Sonntag-blau de SkaakS Auge-get und errold ,Iieb Don Mf W Die Tite. Stizze von Katharina Lfitelmamn »O Jugend. o holde Rofenzeit, Die Wege, die Stege mit Blumen be ftreut!« so sang ich meiner alten Freundin, Frau von Mitltih, vor. Sie hörte so gern Musitz ihr liebes Gesicht pflegte sich förmlich zu verklären, wenn die Lieder. die sie selbst einst gesungen, von meinen Lippen ih: entgegentön ten. Heute indeß targte sie mit ihrem Beifall und fah ftill vor sich nieder. »Mögen Sie die Komposition nicht'i« fragte ich. »O jn, das Lied ist fehr schön — tann nur in diese Verherrlichnng der Jugend nicht einftimmen." »Warum denn nichts Blickt nicht ein Jeder, dem sie entsiohen auf die Zeit der Jugend zurüel wie auf ein orrloreneo Paradies?« »Ich nicht!« erwiderte Frau von Maltitz lebhaft. »Ich habe mich nie Zuriiagesehnt in meine Jugend; aufs Alter dagegen habe ich mich gefreut —- - und es hat mir Wort gehal ten.« - Einigerrnaszen erstaunt olictie ich sie an. Welch« einen Grund hatte sie, ihr Alter zu rühmen? Alle die Jhriss gen, wag sie geliebt, was ihr ange hört, war vor ihr dahingegangen.« Freilich hatte sie viele Freunde, dies gern auf ein Stündchen in ihr fon uigeo Zimmer traten, um mit ihr zu; plaudern. Denn die Cahe der Unter-s haltung besaß sie in seltenen. GradeJ Auch wenn der Regen an die Schei ben tlatschte, schien ihr Zimmer son nendurchwörmt. Eine milde, heitere Fröhlichkeit herrschte hier, eine liebe volle Anteilnahme an dem Geschick anderer Menschen, dazu ein reges Interesse siir das geistige Leben der Gegenwart, die uns alte angezogen und immer wiederzutehren bewogen. hier schweigen Klatsch und Medi sanre —- selbst die Tsioialität wagte s·.ch nicht hervor in der Nähe der al ten Dame, die mit ihrem weißen Spitzenhäubchen und dem unendlich giitigen Lächeln in dem wohltonser vierten Gesicht wie der Typus der idealen Großmama erschien. Und doch hatte ihr das Schicksal die En kel, die sie besessen, genommen. Welch ein bitterer Schmerz siir die alte Iraut Wie hatte sie sich mit dem schweren Verlust adgesundeni »Es ist eine der poetischckomantis schen Fittionen, mit denen unsere realistische Zeit autriiumen. sollte, stets dge Jugend zu preisen, als sei sie das Glück selber, die Jugend, die doch die Zeit des Werden-Ei ist, die Zeit ver Leidenschaft der großen Schnierzen«, sprach sie weiter. »Ueber die Jugend kommen die vernichtenden Stürme, nicht über das Alter. Jeder Schmerz scheint ihr noch untraghar —- sie bäumt sich ans dagegen, sie tämpst gegen das grausame Schick sal an, dem sie tein Recht einräumen will iiber sich und dem sie doch ohn niaanig gegenuoernean Die hai noch nicht aelerni, sich zu siigen Die Ju gend nur verzweifelt und macht ihrem Dasein ein Ende. Die Tiefe alter Qualen muß sie durchmessen.« »Das aebe ich Ihnen zu; aber hat sie nicht, was-alle Erdenschatien auf wiegt: die Liebes« , »Die Liebe gehört allen Lebensal tern!« widersprach Frau von Mattitz. «Moltten Sie dem Alter die Liebe nehmen, dann freilich verlohnte es sich nicht zu leben.