Da erschien eines Abends der Zimmermann aus dem Jsltachbardors Er war mit Max ein :gezogen. gehörte zu demselben Regi ment und trug jetzt, zurückgekehrt von der Front, den berwundeten Arm im Tuche. Er wußte mancherlei von Max zu erzählen. Der Hauptmann hätte ihn einmal nach einem Pa trouillengang gelobt und gesagt, wenn jeder so ganz seine Pflicht täte wie der, dann miisse es gut enden. — Noch an demselben Abend hätten sie einen Stnrnmngriss gehabt, wobei er selber am Arm verwundet worden wäre. Am nächsten Morgen hätten viele gefehlt. Jhn selbst hätte man ins Lazarett geschasst, —- von Max aber iviisite er gar nichts zu sa gen Während der Erzählung des Zim mermanns sahen sich die drei Frauen einmal tsriisend an, dabei vielleicht dasselbe denkend. Als der Erzähler schwieg, sragteni sie weiter nichts mehr nach Max; —- denn es gibt Zeiten, wo man trotz alles inneren Suchens nach einer Gewißheit, einer legten be stimmten Antwort gern, gern aus iveicht. — Jn der folgenden Nacht mußten die drei Frauen wenig geschlafen haben, denn der neue Morgen erblickte sie mit grauen Schatten unter vermein ten Augen. Es schien, als hätten sie alte drei, eine jede mit sich, gründ liche Rücksprache genommen, als wäre etwas ins Klare gebracht worden. Eine jede schien einen dicken Strich hinter diesen Lebensabschnitt gemacht zu haben, denn in aller Augen lag der Glanz der Ergebung: Mag nun kom men was da will! — Als sie beim Mittagessen saßen, sprachen sie mehr denn früher, scherz ten auch wieder mit Annas Sproß ling, dem kleinen, laum halbjährigen Mädchen. Jede von ihnen nahm es ein Weilchen auf dem Schoß, jede tat, als hätte sie noch etwas Besonderes fiir dieses junge Leben zu wirken. Dabei zeigten sie gegenseitig eine herzlichteit wie nie zuvor; und als schließlich der stillen Bertha trotz aller inneren Abwehr die Tränen quollen, da gliszerten sie auch gleich in den Augen der beiden anderen. — Anna aber raffte sich auf, nahm mit dein festen Blick der Hoffnung ihr Kind nuf den Arin und trug es unter Tränen lächelnd und tosend in die Kammer Vlni Jcnchinittag fiel der erste nasse Dezemberfchner. Der Briefträger lam, trank einen Schnur-T schüttelte sich und legte dann erst — zögernd einen Brief auf den Tisch. »Vom Kommando!« sprach er mit etwas zit ternder Stimme-, drückte Frau Anna herzlich und teilnahmövoll die Hand und ging hinaus. Die beiden älte ren Frauen tainen aus der Hinter stube hervor. Anna öffnete den Brief« überflog die Zeilen und reichte ihn den beiden andern. fede las und fchwieg Jnx Ofen lniterte das gener. Leise llapperie der vom amps gehobene Deckel des Wasser tessels. Die alte graue Katze, die seit Mittag im Osenloch gelegen hatte, kroch hervor-, r eb ihr glänzendes Fell an Annns Kleid und ließ ein weiches, leises, llngendes Mauen er tönen. , Anna nahm den Brief an sich, gnd schweigend ging jede an ihre Ar eit. —-..--—---— Drei Frauen wirken heute im »Ro senlranz«. Jede tut still ihre Pflicht, jede trägt den stillen Glanz der Er gebenheit im Auge. — — Gegen Abend aber, wenn die Dämmerung durch das Dorf zieht, die stille Ber tlyu draußen die Kühe füttert und die junge Anna durch das leere Feld starrt, weit, weithin nach Wesiei., — dann schleicht sich zuweilen die alte Nile in die Kammer zu ihrem Ur enlelchen Und wenn sie lange ans das kleine schlafende Ding hernie detschaui, bewegt sie leise die Lip pen, als wollte sie zu dem Kind ,chen sagen: Das ist nicht anders, mein Päppchem dar- isi nicht nn ders. Jrnmer stille halten, immer stille, — die Frau soll das Haus be wahren im Frieden, der Mann aber im Ariegl — — — spu- Hpexiulifl