« »Aber Sie können doch nicht leug nen,« erwiderte ich, »das; die Liebe, don der die Dichter singen und die der Höhepunkt, die Krone des Lebens ist, der Jugend iind nur ihr zuteil wird?' »Gewiß nicht; ich weiß aber auch, daß siir eine große Zahl der Men schen diese Liebe, die Sie preiien, Leiden bedeutet; dass sie wie die höch sten Wonnen auch die tiefsten Schmerzen birgt, dasz sie nicht nur die große Erzeugerin alles Lebens, sondern aiich ein Dämon ist, zerstort und vernichtet. Ich sah früher das Bild-viel eines modernen Künstlers, der nach einein heineschen Gedicht die Liebe dargestellt hatte ais ein herrli-« ches Weib rnit eiiieni Fischleib undi Löwenkrallen, die es in das Herz desi Jünglingö schlägt, der es an sich! preßt. Da- schöne Ungeheuer mit den grausamen Krallen niordet Ialltiis cheind sein Opfer. Wollen Sie leug nen, daß das Bildivert eine ewige Wahrheit enthält?« äckEine Wahrheit siir Ausnahme e —« Ulrich das höchste Glück ist Aus nahme.« . »Das hätte ich nicht von J en zu zifan erwarteti Sie sind essimis tn « , »Durchar-- nichtt Ich wende nii nur gegen das Märchen dieses Even-, aus dein Iris das Ilier als Insel sitt derer W vertrieben hat-« »So haben Sie vielleicht eine sebrs traurige Jugend gehabt?« fragte ich mitleidig. »Nicht traurig im besonderen Sin ne, nicht trauriger, als die der mei sten Leute, die ich getannt," entgeg nete sie. »Und dennoch schelten Sie die Ju gend? Jch verstehe Sie nicht.« »Das zu tun, wöre töricht,« mein te sie, »ich behaupte nur, daß ich setzt init 70 Jahren glücklicher bin als da mals, und daß es den meisten Men schen.so geben wird-« »Das lann ich mir nicht vorstel len!« ries ich eifrig. »Die jauchzende Freude, das unaussprechliche Entzüc ken, die mein achtzehnjäbriges Herz zum Himmel erhoben —- ich habe sie später nie mehr empfunden-« »Und sind Sie nicht auch jäh ber abgestiirzt aus diesen Höhen der Etnpsindungi Haben Sie nicht bitter enttiiuscht schöne Jlluswnen begra ben? Und vor allem: Sind Sie sich damals Jhreg Glückes bewußt ges worden? Haben Sie nicht in wildem Dahinsiiirmen vergessen, daß Sie glücklich warens Die Träume dessen, was tommen soll, die Erwartung des unbekannten Glücks, pflegen .1-nö« vnnd zu machen gegen ore Unter, welche wir besitzen. Fiir die Jugend hat nur die Zutunst Wert, die Ge Tgenwart beglückt sie nicht — sie sei Hauch noch so freundlich." s »Gerade die gedanienlose Gliicises tigkeit, diese Heiterkeit ohne jeden Grund sind so süß!« entgegnete ich. »Gewiß sind sie's noch mehr in der Erinnerung, als sie es in Wirilichteit waren. Und wieder senit sich die Wass ge zugunsten meiner Behauptung.’ Liegt nicht in diesem Riicidenlen, in« ver Erinnerung ein Glück, das nur die reiferen Jahre tennen und das durch nichts aufzuwiegen ist? Die Jugend hat teine Vergangenheit Wie arm ist sie gegen das Alter-, hinter dem ein reiches Leben tiegtt« »Die Gesellschaft denkt nicht wie Sie,« hub ich nach einer Pause von neuem an. »Was gelten ihr die Frau, das Mädchen, die nicht mehr jung sind! Die erstere wird allen alls noch durch ihren Gatten und de en Stel lung getragen — das Mädchen ist eine Null, die man erbarmungslod beiseite schiebt, sobald sie altert." »Da-siegt an der Unnatur unserer Verhältnisse! Die sogenannte Gesell schaft gebraucht ihre Feste ais Hei ratsmartt, und die Beziehungen der beiden Geschlechter zueinander sind dort die einzig entscheidenden Die Geringschätzung des alternden Mäd chens, das angebetet wurde, so lange es jung war, beweist das. Wie wert los ist das aber fiir denleclde Men schen!