stir- Damen. Slizze von zllara Schott. So oft ich an der Straßenecke vor überging, las ich kopfschüttelnd auf einem weißen Porzellanschild mit großen« schwarzen Lettertn Dr. Leo, Arzt Spezialist fiir Damen Sprzialift siir Damen! Bisher wußte ich nur oon Frauen-Aerzten. Aber Spezialist für Damen?. . .ich konnte mir keinen Vers daraus ma chen und fragte einen guten Bekann ten, den ich gerade einmal an der Straßenecie traf, was man wohl dar unter oerständr. « «Hin«. machte der, »das wird wohl etwas Hypermodernes sein. Vielleicht lernen wir ihn mal lennen«. Leider sollte dies auf eine recht flostspielige und unangenehme Weise geschehen Meine junge, allerliebste Frau schiert mir seit einiger Zeit auf fallend verändert. Jhr heiteres We sen ioar einer leichten Melancholie gewichen« ste, die sonst überaus treu ihren häusliche-i Pflichten nachtum, ließ alles gleichgültig an sich vorüber gehen. Sie klagte über Magenoer stimmung,- allgemeine Schwäche und war sehr leicht erregbar.. Jch bat sie dringend, einen Arzt zu Rat zu ziehen; sie aber lehnte bestimmt ab und wac auffallend unfreundlich zu mir. Wenn ich sonst vom Büro heim kehrte, lam sie mir mit einem golde nen Lächeln auf den frischen Lippen entgegen. Oft holte sie mich ab, und niemals fand ich die Wohnung nicht in Ordnung, denn die Dienstboten waren unter Ellys Leitung trefflich geschult· Anders jetzt! »Madarne liegt,'« hieß es, das Essen ward später als gewöhnlich an gerichtet, dieses oder jenes stand nicht an feinem Platz, lnrz, es begann ungemütlich in der Behausung zu werden, und meine Sorge um meine geliebte Elst) steigerte sich. Eines Tages, als ich heimkomme, stürzt mir das Stubenntädchen ent gegen, Madame habe eine Ohnmacht. Es sei Besuch dagewesen, eine elegant getleidete Dame, und als diese das Haus verlassen habe, habe man mei ne arme Elly in diesem Zustand ge funden. ,,Schnell zu dem Arzt,« drängte« ich. »Zum ersten besten, wo Sie am ehesten ein Schild erblicken« — Während ich mich um meine Frau bemühte tras ein Arzt ein. »Dr Leo«, mnrcnelte er, sich leicht verbeu gend, und schritt ans Elly, die bleich dalag, zu. Etwas Essenz brachte sie auch sofort zu sich. so daß sie einige Fragen zwar schwach, aber klar be antworten tonnte. »Leo, Leo«, dachte ich mir, wo hatte ich diesen Namen doch gehört, —— der nette, junge Herr schien mit aber ganz fremd — nnd jeßt hatte ich es: das war ver Spezialist fiik Das men. Als ich ihn hinansbegleitete nnd die trostreiche Botschaft erhielt, daß ein ernstliches Leiden wohl nicht vor liege, tonnte ich mir doch nicht ent halten zn fragen, worin seine Spezia lität silr Damen bestände. Er lächelte eigenartig, dreideutin und malitiös, tvars dann aber stolz sein blondes Haupt zurück und mein te etwas hochmiitigr »Ich bin Spe zialist siir Seelenanalyse.« »Sie glauben, meine Fran· —« »Ja, das Leiden Jhrer Frau Ge mahlin ist ein alsolnt seelischez, nnd in sur-sei Zeit werde ich Ihnen mit sestimmtheit sagen können, nach wel cher Richtung sich dieses ausznbilden1 droht. Ich hoffe aber —«' setzte er,! als er mein Erschrecken bemerkte,; hinzu, »das Leiden auch vollständigs heilen zu können. Adieu. Jch werde wir erlauben, morgen nochmals nach zusehen.« Diese Worte wurden an einem Montag gesprochen. Dienstag, Mitt ivoch Donnerstag wurden Seelen analysen während meiner Abwesen heit vorgenommen und am Freitag ließ mich der Spezialist in seine Sprechstuade bitten behufs Ueber gabe eines Rezeptes. Diese Sprech stunde war so itbersijlkt daß der jun-i ge Arzt nur Zeit hatte mir ein Re-! zept in die Hand zu drücken. Dann verschwand er hinter einer Tür »Ich entfaltete das Rezept und las zu meinem Erstaunen: »Y-Stras3e 49, drittes Schauienster, vierter Ständer·« Hier mus; eine Verwechslung vor liegen, dacht ich mir und wartete, bis sich wieder die Tür anstat. »Pnrdon, Herr Doktor —« Er lächelte. »Sie glauben ich habe Jhnen einen falschen Zettel ge geben«-! Jiein, mein Herr, das stimmt schon. Treten Sie einen Augen blick ein, ich will Ihnen diese Art von Arznei erklären. Jch habe gestern die Diagnose bei Jhrer Frau Ge mahlin aestellt — sie hat die Hut tranlheit « what -—« »Bitte, lassen Sie mich unsreden Jch bin lein oberflächlicher Arzt; ich habe auch bereits die Geschmacksrichs tuug Jhrer verehrten Frau Gemahlin studiert. Dieser Hut, der in der »Y Straße 49, drittes Fenster-, vierter Stäuver ausgestellt ist, wirr- Ihre Frau so sicher heilen, wie zweimal zwei vier ist. Aber Sie müssen mir natiirlich helfend zur Seite stehen« Die Ylpi:tl)ie, in welcher sich Jhres Frau Gemahlin jetzt befindet, ist; schen zu rief eingerissen, als daß sie sofort Interesse gewinnen wird. Sie nüssen sie am Schaufenster vorüber führen, wie zufällig auf den vierten Stander aufmerksam machen, wieder hole über den Hut sprechen, das wei tere ergibt sich schon von selbst. Par don, Sie sehen, meiner harren noch viele Patienten-« Der Spezialist fiir Damen erhob sich und reichte mir die Hand. Ich ging. Erst wollte ich »Er-har latan« aus-rufen und das Rezept fort werfen, aber dann — -—— meine blasse Elly, iuejis veränderter Hausstand — der Eririntende klammert sich am Strohhalm, tlammere ich micli also an einen Hut Groß genug sind sie ja mitunter, um als Rettunggtahn dienen zu können. Sinneno ging Ich nach Hause. »Nun, Erich, wag hat der Arzt ge sagt?« fragte meine lleine Frau, die in einer reisenden Matinee auf der Chaiselougue lag. »Bor allem sollsi du ausgehen, mein Lieb, Zerstreuung ist vie erste Bedingung siir dich.« ,.Al«sgeljen!« stöhnte sie, »ich lsin viel zu schwach dazu. Wißt Ihr, was cn mir vorgeht?« Jhre Träne-i taten mir weh. Am Nachmittag versuchte ich es wieder, sie zum Plusgekien zu bewegen »Tai eg mir zulievet versuche eg. Ich nehme eine Ins-»Ne, irjr fuhren ein we:iig!« Wir fuhren nnd ter les-stiller war genau itstruieii gis-Straße -l:«, sit I les Sel)«useuue:. wie iufjilu .-«:. l).il len. Er til.:(l)te sich etwa-H nn seinems Pferd zu seh-Um »Schat· mnl.« sagte ich, »die schö nen Hiite Dieser b.1«ans dein Vierteil Stirnoer —« Müden Blickes schaute meine Fern-. auf ein Jndell aus goldsarhigetn Roßhaar Init Rohr-Rosen und ein Geriesel von Iijll und Spitzen. Dann niclte sie ein wenig mit dem Kopf, seuszte und sagte matt: »Ja, wenn man gesund wäre!« »Das wird bald kommen-« Andern Tages blieben wir zu Hause. Am nächsten begann meine Zion mir zn erzählen, daß vor ihrer Ohnmacht eine Freundin vei ihr ge wesen, die von Paris gekommen sei. »Den Hut hättest du sehen sollen, Leich, noch ganz anders als der m Der Y.-Ete.iße« »So? —- ossen gestanden, ich hnbe Den ans der Y.-stk. gar nicht mehr im Gedächtnis.« - »Wir lönnen ihn uns jn noch nalg nnfehen,« erwiderte sie. »Viel leicht bin ich nach dem Mittags schläschen kräftig genug, um ausgehen su tönnen.« Wir gingen und standen lange vor Dem Sch.iusecisier. ' »Weißt du was?« schlug i·h ihr wr, »aus Freude über die Fortschrit :e, die deine Genesung macht, will ich Fikl den Hut kaufen, wenn er dir ge ii t." » »Du Gutetl Gefallen tut er mit schon. Aber erstens weiß ich nicht, ob er kleidet, und —- was soll eine trante Frau mit einem Hut?« ,,Komm’ nur, tomm’, gesund wirst du bald sein, die Hauptsache ist, ob er dich tleidet.