« »Das sagen Sie wohl!" rief ich; »wie schwer ist eg aber, vom Schau play abzutreten! Wie schwer abzu schließen mit dieser geliebten Jugend und zu verzichten auf all die Freu den, die sie gewährt! Zahllose but-is sene, mifzgiinftige, alternde Geschöpfe legen davon Zeugnis- ab.«« Sie sah mich mit den grauen Augen liebevoll an. »Das lieber gangsstadium ist nicht angenehm, liebes Kind, das geb' ich zu; aber wie löstlich ist’s, das lächelnde Ueber-win den, das Sichbescheiden zu lernen! Wie start und frei fühlt man sich dann ersi, wenn man all den Bailast des gesellschaftlichen Zwange-, törich ter Vorurteile von sich geworfen! Nur der Alte iann frei sein! lind das Kämpfen mit sich selbst geht dann auch zur Ruhe; nur noch äußere Schietungen fechten uns an. Wir lau fen in den stillen haer des Alters ein, wo harmonie und Friede herr schen.« »Ich drückte ihr bewegt die Hund. »Weil Sie selbst, teuerste Frau, Har tnonie und Friede sind — wohl im mer waren —« »Durchaus nicht,« siel sie ein. »Das Leben ist mir nicht leicht gewe-« sen und ich habe es mir noch weit schwerer gemacht, als es ohnehin schon war.« » Jch schwieg; ich wagte nicht, xsie um nähere Mitteilungen zu bitten. Endlich sagte ich leise: »Und die traurige Vereins-unums, das Nieder sehen aus die vielen Gräber derer, die mit uns geliebt, gelitten2« Sie blickte mit verliärtem Antlitz saus. »Gerade die leisten uns Gesell .schast. Wir sind nicht einsam, ich bin les nicht — und habe ich nicht auch iliebe Freunde, die zu der Alten korn Tinen, einzig, weil sie ihr gut sinds sAls ich jung war, ja, da war ich ost :einsam; innerlich einsam untet vielen 1Menschen —- dai ist schwer und trau rig. Jett bin ich nicht einsam.« l »Aber wie drückend, das Abnehmen Ider Kriiste zu siihlen, zu empfinden, sdasz man statt wie einst zu stufen, nun ver StiiIe bedarf, daß man ein nusloces Geschöpf wird —« »Liebe Freundin, Sie stehen falsche Schlüsse! Gerade unsere Zeit sollte sie eines besseren belehren. Es ist die Zeit der trastvollen Greise.« »Ausnahmen1enschen." »Auch unter den Gelehrten, den Künstlern, ja sehst in unserem Uni gangslreise, überall ragen oder rag ten die Alten empor, ivie die weißen Häupter der Schneeberge am Rande des Alpental5. Denken Sie an Ranke, Mensch an Mominsen, Heimholn nnd Virchow. Die Siebzigjäbrigen ster ben viel zu früh, wenn sie gehen — sie sind noch in voller Schaffenstrnst. iGoethe schrieb die Wanderjahre und Iden zweiten Teil des »Faust«, als er den Achtzig nahe war." »Ja, aber das Siechtum des Al ters —- es muß doch schrecklich sein, ich fürchte mich davor!" »Ja der Praxis macht sichs nicht so schliinm,'« erwiderte Frau von Maltiy lächelnd. »Sehen Sie mich an. Jch bin gesünder jeßt, als ich früher war. Es gibt ein frisches Al ter, wie es leider auch eine sieche Ju gend gibt. Und wieviel trauriger ist es, die Knospen und Blüten vor der Zeit dabinwelien zu sehen, als den natürlichen Bedingungen alles eris schen zu unterliegen! Für die Jugend ist der Tod der wilde Knocheninann. der erbarmungslos und grausam das schönste zerstört; uns Alten ist er der Freund, der nicht zu strafen kommt, wenn er seines Amtes waltet; er ist der große Tröster, dem wir sehn suchtsvoll die Hände entgegenstreis tm — »Halt, gnädige Frau! Das wider spricht Ihrer Theorie. Wer gerne lebt, sehnt nicht das Ende herbei.« Sie neigte zustimmend den Kopf. »So sage ich: den tvir getrost and ruhig ertvarten.« Jch schwieg; ich bewunderte die liebe Frau, die aus dem vielen tin gliick, das sie getroffen, sich eine so harmonische Lebensauffassung geret tet. «Edler Wein wird besser mit den Jahren,« sagte ich endlich schließe-id. »Gewiß.« versetzte sie ernst. »Bes ser sollen wir werden, nicht schlechter« med glücklicher-, nicht das Gegenteil-. Mag man nun von der christichen Vorstellung des irdischen Jammerta les ausgehen oder die Jugend fiir das Paradies halten, aus dem wir ver trieben werden — ein jeder muß doch fühlen, daß Gott das Leben nicht in absteigender Linie gezeichnet hat, son dern in aufsteigender. Aufwärts geht unser Weg. Wir sollen durch Kampf zum Sieg gelangen, durch Stürme zum Frieden eingehen. Das halte ich fiir die Jdee, die unser Schöpfer in unserm Erdenleben verwirklichen tvill. »Neis sein ist nlles,« sagt der Narr im »Lear«. »Warum hat noch niemand den Rom-are des Alters geschrieben-« ries ich, entzückt von der alten Freundin. »Weil Friede und Ruhe schöne Dinge sind in der Wirklichkeit, aber sich wie die Tugend nicht riihtnen lassen, da sie für andere Leute sehr langweilig sind,« sprach sie lachend »Es genügt ja auch, daß der, welcher sie besitzt, sich ihrer erfreut.'« W Pfarrer Hansjakob über das Heira H ten. Der vor turzem verstorbene badi sche Volksschriststeller Pfarrer Hein rich Hangsatob erzahlt in eine-n sei ner Bücher ein hübsches Geschichtchen aus seiner Tätigkeit als Pfarrer. Zu ihm tam ein Märchen vom Lande« das ihn öfters hatte predigen horen, und trug ihm vertrauensvoll ihre Ge wissengbeschwerden vor. Sie erzahl te, sie möchte gern heiraten, aber in ihrem Gebetbuche stehe eine so große Lobtede aus die Jungfräulichteit, daß sie immer wieder Bedenten bekomme, was sie auch selbst und ihre Eltern so sehnlichst wünschten. Sie berich tete, daß ein braver Bursche, der ihr wohl gefalle, um sie angehalten habe, aber sie tönne doch zu teinem Ent schluß kommen, denn jedesmal am ,Sonntag, wenn sie in der Kirche ihr Gebetbuch aufmache, salle ihr das Gebet über die Jungfräulichteit un willkürlich in die Augen und mache sie stutzig. hansjaiob erzählt weiter: ,·Jch ließ ntir das Gebetbuch geben, risz das Blatt, welches die Strupeln hervorrief, heraus und gab der hei ratslustigen das Buch zurück mit den Worten: »So, Jungfer, das Gebet will ich siir mich behalten, und Jhr geht jetzt heim und heiratet.« Glück lich über diesen Rat ging das Mäd chen von dannen. Nach einem hal ben Jahre begegnete ich ihr wieder aus der Straße. Sie iacn auf mich zu, gab mir die lBand und sprach: »F dank au vilrnol sür Eure guate Rotz i han Euch gsolget und bin ans glücklich.