« Und er kleidete; er bezahlte — stinsundsechzig Franken —- in der ei genartigen Apotheke und wir verlie ßen mit gemischten Gefühlen das Ge schäft. Unterwegs sprach mein Frau chen etwas hastig, ob sie denn auch recht getan hätte, diesen Hut zu wäh len, und nicht den andern, der doch auch so schön sei. Fr. L. mit dem Pariser Hut würde ihr vielleicht bes ser geraten haben als ich. Diese hätte einen exquisiten Geschmack. Eine Robe habe sie getragen, - eine Robe, Erich. . .; sie seufzte, brach ab und brachte ihren alten Satz an: »Wenn man aber doch nicht gesund ist?« Zu Hause probierte sie den Hut, der unterdessen eingetroffen war, noch mals aus, vergaß ihre sonstige Mat tigkeit und zog diverse llmhänge dazu an. Arn Abend holte sie den Hut nochmals vor und meinte, ich hätte ihr doch gut geraten, Fr gefiele ihr ausgezeichnet » · Meine truy tchtcer vorzüglich, be schäftigte sich vormittags etwas im Haushalt und als ich nachmittags « auf einen Sprung sehe1. lam, wie es mei nem Frauchen ging, hieß es; sie sei ausgegangen »Die gnädige Frau hat ten den neuen Hut auf,« fügte etwas ironisch lächelnd das Zimmermädchen hinzu. Tter Seelenlundige tam naturge mäß jetzt weniger-. lssrst als sich plötzlich Weinträmpfe einstellten bei meiner armen Elln, ließ ich ihn wieder holen. Rechnung erhielt ich einen gelben Zettel in die Hand gedrückt, und diesmal stand darauf: »Lasser. Sie unverziiglich von Hoch barg u. Co. las taubengraue Kostiim mit den schwarzen Borten, Fasson Nr. 44, kommen. Garantie auf eine halb iährige Heilung« Mechanisch las ich das Rezept drei-, viermal. Ebenso mechanisch das Aufgedkuckte: »Dr. Leo, Spezia list fiir Damen « Jch seufzte tief — aber toas tut man nicht aus Liebe — fhr zu Hochbnrg erstand für zwei hundertfiinfzig Franken das Kostiim und ließ es meiner tranken Frau zu geehn. Ein paar Tage trug sie es — oen Hut natiirlich dazu, schmeichelte mir nochseinen neuen Sonnenschirm und passende Handschuhe ab und meinte: dem Himmel sei, Dant, es ginge ihr ietzt wieder ganz gut. Nun wolle sie recht oft im Freien sein. Und der Arzt, der brauche natürlich nicht mehr zu kommen, der habe ihr iiberhaupt nicht mal was zu verord nen gewußt « Jch aker drückte ihm dankend die Hand und bin entzückt von dem ,,Spe zialisten fiir Damen«, - —- Mehr lann man nichi ver la ug e n. »Das nenne ich eine aufmerlsame Bedienung! Während ich heut bei meinem Schuster die Ne paratur meiner Stiefel abwarten-, stopfte mir feine Frau gratis die Striinmfe!« —- vLielbsterle n n t n i s. Gen: »Sie sind so schweigsam, Fräulein Jeran era: »Ja, mir fällt heute nichts Gescheites ein.« Ged: ,,Lieber Himmel. wenn ich immer daraus warten wolltet —« —- Wortspiel. — Eulaliak »Als ich noch jung war, waren die Herren ganz ansjer sich, wenn sie mich sahen, jetzt sind sie alle außer Sicht!« ——— Ber der Kasseeoisite. Hausfrau: »Aber, Frau Schulze, nehmen Sie doch Ihrem Gretchen ein Stück Torte mit nach Hause«. Frau Schulze: »Ach nein, ich dunkel« Der lleine Fritz: ,,Mama, sie hat schon zwei Stückchen eingesteckt, als Du draußen warst!« —- Unter Studentianen. »Du vertehrst ja gar nicht mehr mit Deiner Kommilitonin Elsas« »Die ist seit dem letzten Kränzchen im —- Kasseeverruf!« —- Billiges Verlangen. Direktor (zn dem entlassenen Sträf lisig): »Was wünschen Sie noch, Kettner?" Sträsling (ber kurz vorher photo graphiert worden tst): »Mei’ Photo graphie möcht’ ich mir ausbitten!« — Unmöglich. Angeklagter kommen ist): «Darf ich auch ein lder bisher noch nicht zum Wort ge cnal reden, Herr Richters« Richter: »Sie haben selbstredend zu schweigen«. Angeklagten »Aber Derr Richter, wie kann ich denn selbst redend schweige-ji« »