« Und ich war auch roh, zu diesem Glück betgetrages II habe-R Die glätlrltche graut. i » Ein Frauenbild von Maria Zimm. s Sie kann lesen und schreiben, hö-. zieln und nähen und lachen, ein tre snig kochen, die Zimmer ausräunikti,1 ssa fast ein bischen singen. Ein lusti-’ Eges Gesicht hat fie, vielversprechenre if warze funtelnde Augen und rote l angen über einein weißen Hals. Mehr von ihr hat nicht einmal die eigene Mutter zu sehen bekommen. Das schwarze Haar trägt sie slott getraust, und alles strebt aufwärts bei ihr, vom treten Nägchen begonnen bis zu den Schuhsohlen hinab. Als sie ans der Klosterfchnle nach Hause tam und mit ihrer netten Gestalt nnd ihrem unternehmenden Blick durch das Dorf lief, dachte jeder-, der sie saht diese Tochter wird die Frau Rentnieistee bald los-! Milerl war natiirlich immer ker Liebling der Eltern. Da sie eine öl tere Schwester besitzt, ift es selbstver ständlich, daß Miit stets geschont und Trude iiberanstrengt wurde. Trude hat etwas unendlich Gedul diges im Blick und Befcheidenes in ihren Bewegungen. Sie hält sich im mer leicht gebeugt, als gälte es, sich über den Waschtrog oder das Bügel breti oder den Kochherd zu neigen. Das Leben des Weibes zeichnet sich in solchen gebogenen Linien. Auch iiber die Wiege muß es sich bücken nnd über das Antlitz der Sterbenden. Trude ist hübscher als Milerh aber das bemerkt niemand, weil jeder oon Trade gleich- zur Miterl tvegsiebt. »Die Trudta Paßt besser file einen Lehrer,« sagen die Nachbarinnen nnd sehen damit ein Leben unsägliazer Aufopferung als das rechte für Tru de an. »Ich erzieg’ mir keine grpfzcn Danien,« versichert mich die Frau Rentmeifter, fie sprach das Deutsch in ihrer Art. »Meine Mädel müssen arbeiten, darauf komme vor allem an." Und da die Jüngste wenig schasfle, mühte die Aeltere sich siir zwei. Bei der ersten Liedertasel, die das Elternpaar mit feinen Töchtern be suchte, fand Miterl sogleich Scharen von Tänzerm Man sollte meinen, dafz bei einer Liedertafel getafelt und gesungen wurde, aber das ist durch aus nicht der Fall. Das Fest beginnt wohl mit ein paar gemischten Chören, verwandelt sich aber sofort in ein Tanzvergniigen. Trude tanzte auch, aber selten, nnd weil sie darum ein wenig verdrossen herumiah. ließ man sie bald ganz sitzen. Während Miterl init einem jun gen Photographen im Walzer schwelgte, sah Trade betrübt vor sich hin. Sie mochte wohl an den jungen Lehrer denken, der sie einst geliebt hat. Er trug langes Haar, und daher nahm ihn die Mutter nie ernst. Sie sagte gleich: »Trudta —- bild Dir ihn nur ni’ ein — solchene Manns bilder mit langen Locken sind unver ltifilieli.« Und die Mutter behielt recht. Eines Sonntags —- er ioar nur an Sonntagen erschienen wie das Blatt der Hausfrau —- blieb er aus. Niemand wußte, wohin er sich ge wandt, in wessen Augen er nun trau inerisch blickte Trude hatte ihn seit drei Jahren nicht wiedergesehen. Milerl tanzte sich rotgliihend; sie slog init dem Photographen noch nn nier durch den Saal, als schon die Musik verstummt war. Am nächsten Sonntag machte der Photograph seinen ersten Besuch, der vom Morgen bis in den Abend währ te. Er brauchte nicht lange um Mi lerl zu werben, die ganze Familie sagte ihm ein freudiges Ja. Eduard zählt 25 Jahre, trug einen reisenden Schnurrbart, war einer Jungfrau einziger Sohn, hatte sehr viele Aussichten siir die Zukunft und genügend Einkommen in der Gegen wart, um ein Miterl zu ernähren. Er hatte sich sogar eine Pensionskasse verpflichtet, und das machte den be sten Eindruck auf die Frau Rentmei ster, die seit 85 Jahren vor dem Augenblick zittert, da ihr guter Mann sie völlig mittellos, ohne Pensionsan sprüche zurücklassen wird in dieser schönen, lachenden Welt. Das verlobie Paar war überglück lich. Arm in Arm iändelie und hüpfte und sprang es durch die Sonntage. An Wocheningen saßen beide ganz still und iräumien von einander, Eduatd beim Retouchieren, Miierl beim Nähen der Aussiattung· Und während Eduard den ältesten Frau engesichiekn die Falten hinwegtünsiels te und ihnen frischen Jugendglnnz gab, siickie Miietl die schönsten M. B. in ihre Wäsche, M. B. mit Blätt chen, M. B. mit zatiem Liniengesüge und M. B. ganz schlicht, »onne nichts«, wie die Frau Rentcneisiet i t. oDsln Menschen Wocheniagen sing Simotd su seiner Braut aus einem erborgten Zweirad. Das gab dann ein Küssen ohne Ende ,,ohne nicht5«. Die Begriißungs- und Abschievsliisse schwammen in einander. Keine Gren ’zen leaxen zwischen ihnen zu ziehen. Ednnrd tvollte rnsch heiraten, und seine Pläne begegneten gar keinem Widerspruch in der Familie der Braut. Die Mutter stimmte stets sür einen kurzen Brautstand: ,,Denn loo zn das Herumgezieg'!« So nannte sie die schöne Brautzeit. Dem Vater tvar alles recht, was die Mutter angab. Er hatte in seinem Beruf genug zn tun und gehörte seiner Familie nur in der Mittagshast und der Abend rast an. Milerl hätte am liebsten schon nächste Woche geheiratet s Zwei Monate wurden doch als schickliche Brautzeit festgesetzt. Die Verlobung wurde aus feinen Hell grauen Karten angezeigt, aus denen ’der vlasse Kopf einer Jungfrau Ischwebte mit einem Arm, der Körper Jivar verschwunden s »Svlche Karten hat man jetzt « er klärte Milerl Sie wußte das von sihrem Bräutigam, dem sie alles Wis sen verdantle. Besonders viel war ldas nicht, denn wenn sie bei einan der saßen, schienen die Lippen zum Reden nicht geschassen Die Frau iiientmeister hatte in die sen zwei Monaten ihre eigenen und alle Hände Trndeg voll zn tun. Was gab es sur Sorgen und Mühen, uin die Ausstattung sertig zu stellen, möglichst reichhaliige Einläuse zu machen mit dem geringsten Einsatz an Geld. Zur Kilnstlerin entlvitrelte sich die alte Frau in diesen Wochen Trotz allem Fleiße der Trnde mußte eine Näherin ans der Stadt tommen, um die Kleider zn nähen. Endlich waren sie fertig, Miterl machte mit dem Bräutigam, dem Vater lind Trude die Brautvisiten und elnpsing bald daraus die Olegenbeslld;e. Ich habe nie eine glücklichere Braut ge seyen. Sie und ihre Mutter führten die Gäste in die gute Stube, die zur Hälfte als Fremdenziminer diente. Zwei große Betten mit hochgeschobes nen Polstern drängten sich an die Wand. Jn einem Wintel stand ein kleiner Koffer. Der barg Milerlö ganze Ausstattung Sie zeigte sofort ihre SrÆßr. allen voran sechs Dem-s den, deren Bruftteile sie noch im Klo ster gestiat hatte mit Pünktchen, Blättchen und Lückchen. ,,Wo lJcist De denn das mit den Wohllaut-W —- fragte die Mutter leise. . »Je- schon dabei ——« ich bewunderte es sogleich, auch ein »Nucl)tlamisol«, wie die Frau Rentineister es nannte, mit schmalen Streifchen, einen wei ßen Bettiiberzug nnd zwei tarriertr. »Die bunten sind Prattisit)er,« sagte oie Mutter —- zwei Kaffeeti.icher mit Fransen, ein Ueberhandtuch, auf dem große rotfeidene Fuchsien mit lebhaf ten griinen Blättern einen set-weinten den Freudentanz aus-führten. Es war alle-«- ein bischen plump, was Miti gesticlt hatte-, als hätte es so dicke Wangen wie sie selbst, aber es war nett und sauber. Sehr viele Schach teln lagen noch iin Koffer, in allen Größen und mit schönen gemalten Blumen auf den Deckeln Dort hatte Miit ihre Wertsmtxsssn an Bändcyen und group-Un .L)·.inds2l:nt!c:s nnd Spit zenkravatten get-argen Jetzt tam Linden Mindestens oier Kilo hatte sie in den letzten Jsxijnnxssn zugenommen Sie war ioiktlich hab-ich geworden. »Vorziiglich sehen Sie aus!« rief ich. «No ja, man mußt se doch a dile ausfuttern zur Hochzeit, die Mädel beide, damit se doch was gleich schau en!« sagte die Frau Rentmeister, oor Freude lächelnd. »Ich bin mer so dick und die Mädel waren foo mager, sol chene Flintchen -—« Die gute Frau, was sie alles zu mästen gehabt hatte für die Hochzeit, —- ein Schwein, acht Enten, sechs siapaune und ziver Tochter! Und alles war vorzüglich gelungen. »Viel leicht zahlt sichs bei der Trudta uns — innn kann ni wissen!« »Aber Mutter!« ries Trade ver schämt. ’ Miti zeigte das weiße Brautkleid, das war aus leichtem Wollstoss ge näht. ,,Solche Aermel trägt man ietzt —« erklärte sie mir und wies aus die großen Ballons. Jch glaube, man trug sie so vor zehn Jahren »Ein schwarzes Kleid hab’ ich auch!« jubelte Miti. »Das hnb’ ich mir schon ihmer gewinscht —- Ietzt endlich hab’ ich’s!« »Sei srooh, daß d’ es ni’ eher kriegt hast — s’ wär’ soo nur a Trauerlleid geivorn,« meinte die Mutter-. —- Blusenstosse hatte Mili auch noch, und »ganz was Einsnches süts Haus« —- onne nichts —« Trade zeigte ihr Bra.itjungser Kleid und das der kleinen Schwester-, die eben aus der Hochschule war, um in Mtlis Fußstaper zu treten« Z c f l »und wo haka denn Sie Jhk iKleid. Frau Rentmeister?« »A ich hoh kans —- dos wär schon zu viel! Jch zeig mich ja nie oihl!« »Die Mutter wird ja so meistens in der Kiihl sein,« sagten beide Mäd chen fröhlich und fanden das selbst verständlich Und de Mutter lachte. Sie kochte so gern, nun wollte sie einmal nach Herzenslust kochen ,,Alleg hab ich schont« sagte Miit beglückt und hing das Brauttleid in den Schrank zurück. —- »Auch eine Wohnung?« Die schien ihre geringste Sorge· »Nein! die noch nie. A Zeit lang bleib ich noch hier, bei der Mut ter —- s« s nix Passendes jetzt in der Stadt zu triegen.« »No, no, lang wird er Dich ja nie hier lassen.« tröstete die Mutter-. Der Miti blieb das gleichgültig. Das schwarze Kleid, die Hochzeit und das Küssen war ihr die Hauptsache »Wird es eine große Hochzeits« fragte ich· »O nein,« sagte sie, »nur 30 Per sonen.« Am liebsten hätte sie d:ei hundert eingeladen. ,,Werden nicht auch ein paar Leh rer kommen?« erkundigte ich mich mit einem Blick aus Trude, — die sich errötend ablvandte. L O ja, fünfe. Auch der von frijher tomint her —- er hat sich die Haar« abschneiden lassen untz schaut jetzt re pntierllch an's, ni wahr, Tende?« Trade lächelte und zürnte in einem. Miti liebloste noch immer ihre Schätze. Steine Prinzessin konnte die Kostbarkeiten mit größerer Sorg falt verwahren, als Miterl die Schachteln mit den blumigen Deckeln. »Na, wenn se nur glücklich wird,« sagte die Mutter. »Auf en hohen Be amten konnt ma ni warten — also hab’ ich mir aentt —- foll der Fortv graf se kriegen« »Wenn sie nur glücklich bleibt,« hätte die Frau Rentmeister sagen · müssen Seliger als Miti konnt ich keine Braut mir denken. Mit glühen den Wangen schloß sie den Koffer, der ihre Zukunft barg. —- Jch sah sie an. Mhriaden Dinge, die den Genuß der Gebildeten bilden sind ihr fremd. Fiir sie hat Michel Angel-) nie gelebt nnd niemals Cäsar, kein Dante hat für sie gedichtet nnd kein Beethoven gedacht. Sie kennt tein Sehnen, kein furchtlofeg Streben, lei nen Dilettantismus nnd keine Kunst. Sie tennt Vater nnd Mutter, Ge schlvister nnd Bräutigam, und in fünf oder sechs Seelen liegt ihre Welt. —- Den Bräutigam und das schwarze stleid — mehr hat sie sich in ihrem ganzen Leben nicht gewünscht, nnd nnn erhält sie beide — fast zu gleicher Zeit. Später wird sie noch andere Dinge bekommen, Kinder und Sorgen und ein paar Falten, aber die Heiterkeit nnd die Frische wird sie sich bewahren, wie ihre Mutter sie sich bewahrt hat« nnd ihre Töchter werden vermutlich auch nichts- wis sen von Rasael und Kant... Wir aber müssen uns LUtensehen »erziegen«, für die jene gewirkt ha ben. Wenn auch ein bißchen Glück darüber verloren geht und ein großer JTeil Freude unter dem alten Staub leidet, den die Jahrhunderte in unser Hirn ivirbeln... Bei Miit-J Anblick fiel es mir ein: .-nuf; das seint Wir suchen immer ge slehrtere Bräute in die Welt zu brin gen, tvir jammern nach Bildung — aber wiire es nicht klüger: ein wenig weniger Bildung und mehr Frische? ein wenig weniger Kenntnisse und mehr von jenem unmittelbaren Jubel des Empfinden5, den kein Wissen der Welt auftviegen kann? Ein wenig mehr Natur in die Kul tur —? W-— Nietzfehes Eindrücke von der Schlacht. Frau Elisabeth Förster-Nietzsche teilt in dem Buche ,,anner und Nietzsche zur Zeit ihrer Freundschaft« mit, wie ihr Bruder das Erlebnis einer Schlacht empfand. Nietzsche hat bekanntlich einen Teil des deutsch sranzösifchen Krieges als freiwilliger strankenpfleger mitgemacht Er selbst hat seiner Schwester erzählt, daß ei nes Tages, wo ihm nach schmerzlich sten Erlebnisfen das Herz vor Mit leid sast gebrochen war, er verschie dene Regimenter des deutschen Heere-s voriiberstiirtnen sah, der Schlacht, dem Tod entgegen, prachtvoll in ih rer Lebenskraft und Kampfes-mit und vollständig der Ausdruck einer Rasse, die siegen, herrschen oder untergehen will, »Damals hätte er zuerst aufs tiefste empfunden, daß der stärkste und höchste Wille zum Leben nicht in einem kümmerlichen Ringen ums Da sein-sum Ausdruck kommt, sondern als ille zum Kampfs als Wille sur Macht und Uebermacht.«